Der Fall Bolz: Die Saat des Denunziantentums geht auf

Unter dem Vorwand, „Hass und Hetze“ zu bekämpfen, hat sich „Hessen gegen Hetze“ zu einer Denunziationsmaschine entwickelt. Tausende Meldungen und als Folge auch mal eine Hausdurchsuchung. Der Fall Norbert Bolz zeigt, wie der „Kampf gegen Rechts“ längst zur Waffe gegen die Meinungsfreiheit geworden ist.

picture alliance/dpa | Boris Roessler, IMAGO - Collage: TE

Dem Kampf gegen Rechts wird mittlerweile alles untergeordnet. Die Politik hofft so, von all ihren selbstverursachten Problem, die immer deutlicher und dringlicher sichtbar werden, ablenken zu können. Und damit die Ablenkung besser funktioniert, wurde “rechts” als Popanz, als die alles überlagernde und einzige Gefahr medial aufgebaut.

Die Einrichtung von Meldestellen, eine beschönigende Umschreibung für Denunziationsportale, war da nur folgerichtig. Denn die nur in der Fantasie von Politikern der Regierungsparteien und Beschäftigten der Mainstream-Medien existierende rechte Gefahr muss – so diejenigen, die nicht wollen, dass über die fatalen Folgen ihrer Politik berichtet und gesprochen wird – erkannt und gemeldet werden.

Die staatliche Meldestelle „Hessen gegen Hetze“, ursprünglich zur Bekämpfung der bewusst unscharf definierten Begriffe Hass und Hetze im Internet gegründet, hat sich in den vergangenen Jahren zu einem weitreichenden Überwachungsinstrument entwickelt.

Zwischen Januar 2024 und Juni 2025 gingen über 16.000 Meldungen dieser hessischen Stelle beim Bundeskriminalamt ein. Das sind fast 50 Prozent aller Meldungen. Danach kommt die Meldestelle REspect mit knapp unter 40 Prozent Prozent aller Meldungen.

Diese erschreckenden Zahlen kommen aus einer Antwort der Regierung an eine Kleine Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion. Besonders oft werden dabei konservative und als rechts diffamierte Meinungen angezeigt. Zwischen Juni 2021 und Juli 2025 wurden bei den vom ZMI, Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet, behandelten Fällen etwa 23.000 als „rechts“ eingestuft. Das sind fast 50 Prozent. Als „links“ wurden dagegen nur 233 Fälle eingeordnet. Das sind deutlich unter 1 Prozent der Anzeigen.

Viele staatliche Meldestellen, wie „Hessen gegen Hetze“, bekämpfen also fast ausschließlich den rechten Popanz. Der Rest, vor allem die tatsächliche Gefahr des Islamismus, interessiert hier anscheinend niemand.

Die Meldestelle arbeitet mit Millionenetats aus Steuergeld und ist beim Hessischen Innenministerium angesiedelt. Eingerichtet wurde sie unter CDU-Innenminister Peter Beuth, der schon bei dem Frankfurter SEK-Skandal eine mehr als unrühmliche Rolle spielte. Das bedeutet, dass die CDU-Regierung die politische Verantwortung für eine Behörde hat, die zunehmend als Instrument der Einschüchterung unbequemer Meinungen wahrgenommen wird.

Elf Monate nach dem Post meldete „Hessen gegen Hetze“ den Post von Norbert Bolz, bei dem er auf die Ähnlichkeit des Begriffs „woke“ mit dem Imperativ der Nationalsozialisten „Erwache“ hinwies, an die Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet (ZMI). Diese stieß daraufhin die Ermittlungen an, die schließlich bei der Staatsanwaltschaft Berlin landeten.

Das Bundeskriminalamt (BKA) untersteht Innenminister Dobrindt (CSU). Deshalb will der Anwalt Joachim Steinhöfel von ihm wissen, wie er auf den jüngsten Skandal vorhat zu reagieren.

Sehr geehrter Herr Innenminister Dobrindt,

das Bundesinnenministerium ist für die Fachaufsicht über das BKA verantwortlich. Wegen der Causa Bolz bitte ich Sie, umgehend eine klare Dienstanweisung zur Kontextprüfung bei Äußerungsdelikten, zur strikten Verhältnismäßigkeit bei digitalen Beweisen und zur Wahrung der Wissenschafts- und Pressefreiheit zu veranlassen. Wer Kritik kriminalisiert, verwechselt Recht mit Rache und Sicherheit mit Zensur.

Das Haus eines renommierten Professors wegen eines fraglos zulässigen Tweets zu durchsuchen, ist ein skandalöser Grundrechtseingriff. Ein Rechtsstaat erkennt den Unterschied zwischen Analyse und Agitation. Diese Grenze wurde hier erneut überschritten. Eine grundsätzliche, öffentliche Erklärung zu dieser und vergleichbaren Fällen („Schwachkopf“) halte ich im übrigen für geboten.

Auch andere Politiker sehen die Entwicklung mit großer Sorge. Auch wenn sie alle den Parteien angehören, die dieses System eingerichtet haben.

