Die AfD zwischen ihren Extremisten und dem Verfassungsschutz

Nur durch eine drastische Selbstdisziplinierung hält die engere AfD-Führung eine existenzgefährdende Entwicklung noch für verhinderbar: Die Alternativen hießen Mäßigung oder Untergang.

Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

Die Führung der AfD ist – wie von dort zu hören – nicht in der Lage, die Trennung von Leuten wie dem baden-württembergischen Abgeordneten Gedeon und anderen Extremen schnell und hart durchzusetzen. Gerade lancierte eine Gruppe von Landtagsabgeordneten und Mitgliedern der AfD  aus dem Südwesten (die teils zum Freundeskreis des wirren Antisemiten Gedeon zählen) eine Petition, die „gegen Denk- und Sprechverbote“ protestiert. Die Initiatorin Christina Baum hält das Parteiausschlussverfahren gegen Gedeon für „völlig inakzeptabel.“

Dabei hat Gedeon, der früher linksextrem (Mao-Anhänger) war und dann nach rechtsextrem wechselte, in seinen Schriften gleich mehrere rote Linien überschritten. Er schrieb über „Talmud-Juden“ als „inneren Feind des christlichen Abendlandes“ und polemisierte anlässlich der Gründung der Gruppe „Juden in der AfD“, diese seien „hoch problematisch“ und womöglich eine „zionistische Lobbygruppe“. Aus der AfD-Fraktion im baden-württembergischen Landtag ist Gedeon zwar nach einigen hin und her 2016 ausgeschlossen worden, doch der Parteiausschluss klappte 2017 im ersten Anlauf nicht. Ob er nun ausgeschlossen wird, ist offen.

Auch andere Extreme wie etwa der niedersächsische Jungfunktionär Steinke, der den Hitler-Attentäter Graf Stauffenberg als „Verräter“ bezeichnete, sollen ausgeschlossen werden, haben die zuständigen Vorstände beschlossen. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Doch die AfD-Frau Christina Baum spricht mit Blick auf die Fälle Gedeon & Co von einem „Maulkorb“. Die Sorge der engeren AfD-Führung, sich von ihren Extremen nicht ohneweiteres trennen zu können, ist wohl mehr als berechtigt.

Innerhalb der AfD verweisen Führungsmitglieder auf das Beispiel der FPÖ, die unter der Führung von Heinz-Christian Strache nach Skandalen antisemitische Wirrköpfe konsequent ausgeschlossen habe. Nur indem die FPÖ einen Trennungsstrich nach ganz Rechtsaußen gezogen habe, sei sie regierungsfähig geworden.

AfD trotz hoher Umfragewerte nahe am Abgrund

Für große Unruhe sorgt in der AfD ein Gutachten des konservativen Juraprofessors Dietrich Murswiek aus Freiburg. Er zeigt, wie unmittelbar bevorstehend eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz ist. Am Freitag wurde bekannt, was in dem Gutachten steht, das die AfD selbst in Auftrag gegeben hat. Murswiek mahnt eindringlich, alle extremistischen Anklänge zu vermeiden. Das ganze NPD-Vokabular – Murswiek spricht von „extremistischen Reizwörtern“ – müsse gemieden werden, etwa der angeblich drohende „Volkstod“ oder die „Umvolkung“ (das Wort benutzte noch 2017 die CDU-Abgeordnete Bettina Kudla). Auch extrem pauschale Aussagen über Migranten (etwa: „sind alle kriminell“) und die pauschale Herabwürdigung der „Altparteien“ lieferten dem Verfassungsschutz Stoff für eine regelmäßige Beobachtung.

Ob genügend AfD-Mitglieder erkennen, wie nah ihre Partei trotz der hohen Umfragewerte am Abgrund stünde, wenn es zu einer flächendeckenden Beobachtung durch den Verfassungsschutz käme, bezweifeln Führungsmitglieder. Schon in wenigen Wochen dürfte der Bundesverfassungsschutz neu entscheiden. Der AfD-Spitze ist die Gefahr bewusst. Sie will an diesem Montag in einer Pressekonferenz verkünden, wie sie auf die drohende Beobachtung reagieren und wie sie diese noch verhindern will.

Der AfD-Führung fürchtet vor allem die stigmatisierende Wirkung einer VS-Beobachtung. Beamte wie Polizisten und Lehrer oder auch Soldaten, die in der AfD als Mitglieder aktiv sind, würden zum Austritt getrieben, wenn sie nicht Sanktionen bis hin zum Karriereende riskieren wollten. In den Medien würde regelmäßig über „die vom Verfassungsschutz beobachtete“ Partei geschrieben, was erst bürgerlich-konservative Mitglieder und in der Folge potentielle Wähler nachhaltig abschrecken dürfte.

