Wenn die Bildungslücken in der Lehrerschaft ankommen

Einblick in die Bildungsnation Deutschland: Eine Bremer Grundschullehrerin haut die Jahreszahlen 1938/1939, 1990/1998 sowie Deutschen Reich und Bundesrepublik durcheinander.

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Machen wir uns nichts vor: Die Lücken, die das Bildungssystem hinterlässt, wirken sich längst auch in der Lehrerschaft aus. Wer als Gymnasiast etwa einen miserablen Geschichtsunterricht oder womöglich gar keinen hatte, der wird im Lehramtsstudium fachlich gar nicht wettmachen können, was er bräuchte, um später seinen Schülern einen soliden Geschichtsunterricht bieten zu können. Zudem ist gerade Geschichte ein Fach, das bildungspolitisch stiefmütterlich behandelt wurde: Man kann es in manchen Bundesländern in der Oberstufe ablegen, oder ein Schüler erlebt es allenfalls als Appendix in einem Mischmasch-Sammelsuriumfach Geographie/Politik/Weltkunde/Wirtschaft/Geschichte.

Nun gibt es im kleinsten Bundesland, in Bremen, ein besonders peinliches, ja empörendes Beispiel von fachlicher Inkompetenz einer Lehrkraft. Sehen wir mal davon ab, dass Bremen bei ziemlich allen innerdeutschen Leistungsvergleichen immer einen der hinteren drei Plätze einnimmt. Stellen wir auch einmal die Frage zurück, ob Achtjährige, also Drittklässler wirklich wissen müssen, wer Hitler war.

Aber was dort eine Lehrerin (wir wissen nicht welchen Alters) in einer dritten Klasse der Grundschule am Buntentorsteinweg geboten hat, schlägt dem Fass den Boden aus. Es wurde ein Arbeitsblatt verteilt, das überschrieben war mit: „Ich kann historische Ereignisse der deutschen Geschichte aufsagen.“ Es sollten den Schülern damit wichtige Etappen von der Zeit Karls des Großen bis zur Wiedervereinigung der beiden Staaten in Deutschland vermitteln werden. Bodenlos, was sich darin findet! 

Beispiele: 

  • „1933 bekam Deutschland wieder einen König. Er wurde auch Führer genannt.“ 1938 (sic!) habe Adolf Hitler dann den Zweiten Weltkrieg begonnen.
  • Nach dem Ersten Weltkrieg sei das Deutsche Reich in „Republik Deutschland“ umbenannt worden. 
  • Über das Jahr 1918 heißt es: „Nun bekamen die Bürger im Land ein Wahlrecht. Mit dem Wahlrecht konnten sie mitbestimmen.“ 
  • Deutschlands Wiedervereinigung habe 1998 stattgefunden.

Der örtliche Weser-Kurier konfrontierte die Bremer Bildungsbehörde mit dem Unterrichtsmaterial. Dort reagierte man geschockt. „Es darf nicht sein, dass so ein Unsinn verbreitet wird. Dafür kann man sich nur entschuldigen“, sagte die Sprecherin von Senatorin Claudia Bogedan (SPD), Annette Kemp. Nach ihrer Darstellung wurde das Material zwei Tage, nachdem es ausgeteilt worden war, von der Schulleitung wieder eingezogen.

Aber damit der Peinlichkeit nicht genug: Normalerweise werde solches Material, so die oberste Schulbehörde, von schulinternen Fachkonferenzen vor der Verwendung geprüft und freigegeben. Das sei im vorliegenden Fall offenbar nicht geschehen.

Wie bitte? Geht’s noch? Kann man nicht einmal mehr in einer dritten Klasse eine Lehrkraft ohne fachliche Supervision auf Schüler loslassen? Oder aber traut man den eigenen Lehrer – zu Recht? – nicht mehr viel zu?

„Bildungsnation Deutschland“ – Teilstaat Bremen! Da kann man nur noch mit einem Satz von Karl Jaspers aus dem Jahr 1966 antworten: „Es ist ein Schicksal des Volkes, welche Lehrer es hervorbringt und wie es seine Lehrer achtet.“ Ja, Jaspers hat Recht. Ein Land, in dem in Ermangelung von Bewerbern jeder offenbar unabhängig von fachlicher, charakterlicher und pädagogischer Eignung Lehrer werden kann, und ein Land, das diesen Berufsstand so „achtet“, dass solche Personen wie in Bremen Lehrer werden können, hat keine Zukunft.

