Zu wenig, zu spät – Deutschlands Versagen in Geisel-Deals

Die Schreckensmeldung der Exekution des Deutsch-Iraners Jamshid Sharmahd war noch nicht verklungen, da räumte das iranische Mullah-Regime ein, der Tod sei eigentlich schon acht Tage zuvor eingetreten. Mitverschuldet hat den Tod in jedem Fall die deutsche Außenpolitik, die sich nicht konsequent genug für die Freilassung des Doppelstaatlers einsetzte. Von Munawar Khan

picture alliance / Flashpic | Jens Krick

Jamshid Sharmahd steht in einer langen Reihe von Festnahmen oppositioneller Doppelstaatler oder Deutscher im Iran, die gegen im Ausland verurteilte Iraner eingetauscht werden. Der zuletzt in den USA lebende Softwareentwickler und Exil-Oppositionelle war vor vier Jahren beim Dubai-Zwischenstopp einer Geschäftsreise von iranischen Geheimdienstagenten verschleppt worden. Er erlitt Folter, die in einem dadurch abgepressten „Geständnis“ und einem Todesurteil mündeten – nach einem Schauprozess wegen Terrorvorwürfen.

Trotz internationaler Kritik:
Deutsch-Iraner Jamshid Sharmahd im Iran hingerichtet
Seine Tochter gibt in einem Interview an, dass zu diesem Zeitpunkt bekannt war, dass er gegen den Iraner Asadollah Assadi eingetauscht werden sollte. Assadi war Iranischer Diplomat in Österreich, der bei seiner Durchreise 2018 in Deutschland festgenommen wurde. Er wurde dann aber in Belgien zu 20 Jahren Haft verurteilt. Das Gericht in Antwerpen stellte den kriminellen Akt eines terroristisch motivierten Bombentransports über die diplomatische Immunität fest. Doch statt Sharmahd kam im Mai 2023 im Austausch nachweislich ein Belgischer Staatsbürger frei, die Rede ist sogar von drei weiteren europäischen Staatsbürgern.

Als Antwort auf die erneuten Sanktionen, die Deutschland gegen den Iran wegen der gewaltsamen Niederschlagung von Protesten 2023 verhängte, wurde hingegen Sharmahds Todesurteil von einem Gericht bestätigt, der schwedische Staatsbürger Habib Chaab hingerichtet sowie vier der Demonstranten. Sein Schicksal geriet in einem Strudel von Exekutionen und damit in Vergessenheit.

Bei der Bundespressekonferenz 2023 gab der Regierungssprecher Steffen Hebestreit zu, dass sich der Bundeskanzler nicht für Sharmahd einsetzt. Der Fall liege im Außenministerium. Von dort hieß es, es gebe ein Sondereinsatzteam und der deutsche Botschafter sei in Teheran vorstellig geworden. Offensichtlich etwas halbherzig.

Deutsche sollen selbst ihre Geiselnahmen verhindern

Gazelle Sharmahd, die unermüdlich für die Freilassung ihres Vaters eintrat, bezeichnete in einem Post auf der Plattform X die Regierungen von Deutschland und den USA als „korrupt und inkompetent“. Es wirkt allerdings auch wenig überzeugend, dass Bundeskanzler Scholz die Hinrichtung „auf das Schärfste“ verurteilt und bemängelt, Sharmahd habe nicht einmal die Gelegenheit erhalten, sich im Prozess gegen die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu verteidigen. Damit legitimiert er nachträglich den Schauprozess.

Der Iran will mit den Maßnahmen gegen Oppositionelle vor allem dokumentieren, dass sie in keinem Staat der Welt dauerhaft vor seinem Zugriff sicher sind. Sie sind genauso wehrlos wie jene iranischen Frauen, die auf den Straßen demonstrieren und denen gezielt mit Gummigeschossen ein Auge zerstört wird. Das Schicksal der jungen Studentin Ahoo Daryaei, die sich vor kurzem aus Protest gegen die Bedrängung durch die Sittenpolizei bis auf die Unterwäsche entkleidete, steht für sich. Sie wurde wegen ihrer „psychischen Labilität“ in ein Zentrum für Spezialbehandlungen eingewiesen.

