Habecks Doppelstandard beim Gas-Sparen: „Ganz wichtige“ und unbedeutende zwei Prozent

Auch das Energiesparen ist für die Bundesregierung ein moralisches Geschäft. Wenn zwei Prozent Einsparpotenzial von der Atomkraft kommt, ist es laut Robert Habeck unbedeutend. Doch wenn sie aus seinem Maßnahmenpaket kommen, sind sie „ganz wichtige zwei Prozent“.

IMAGO / Christian Spicker
Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, beim ein Statement nach der Kabinettssitzung, 24.08.2022

Es vergeht kein Tag mehr ohne verheerende Nachrichten über die Energie-Katastrophe, auf die Deutschland zusteuert. Heute etwa die Berechnungen des Ökonomen Christoph Bauer von der TU Darmstadt: „Die deutsche Industrie zahlt für Erdgas aktuell einen Marktpreis, der um den Faktor acht höher liegt als der Marktpreis in den USA“, sagt er dem Handelsblatt. Und wenn man Steuern und Abgaben noch dazu nimmt, ist man beim Faktor 9. Er bezieht sich dabei auf den aktuellen Großhandelspreis für Lieferungen im kommenden Jahr 2023 – derzeit deutlich über 270 Euro pro Megawattstunde.

Man könnte auch fast täglich neue Rekordpreise von der Strombörse EEX in Leipzig melden. In dieser Woche ist der „Day Ahead“-Strompreis dort auf weit über 600 Euro pro Megawattstunde (MWh) gestiegen. Vor einem Jahr lag der Preis noch bei rund 25 Euro. Der Anstieg sowohl des Gas- als auch des Strompreises begann übrigens schon Monate vor Ausbruch des Ukraine-Krieges, hat also ganz offenkundig auch andere, hausgemachte Gründe.

— Holger Zschaepitz (@Schuldensuehner) August 24, 2022

Der Vorstandschef des Chemiekonzerns Lanxess, Matthis Zachert, sagt wenig überraschend, was das bedeutet und offenbar in den Köpfen der Regierenden noch gar nicht realisiert wurde: „Bleiben die deutschen Energiepreise auf dem derzeitigen Niveau, dann werden wir erleben, dass reihenweise Betriebe in deutschen Schlüsselindustrien schließen.“ Und die würden nicht aus wettbewerbsfähigeren Regionen zurückkommen. Das Handelsblatt zitiert noch eine Reihe weiterer Industriekapitäne mit ähnlichen Aussagen über diese „Energiepreisfalle“, in der die deutsche Industrie nun steckt.

Die Meldung des Statistischen Bundesamtes über ein immerhin leichtes BIP-Wachstum im zweiten Quartal kann da also nicht trösten, denn wie Carletta Heinz, Chefin von Heinz-Glass, sagt: „Die große Welle bei den Kosten für Strom und Gas wird die energieintensiven Firmen in Deutschland erst im kommenden Jahr richtig erfassen.“

Gegen diese Nachrichten aus der ökonomischen Wirklichkeit wirken die Reaktionen aus der Bundesregierung wie Zitate aus einem absurden Roman. Nachdem Wirtschaftsminister Robert Habeck erst kürzlich feststellte, dass es sich nicht lohne, die Atomkraftwerke über das Jahresende hinaus laufen zu lassen, weil man damit den Gasverbrauch nur um maximal zwei Prozent senken könne, erfahren wir jetzt aus seinem Ministerium, dass die von Habeck forcierten Sparmaßnahmen, mit denen er den Unternehmen und Bürgern zu Leibe rücken will, ein Einsparpotenzial von zwei Prozent hätten. Ja, richtig gelesen. Aber, so ergänzt ein Ministeriumssprecher vor der Bundespressekonferenz, letztere seien „ganz wichtige zwei Prozent“. Womit uns Habecks Mannschaft wohl weismachen will, dass es auch beim Energiesparen vor allem um die richtige, also dem Anti-Atomkraft-Dogma der Grünen folgende Moral geht.

Währenddessen wird unter ausländischen Beobachtern das Staunen über Deutschlands moralisierend-ignorante Energiepolitik immer größer. Beim amerikanischen Wall Street Journal etwa geht man davon aus, dass die Bundesregierung schließlich doch ihre Zuflucht zur Atomkraft suchen werde. Vom „heuchlerischen“ Deutschland ist etwa in Großbritannien die Rede, dass nun „in die Knie“ gehe. Man muss auch eigentlich kein Nobelpreis-gekrönter Alpha-Ökonom sein, um auf den Rat zu kommen, den Joseph Stiglitz gibt: „Atomkraft zurückholen, Fracking starten – Deutschland muss pragmatisch handeln“.

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