Karlsruhe bestätigt die Herrschaft der Gefallsucht

Im Grunde sind die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten apolitisch. Zufällig entspricht das genau der Methode Merkel.

Das Schlimmste am Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Rundfunkbeitrag ist nicht das Urteil selbst, sondern seine Begründung. Eine Lobhudelei auf ARD und ZDF, die jeder Grundlage entbehrt.

I.

Das Höchste Gericht muss mit Blindheit oder Voreingenommenheit oder mit beidem zugleich geschlagen sein. Ja, richtig, der öffentlich-rechtliche Rundfunk könnte, weil er Milliarden steuerähnlicher Gebühren kassiert, völlig frei sein von kommerziellen Interessen, allein seinem Bildungs- und Informationsauftrag verpflichtet. Aber wer auch nur einen Tag lang öffentlich-rechtliches Fernsehen konsumiert, weiß, dass dies nicht der Fall ist. ARD und ZDF sind fast ausschließlich an Einschaltquoten interessiert (das ZDF noch mehr als die ARD), so als stünden sie tatsächlich im Wettbewerb. Sie folgen dem irrigen Dogma, allein die Reichweite stehe für erfolgreiches Programm, allein Markführerschaft sichere ihre Existenz. Sie verraten für die Quote ihren gesellschaftlichen Auftrag und zerstören systematisch Fernsehkultur, die es ja einmal gegeben hat.

II.

Wer immer möglichst allen gefallen will, ist beliebig, langweilig, belanglos und mutlos. Auch Magazine, Dokumentationen und Reportagen gehorchen mehr und mehr den Gesetzen der Unterhaltung. Eine zappelnder Boulevard, sonst nichts. Das einzige Argument, das für ARD und ZDF spricht, ist das schauerliche Niveau, mit dem die kommerzielle Konkurrenz antritt. Von dieser lassen sich ARD und ZDF jedoch in eine Seichtigkeitsspirale treiben. Anpassung nach unten. Sie wird mit dem Urteil nicht aufgehalten, sondern noch beschleunigt. Unter den Blinden ist das ZDF das Einäugige. Mit dem Zweiten sieht man nicht besser als mit dem Ersten, nur besser als mit gar keinem. Wenn das ein Trost sein soll!

III.

Die Gefallsucht der Quotensüchtigen führt auch zu politischer Anpassung. Die Mehrheit soll weder provoziert, noch verunsichert werden, sondern bestätigt. Wohlfühlfernsehen. Das Moralschaumbad gehört dazu. Unmoralisch sind immer nur die anderen, die gottlob nicht Mehrheitsfähigen. Die sich das nicht mehr gefallen lassen – daher die große Verunsicherung. Im Grunde sind die Anstalten apolitisch. Zufällig entspricht das genau der Methode Merkel. Das passt gut zusammen. Denn ARD und ZDF werden nach wie vor von Staatskanzleien, von Parteien und ihren Funktionären kontrolliert, und auch darüber hinaus vom schwarz-rot-grünen juste milieu.

IV.

Anpassungsdruck bedarf keiner Anordnung. Der Primat der Quote ist wirkungsvoller als jede Anordnung. Was in früheren Zeiten durch die Einflussnahme der Parteien und Funktionäre wenigstens Ausgewogenheit erzwang (auf relativ hohem Niveau, weil die Unterschiede nicht zwanghaft eingeebnet, sondern munter ausgelebt wurden), führt der Quotendruck nur zu immer noch mehr Anpassung an die herrschenden Moden.

V.

Dazu kommt, dass die Mehrzahl der „Kontrolleure“ unfähig oder unwillig ist, Qualitätsdebatten zu führen. Kultur kommt immer kürzer, Sport, Krimis, Herzschmerz-Serien, Comedy-Quatsch und Talkshow-Gequatsche werden werden zu langweiligem Programmbrei verkocht. Die mit Inbrunst geführte Gebührendebatte kann die Qualitätsdebatte nicht ersetzen. Es zeigt sich bloß, wie sehr der Diskurs die eigentliche Sache verfehlt.

VI.

