Süddeutsche Zeitung bittet um Denunziation

Die „Süddeutsche Zeitung“ reiht sich ein in eine unheilvolle Geschichte. Sie fordert ihre Leser auf, „Rassismus in der Polizei“ zu melden - auch anonym.

imago images / Schöning

Die Geschichte der Menschheit ist auch eine Geschichte der Denunziation, vor allem als eines Machtinstruments in unfreien Gesellschaften. In unfreien Gesellschaften? Irrtum! Das Denunzieren wird auch in „freien“ Gesellschaften wieder salonfähig. Siehe „Corona“! Jetzt mischt die Süddeutsche Zeitung ganz offiziell im Denunziantenstadel mit. Am 26. Juli 2020 twittert sie unter dem Namen ihres Redakteurs Ronen Steinke: „Sie haben besondere Informationen zu Fällen von #Rassismus in der #Polizei von öffentlichem Interesse und wollen uns @SZ diese anonym zukommen lassen? So erreichen Sie uns ….“

— Ronen Steinke (@RonenSteinke) July 26, 2020

Wie bitte? Das SüZ-„Qualitätsblatt“ mischt nun wie die Taz mit an der Diskriminierung der Polizei? Die SüZ jetzt als Dependance der Ämter für Verfassungsschutz, als Ersatzpolizei, als Ersatzstaatsanwaltschaft? Oder handelt es sich um eine Köpenickiade aus Verzweiflung ob sinkender Auflagezahlen?

Es ist Gift, was die SüZ hier über Twitter versprüht, und es ist Amtsanmaßung. Zugleich geht die SüZ schier Stasi-mäßig vor. Die Zuträger können sich beim SüZ-„Investigations-Team“ melden, selbstverständlich auch anonym. Und damit die Spuren verwischt werden können, liefert die SüZ gleich noch Tipps mit, wie man die Spuren verwischen kann. Zum Beispiel: Kein Telefon nutzen, keine Email schreiben! (TE verzichtet hier auf den entsprechenden Link; wir wollen nicht auch noch Propaganda für diese „Arbeit“ der SüZ machen.)

Man fasst sich an den Kopf und assoziiert historische Beispiele von Denunziation:

  • an Judas, der für Jesu Verrat 30 Silberlinge kassierte;
  • an die Denunziationen in Zeiten der Inquisition sowie der Hexen- und Ketzerprozesse;
  • an die Denunziationen in Hitler-Deutschland (Gestapo);
  • an die Stalin-Zeit, in der organisierte Denunziation zur Parteidisziplin gehörte und epidemische Ausmaße annahm;
  • an die Denunziationen in der DDR mit ihren etwa 91.000 Stasi-Mitarbeitern und rund 189.000 informellen Mitarbeitern (IM).

Allerdings tut die SüZ im Grund nichts anderes als manche staatlichen Verfassungsschutzstellen, die sich seit 2019 ebenfalls gezielt auf die Suche nach Denunzianten gemacht haben. Das dürfte auch der Grund sein, warum die Chefs der Polizei, die Innenminister, sich nicht gegen die eigenartige „Amtshilfe“ der SüZ wehren. Das Bundesamt für Verfassungsschutz etwa hat ein „Hinweistelefon gegen Extremismus und Terrorismus“ eingerichtet. Es ist rund um die Uhr erreichbar. Über die Bremer Landesbehörde des Verfassungsschutzes weiß ausgerechnet die SüZ vom 17. Oktober 2019 zu berichten: „Bürgerinnen und Bürger sollten ihr Unbehagen im Kontakt mit mutmaßlichen Extremisten nicht für sich behalten …. Um einer weiteren Radikalisierung frühzeitig entgegenzutreten, brauchen wir die Zivilgesellschaft.“ Der Text endet mit der treuherzigen Erklärung: Das Ganze soll „nicht zur Denunziation missbraucht werden.“

Es stimmt, Menschen sind um kleiner Vorteile willen zum Verrat bereit. In Kindergarten oder Schule nennt man es „Petzen“ oder „Verpfeifen“. Auf staatlicher Ebene heißt es „zivilgesellschaftliche Pflicht“. Dieses „zivilgesellschaftliche“ Netz wird immer dichter. Zwei aktuelle Beispiele an dieser Stelle nur:

  • Die einschlägig bekannte Amadeu-Antonio-Stiftung hat 2018 eine Handreichung zum Umgang mit Rechtspopulismus und Menschenfeindlichkeit in Kitas herausgegeben, samt Vorwort von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey. Dort sind Hinweise enthalten, wie „Kinder aus völkischen Elternhäusern“ erkannt werden könnten. Das liest sich dann so: „In einer Kita fallen zwei Geschwister auf … Diese Kinder scheinen besonders ‚gut zu spuren‘. Außerdem sind traditionelle Geschlechterrollen in den Erziehungsstilen erkennbar: Das Mädchen trägt Kleider und Zöpfe, es wird zu Hause zu Haus- und Handarbeiten angeleitet, der Junge wird stark körperlich gefordert und gedrillt. Beide kommen häufig am Morgen in die Einrichtung, nachdem sie bereits einen 1,5-km-Lauf absolviert haben.“
  • Oder nehmen wir das „Landesantidiskriminierungsgesetz“ (LADG) von Berlin. Dort kann man jetzt als vermeintliches Opfer die Polizei anschwärzen, ohne den Beweis antreten zu müssen. Die Beweislast ist umgekehrt, die Polizei muss den Beweis antreten, dass sie unschuldig ist.

Weit haben wir es gebracht in diesem Lande. Die „Qualitätspresse“ mischt dabei kräftig mit beim Rückfall in Zeiten, als es wenigstens noch heftige (und mutige!) Stimmen gegen das Denunziantentum gab. Dem Dichter des Deutschlandliedes Hoffmann von Fallersleben (1798 – 1874) etwa wird folgender Vers zugeschrieben: „Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant.“ Und 1884 erschienen im Satireblatt „Der Wahre Jakob“ die Verse: „Verpestet ist ein ganzes Land, wo schleicht herum der Denunziant … Der Menschheit Schandfleck wird genannt der niederträchtige Denunziant.“ 

A. Paul Weber hat den Denunzianten übrigens bildhaft wunderbar zu Papier gebracht.

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