Hessens FDP und AfD fordern Ende von „Hessen gegen Hetze“-Meldestelle

Nach der Hausdurchsuchung bei Professor Norbert Bolz fordern FDP und AfD in Hessen, die berüchtigte Meldestelle "Hessen gegen Hetze" einzustellen.

picture alliance/dpa | Boris Roessler

Das Denunziantentum scheint den Deutschen in den Genen zu liegen. Dem Dichter des Deutschlandliedes Hoffmann von Fallersleben (1798 – 1874) wird – quasi als „deutsche“ Diagnose – folgender Vers zugeschrieben: »Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant.« Und 1884 erschienen im Satireblatt »Der Wahre Jakob« die Verse: »Verpestet ist ein ganzes Land, wo schleicht herum der Denunziant … Der Menschheit Schandfleck wird genannt der niederträchtige Denunziant.«

Hat diese Kritik Wirkung gezeigt? Nein. In den beiden deutschen Diktaturen des 20. Jahrhunderts wurde das Denunzianten(un)wesen geradezu perfektioniert. Weiter perfektioniert wird es nun auch im „besten Deutschland, das es jemals gab“ (Steinmeier am 3. Oktober 2020). Immer neue „Meldestellen“ schießen aus dem Boden: staatliche und staatlich geförderte private. Dafür wurde – unterhalb des Strafgesetzbuches – ein neuer Tatbestand erfunden: „Hass und Hetze“.

Einen regelrechten Schub hat die Feststellung eines solchen „Tatbestandes“ durch den damaligen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) Thomas Haldenwang erfahren. Plötzlich war von Beobachtungsanlässen „unterhalb der Strafbarkeitsgrenze“ und von „verfassungsschutzrelevanter Delegitimierung des Staates“ die Rede.

Mit Delegitimierung war Kritik an Repräsentanten des Staates gemeint. Die Folgen sind bekannt: Die „grüne“ Ex-„Eliten“ Baerbock und Habeck erstatteten bis Herbst 2024 800 resp. 500 Anzeigen wegen vermeintlicher oder realer Beleidigung. Zugleich schossen „Meldestellen“ aus dem Boden. In der Coronazeit sogar kommunale und mediale Meldestellen zur Meldung von Verstößen gegen Besuchsregeln usw.

Mittlerweile hat sich das „Melde“-Blockwart-Unwesen weiter etabliert. Die von der früheren Stasi-Spitzelin Anetta Kahane gegründete sattsam bekannte Amadeu-Antonio-Stiftung richtete eine Meldestelle „Antifeminismus“ ein. Die Bundesnetzagentur unter Leitung des Habeck-Vertrauten Klaus Müller und nach wie vor im Amtsbereich der CDU-Wirtschaftsministerin Reiche adelte mittlerweile vier private Meldestellen als „trusted flagger“:

  • die auf „Hass und Hetze“ spezialisierte Meldestelle „Respect!“ der Jugendstiftung Baden-Württemberg
  • „Hateaid“ mit dem Schwerpunkt digitale Gewalt, Betrug und Täuschung, insbesondere auf Social-Media-Plattformen (die gemeinnützige „Hateaid“ wurde übrigens von der linken, seit 2019 nicht mehr gemeinnützigen Kampagnen-Organisation „Campact“ mitbegründet; „Campact“ ist bei Hateaid Drittel-Anteilseigner)
  • die Verbraucherzentrale Bundesverband mit Fokus auf Online-Marktplätzen und Social-Media-Plattformen zu den Themen Verbraucherrechte, Online-Handel und Betrug
  • den Bundesverband Onlinehandel mit Schwerpunkt gewerblicher Rechtsschutz und unlauterer Wettbewerb.
Seit 2020 „Hessen gegen Hetze“

Besonders „beliebt“, frequentiert und aktiv ist die Meldestelle „Hessen gegen Hetze“ des CDU-geführten Innenministeriums Hessen mit ihren acht Mitarbeitern.

Die Meldestelle bekam nach eigenen Angaben über „Hessen gegen Hetze“ seit Januar 2020 knapp 85.000 Meldungen eingereicht, etwa die Hälfte wurden als potenziell strafbar an das Bundeskriminalamt und die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt weitergeleitet. 85.000: Das sind pro Tag im Schnitt 40! Vermutlich heute mehr als zu Beginn. Anlass für die Gründung des Portals war die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) am 1. Juni 2019 durch einen Neonazi. Der rechtsextremistische Täter hatte sich vorher verbal im Internet ausgetobt.

