Demokratie in der Krise

Deutschland und Frankreich, die beiden Schwergewichte der EU, taumeln immer tiefer in die Krise. Was beide eint, ist der Unwille, Fehler erkennen und benennen zu wollen.

Jetzt hat es auch Frankreich erwischt. Das neben Deutschland größte Land der EU steckt tief in der Krise. Unfähig zu nachhaltigen, notwendigen Reform scheinen beide Länder zu sein. Wenn sich das nicht ändert, droht Unregierbarkeit. Mit großen Unterschieden: In Frankreich ist es die Kompromisslosigkeit einer zersplitterten Parteienlandschaft, in Deutschland die Kompromissseligkeit besinnungsloser Altparteien, die einen Kurswechsel verhindern. Was folgen könnte, ist mehr als nur eine Staatskrise – eine Krise der Demokratie.

I.

Das größte Vergehen am Geist der Demokratie besteht darin, erkannte Fehler zu verleugnen. In dieser Disziplin sind die herrschenden Parteien Spitze. Herrschend, nicht nur koalierend: Deshalb gehören die Grünen dazu. Sie beanspruchen noch immer die ideologische Richtlinienkompetenz. Robert Habeck und Genossinnen können ihren verheerenden Kurs gar nicht verleugnen, weil sie noch gar nicht begreifen, was sie anrichten. Die Sozis dagegen begreifen sehr wohl, warum sie ihre Wähler verlieren – geben aber ihr Versagen partout nicht zu. Demokratie funktioniert aber nur, wenn „unsere Demokraten“ den Wählern die Wahrheit zumuten. Die Parteien verfehlen die Realität. Und ihr großes Mantra ist noch immer ein „Wir schaffen das“. Sie können „das“ nicht schaffen, weil sie sich beharrlich in Illusionen wiegen.

II.

Der Zustand des Landes ist tatsächlich schlechter als das Bild, das die tragenden Parteien malen. Sie setzten lange darauf, dass der zum Konsumenten degradierte Bürger sich an das Nichtfunktionieren des Staates gewöhnen möge. Die Probleme (Sozialsysteme, Wirtschaft, äußere Bedrohung, innere Sicherheit, Bildung, Infrastruktur etc. etc.) erscheinen mittlerweile so groß, dass die meisten Bürger gar keine Lösungen mehr erwarten, sondern sich mit Herumdoktern und Durchwurschteln begnügen – das hoffen die Herrschenden. Sämtliche Obergrenzen des Zumutbaren sind überschritten. Was aber tut die Politik? Sie redet besser gar nicht über Obergrenzen. Der Mensch der bürgerlichen Mitte gewöhnt sich schließlich an fast alles, was er nicht ändern kann. Er will schlimmstenfalls von Politik nichts mehr wissen, schaltet auf Durchzug und notfalls das Staatsfernsehen aus. Glauben die Parteien. Sie träumen von einem Volk, das ihnen die Simulation von Führung, ohne groß zu murren, abkauft – und ihnen das Geschäft überlässt.

III.

Die repräsentative Demokratie setzt ein Mindestmaß von Vertrauen in die Parteien voraus. Vertrauen besteht aus zwei Komponenten. Bürger müssen den Versprechungen im Wesentlichen trauen können. Die Parteien wiederum müssen sich trauen, das Machbare und Notwendige tatsächlich in Angriff zu nehmen, und nicht nur darüber zu reden. Mit einem gewissen Maß an Vertrauensverlust ist am Ende jeder Regierungszeit zu rechnen. Was aber, wenn schon zu Beginn das Misstrauen tief sitzt? Dann betrifft es nicht nur die Regierungsparteien, sondern das ganze Regierungssystem – die Demokratie.

IV.

Demokratie garantiert keine gute Regierung. Sie ist lediglich, darauf läuft es hinaus, eine Methode, den immer wieder notwendigen Regierungswechsel reibungslos, vor allem unblutig zu gewährleisten. Was aber, wenn sich schon unmittelbar nach dem Machtwechsel herausstellt, dass ein Machtwechsel dringend notwendig wäre? Weil ein Machtwechsel ohne Richtungswechsel sinnlos ist. Weil sich das Versprechen des Kurswechsels als Täuschungsmanöver herausstellt. Weil der Machtwechsel nur eine Behauptung gewesen ist. Dann funktioniert Demokratie nicht mehr.

V.

Wie lösen „unsere Demokraten“ dieses objektive Problem? Sie tun so, als seien sie allein Hüter der Demokratie. Wer gegen ihr Versagen opponiert, dem werden undemokratische Absichten unterstellt. Wenn Andersdenkende nicht verboten werden können – weil ein paar demokratische Grundregeln Bestand haben –, dann werden sie doch behindert und ein echter Machtwechsel mit undemokratischen Mitteln erschwert. „Unsere Demokraten“ zerstören die Basis der Demokratie: den offenen Diskurs. Wer nur noch die eigene Meinung zulässt, ist kein Demokrat. Das gilt für alle, nicht nur für „unsere Demokraten“. Auch Demokratie unter Polizeischutz ist keine Demokratie. Wie vernagelt muss man sein, das nicht zu erkennen?

VI.

