Und jetzt droht auch noch Inflation

Die Briten haben sich nicht nur für den EU-Austritt entschieden, sie haben mittelbar auch Deutschland den Franzosen, Italienern und weiteren Club Med-Ländern ausgeliefert. Für Anleger Anlass genug, die Konsequenzen zu ziehen.

© Thomas Lohnes/Getty Images
Analyst Robert Halver (C) reacts at the Frankfurt Stock exchange the day after a majority of the British public voted for leaving the European Union on June 24, 2016 in Frankfurt am Main.

Börsen spiegeln die Stimmung von Groß- und Kleinanlegern wider. Börsen reflektieren die Zukunft. Börsen haben immer recht. Dieser Dreiklang bedeutet nach der Entscheidung der Briten zugunsten des Brexit: Für einen Teil der Anleger wird es ungemütlich, sofern sie auf die – scheinbar heile – EU-Welt, auf mehr Wirtschaftswachstum und steigende Aktienkurse  gesetzt haben. Dagegen können sich solche Anleger, die das Börsengeschehen eher skeptisch verfolgt und deshalb Geld in Anleihen, auf dem Konto oder in Gold gehortet haben, über ihre reichliche Liquidität freuen. Denn sie dürfen in den kommenden Monaten zu Recht mit Kurs-Schnäppchen rechnen.

Das zu erwartende Szenario ist eindeutig: Briten und Deutsche sind in der EU so etwas wie Garanten halbwegs liberaler Verhältnisse. Davon müssen wir uns jetzt verabschieden. Stattdessen droht die Umarmung durch den sogenannten Club Med: Die Mittelmeer-Anrainer unter Führung der großen EU- und zusätzlich Euro-Länder Frankreich, Italien und Spanien werden so lange Druck auf Deutschland ausüben, bis ein Kompromiss zugunsten von noch mehr Staatsschulden und zulasten der Euro-Stabilität herauskommt. Der Euro-Kurs hat diese vorhersehbare Entwicklung unmittelbar nach der Brexit-Entscheidung vorweggenommen.

Brüssel bekommt die silberne Zitrone

Optimisten behaupten nun allen Ernstes: Halb so schlimm, nach zwei Jahren – aufgrund der durch den EU-Vertrag festgelegten Zeitspanne für das Aufarbeiten des Brexit – werde alles wieder gut. Wirklich schon nach zwei Jahren? Sollte dies der Brüsseler Bürokratie gelingen, hätte sie wahrlich mehr als die sprichwörtliche goldene Ananas verdient. Dagegen ist wohl eher zu 99 Prozent damit zu rechnen, dass Brüssel stattdessen die silberne Zitrone verdienen dürfte. Warum, liegt auf der Hand: Nicht nur, weil Bürokraten nachgewiesenermaßen einen ineffizienten Arbeitsstil pflegen, den der Historiker Cyril Northcote Parkinson – bezeichnenderweise ein Brite – als Beschäftigung mit sich selbst interpretierte. Sondern auch, weil der ohnehin nur noch kleine Rest des Vertrauens in die EU einen nicht mehr gut zu machenden Schaden erlitten hat.

Vertrauen spiegelt sich – ebenso wie Misstrauen – in den Aktienkursen wider. Danach zu urteilen, ist das Vertrauen erst einmal dahin: Vertrauen nicht allein in die EU, sondern vor allem auch in die Konjunktur, in Unternehmensgewinne, in die Politik und letzten Endes sogar in die Europäische Zentralbank, die ja bereits zu einer Art Schattenregierung der Euro-Länder mit eingebauter Gelddruckmaschine ausgewuchert ist. Der Freitag nach dem Brexit hat neben weltweit extrem schwachen Aktien- und starken Anleihekursen auch noch einen erneut anziehenden Goldpreis, Schweizer Franken-, Dollar- und Yen-Kurs sowie dementsprechend einen schwachen Euro und ein kollabierendes Britisches Pfund mit sich gebracht.

Bares ist Trumpf, vor allem mit inflationsindexierten Anleihen

Wie geht es weiter? Hier in Frankfurt rauchen derzeit die Köpfe. Nur wenige Fondsmanager hatten den Brexit auf der Rechnung. Folglich blieben sie relativ stark in Aktien engagiert. Jetzt heißt es dagegen: Alle Portfolios auf den Prüfstand stellen, neu disponieren und im Zweifel Barreserven aufbauen. Kurspotenzial nach oben sieht anders aus. Stattdessen ist bis auf Weiteres ein hektisches Hin und Her mit Tendenz nach unten zu erwarten. Vom kommenden Montag an wird es ernst. Denn nachdem die Fondsmanager am Freitag erst ihre Wunden geleckt haben, müssen sie dann handeln. Das verheißt für Aktien- und Aktienfondsanleger nichts Gutes.

So gesehen, sind jetzt für private Anleger zunächst hohe Barreserven Trumpf. Dabei ist ab 100.000 Euro darauf zu achten, dass die gesetzliche Einlagensicherung pro Person und Bank nur bis zu diesem Limit ausreicht. Als Barreserve darüber hinaus empfehlen sich – außer einem ordentlichen Anteil in Goldbarren und Anlagemünzen wie Krügerrand oder Maple Leaf – inflationsindexierte Bundesanleihen mit verschiedenen Restlaufzeiten, Wertpapier-Kennnummern 103052, 103054, 103056 u.a.

Der Club Med lässt grüßen

Wer beispielsweise bei comdirect.de auf Kurssuche klickt und diese Nummern eingibt, stellt fest, dass deren Kurse am Freitag einen Satz nach oben gemacht haben. Damit werden sie ihrer Sicherheitsfunktion gerecht, etwas Kurspotenzial nach oben inbegriffen. Vorübergehende Kursrücksetzer sind möglich. Sie sollten zu Käufen genutzt werden. Und wer glaubt, die Inflation sei in weiter Ferne, ist gut beraten, den Bundesbank-Bericht vom Juni aufmerksam zu studieren, darin insbesondere Seite 13. Dort ist zu lesen, dass die Bundesbank bereits für 2017 mit einer Euroraum-Inflation von 1,5 Prozent rechnet und für 2018 sogar mit 1,7 Prozent. Setzt sich der Club Med gegen Deutschland durch, wird daraus mehr.

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