Der frühere Justizminister Marco Buschmann (48, FDP) sagte auf BILD-Anfrage: „Norbert Bolz hat die NS-Parole ‚Deutschland erwache‘ als angebliche Übersetzung für ‚woke‘ benutzt. Jeder weiß, dass Bolz ein Kritiker der ‚Woke‘-Bewegung ist. Die Äußerung diente also erkennbar nicht der Identifikation mit der NSDAP, sondern der Schmähung der ‚Woke‘-Bewegung.“

Buschmann weiter: „Das mag geschmacklos sein, erfüllt aber keinen Straftatbestand. Als Jurist halte ich es für rechtswidrig, auf dieser Grundlage in den grundrechtlich geschützten Bereich der Wohnung einzudringen.“

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Johannes Volkmann kritisiert in BILD: „Bei dieser Hausdurchsuchung ist nicht erkennbar, welches Rechtsgut durch die Ermittlungen eigentlich geschützt werden soll.“ Der CDU-Politiker warnt vor dem Vertrauensverlust des Staates – zumal klar sei, dass Bolz im X-Beitrag nicht der NS-Ideologie zustimme: „Es ist schließlich offenkundig, dass hierbei kein bejahender Bezug zum Nationalsozialismus besteht. In einer Zeit, in der immer weniger Deutsche das Gefühl haben, sie könnten ihre Meinung frei äußern, verspielen Meldestellen und Justiz ein kostbares Gut: Vertrauen.“

Auch Wolfgang Kubicki, dessen FDP bei der Ampel alles Fragwürdige mit unterstützte, kritisiert das Vorgehen der Staatsanwaltschaft.

Der Augsburger Jura-Professor Josef Franz Lindner sagte auf BILD-Anfrage: „Es ist überraschend für mich, dass man in dieser Äußerung als Staatsanwaltschaft eine Strafbarkeit sieht.“

Lindner verweist auf den Kontext der Äußerung von Norbert Bolz: „Das Bundesverfassungsgericht fordert in ständiger Rechtsprechung, dass Meinungsäußerungen im Kontext auszulegen sind. Man darf dem Urheber nicht einfach die schlimmstmögliche Bedeutung der Äußerung unterschieben, sondern es ist zu überlegen, wie diese Äußerung auch verstanden werden könnte.“

Selbst für die Grüne Ricarda Lang sind hier erkennbar rote Linien überschritten worden.

Der Fall Norbert Bolz wird nun zum Symbol für eine gefährliche Entwicklung: für den nicht mehr schleichenden Übergang vom Kampf gegen den bewusst unscharf definierten Begriff der Hassrede zur staatlich geförderten Meinungsüberwachung. Demokratie und Rechtsstaat sind ohne Meinungs- und Pressefreiheit aber nicht möglich.

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Kommentare ( 59 )

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Winnetou
21 Tage her

Auch ich wurde wegen ein paar deutlicher Statements in einem sozialen Netzwerk mit einem Gerichtsverfahren überzogen, nachdem mich ein Kollege gemeldet hatte. Nach Jahren (!) bekam ich eine Geldstrafe von einem systemtreuen Richter. Habe ich locker weggesteckt und das Urteil ungelesen geschreddert. Aber seither weiß ich ganz genau, wo ich künftig bei Wahlen mein Kreuz machen werde.

Manfred_Hbg
23 Tage her

Wenn sich nun zum Beispiel auch heuchelnd die „Polit-Elite“ aus FDP oder von den Grünen zu Wort melden, dann sollten sie besser den Mund halten und mal besser überlegen wieviel direkten oder indirekten Anteil auch sie an diesen -auch staatlich geförderten- „Petzbuden“ und DDR2.0-Zuständen haben?!

Franz Grossmann
23 Tage her

Die Menschen in Deutschland, die nur den ÖRR konsumieren, glauben alles, was ihnen vorgesetzt wird und wählen weiterhin brav und treu die Altparteien. Vielen von diesen Staatsgläubigen geht es persönlich meistens ganz gut, da sie oft über den öffentlichen Dienst abgesichert sind. Am meisten erstaunt mich, dass anscheinend, vor allem in den alten Bundesländern, die jungen Menschen freudig zusehen, wie ihre Zukunft von den Altparteien zerstört wird.

Leroy
23 Tage her

Diese Methode erinnert an die bei letzten Diktaturen in diesem Land.
Aber wir Deutschen sind so blöd uns von einer Minderheit terrorisieren zu lassen.

