Antworten 5: Deutsch sein, was ist das für Sie ganz persönlich?

Hier das fünfte Antwortpaket. --- Zur lockeren Volksbefragung laden wir weiter herzlich ein - bitte auch Fotos von "typisch deutsch".

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Fortsetzung – Seite 3

56, weiblich, Kiel: von Politik und Medien verlassen

Deutschland bedeutete bisher für mich immer ein großer allgemeiner Konsens des Füreinander Einstehens. Das heißt, ( fast) alle bemühen sich nach Kräften, den Sozialstaat zu unterhalten, bekommen aber auch Hilfe, falls wirklich!!! Not am Mann ist. Ohne Ansehen von Alter oder Verdienst.

Ganz praktisch heißt dass z.B., es gibt Heilpädagogik, wenn das Kind von seelischer Behinderung bedroht ist, Sprachheilvorschule bei Problematik mit Hören und Sprechen, medizinische und berufliche Rehamaßnahmen bei Problemlagen im Erwachsenenalter und sogar Dauerdialyse oder Implantation eines Defibrillators für Achtzigjährige über die Gesetzliche Krankenversicherung.

Dass dies weltweit etwas ganz Besonderes ist, war mir immer klar und wurde immer deutlicher, je mehr ich international gereist bin und Kontakt zu Kollegen aus anderen Ländern, z.B USA und Großbritaannien hatte.

Natürlich ist für mich immer die Voraussetzung für diese Errungenschaften gewesen, dass Deutschland ein äußerst fragiles „geschlossenes“ System ist, in dem alle „Teilnehmer“ ähnliche Werte und Arbeitsethos teilen und nicht vor allem an das Ausnützen von Vorteilen denken. Ich war mir sicher, dass gerade auch unsere Politiker das wüßten. Es handelt sich hier für mich hier einfach nur um gesunden Menschenverstand.

Umso unfassbarerer es für mich, dass gerade dieser gesunde Menschenverstand jetzt den Politikern, den großen Parteien, vielen Amtsträgern und Öffentlich Rechtlichen Leitmedien seit September so umfassend abhanden gekommen scheint. Oder noch schlimmer, sie wissen wahrscheinlich genau, was sie tun! Statt Schaden vom deutschen Volk abzuwenden, tun sie genau das Gegenteil wegen eines vermeintlichen humanitären Imperativs, wie die Kanzlerin es formuliert hat. Recht und Gesetz wird nur noch da angewandt, wo es dem Staat angebracht erscheint, woanders schaut er weg. Mit meinem Verständnis von Deutschland als meinem Land, das mir mitgehört, fühle ich mich von den genannten Institutionen plötzlich allein gelassen.

Wir  sogenannten Biodeutschen waren eben offenbar eher nur zufällig hier, jetzt kommen andere mit einer offensichtlich ganz anderen Kultur, geringerem Bildungsstand, gänzlich anderem Verständnis von Religion und Staat, Frauenrechten, Gleichberechtigung und Arbeitsethos zu uns.

Solidarität innerhalb des Volkes, unabhängig von Familienverbänden wird in diesem Kulturkreis nicht in vergleichbarer Weise gelebt. Mir wird eingehämmert, ich solle das als Bereicherung empfinden, Deutschland werde sich jetzt eben ändern. Und mir wird der Boden unter den Füßen weggezogen, nicht von den Migranten, sondern von den deutschen Politikern, die unser geschlossenes fragiles System Sozialstaat mal so eben abschreiben! Und die öffentlich rechtlichen Medien thematisieren hier gar nichts! Nie hätte ich das geglaubt!

69, männlich, Köln

Diese Definition des Deutschseins hat mir gut gefallen: „Deutsch sein heißt, eine Sache um ihrer selbst willen zu tun.“

64, weiblich, Frankfurt am Main:

Deutsch sein, was ist das ? Darauf gibt es sicher soviele Antworten wie es Menschen gibt, die sich als Deutsche bezeichnen. Wenn ich einen Ostfriesen, einen Rheinländer und einen Oberbayer vergleiche, dann begegnet mir kulturelle Vielfalt, aber jeder ist natürlich auch Deutscher. Es scheint einen gemeinsamen Nenner zu geben, der über die regionalen Unterschiede hinaus wirkt.