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Kommentare ( 159 )

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Dr. Michael Kubina
3 Jahre her

Also ich habe vor einem Jahr mit einer intelligenten, aufgeweckten Gymnasiastin aus gebildetem Elternhaus (Berlin) für eine Abiarbeit zum einem zeitgeschichtlichen Thema (NS/DDR) gelernt bzw. ihr Tips gegeben, Fragen gestellt etc. Ich war jedesmal total geschafft danach. Die geschichtlichen Kenntnisse wirklich grundlegendster Dinge waren eine Katastrophe, vom Verstehen von Zusammenhängen ganz zu schweigen. Dafür hatte sie neumodische politilogische Schlagworte drauf. Wenn sie auf ein historisches Phänomen stieß, war ihr Hauptinteresse, es in eine Schublade zu stecken, ist es a, b oder c? Das war offenbar das Anforderungsprofil im Unterricht. Wie gesagt sie ist intelligent und hatte sich das zeitgeschichtliche Thema… Mehr

kasimir
3 Jahre her
Antworten an  Dr. Michael Kubina

So oder so ähnlich ist es auch bei meinem Neffen (auch Berlin). Studiert schon, hat relativ gutes Abi, aber überhaupt keine Allgemeinbildung. Z.B. bei unserem letzten Familientreffen haben wir uns über Atomenergie gestritten. Da mich dieses Thema seit Jahren umtreibt und ich viel Fachliteratur lese, ist er bei mir mit seinem „Fachwissen“ oder sollte ich besser sagen Ansichten ständig ins Leere gelaufen. Ich wollte ihn auch nicht so vor allen bloß stellen, er ist mein Neffe und ich mag ihn. Seitdem schicke ich ihm regelmässig Literatur zu, die er wohl auch liest (sagte er mir jedenfalls…) Wir versuchen ihm nahe… Mehr

daldner
3 Jahre her

Bremen ist halt Bremen. Seit Jahrzehnten fest in Sozen-Hand. Solange die „Haltung“ der Schüler stimmt, ist zu viel Wissen nur Ballast. Hauptsache, sie können ihr Smartphone bedienen und die Heldentaten der Kanzlerin hersagen…

fatherted
3 Jahre her

Heute Morgen im MOMA….Herr Lorig…Zitat: „Die Bundeswehr wurde zehn Jahre nach dem Krieg 1965 gegründet“…..noch Fragen?

Hans Buttersack
3 Jahre her

Seit 2005 wird Deutschland wieder autokratisch regiert.

Das ist dann eine Aussage, die sogar stimmt.

Dr. Friedrich Walter
3 Jahre her

Meine 13-jährige Enkelin bekam kürzlich im Weltkunde-Unterricht beigebracht, daß die „Ostfriesischen Inseln“ in der Ostsee liegen und alle zu Mecklenburg-Vorpommern gehören (Fehmarn…?). Die „Ostfriesischen Inseln“ bezeichnete die Lehrerin als „Westfriesische Inseln“, da sie westlich der „Nordfriesischen Inseln“ liegen. Das sagt ja die Logik. Was soll man dazu noch sagen? Da bleibt nur noch Eugen Roth:
So manchen heimlich bedrücken
die scheußlichen Bildungslücken
doch er rechnet drauf dreist
daß du auch nicht viel weißt
so können Gespräche oft glücken

APachl
3 Jahre her

Die Kritik an der jungen engagierten Kollegin ist in weiten Teilen vollkommen unberechtigt und unfair. Hier toben sich mal wieder alte weiße Männer aus, die neidisch auf einen junge Frau sind. „1933 bekam Dtl. wieder einen König.“ Man muß – so lernt man das heute in der Lehramtsausbildung – die Schüler da abholen, wo sie sind. Da die Grundschüler weder mit einem Reichskanzler noch mit einem Diktator etwas anfangen können, sehr wohl aber mit einem König, ist es also entsprechend moderner Didaktik richtig, von einem König zu sprechen. „Republik vs Reich und ein Wahlrecht“ Hier erweist sich die junge Dame… Mehr

Peter Mueller
3 Jahre her
Antworten an  APachl

„…Schüler da abholen, wo sie sind.“ „…auch Lehrer inkludiert.“ Danke. Ich habe herzlich gelacht.

moorwald
3 Jahre her

Keine Sorge: der Referendarin passiert nichts. Denn die müßte ja schon beim Ersten Staatsexexamen und im Probeunterricht aufgefallen sein. Es würde also auf die Ausbilder zurückfallen.
„Teamarbeit“ wird es richten. Und das heißt wie immer; die Verantwortlichkeiten verwischen.
Fachwissenschaftliche Solidität wir systematisch abgewertet zugunsten von Didaktik und Pädagogik.
Dahinter steht letzlich die Überzeugung, es komme nicht auf da Was, sondern das Wie an.
Im Moment soll es die „Digitalisierung“ bringen. Der unausrottbare Glaube an das Allheilmittel „Methode“.