Dennoch: Angesichts der alarmierenden Tendenz zur Verblödung der Zuschauer, der unverkennbaren Absenkung des Bildungsniveaus mit freundlicher Unterstützung der politischen „Eliten“, bin ich nach wie vor der Auffassung: Gäbe es keinen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, müsste man ihn erfinden. So wie er sein müsste und sein könnte, wäre er unverzichtbar. Es wäre ein Rundfunk, der seinem gesellschaftlichen Auftrag entschieden nachkommt. Das neue Urteil wird ihn allerdings eher dazu ermuntern, seinen verhängnisvollen Abwärtstrend fortzusetzen.

VII.

Die uneinsichtig selbstgerechte Art, mit der zum Beispiel Claus Kleber den Bericht über das Urteil im heute journal nicht etwa anmoderierte, sondern kommentierte, lässt nicht darauf schließen, dass ein Prozess der Selbstbesinnung begonnen hat. Und auch die Betroffenheitsoperette, mit der am selben Abend der neue Leitstern des ZDF-„Journalismus“, Dunja Hayali,  ihre Premiere ohne den geringsten Aufklärungsertrag, dafür mit biederem Personenkult in Szene setzte, lässt keine Hoffnung zu.

VIII.

Unabhängiger Journalismus hatte es in diesem Sender immer schwer. (Als Studioleiter des ZDF in Bonn wurde ich entfernt, als ich über Kohls „Innere Einheit“ kritischer berichtete, als es das damalige juste milieu zuließ.) Aber nicht so schwer wie heute. Meiner Kritik am Quotenwahn wegen versetzte mich der Mann mit einem Fußtritt statt mit einem Handschlag in den Ruhestand, der nach der jüngsten Urteilsverkündung wieder nicht die Wahrheit spricht. Das Urteil verpflichte das ZDF zu Qualität, behauptet dieser Intendant. Er hat, seit er im Amt ist, nur immer konsequent das Gegenteil verfolgt. Ich war für Kultursendungen verantwortlich und weiß, wovon ich rede.

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Kommentare ( 73 )

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giesemann
5 Jahre her

… denn das Maß, das sind die Einschaltquoten, gemessen an der Masse der Idioten … .

R. Rabenstein
5 Jahre her

Mit diesem Urteil hat das BVG , also die Parteibuch Richter, ihre Nähe zur Politik mehr als deutlich ausgedrückt. Jetzt muss man leider auch diese Institution kritischer sehen. Alleine eine detaillierte Kostenanalyse hätte gereicht diese Anstalten zu zwingen, sich im wesentlichen wieder an ihren ursprünglichen Auftrag zu orientieren. Dazu gehören nicht die täglichen Krimis, die blödsinnigen Soap-Wiederholungen, die gesteuerten Talkshows, etc. etc. und schon gar nicht die überheblichen, einseitigen Ergüsse vieler Kommentatoren. Dieses Urteil ist auch ein Freibrief, diesen aufgeblähten „Staatssendebetrieb“ wie bisher und sogar noch weiter auszubauen. Ein Urteil das zeigt, dass der Politikerfilz sogar bis ins BVG reicht.

Lemmy
5 Jahre her

Die Privaten senden Schrott? Keine Frage, dass ist ein Fakt. Die Frage nach dem „Warum“ ist doch hier die Entscheidende. Die ÖR bekommen pro Jahr ca. 8 Mrd Euro in den Allerwertesten geblasen, die haben ihr Einkommen also sicher. Quasi am Markt vorbei. Das müssen die Privaten ja erst einmal erwirtschaften, was sie nicht können. Die gesamte RTL Gruppe erwirtschaftet ca. 1,5 Mrd. Euro pro Jahr weniger als die ÖR. Ja wo soll da die Qualität herkommen, wenn man immer nur sparen muss? Die ÖR Medien sind, Zwangsgebühren sei Dank, dem Konzept der Konkurrenz entrückt worden und das wissen die… Mehr

Old-Man
5 Jahre her

Sie haben die Misere an der wir kranken zutreffend und Punktgenau beschrieben Herr Herles. Mich persönlich ärgert immer,das Ich diesen Propaganda Schrott,den Ich nicht anschaue Monat für Monat bezahlen muß,somit auch solch schrägen Vögeln wie Slomka oder Kleber ein sehr gutes Auskommen bezuschuße! Wer sich informieren will,der kann weder die Presse noch die Ör-Sender zu Rate ziehen,der muss ausweichen auf zum Glück verhandene Medien im Netz,nur so kann man halbwegs mit bekommen,was uns die „Staatsmedien“ bewußt vorenthalten,oder vorsätzlich falsch übermitteln! Das sich ein Bundesverfassungsgericht zum Büttel der Regierenden macht,ist auch der Berufung der Richter in ihr Amt geschuldet,die ist nämlich… Mehr