Die Familie meines Vaters hat über viele Generationen als deutsche Siedler in Polen gelebt. Man war zweisprachig, hielt sich an die üblichen Regeln des Landes und blieb unter sich. Das lag sicher auch daran, daß die Deutschen Lutheraner waren und die Polen Katholiken. Eine jüngere Kusine meines Vaters ist 1946 nicht mit in den Westen geflüchtet, um ihre kranken Eltern nicht alleine zurückzulassen.Die Eltern sind bald gestorben und sie stand als Achtzehnjährige dann ganz alleine da.

Sie hat sich ihren Platz im Leben in Polen erkämpft, eine Tochter großgezogen und einen Beruf ausgeübt, der ihr Freude bereitete. Ich habe sie bei meinem letzten Besuch gefragt, ob sie eine Polin oder eine Deutsche sei. Sie konnte die Frage gar nicht verstehen. Natürlich sei sie eine Deutsche !

Ich bin zu dem Schluss gekommen, daß meine Tante sich deßhalb als Deutsche sieht, weil dies ihre Herkunft ist und Deutsch ihre Muttersprache. Auch wenn sie fast ihr ganzes Leben Polnisch gesprochen und immer in Polen gelebt hat.

51, männlich, Bayern

Deutschland, so wie es heute ist, ist das Ergebnis einer Entwicklung, die sich bis tief ins Mittelalter zurückverfolgen lässt. Man versteht dieses Land und seine Menschen nicht, wenn man die prägenden Elemente Reformation, Aufklärung, Säkularisation, Weltkriege und Holocaust nicht kennt, die bis heute die Denkmuster in deutschen Köpfen prägen.

Deutschland begreifen heißt auch, sich mit dem Erbe von Luther, Bach, Schiller, Goethe, der Gebrüder Grimm, Marx, Mozart, Beethoven und Wagner intellektuell auseinanderzusetzen.

Deutschland erfährt man auf einer Wanderung durch den Wald, im Gebirge, beim Schützenfest, im Konzertsaal und in der Oper.

Der Prototyp romantisch-mythologischer Erklärung des „Deutschseins“ ist Engelbert Humperdincks Märchenoper „Hänsel und Gretel“. Nicht nur für Kinder. Und was wäre geeigneter als Beethovens „Neunte“?

Daher wünschte ich mir, dass sich mehr Einwanderer für unsere Kultur interessieren. Mit Fußballverein allein wird das nichts …..

34, weiblich, bei Ingolstadt

Es ist nicht so einfach, zu benennen, was denn typisch deutsch sei. Ich sehe mich deutsch und müsste mich in diesem Fall selbst beschreiben. Wenn es tatsächlich einen bayerischen Unterschied gibt, dann wird dieser nun meine deutsche Beschreibung verfälschen :-).

Da mein Aufwachsen mich zu dem gemacht hat, was ich bin, führt dies zu meinem Deutschsein. Gut behütet im Nest mit Geschwistern, die ersten Erinnerungen beginnen mit dem Kindergarten und meinem ersten Kindergartenfräulein. Wir sangen Lieder, bereiteten uns auf Bräuche im Jahresablauf vor, liebten die vorgelesenen Märchen und Geschichten von Ottfried Preussler und wurden irgendwann in der Vorschule auf die heiß ersehnte Grundschule vorbereitet.

Dort lernen wir neben Lesen, Schreiben, Rechnen, Heimat- und Sachkunde, Handarbeit und Werken auch den Einstieg in die Kunst durch eigene „naive Malerei“ und dem Singen von deutschen Volksliedern. Nein, das wurde als Kind nicht als Kulturgut geschätzt, aber wenn ich heutzutage Lieder wie „Kein schöner Land“ oder „Der Mond ist aufgegangen“ höre, wird mir ganz wohlig.

Im weiteren Schulverlauf kamen auch noch unglaublich lange auswendig zu lernende Balladen und Fremdsprachen hinzu, durch die man die eigene Sprache besser begreifen lernt. Die Kunst steigerte sich durch alle Epochen, wir mussten einen gotischen Dom zeichnen und Dürers Hasen malen. Auch die klassische Musik wurde gestreift und ich begann mich zu fragen, warum denn die Karten für Wagners Festspiele so begehrt seien, war doch in meiner Familie das im Fernsehen übertragene Neujahrskonzert mit fröhlichen Walzerklängen Pflichtprogramm.