Sharmahd war eine politische Geisel, die für einen Austausch geplant war, wie die anderen, der im Iran derzeit inhaftierten Doppelstaatler, deren genaue Anzahl von der Bundesregierung nicht bestätigt wird. Sie hoffen auf eine „stille Diplomatie“, die sie weltweit zur Ware in politischen Deals werden lässt. Die Warnung des Auswärtigen Amtes Anfang November, Deutsche und Doppelstaatler sollten jetzt den Iran verlassen um weitere Geiselnahmen zu verhindern, ist ein Zeugnis der Hilflosigkeit diplomatischer Bemühungen.

Deutlich wird, dass die Berliner Regierung mehr Druck aus der Öffentlichkeit benötigt, um nicht einfach zur Tagesordnung überzugehen, sondern sich ernsthaft für die Freilassung noch Inhaftierter einzusetzen. Wenn jetzt zur Gesichtswahrung drei iranische Generalkonsulate geschlossen werden, ändert das an der bitteren Realität misslungener Geisel-Deals nichts.

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Kommentare ( 19 )

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Der Person
28 Tage her

„Der in den USA lebende Jamshid Sharmahd war Sprecher der Gruppe Kingdom Assembly of Iran (auch bekannt als Anjoman-e Padeshahi-ye Iran), einer iranischen Oppositionsgruppe mit Sitz in den USA, die für den Sturz des Systems der Islamischen Republik, auch durch Gewalt, und eine Rückkehr zum vorislamischen Iran eintritt. Er hat auch die Webseite der Gruppe, Tondar.org, erstellt und verwaltet und ihre Radio- und Videoübertragungen moderiert. Auf der Webseite finden sich auch Erklärungen der Kingdom Assembly of Iran, in denen sie die Verantwortung für Bombenanschläge im Iran übernimmt. […] Die Gruppe setzt sich für den Sturz der Islamischen Republik und die… Mehr

Peter W.
28 Tage her

Bei der Büroleiterin des Äusseren kein Wunder. Grosses Mundwerk wird in der Politik immer bestraft, oder glaubt Frau Baerbock mit ihren schrillen Thesen und vor allem den Belehrungen im Iran besonders gut anzukommen. Ein Toter mehr den man vielleicht hätte retten können.Nur mit deutscher Grossfraussucht können wir weltweit nichts mehr bewegen. Nicht mehr nach Merkel und auch nicht mehr mit der Ampel.

J. Braun
28 Tage her

So macht man sich als Land erpreßbar, wenn man jedem, der Lust darauf hat, die Staatsbürgerschaft gewährt. Da wird dann aus einem Perser mit deutschem Paß, der ja wohl gar nicht in Deutschland lebt — jedenfalls äußerst sich seine Tochter aus Amerika — auf einmal ein Deutsch-Iraner, als hätte er deutsche und persische Vorfahren. Und weil der ein nicht ganz koscheres Verhalten zeigt (und auch seinen iranischen Paß nicht wegwirft), wird er von den Iranern geschnappt, vor Gericht gestellt und dann zum Tode verurteilt. Und nun muß die deutsche Regierung so tun, als würde sie sich für diesen Mann engagieren.… Mehr

Fieselsteinchen
28 Tage her
Antworten an  J. Braun

Der Mann hatte tatsächlich nur einen deutschen Pass und nicht einmal eine permanent Residence (“Green Card”) erhalten, in all diesen Jahren. Warum? Also bleibt nur ein sog Businessvisum übrig, denn ein Asylanrecht stand ihm wegen des deutschen Passes nicht zu.
Pech gehabt! Möglicherweise war dieser Befund auch dem iranischen Geheimdienst bekannt. Denn mit der Entführung eines US-Bürger aus Dubai in
den Iran hätten die Iraner nicht gespielt. Diplomatisch viel zu heiß.

verblichene Rose
28 Tage her

Ich möchte „Deutschland“, respektive das auswärtige Amt wirklich nicht in Schutz nehmen, aber jeder Mensch ist für sich selber verantwortlich.
Aber hat Jamshid Sharmahd denn wirklich geglaubt, dass ein deutscher Pass ihn vor Verfolgung schützt?
Genutzt hat das Exil also nichts, aber aus dem Exil heraus lässt es sich vermeintlich gut opponieren, was man bei so manchen „Flüchtlingen“, die hier in Deutschland demonstrieren, bestens zur Schau gestellt beobachten kann.

