Der Nährstand rebelliert

Die Landwirte wehren sich gut organisiert und effektiv gegen eine EU, die ihnen mit immer mehr Auflagen die Luft abschnürt und ihre Wettbewerbsfähigkeit einschränkt. Doch am Übel der bürokratischen Überregulierung rütteln die Verantwortlichen in Brüssel und anderswo nicht.

IMAGO / ABACAPRESS

Ich gebe alles zu: Auch in gehobenem Alter kann man sich noch daran erfreuen, wenn solide Landwirte ihre edlen Traktoren (ich sage nur: Fendt!) in Bewegung setzen, um allen zu zeigen, dass Sense ist. Und ich kenne auch andere, die es genießen, wenn französische Bauern tonnenweise Gülle vor das Feriendomizil von Emmanuel Macron kippen, mitsamt Reifen, Kohlköpfen, Ästen und Kartoffeln. Parole: „Eat french“.

Es rumst in Brüssel, in Paris, in Italien, und das nicht gerade höflich. Ist irgendwie beruhigend, dass überhaupt mal jemand laut und stark protestiert gegen die Zumutungen aus Brüssel, denkt sich manch einer.

Und siehe da: Wirkungsvoll ist das auch noch. 25 Jahre wurde über das Freihandelsabkommen Mercosur mit den südamerikanischen Staaten, mit Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay, über den Abbau von Zöllen und Handelshemmnissen verhandelt, jetzt sollte es unterzeichnet werden. Doch wieder einmal wird daraus nichts. Irgendwie haben die europäischen Regierenden vor den Bauern mehr Respekt, als ihnen ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung nach zukäme. Die Landwirte agieren gut organisiert und orchestriert.

Doch irgendwie passt ihre offenkundige Macht nicht ganz zu ihrer Position in der nationalen Wertschöpfung.

In Frankreich gibt es knapp 500.000 Landwirtschaftsbetriebe mit gerade einmal rund 710.000 Beschäftigten. Zur Wirtschaftsleistung (BIP) des Landes tragen sie zu 1,4 Prozent bei. In Italien sind es gut eine Million Bauern. Ihr Anteil am BIP ist mit zwei Prozent etwas größer. In Deutschland gibt es 255.000 landwirtschaftliche Betriebe. Ihr Anteil am BIP liegt unter einem Prozent. Zur Wirtschaftsleistung der EU trägt die Landwirtschaft mit 1,3 Prozent bei.

Die Macht der Bauern liegt eher in der Vergangenheit: Noch in den 50er Jahren galten ihre Stimmen als wahlentscheidend. Doch auch heute ist ihr Einfluss auf dem Land nicht geringzuschätzen. Doch reicht das, um ein Handelsabkommen zu Fall zu bringen, das doch nicht als Vorteile zu bringen scheint? Nehme ich den Argentiniern ihr Rindfleisch ab, kann ich ihnen meine Autos verkaufen – oder was sonst Deutschland noch zu bieten hat, das wird ja immer weniger.

Die Bauern empfinden die Südamerikaner nicht ohne Grund als unfaire Konkurrenz. Die Agrarprodukte aus den Mercosur-Staaten unterliegen nicht den kleinteiligen EU-Beschränkungen und einer ausufernden Bürokratie, die den Stallgang zum Urlaub werden lässt. Die Klimaideologie der EU, die Dokumentationspflichten und Kontrollen fordert, macht es insbesondere den bäuerlichen Familienbetrieben schwer. Sollen demnächst nur noch Großkonzerne zu vernünftigen Bedingungen überleben dürfen?

Aus Brüssel kommt Irrsinn wie die „Wiederherstellungsverordnung“, deren Kernanliegen „die kontinuierliche Erholung der Natur, insbesondere der Artenvielfalt und der Widerstandsfähigkeit aller Ökosysteme der Gesamtlandschaft sowie die Leistung eines Beitrags zur Erreichung der Klimaschutzziele und die Erfüllung eingegangener internationalen Vereinbarungen“ sei.