Der Schulsport war Spaß und Anstrengung zugleich, mit der Familie wurde in den Bergen und im Wald gewandert. Meine erste Ferienarbeit werde ich nie vergessen. Gut bezahlte, ewig lange Wochen bei Audi am Band. Das Jammern nach dem ersten Arbeitstag wurde von meinen Eltern mit einem „Stell dich nicht so an“ quittiert. Meine Eltern, Onkeln und Tanten haben den 2. Weltkrieg noch als Kinder erlebt oder sind in der frühen Nachkriegszeit geboren. Auch dieses Umfeld wird wohl geprägt haben, denn ich musste mir als klagendes Kind des Öfteren den Verweis auf den Krieg anhören und dass damals alle mit sehr wenig zufrieden waren.

Mir kam das damals unendlich weit weg vor, ich konnte es nicht begreifen und es war auch nicht interessant. Aber umso älter sich werde, umso näher geht mir das Kriegsschicksal und ich bekomme ein ungutes Gefühl bei heutigen deutschen Kriegseinsätzen. Vor kurzem auf der Feier zum 80. Geburtstag meines Vaters kam das Gespräch auf die Weihnachtszeit im Krieg. Das Christkind brachte eine Puppe, die schon jedes Geschwisterkind durchlaufen hat. Zwei Tage nach Weihnachten ist das Christkind nochmal gekommen und hat die Puppe wieder mitgenommen. Es kam die Frage auf, warum sich niemand von diesen damaligen Kindern arm gefühlt habe.

Diese Menschen leben noch und dürfen sich jetzt anhören, dass es ein ungerechter Zufall sei, dass wir Deutschen in diesem reichen Land geboren wurden, und ja, ich bin mir bewusst, dass ich behütet im Wohlstand aufgewachsen bin, was ich meinen Eltern und Großeltern anrechne. Es ist für mich unverhandelbar, dass ich mir für meine Kinder eine ähnliche Sozialisation wünsche, die wie noch vor 25 Jahren an einer normalen Dorfschule begann und nicht nur an Privatschulen möglich ist.

Auf Reisen war ich schon auf allen Kontinenten und, gerade nach spontanen Rucksackreisen habe ich mich auf die Heimat und einen geregelten Tagesablauf gefreut. Ich bezweifle, dass man durch das Lesen des Grundgesetzes Deutschland begreifen lernt. Ich könnte noch ewig weiterschreiben, ende aber hier, da ich noch etwas von zu Hause aus für die Arbeit erledigen muss (typisch deutsch?!) :-). Bitte verzeihen Sie mir Tipp- und Ausdrucksfehler, die der Eile geschuldet sind.

67, männlich, Osterrode

Meine deutsche Identität vergleiche ich mit einer Zwiebel. Wie diese hat sich mein Deutschsein Zwiebelschalengleich entwickelt. Als Kind prägt uns unsere unmittelbare Umwelt. Ich stamme aus einem kleinen Dorf im Harz, das ist meine Heimat. Wir wurden von den Eltern erzogen, Hochdeutsch zu sprechen, nicht Harzer Platt.

Unser Dorf war evangelisch, es gab ein oder zwei katholische Familien, das waren Vertriebene aus dem Osten. Die wurden geduldet, aber sie konnten keine Generationen auf dem Friedhof nachweisen. Also gehörten sie nicht so richtig dazu. Zur Identität kam hinzu, Niedersachse zu sein. Dazu gehörte die Mitgliedschaft in der Freiwilligen Feuerwehr und in der Schützengesellschaft. Natürlich die Niedersachsenhymne. “ Wir sind die Niedersachsen, standfest und erdverwachsen….“. Für uns bedeutete Deutschsein Unverbrüchliche Freundschaft, Treue und Pflichterfüllung. Saubere Arbeit, Pünktlichkeit. Zu seinem Wort stehen.

Aber Freundschaft musste hart erkämpft werden, die bekam man nicht einfach so. Da wurde geprüft. Was ist das für einer, was will der? Passt der zu uns? Mit dieser Haltung ging ich durchs Leben. Deutschsein hat dann mit der Nation, mit der Staatsangehörigkeit nicht mehr viel zu tun. Man wird daran immer wieder als Deutscher erkannt.

Was verbindet mich mit meinem Deutschsein mit zB. einem Bayern. Nicht die Religion und nicht die Sprache. Aber vielleicht die anderen Attribute.

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