Nihil Nemo
28 Tage her

Seit 2018 ist die deutsche Diplomatie unprofessionell, um nicht zu sagen, ein Trauerspiel.

Fidgety-Feet
28 Tage her
Antworten an  Nihil Nemo

Das war sie schon immer, wenn es um solche Fälle ging. Ich spreche aus eigener Erfahrung.

Siggi
28 Tage her

Israel hätte sofort die 10-fache Menge an Geiseln nehmen und jeden Tag einen öffentlich hinrichten müssen, bis die Geiseln frei sind. Eine andere Sprache verstehen die Terroristen nicht.

h.milde
28 Tage her

Wenn man noch die in/direkten Uneterstützungnen der genozidalen Hamas & Hisbolah, sowie der ver chiedenen linksGRÜNEN NearGOs durch das „AA“ nimmt, die illegalen Massenschleusungen von Afgahnen OHNE Rehctsgrundlage und die vielen Verbrechen die von denen hier ua.Ländern begangen wurden, etc.etc.etc. dann kann man zu dem Schluß kommen, daß kein Ozean der Welt so viel Wasser hat, um all das Blut von den Händen unserer „wertegeleiteten“ GRÜNEN Außenfeministerin Bärbock & Komplizen zu waschen.
Miserere

twsan
28 Tage her

Entsetztlicherweise muss die Frage gestellt werden, wo die „deutsche Politik“ denn nicht versagt.

Man soll ja nicht verallgemeinern – aber aus dem Blickwinkel „freiheitlich-demomokratische Grundordnung“, „Wirtschafts- und Industriestandort Deutschland“ sehe ich persönlich absolut nichts, was die letzten 16 Jahre NICHT mit zunehmender Geschwindigkeit und Intensität an die Wand gefahren wurde und wird.

Last edited 28 Tage her by twsan
Cimice
28 Tage her

Inhumanität hat bei Rot-Grün Tradition. Wer erinnert sich zum Beispiel an den Fall des Deutsch-Türken Murat Kurnaz, der unschuldig über vier Jahre Haft in Guantánamo erdulden musste? September 2002 wird K. in Guantánamo von deutschen Beamten vernommen, die zur Überzeugung gelangen, dass er unschuldig sei. Die USA signalisieren, dass sie Kurnaz freilassen wollen, Deutschland will ihn aber nicht einreisen lassen(!) Ende Oktober 2002 entschieden die Chefs der deutschen Sicherheitsbehörden unter Führung des damaligen Kanzleramtschefs und heutigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, für Kurnaz solle eine Einreisesperre erlassen werden und er solle in die Türkei abgeschoben werden Die Bremer Behörden entziehen Kurnaz im… Mehr

Der blaue Klaus
28 Tage her

Der Fall liegt beim Außenministerium!?? Oh, Oh. Da sehe ich aber schwarz, steht diesem Ministerium doch Annalena egal-was-meine-Wähler-denken Baerbock vor. Und die macht doch erklärtermaßen eine feministisch wertegeleitete Außenpolitik. Also für mich ist klar, warum sie sich nicht ins Zeug gelegt hat. Aber wenn ich es mir richtig überlegen, als im Iran Demonstrationen wegen einer totgeschlagen Frau, die nicht der Kleiderordnung entsprach (ich kann mich nicht erinnern, ob es vor 2 oder 3 Jahren war, Baerbock war aber schon schauspielende Außenministerin), da habe ich auch nichts von Baerbock gehört. Ich glaube so langsam, da ich noch nicht von irgendwelchen diplomatischen… Mehr