Die Erholung der Natur? Von welcher Krankheit? Und wird auch hier wieder die sonderbare Vorstellung gepflegt, man könne das Klima schützen? Vielleicht durch das Verbot furzender Rinder?

Immerhin: Das Düngemittelgesetz, mit dem man die Bauern an die Kandare legen wollte, ist vor dem Bundesverwaltungsgericht gescheitert. Unsere Politblase war davon ausgegangen, dass es einzig und allein die Bauern sind, die unser Grundwasser vergiften – durch Stickstoffeintrag via Düngemittel. Also: Düngen beschränken, zuungunsten des Pflanzenwachstums. Dieser Verdachtspolitik ist nun ein Riegel vorgeschoben. Die Richter stellen das Grundgesetz über die Düngeverordnung und damit über einen übergriffigen Staat.

Und während man die deutschen Bauern kujoniert, berichten irische Journalisten von einem unkontrollierten Hormon- und Antibiotikaeinsatz in der brasilianischen Rindermast. Überhaupt dürfte es schwerlich möglich sein zu überprüfen, ob die Südamerikaner genauso ums Tierwohl bemüht sind wie unsere Bauern.

Kurz: Unfaire Konkurrenz schadet ausgerechnet denen, die noch am ehesten ländliche Kultur verkörpern. Nationale Landwirtschaft ist ja nicht nur wichtig, weil sie eine gewisse Versorgungssicherheit im Krisenfall bedeutet – man denke an die Hungerblockaden im Ersten und Zweiten Weltkrieg. Sie bestimmt auch das Bild, das unser Kulturland bietet: von grasenden Kühen über wogende Getreidefelder bis zu Wäldern, in denen noch nicht Borkenkäfer oder Windmüller zugeschlagen haben. Das alles ist nicht einfach nur „Natur“ und kann auch nicht durch „lass die Natur mal machen“ ersetzt werden. Was wir neben den so idyllisch wogenden Feldern als Natur ansehen, ist längst ebenso Kultur. Und was mit Wäldern geschieht, die nicht von Totholz befreit wurden, wissen wir: Sie brennen vorzüglich.

Ohne bäuerliche Familienbetriebe sähe unser Land anders aus. Die Bauern werden immer weniger. Wer kann das wollen? Die Großen, die Agrarindustrie? Wir alle? Südamerika? Man weiß so wenig.


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Kommentare ( 11 )

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Wuehlmaus
54 Minuten her

Die haben vielleicht nur einen Beitrag von ~1% zum BIP. Aber über 50% zu den satten Mägen.

JamesBond
1 Stunde her

Die Dummheit regiert überall und manchmal auch auf „Tichys“ denn es ist nicht entscheidend welche Prozentzahl zur Wirtschaftsleistung ein Berufsstand beiträgt, sondern wie entscheidend diese Leistung für unser aller Leben ist! Ohne unsere Landwirte gibts keine Weihnachtsgans, keine Brötchen, kein Obst usw. . In Absurdistan haben Landwirte, Obstbauern, Fischer und Imker noch nicht kapiert, das sie von der Politik mißbraucht werden, um die Lebensmittel so preiswert wie möglich den Menschen zur Verfügung zu stellen, damit andere „Späße“ wie NGO,s, Klimasekte, Großkonzerne, … über Abgaben und Steuern finanziert werden. Ich reduziere meine Bienenvölker massiv – um 80% – sollen die schon… Mehr

karl.biermann
1 Stunde her

Bloß die Bauernproteste in Griechenland werden weiterhin verschwiegen. Dort sollen die Autobahnen für LKWs von Traktoren schon länger blockiert sein. Aber hier in Deutschland wird geschwiegen. Hier haben wohl gewisse Leute Angst die Bürgerproteste könnten sich ausweiten.
Darüber hat Weichreite und Utopia-TV bereits bei der ausufernden Bauerndemo in Brüssel berichtet und auch RT (welches in Europa mit erfolglosen Versuchen zensiert werden soll) zeigt was aktuell in Griechenland abgeht.