In die Schlagzeilen gekommen ist „Hessen gegen Hetze“ aber nicht so sehr wegen der Häufung solcher Meldungen, sondern durch zwei spektakuläre „Fälle“, für die sich diese Meldestelle nicht zu schade war und über die TE berichtet hatte:

Der Fall „Stefan Niehoff“: Der unterfränkische Rentner wurde via Wiesbaden gemeldet, weil er ein Werbeplakat der Firma Schwarzkopf mit einem „Schwachkopf“-Meme auf Habeck bezog. Niehoff bekam Besuch der Polizei und vom Amtsgericht Haßfurt (Unterfranken) am Ende eine Strafe von 825 Euro verpasst. Neun Behörden waren übrigens an der Sache beteiligt.

Der Fall „Prof. Norbert Bolz“: Der renommierte Medienwissenschaftler hat auf einen Post der „taz“ reagiert. Diese hatte im Januar 2024 geschrieben: „AfD-Verbot und Höcke-Petition: Deutschland erwacht“. Darauf hatte Bolz auf X ironisierend geantwortet: „Gute Übersetzung von ‚woke‘: Deutschland erwache!“ Bolz bekam im Oktober 2025 ebenfalls Besuch von der Polizei: vier Mann hoch.

Zur Erinnerung: Beide „Fälle“ gingen vom CDU-geführten hessischen Innenministerium aus, das den Rechtsstaat damit zur Karikatur von Rechtsstaat machte.

Nun haben FDP und AfD im hessischen Landtag deswegen – und zu Recht – die Einstellung des hessischen Meldeportals gefordert. Meldungen über das Portal könnten „schnell und auch unverhältnismäßig zu Einsätzen von Polizei und Staatsanwaltschaft führen“, sagte Stefan Naas, Fraktionschef der FDP im Landtag. „Das Portal ist offenkundig nicht das richtige Instrument im Kampf gegen menschenverachtende Äußerungen und Angriffe im digitalen Raum“. Strafbares Verhalten müsse in Zukunft wieder bei Polizei und Justiz angezeigt werden. Der AfD-Abgeordnete Patrick Schenk sagte: „Dieses Denunziationsportal ist überflüssig, teuer und ein gefährlicher Angriff auf die Meinungsfreiheit.“ Die Grünen indes verteidigen das Portal. Die Aufrufe zur Schließung kämen „zur völlig falschen Zeit“, sagte die Abgeordnete Lara Klaes. „Gerade jetzt, wo rechtsextreme und menschenverachtende Äußerungen zunehmen, brauchen wir starke Strukturen, die Betroffene schützen und Täter:innen konsequent verfolgen.“

Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) meinte, es sei falsch, „Hessen gegen Hetze“ grundsätzlich an den Pranger zu stellen. Wenngleich es nachvollziehbar sei, „dass die Durchsuchung bei Herrn Bolz auch auf Unverständnis gestoßen ist“, seien die entsprechenden juristischen Entscheidungen nicht in Hessen, sondern von der Berliner Justiz getroffen worden. „Die Meldestelle entscheidet nicht, sie nimmt lediglich eine erste unverbindliche Bewertung vor“, sagte Poseck. Die Arbeit von „Hessen gegen Hetze“ dürfe nicht auf den Fall Bolz reduziert werden, in vielen Fällen gingen dort „unerträgliche und eindeutig strafbare Inhalte ein“. Ein „Spitzelportal“ wolle man jedenfalls nicht.

Die Konsequenz für Hessen kann freilich nur heißen: Macht Schluss mit diesem Denunziationsgehabe! Das ist Hessens Image abträglich. Setzt die acht Mitarbeiter dieser Meldestelle dort ein, wo sie wirklich gebraucht werden. Und kommt jetzt bloß nicht – weil die AfD das fordert – daher mit der „Brandmauer“!