Kassandra
23 Tage her

Was ist eigentlich mit den 4 Polizisten, die sich willig zeigten, solche „Razzia“ durchzuführen? Was ist mir deren Verstand – oder verliert der sich erneut mit dem Anziehen der Uniform? Alle Beteiligten stehen zudem unter RemonstrationsPFLICHT. Remonstrieren sie nicht, sind sie voll persönlich haftbar, was durch ihr Agieren gegen Recht&Gesetz in die Wege geleitet wird. . Beamtenstatusgesetz § 36 Verantwortung für die Rechtmäßigkeit  (1) Beamtinnen und Beamte tragen für die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung. (2) 1Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen haben Beamtinnen und Beamte unverzüglich auf dem Dienstweg geltend zu machen. 2Wird die Anordnung aufrechterhalten,… Mehr

RA.Dobke
21 Tage her
Antworten an  Kassandra

Eigenständiges verantwortungsbewußtes Denken sollten wir von unserer Polizei erwarten dürfen! Nicht stumpfsinniges abarbeiten mieser Administration und Judikation. Ich frage mich, ob die keinen „ARSCH“ in der Hose haben: DARF ICH DOCH ?! Olli Kahnfrage ja auch – „Keine Eier in der Hose?“ Ungestraft und mittlerweile in allen Ebenen zu recht zitiert!

Sozia
23 Tage her

Zu jeder Kraft gibt es eine Gegenkraft. Allein diese einzige Hausdurchsuchung unter Merz erzeugt eine gewaltigen Wut in den Menschen. Es bleibt ja nicht nur beim Agieren des Staates. Der heutige Tag sollte der AfD Tausende Wähler gebracht haben.

Monika Vogel
23 Tage her

Der Missbrauch der Macht ist hier allgegenwärtig geworden. Höckes Aussage “ Alles für Deutschland“ machte ihn zum Faschisten, Habecks „Vaterlandsliebe fand ich stets zum Kotzen“ war kein Widerspruch in sich. Er wurde Wirtschaftsminister und setzte Millionen Euro für missglückte Investitionen in den Sand. G. Orwells Weitsicht darüber, dass manche gleicher sind, passt perfekt in die deutsche Wirklichkeit. Die Demokratie verabschiedet sich rapide, wie der Fall Bolz und viele andere zeigt. Wir sind ein hässliches Land geworden.

Kassandra
23 Tage her
Antworten an  Monika Vogel

Milliarden. Es waren Milliarden, die der Fährenfahrer uns kostet.
Das genaue Ausmaß seiner Misswirtschaft uns zu Lasten ist allerdings immer noch nicht bekannt.

Eddie
23 Tage her

Die Dauerbeschallung mit links-grüner Ideologie durch die Medien erinnert stark an die realsozialitische Propaganda der „demokratisch genannten“ antifaschistischen Linksdiktatur DDR, die es für legitim hielt, im Kampf gegenRechts, Menschen auf der Flucht am antifaschistischen Schutzwall zu erschießen. Wenn aber Merz glaubt vom Kampf gegen Rechts profitieren zu können, so irrt er gewaltig. Die CDU/CSU wird von den Medien als verkappte rechtskonservative Partei wahrgenommen und als solche bekämpft, wie alles was damals für die alte Bundesrepublik unter Adenauer, Kohl oder Strauß stand. Eine Wiedervereinigung oder auch Wiederbewaffnung wäre beim Einknicken dieser Konservativen nicht möglich gewesen. Das heutige „gehobene “ Proletariat hat… Mehr

Klaus Kabel
23 Tage her

Deutschland 1933 bis 1989.
Nichts gelernt.
Der Totalitarismus ist ein Meister aus Deutschland.

Kassandra
23 Tage her
Antworten an  Klaus Kabel

Manchmal sagt auch ein Bild mehr als alle Worte: https://x.com/skscartoon/status/1892194783655010721
.
Was aber macht jemand, der in Deutschland Jura studiert oder studierte alternativ – um nicht erneut zum Täter werden zu müssen?
Sebastian Haffner reiste aus. Nach England.
Heute ist das wie vom Regen in die Traufe…

Dieter Blume
23 Tage her

Ich befürchte, dass Andersdenkende wie Stefan Homburg, Norbert Bolz, Michael Ballweg etc. auf einer geheimen „Feindesliste“ stehen. Wer viele Follower in den sozialen Netzwerken hat, muss eingeschüchtert werden. Da arbeiten die Unterdrücker in den Meldestellen, Staatsanwaltschaften und Gerichten hervorragend zusammen. Die DDR 2.0 steht nicht mehr vor der Tür, sondern ist bereits Realität.

PaulKehl
23 Tage her
Antworten an  Dieter Blume

In der Person des Herrn Bolz soll vor allem der „seriöse“ bürgerliche Block eingeschüchtert werden. Als nächstes kommen einige tragische Unfälle, s. Oppermann, Mario Ohoven, der hess. Finanzminister Schäfer und ein weiterer führender Beamter im hess. Finanzministerium. Das Skript findet sich bei den osteuropäischen Staaten, Polen, Ungarn, Tschechoslowakei, in der Phase des Übergangs von einer bürgerlichen Demokratie zum Stalinismus in den 40igern.

Kassandra
23 Tage her
Antworten an  Dieter Blume

„Andersdenkende“ gibt schon eine Richtung vor.
Es sind Denkende, die Sie nennen, oder?
Also solche, die ihren Verstand noch zu nutzen wagen:
Hier im kurzen, durchaus scharfen Disput mit Florian Klenk bei Servus TV im Hangar: https://www.youtube.com/watch?v=pKFWpTR0EuQ