Wohin das führen kann, ist soeben in den USA zu beobachten. Charlie Kirk, ein Rechter, aber doch auch ein ausgemachter Mann des Dialogs, wurde auf offener Bühne ermordet. Und die Linksradikalen – auch bei uns – ergötzen sich daran in nicht nur klammheimlicher Freude. Mit linkem Terror ist auch hierzulande zu rechnen. Der Anschlag auf die Stromversorgung Berlins ist nur ein blasses Vorzeichen. Aber die bürgerliche Mitte (siehe II.) will nicht so genau hinsehen und lieber mit linken Ideologen kooperieren, statt mit den bösen Rechten in Berührung zu kommen. Auch diese asymmetrische Verleugnung der Realität gefährdet die Demokratie. „Unsere Demokraten“ sind dafür blind.


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Kommentare ( 66 )

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Biskaborn
2 Monate her

Absatz VI ist der Kernpunkt des hervorragenden Artikels. Aber auch hier vergessen wurde, hinter dieser „ unsere Demokratie“ versteckt sich immer noch die Masse eine schlafenden Volkes, welches die Entwicklung des Landes unter den herrschenden Linken nicht erkennen will!

Sonny
2 Monate her

Hört, hört! Da spricht jemand, der von Anfang an die blaue Partei verteufelt hat. Haben Sie selbst, Herr Herles, damit angefangen, („Das größte Vergehen am Geist der Demokratie besteht darin, erkannte Fehler zu verleugnen.“), sich zu hinterfragen? Ihr Kommentar enthält sehr viele Wahrheiten. Die Konsequenzen daraus lassen keine Ausflüchte mehr zu. Die Altparteien (natürlich inklusive grün) sind weder demokratisch noch kompetent. Dieses Land braucht etwas anderes und zwar dringend. Es braucht Realitätssinn, Umkehr und Mut. Darauf zu hoffen, dass sich die Altparteien besinnen und wandeln, ist in höchstem Grade unrealistisch. Und wer das verinnerlicht, der weiß auch, was er zu… Mehr

Last edited 2 Monate her by Sonny
M.Peter
2 Monate her

Freiheit – und dazu gehört zuallererst die Meinungsfreiheit – ist das Fundament einer Demokratie.

Leider ist in „unserer Demokratie“ die Meinungsfreiheit nur auf dem Papier existent.
In „unserer Demokratie“ ist nur die linke Meinung „frei“.
Die rechte Meinung wird als rechtsextrem und rechtsradikal oder gleich als „Nazi“ gebrandmarkt und „eingesperrt“.

Talleyrand
2 Monate her

Ich brauche nicht unbedingt Demokratie, um in einigermassen erträglicher Umgebung zu leben. Ich brauche den gesicherten Rechtsstaat unter welchem Etikett auch immer. Dass wir den haben und behalten, muss ich angesichts der letzten Jahre anfangen zu bezweifeln.

Guzzi_Cali_2
2 Monate her

Man kann darauf warten, daß es denjenigen, die die Wahrheit sagen (die AfD) ebenfalls trifft.

Waldschrat
2 Monate her

„Was folgen könnte, ist mehr als nur eine Staatskrise – eine Krise der Demokratie.“
Nein, Herr Herles, die Krise der Demokratie folgt nicht, die haben wir bereits. Im Grunde ist die Krise schon vorbei, weil, wir haben keine Demokratie mehr, bestenfalls eine Scheindemokratie, die auch Unseredemokratie heißt (bewusst zusammengeschrieben, das ist ein Begriff).

Werner Brunner
2 Monate her

So ein Quatsch !
Es geht doch nicht um die Demokratie , liebe Zeitgenossen ,
sondern allein um die Fleischtöpfe !
Das Ändern eines bestehenden Zustandes beginnt
immer mit dem Betrachten der Realität .
Genau die wird aber immer und immer wieder ignoriert !

Jan Frisch
2 Monate her

Da muss ich widersprechen. Das größte Problem ist, dass Menschen mit Begriffen um sich werfen, deren Bedeutung sie nicht kennen oder gar verleugnen.
Bestes Beispiel „Demokratie“, zu deutsch „Volksherrschaft“. Die sollen wir uns neuerdings von Menschen erklären lassen, die unverschämt genug sind sogar die Existenz des deutschen Volkes zu leugnen.

schwarzseher
2 Monate her

Das größte Vergehen am Geist der Demokratie besteht nicht darin, erkannte Fehler zu verleugnen, wie der Autor schreibt, sondern darin, die demokratische Opposition, die diese Fehler korigieren will, zu diskreditieren, massiv zu behindern, physisch zu bedrohen and tatsächlich anzugreifen, von den öffentlich rechtlichen Medien fernzuhalten, deren Kandidaten und die ganze Partei verbieten zu wollen.

Bernhardino
2 Monate her

Was beide eint, ist der Unwille, Fehler erkennen und benennen zu wollen.“
Na, meines Wissens hat Herr Herles selbst seine Meinung über die AfD als unapetittlich und nicht wählbar auch nicht geändert. Daher braucht gerade er anderen keinen Unwillen vorzuwerfen.

Wilhelm Roepke
2 Monate her
Antworten an  Bernhardino

Sie nehmen mir die Worte aus dem Mund. Es ist bei Herrn Herles wie in der Bibel: er sieht den Splitter im Auge des Bruders, aber den Balken im eigenen Auge sieht er nicht.