kasimir
3 Jahre her
Antworten an  moorwald

@moorwald: Daß es eine Referendarin war, geht aus dem Text nicht hervor. Herr Kraus schreibt:“ wir wissen nicht welchen Alters“… Natürlich passiert der Refendarin/Lehrerin nichts. Erstens hat Deutschland akuten Lehrermangel, es wir ja seit mind. 5 Jahren auf fachfremdes Personal zurückgegriffen. Zweitens glaube ich nicht, daß die Schulleitung sich mit der Lehrerin hinsetzt und die Sache aufarbeitet… Langsam bekommt man aber das Gefühl, man müsste seine Kinder garnicht mehr zur Schule schicken, denn wenn man abends oder am Wochenende noch mal von Null auf alles kontrollieren soll, dann kann man gleich zum home schooling übergehen (aber das ist ja auch… Mehr

moorwald
3 Jahre her
Antworten an  kasimir

„Referendarin“ habe ich wohl aus einer Stellungnahme des Ministeriums…kann das im Moment nicht finden. Ist aber auch nicht so wesentlich

Übrigens würde ich Seiteneinsteiger (die Sie anscheinend meinen) nicht als „fachfremd“ bezeichnen – ganz im Gegenteil. Die pädagogisch-didaktischen Weihen mögen fehlen. Aber solche Leute werden zuallererst wegen ihrer fachlichen Kompetenz eingestellt. Ich weiß, wovon ich rede.

Jens74
3 Jahre her

Mich wundert die Geschichte überhaupt nicht.
Eine junge Kollegin an unserer Schule kam direkt nach dem Referendariat zur Schulleitung, mit der Bitte BWL nicht in der Jahrgangsstufe 1 unterrichten zu müssen.
Den Stoff hätte sie schon an der Uni nicht kapiert.
Verdient A13 seit mehreren Jahre, jetzt verbeamtet und es passiert nichts!

Oblongfitzoblong
3 Jahre her
Antworten an  Jens74

Wie besteht man dann ein Hochschulexamen? Ach so, das Störfach kann abgewählt werden!

Ben Goldstein
3 Jahre her

Ich glaub, uns fällt nur im Moment mehr auf. Aber die Bildung ist schon seit längerem auf dem absteigenden Ast. In der Oberstufe hatte ich einen Deutschlehrer, der Sauerstoff in Pipelines vom Äquator zur Nordhalbkugel pumpen wollten. Ja, das war in der Oberstufe. Also, ja, das war ein Gymnasiallehrer. Und ich weiß jetzt nicht, ob der Kriegsausbruch von 1938 klüger oder dümmer als die Sauerstoffpipeline ist. In einer Sendung zu Corona fragte Maybrit Illner, ob man nicht statt mehreren wissenschaftlichen Studien in verschiedenen Bundesländern nur eine gemeinsame Studie machen sollte. Da weiß ich jetzt auch nicht, ob das dümmer oder… Mehr

Ralf Poehling
3 Jahre her
Antworten an  Ben Goldstein

Sauerstoff in Pipelines vom Äquator zur Nordhalbkugel pumpen?
Mal abgesehen davon, dass sich der Sauerstoff bekanntermaßen von ganz alleine in der Atmosphäre verteilt, da die Erde konstant rotiert und wechselhaft durch die feststehende Sonne erwärmt wird -> Stichwort: Luftaustausch durch Wind, und er auf der Nordhalbkugel deshalb bereits genauso vorhanden ist wie auch am Äquator, was sollte denn der Sinn dahinter sein?
Und warum fabuliert gerade ein Deutschlehrer über so etwas?

Ben Goldstein
3 Jahre her
Antworten an  Ralf Poehling

Eben. Ich weiß entsprechend auch nicht, welche blöde Bemerkung noch klüger oder dümmer ist. Man nennt das wohl Bodeneffekt (floor effect).
https://de.wikipedia.org/wiki/Bodeneffekt_(Testverfahren)

Oblongfitzoblong
3 Jahre her
Antworten an  Ben Goldstein

Wir speichern ja auch Strom in den Leitungen! Die Annalena.

Kalle Wirsch
3 Jahre her

Was erwarten Sie denn anderes, von einer Stadt, in der Sozis, Grüne und Kommunisten am rumwurschteln sind. (siehe auch Berlin).