Auch Bayern indirekt „gut“ mit von der Partie

Das bayerische Justizministerium fördert ebenfalls eifrig „Meldungen“. Die bayerische Justiz empfahl Anzeigewilligen die Meldestelle „REspect!“ bereits seit dem 20. Juli 2022. In zahlreichen bayerischen Gerichtsgebäuden wird das dubiose Meldeportal plakatiert. Zur Erinnerung: Als Direktor von „Respect“ firmiert nicht etwa ein Jurist, sondern der aus Ägypten stammende und an der Kairoer Universität qualifizierte Islamgelehrte Ahmed Haykel Gaafar. Da kann Söder noch so sehr gegen Grün wettern – sein Bundesland unterstützt genau die grüne Methodik zur staatlichen Meinungseinhegung der Bürger. Für 2025 speist Bayern 120.000 Euro bei „REspect!“ ein.

Bilanz – direkt aus Hessen und indirekt gefördert von Bayern: Von Anfang 2024 bis Mitte 2025 hat die Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet (ZMI) beim Bundeskriminalamt (BKA) insgesamt 36.015 Meldungen erhalten. Davon kamen über 16.000 Meldungen von der hessischen Stelle. Das sind fast 50 Prozent aller Meldungen. Danach kommt die Meldestelle „Respect!“ mit knapp unter 40 Prozent aller Meldungen.

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Kommentare ( 60 )

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10 Tage her
Werner Geiselhart
10 Tage her

Die Gestapo und die Stasi wären vor Begeisterung ausgeflippt, hätten sie solche Möglichkeiten gehabt. Fast lückenlose Überwachung von Meinungsäußerungen mit Hilfe von begeisterten Helferchen vor den Bildschirmen, automatisierte einfache Verfahren zur Weiterleitung an (halb)staatliche Haltungschecker, diese allzeit bereit, einen flapsigen, manchmal auch dämlichen Spruch der Strafverfolgung zuzuführen. Sprüche, die bis vor wenigen Jahren hunderttausendfach am Stammtisch, beim Sport oder überall dort, wo man sich trifft, gefallen sind. Wenn sie ganz übel waren, hat’s eine auf die Schnauze gegeben, das war’s dann auch. Und wirklich strafwürdiges wurde auch damals schon gemeldet, zurecht. Aber dieses halbautomatisierte, allumfassende Bespitzeln von Meinungsäußerungen unterscheidet sich… Mehr

CasusKnaxus
10 Tage her

Linkes Geschäftsmodell abschaffen? In diesem Deutschland?

bfwied
10 Tage her

Zum Fremdschämen, dieses „beste Deutschland aller Zeiten“! Und das nennt sich auch noch „freiheitlich demokratischer Rechstsstaat“! Ein Staat, in dem Nichtstrafbewehrtes mit fiesestem Verhalten bestraft wird, s. die drei lachenden Staatsanwälte, die sich köstlich über die „Delinquenten“ amüsieren.
Geschichtsbewusstsein: 0, Charakter: ?

Gunter Zimmermann
10 Tage her

Ich freue mich, dass die FDP endlich aufgewacht ist und dieses unsägliche
Denunziantentum zusammen mit der AfD abschaffen will.

Delegro
10 Tage her
Antworten an  Gunter Zimmermann

Tote können nicht mehr aufwachen. Die FDP hat Suizid begangen. Mehrfach, mit Ankündigung und gegen alle warnenden (nein schreiende wäre hier besser) Rufe. Braucht keiner mehr. Kann für immer weg.

H. Priess
10 Tage her

Ich frage mich, wie so eine Denunzierungsstelle funktioniert. Gibt es da Festangestelle die nach ÖD Tarif bezahlt werden? Sind das freie Mitarbeiter die pro Denunzierung bezahlt werden? Arbeiten die alle im Homeoffice oder gibt es Büros besonders für sie unglaublich wichtigen Meetings mit Rundumverköstigung? Wenn Homeoffice, wird ihnen dann das Equitment und der Internetzugang bezahlt? Bekommen sie spezielle Software mit speziellen Algoritmen um das Net zu durchsuchen? Wie ist so eine Denunzierungsplattform strukturiert, hirachisch oder heterachisch? Gibt es überhaupt einen Chef? Bei HessengegenHetze ist es klar, die werden vom Innenministerium bezahlt und die Chefin ist Adina Murrer. Aber es gibt… Mehr

CasusKnaxus
10 Tage her
Antworten an  H. Priess

Die Sesselfurzer werden wohl Kohle bekommen, Bananen werden s nicht sein

Micky Maus
10 Tage her

Ist die Forderung der FDP ein neuer Versuch, um wieder aus der Versenkung heraus zu kommen oder begreift man endlich, daß sich diese bisherige Lügenpolitik nicht mehr lange hält. Es wäre nur zu wünschen, wenn noch ein paar mehr von dem linksrotgrünen Demokratieheuchler-Pack das auch endlich begreifen könnten.