Übrig bliebe eine sich radikalisierende Restpartei, welche die anderen Parteien und Medien viel leichter kleinkriegen könnten als jetzt. Nur durch eine drastische Selbstdisziplinierung hält die engere AfD-Führung eine solche existenzgefährdende Entwicklung noch für verhinderbar: Die Alternativen hießen Mäßigung oder Untergang.


Robert Mühlbauer ist Publizist.

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Kommentare ( 144 )

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Till Eulenspiegel
5 Jahre her

Man muss bei diesem Thema auch immer daran denken, dass vom etablierten System mit Sicherheit diverse V-Leute, Agents Provocateurs, „U-Boote“ und ähnliche die Partei in Misskredit bringende Subjekte in die AfD eingeschleust wurden.
Vergleichbar mit verkappten Antifa-Leuten, die in diesem Sinne auch Hakenkreuze schmieren, Hitlergrüße zeigen und Nazi-Parolen gröhlen.
Es gilt immer wieder der alte Spruch: Cui bono, Wem nützt das? Und auch: Wem schadet das?

Horst Johnson
5 Jahre her

Noch ein paar Gedanken, an diejenigen welche noch nicht realisiert haben mit wem und welchem polit.Gegner wir es zutun haben. Dieser Gegner hält sich nicht mehr an Recht und Gesetz ! Er unterbreitet manipulativ Bilder von Neonazis in der AfD Demo in der tageschau. Läßt Mastercard(EU/UNHCR) Bankkarten an Migranten in Bosnien verteilen. Mit Staatsgelder finanzierte Antifa, die vor Gewalt nicht zurückschrecken. Jeder einzelne sollte dieses für sich einordnen. Erst dann bitte bewerten mit wem wir es zutun haben. Der Verfassungschutz ist ein polit.Instrument, die Beobachtung unter ihm wird zu 100% kommen. Einzelne Personen, zweifelsohne auch vom VS, wurden schon vor… Mehr

Old-Man
5 Jahre her

Ja,wenn die Parteiführung es nicht schafft sich diesen „Ballast“ vom Halse zu schaffen könnte es wirklich eng werden. Wenn aber nun,wie es sich gerade abzeichnet der Merkelkurs in der CDU kurz vor dem Abtritt steht,wenn die CDU/CSU wieder zum Konservatismus zurück findet,wenn ein Merz oder Spahn die Parteiführung übernimmt,dann stehen der AfD sowieso schwere Zeiten ins Haus,dann werden wohl viele Wähler zur Union zurück kehren. Es bleibt also nicht alzuviel Zeit für Sauberkeit in der AfD zu sorgen,oder man sinkt wieder unter 10% und ist froh,wenn man nicht aus den Parlamenten vertrieben wird. Der „Neuanfang“ der CDU braucht ja noch… Mehr

Hadrian17
5 Jahre her
Antworten an  Old-Man

Tja,

sehr viel wird darauf ankommen, wie Herr Merz sich zur Migrations- und Flüchtlingsfrage stellt.

Die Richtlinienkompetenzinhaberin hat sich hier ja deutlich geäußert:

https://www.welt.de/regionales/bayern/article181785454/Merkel-will-gemeinsamen-Unionsplan-fuer-Migration-aus-Afrika.html

Würde das kommentarlos vom PV-Nachfolger übernommen, bliebe alles beim Alten. Wenn nicht, wäre sofort „Diskussionsbedarf“ vorhanden.

Herr Merz sollte dazu recht bald eine klare Position beziehen. Und die anderen Kandidaten sollten sich ebenfalls erklären.

Es bleibt spannend.

Hadrian17
5 Jahre her

Mit den rhetorischen Auswüchsen der „romantischen“ Parteimitglieder und einer Jugendorganisation, die sich dafür ausspricht, Deutschland, Deutschland über alles“als Nationalhymne anzustimmen, wird es voraussichtlich bei 15 plus/minus 3 Prozent bleiben.

Wie sagte man, als die FDP der 18% Grenze nahekam: „Wie verzweifelt muss der Wähler sein, so zu wählen“. Wenn man in diese Falle rutscht, kann schnell das Ende kommen … .