jwe
1 Stunde her

Wo sind denn die deutschen Bauern? Habe ich was verpasst oder nicht bemerkt? Hier bei uns sind die Bauern ganz still. Die sind damit beschäftigt, auf ihren Ländern möglichst viele Windräder aufzustellen. Dabei wird auch gleichzeitig für Zu- und Abfahrt viel Acker versiegelt. Deutsche Bauern sind halt mehr Wind- und Solar-Bauern, die ohne eigene Arbeit über Stromgeld und Steuern finanziert werden. Da muss man auch stillhalten, sonst kommt der eigene Acker für die Windindustrie nicht zum Zuge und man müsste wieder selbst arbeiten.

moselbaer
2 Stunden her

Ich empfinde es als gerade zu hirnrissigen Widerspruch, einerseits neuerdings Kriegsfähigkeit zu propagieren und andererseits die Ernährungssicherheit im Kriegsfall dadurch zu torpedieren, dass man die Möglichkeit den Selbstversorgung mit Lebensmitteln durch bürokratischen und ökologischen Blödsinn ruiniert.

Guzzi_Cali_2
2 Stunden her

Ich unterstütze die Bauern. Ich war auch bei den Bauernprotesten dabei – mit LKW – und ich hatte gehofft, daß der gordische Knoten zerschlagen wird und endlich weniger Bürokratie die Produktionsbetriebe knebelt. Dank Rukwied und Konsorten wurde daraus nicht, auch haben die Deutschen Bauern nicht das Durchhalte- und Stehvermögen, wie die Franzosen, Italiener, Griechen etc. Leider. Ich war lange Zeit der Ansicht, daß man der EU mit friedlichen Mitteln irgendwie beikommt. Leider hat sich das als Trugschluß erwiesen. Diese Damen und Herrschaften verteidigen ihre Pfründe mit Zähnen und Klauen und ich bin zwischenzeitlich der Ansicht, daß auf einen groben Klotz… Mehr

Karl Renschu
2 Stunden her

Mein Schnitzel ist zu teuer für mein Gehalt. Der Bauer gibt muss aufgeben, weil er nichts dran verdient und der Gastwirt zieht nach.

Die Grünen freuen sich darüber und die EU jubiliert, weil sie mit neuen Regelungen und Beamten zu deren Überwachung ihre Daseinsberechtigung beweist.

Finde den Fehler, Mercosur ist nur ein weiterer Sargnagel.

Nihil Nemo
2 Stunden her

Jeden Tag wird in Brüssel eine Vorschrift ersonnen, die uns das Leben schwermacht. Warum? Die ganzen hochbezahlten Beamten müssen einen Tätigkeitsbeweis erbringen. Die Politiker ihresgleichen einen Wichtigkeitsnachweis. Ich befürchte, das ist nicht reformierbar.

Klaus D
2 Stunden her

die Verantwortlichen….man muss aber auch sagen das die bauern eine mitschuld tragen. Wen haben und oder wählen denn bauern? Warum hat man vieles erst mitgemacht statt früher auf die barrikaden zu gehen? Was ist mit der bauernlobby also deren vertretern? Warum hat man den subventionswahn mitgemacht obwohl klar war das man sich abhängig macht? Und wenn die bauern einen fairen wettbewerb wollen ja dann muss man auch akzeptieren das bauen pleite gehen können. Und man sollte sich vieleicht mal mehr gedanken machen was man sonst noch tun könnte zb selber waren herstellen und vermarkten. Das hat der einzelhandel doch vorgemacht… Mehr

Tomtargi
2 Stunden her
Antworten an  Klaus D

Ich habe mir dieses unlesbare Gestammel nicht zugemutet.

Klaus D
1 Stunde her
Antworten an  Tomtargi

Müssen sie auch nicht!