Delegro
10 Tage her
Antworten an  Micky Maus

Die FDP wird es nie mehr lernen. Ich sehe dort keinen einzigen, der die Partei wieder auf die alten Pfade zurückführen kann und will. Keinen einzigen!

Mausi
10 Tage her

Es gehört der Hass und Hetze Straftatbestand abgeschafft. Dann entfällt auch die Berechtigung der Meldestellen.

Sonny
10 Tage her

In nur zehn Jahren ist der Wandel zu einem Neo-DDR-System im grün-sozialistischen Stil fast vollzogen. Wer den Anfang machte, ist bekannt. Wer die Mitläufer waren und sind, auch. Die Justiz ist mehrheitlich zahnlos gegenüber echten Angriffen auf die Demokratie geworden – sie arbeitet jetzt hauptsächlich nur noch gegen zumeist unbescholtene Bürger, die sich ihrem Ärger mit Kritik am System Luft verschaffen. Da kann die Justiz wenigstens kleine, aber verachtenswerte Erfolge für sich selbst feiern. Die großen aber lassen sie laufen – der Bundestag braucht sich nur zu weigern, die Immunität von Politikern aufzuheben und das tun sie auch. Das fühlt… Mehr

der Albaner
10 Tage her

wie kann denn das sich zur Wehr setzen gegen Hass und Diskriminierung als Denunziantentum gewertet werden? Erschließt sich mir aus dem Artikel noch nicht.

Mausi
10 Tage her
Antworten an  der Albaner

Sie könnten Hass und Hetze gegen Konservativ melden. Aber dann steht bestimmt bei Ihnen die Staatsanwaltschaft mit der Polizei vor der Tür.

Ich sehe auch keine Möglichkeit. Das Wahlkreuz bewirkt nichts. Und mich Woke-Linke gehen halt zur Arbeit und nicht auf die Straße mit richtig öffentlichkeitswirksamen Demos. Dürfen sie auch nicht. Das darf nur Woke-Links.

H. Priess
10 Tage her
Antworten an  Mausi

Hab ich das vor etlichen Monaten mal auf so einer Denunzierungsstelle gemacht. Ich meldete eine Rede eines Grünen auf einem Grünenkongreß als Hass und Hetze mit den Zitaten. Teils war von Gewalt gegen die AfD Wähler die Rede. Antwort: Die Weiterverfolgung ihrer Meldung liegt nicht im gesellschaftlichen Interessen. Mehr kam nicht.

CasusKnaxus
10 Tage her
Antworten an  H. Priess

ja seit wann verfolgen Linke Linke?

CasusKnaxus
10 Tage her
Antworten an  der Albaner

Ja gut klar, in Albanien ist das gute Tradition

ratatoesk
9 Tage her
Antworten an  der Albaner

Ganz einfach , weil diese Meldestellen eigentlich gegen „Hass und Hetze im Internet“ gedacht sind .Meldeportale wie „REspect“ (Gemeldete Inhalte, die nach unserer Einschätzung strafrechtlich relevant sind…) aber in der Regel eben größtenteils nur gegen politisch Andersdenkende und deren vermeintliche Beleidigungen, üble Nachrede und Verleumdungen genutzt werden..Diese fallen aber nicht unter diese Straftaten und sind in dem Zusammenhang als aus persönlichen, niedrigen Beweggründen erfolgte Meldung,sprich Denunziation zu sehen.Zwar ist zB. der Tatbestand der Beleidigung auch strafbar ,aber dafür sind eben diese Meldestellen nicht gedacht. Gute Erklärung dazu https://www.gansel-rechtsanwaelte.de/schlagzeile/neues-gesetz-gegen-hass-und-hetzte-im-netz Damit Sie nicht denken das wäre eine Verschwörungstheorie hier mal noch etwas… Mehr

Last edited 9 Tage her by ratatoesk