Wilhelm Cuno
5 Jahre her

Angenommen, die AFD schrumpft aufgrund der Beobachtung durch den Verfassungsschutz tatsächlich zu einer unwichtigen Splitterpartei. Wer bringt dann die Sorgen einer großen Bevölkerungsgruppe noch in die Parlamente und die Medien ein? Ich weiß es nicht, aber ich habe da, um mit Han Solo zu sprechen, „ein ganz mieses Gefühl“, dass das für die Demokratie noch schlechter ist als die eine oder andere Provokation in den Parlamenten und Medien. Mir ist eine offene und kontroverse Debatte über die Zukunft in diesem Land, an der sich alle gesellschaftlich relevanten Gruppen beteiligen können, die quantitativ eine Rolle spielen, schon wichtig.

GUMBACH
5 Jahre her

Ein Alt-Maoist und Pol Pot-Anhänger ist in Baden Württemberg Ministerprädident. Er wird von der Kanzlerin hofiert und hofiert diese ebenfalls.

GUMBACH
5 Jahre her

Natürlich, genau das war der Grund. Ach ja, diese Regierung schafft es auch ohne diese Signalwörter, Deutschland in den Abgrund der Hölle zu stoßen.

Eberhard
5 Jahre her

Bei Migranten sollen angebliche Einzelfälle, sogar bei schweren Rechtsverletzungen, nicht zur pauschalisierten Beurteilung genutzt werden. Fällt manchen zwar schwer zu unterscheiden, ab wann kein Einzelfall mehr. Warum dann aber im politischen Spektrum entgegen gesetzt handeln? Die Ausrichtung einer demokratischen Partei wird von Mehrheiten bestimmt. Selbst der CDU unter Adenauer gehörten viele ganz echte große Nazis an. Einige sogar in hohen politischen Positionen. Die Linke stand seit Jahren unter Beobachtung des Verfassungsschutz. Trotz vieler aktiver ehemaliger SED Mitgliedern wurde sie trotzdem in den Ländern bis heute als Koalitionspartner zur Mehrheitsbeschaffung genutzt, während über ihre Opfer kaum noch nachgedacht. Wenn wir mit… Mehr

Absalon von Lund
5 Jahre her

Die Extremisten sind das Problem der AfD. Mit den Extremen wurden sie zwar sehr schnell relativ groß, werden dort aber stagnieren. Reinigung tut not und vielleicht etwas kleiner anfangen, aber ohne faule Kompromisse!

Hegauhenne
5 Jahre her
Antworten an  Absalon von Lund

Sie haben vollkommen recht.
Schon zu Beginn unter Lucke hat man den rechten Rand aufgesogen, einfach um zu wachsen.
Das war von Anfang an verkehrt. So einen gewissen randständigen Bodensatz gibt es ja überall, und die versuchen natürlich jede neue Partei zu kapern.
Selbst bei den Piraten haben sie es versucht.

Grumpler
5 Jahre her

Wieso nur bekommt dieser weitgehend richtige Kommentar schlechte Bewertungen? Da ist doch alles auf dem Punkt.

Lucius de Geer
5 Jahre her
Antworten an  Grumpler

Wer von „Geschichtsrelativierung“, „reinwaschen“ usw. redet, wo es einfach nur um die nüchterne geschichtliche Einordnung der NS-Zeit in einen größeren Kontext geht, bekommt jedenfalls von mir einen Daumen nach unten.

Grumpler
5 Jahre her
Antworten an  Lucius de Geer

Haben Sie es noch nicht verstanden? Es gibt in dieser Frage kein „einfach“.
Und mit einer Diskussion um geschichtliche Einordnung bewegt man sich in Fragen der Immigration, der Digitalisierung (worunter der Ausbau der Infrastruktur und die Folgen der Arbeitsautomatisierung gleichermassen zusammengefasst werden), Globalisierung, Europäisierung, Demokratisierung (bzw. deren Rückbau), demographischen Wandel, Monetarismus etc. keinen Fußbreit vorwärts. Die Themen werden von „den anderen“ besetzt.

Michael Sander
5 Jahre her
Antworten an  Lucius de Geer

Soso, nur „eine nüchterne politische Einordnung der NS Zeit“ durch einen AFD Politiker. Fällt Ihnen nicht auf, wie lächerlich das wirkt? Glauben Sie ernsthaft, man könne eine solche Einordnung durch politische Tabubrüche herbeireden? Ich frage mich, wen er damit überhaupt erreichen will, denn 99% der Wähler haben ganz andere Sorgen, als die korrekte politische Einordnung der NS Zeit und wenn sie damit ein Problem hätten, möchten sie das bestimmt nicht durch Herrn Gauland gelöst bekommen. Bei der Masse der Wähler bleibt dagegen nur eines hängen: Nämlich, das die AFD versucht, die NS Zeit zu relativieren. Einen besseren „Beweis“ für die… Mehr