MaxxMurxx
5 Jahre her

Die WDR-Verwaltungschefin Katrin Vernau, die von 2003 bis 2005 Kanzlerin (Verwaltungschefin) der Universität Ulm war, und ihre 8-jährige Amtszeit sicherlich aus purem Zufall bereits nach 3 Jahren und zu einer Zeit abbrach, als mehrere langjährige verdiente Mitarbeiter aus der Universität gemobbt wurden und es das Gerücht gab, es werden „schwarze Listen“ unliebsamer Mitarbeiter seitens der Verwaltung abgearbeitet, ist Mitglied das sogenannten „Hamburger Roland Berger Kreises“ um den Abgeordneten Ole von Beus, Chefin des ARD/ZDF-Zwangsgebühreneinzugsservices, Aufsichtsratsvorsitzende der „Baden Badener Pensionskasse der öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten“ und mobbt gerade 6 oder 7 WDR-Mitarbeiter aus ihrem Job, entscheidet über deren Abfindungen und kann… Mehr

A. Schmidt
5 Jahre her

Am schlimmsten an der Urteilsbegründung war die Passage, in der das BVerfG angeblich die umfassende Information der Bürger durch ARD/ZDF/WDR/NDR/SWR usw. gelobt haben soll. Angesichts des 2 Jahre dauernden Verschweigens des kompletten Inhalts der Snowden-Dokumente, über die weltweit ausserhalb Deutschlands umfassendst mit hunderten, ja sogar tausenden von Seiten im Original berichtet und diskutiert wurde, war dieser Totalausfall der deutschen ÖR-Sender als Lückenpresse (Zitat nach Peter Hahne) besonders auffällig. Selbst in den USA und England wurden Originaldokumente publiziert, in Brasilien wurden gleich hunderte im Fernsehen ausgestrahlt und diskutiert. In Deutschland hingegen wurde nichtmal ein einziger Satz lesbar gezeigt. Zu sehen waren… Mehr

Eostrae
5 Jahre her

Nein, die ÖR sind nicht „dem Grunde nach apolitisch“, im Gegenteil: Jede Sendung verfolgt inzwischen ein politisches Ziel bzw. strotzt nur so vor links-grüner Ansichten und Political Correctness, von der Tagesschau über die Vorabendserie bis zum Kinderkanal. In jedes einzelne Magazin, sogar in jede kleine Reportage oder vorgebliche Unterhaltungsendung ist bereits Trump-Bashing, Warnung vorm bösen Rechtspopulismus und Multikulti-Propaganda eingebaut. Es ist offenbar schon völlig selbstverständlich geworden. Es ist längst nicht mehr nur die „Volkserziehungs-Lindenstraße“, in der überauffällig ständig aktuelle Ereignisse und gesellschaftliche Probleme „total objektiv“ behandelt werden.

Sonny
5 Jahre her

Früher dachte ich, es ist nicht alles gut in Deutschland, aber es wird immer besser.
Seit wir die Vereinigung auch mit SED-Bonzen und deren Polit-Propaganda-Kenntnissen „vereinigt“ haben, geht es wohl eher immer weiter abwärts.

Wolfram
5 Jahre her

Mir scheint, das Bundesverfassungsgericht ist der verlängerte Arm der Parteien und Regierung. Aber mit erhobenem Zeigefinger auf Polen zeigen. Das passt.

Walter Knoch
5 Jahre her

Sehr geehrter Herr Herrles, so gerne ich Ihnen zustimmen möchte. Und in wesentlichen Teilen tue ich das auch.

Aber Sie irren mit dem Statement, die ÖRen seien alleine von der Quote getrieben. Sie ist nur ein Korrelat. Die wesentliche Motivation des öffentlich-rechtlichen Sendebetriebes ist politischer Natur.

Bei nur rudimentär vorhandenem Binnenpluralismus benutzt man die seichten Sendungen erstens zum Transport politischer Botschaften, zwischen den Zeilen und ganz offen, und zweitens zur Bindung, um der ideologischen Mission Reichweite zu gewährleisten.

Armin V.
5 Jahre her
Antworten an  Walter Knoch

Sehe ich genauso!!!