Von der Leyen auf dem Weg zum eigenen EU-Geheimdienst

Machtzuwachs ist ihr zweiter Name. Von der Leyen beherrscht das EU-Prinzip der Selbsteinsetzung wie keine andere. Eine zentrale Geheimdienst-Einheit soll bald für mehr Gewicht der Kommission im Austausch mit Washington sorgen und die EU angeblich gegen „hybride“ Angriffe wappnen.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Virginia Mayo
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Vizepräsidentin Kaja Kallas, Brüssel, 04.11.2025

Seit einiger Zeit gibt es den Streit der Königinnen in der EU. Man kann das so sagen, weil sich die beiden Damen tatsächlich wie gekrönte Häupter verhalten, seit ihnen ihr Amt verliehen wurde. Es geht um die „Königin der EU“, Ursula von der Leyen, und die dagegen noch relativ junge Außenbeauftragte Kaja Kallas, die bei ihren Reisen aber schon manchmal wie die oberste Heerführerin auftritt. Und während Kallas noch damit kämpft, aus dem Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) etwas zu machen, das diesem Namen ähnelt, fährt ihr von der Leyen mehrfach in die Parade.

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Zuletzt ging es auch um den alten Knappen von vdL-Vorgänger Jean-Claude Juncker. Martin Selmayr sollte einen Job unter Kallas bekommen. Da schnappte ihn sich von der Leyen, bot ihm das überflüssige Amt als „Beauftragter für Religionsfreiheit“ unter ihrer Ägide an. Das scheint das Aus für den Kallas-Plan gewesen zu sein. Die Außenbeauftragte hat es ohnehin nicht leicht, weil die meisten Mitgliedsstaaten gar nicht auf die eigene Außenpolitik verzichten wollen. Es gibt eigentlich kein Mandat für Kallas. Sie gleicht das durch Schneidigkeit und Unwissen aus – etwa wenn sie vergisst, dass auch die Sowjetunion zu den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs gehörte.

Aber nun scheint es weiter zu gehen im Streit der Königinnen. So könnte sich die neueste Initiative von UvdL erklären: Sie will einen eigenen Geheimdienst aufbauen und damit mehr Macht gewinnen. „Das Konzept wird derzeit entwickelt, Gespräche werden geführt. Es gibt keine spezifische Frist“, hört man dazu. Zugleich nähme sie damit Kallas einen weiteren Zuständigkeitsbereich ab, denn beim EAD gibt es schon ein nachrichtendienstliches Analysezentrum, das EU Intelligence Analysis Centre (EU INTCEN).

„Die Kommission weiß viel“

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Aber ist das schon alles? Wohl nicht. Von der Leyen ist, wie schon angedeutet, mit jedem Machtzuwachs zufrieden. Denn das macht sie noch unangreifbarer. Jeder Job, jedes Organ, sei es nun die überflüssige Selmayr-Stelle für Religionsfreiheit oder ein neuer koordinierender EU-Zentral-Geheimdienst zahlt auf die Autorität von der Leyens ein. Denn sie hat sie ja geschaffen. Die neue Einheit soll direkt im Generalsekretariat der Kommission angesiedelt sein, also dort, wo UvdL als Chefin wirkt.

Die Financial Times erfuhr als erste von dem Plan und zitiert einen hohen Beamten, man wolle als EU unabhängiger von den USA werden, „auch in Sachen Spionage“. Dabei wird in Brüssel vermutlich in dem Sinne gar nichts passieren. Die Kommission werde „keine eigenen Agenten ins Feld schicken“, sagt einer der befragten EU-Mitarbeiter. Der Plan sieht vor, Beamte der nationalen Geheimdienste in die EU-Zentrale abzuordnen. Es wird ohnehin wieder darum gehen, die Erkenntnisse nationaler Geheimdienste zusammenzutragen und sie, wie es heißt, „besser operativ zu nutzen“. Oder im selbstbewussten UvdL-Kommissionston: „Die Geheimdienste der Mitgliedstaaten wissen viel. Die Kommission weiß viel. Wir brauchen einen besseren Weg, um all dies zusammenzuführen und für unsere Partner effektiv und nützlich zu sein.“ In Geheimdienstdingen müsse man „etwas geben, um etwas zu bekommen“.

Kommissare gaben sich mehr Zuständigkeit in Sicherheitsfragen

Aber die einzelnen Regierungen könnten durchaus etwas gegen den Plan haben, gerade erfahrene Spieler wie Frankreich und die Niederlande, weil sie ihre exklusiven Informationen nicht mit allen teilen wollen. Und nun sitzen mit Ungarn, der Slowakei und neuerdings Tschechien ja „pro-russische“ Regierungen mit am Kommissionstisch, so die Financial Times. Da werde Paris noch weniger teilen wollen.

Es ist also nicht einmal klar, dass der Wille zur „ever closer union“ in dieser Frage besteht. Das ficht natürlich eine von der Leyen nicht an, die ihr eigenes Wirken vermutlich dauerhaft in ganz anderen Dimensionen sieht: von Washington potentiell verlassen, im „hybriden“ Endspiel mit Moskau und den Drohnen. Aus dem Grund scheint vdL schon eine „Security College“ genannte Sicherheitsakademie für Kommissare gegründet zu haben. Dieses Sicherheitskolleg ist dabei schlicht die Versammlung der 27 Kommissare einschließlich von der Leyens selbst und hat sich in diesem März erstmals konstituiert, als die Kommission – also wieder die 27 Kommissare – „ihr Zuständigkeitsgebiet im Bereich Sicherheit erweiterte“, wie zu lesen ist.

Der Streit um die neuen EU-Sicherheitsstrukturen ist dabei zunächst auch ein EU-interner. EU-Diplomaten finden die neuen Kommissionskompetenzen nicht gut, weil so die eigenen Auswärtiger-Dienst-Kompetenzen beschnitten werden. Am Ende könnte es sich nur um Scheingefechte handeln, die davon ablenken, dass Kallas und von der Leyen an vielen Stelen noch immer eng zusammenarbeiten.

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Kommentare ( 44 )

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Evero
1 Monat her

Quotentanten ruinieren Europa.
Die EU-Kommission, die ohne eigenen Staat wie eine Regierung agiert, will also einen eigenen Geheimdienst. Gegen wen? Gegen die Bürger der Nationalstaaten.
Für mich ist unverkennbar, dass die EU-Planwirtschafter danach streben , sobald als möglich, die Macht an sich zu ziehen undxdie Vereinigten Staaten von Europa mit der Brechstange zu erzwingen. Dafür spricht auch, dass in den Nationalstaaten, wie z. B. Deutschland, die Nationalflagge immer weniger offiziell gezeigt wird, dass Patrioten wie Staatsfeinde behandelt werden.

Die EU-Globalisten machen die Menschen zu rechtlosen Untertanen einer nie demokratisch gewählten Kommission von Despoten.

Peter Buchmeier
1 Monat her

Brüsseler Bürokratie/Administration und die Protagonisten dieser Resterampe sind doch schon lange aus dem Ruder gelaufen. Keiner in Sicht, der diesen Irrsinn wieder einfängt. Dieser Laden widerspricht allen Grundsätzen der Gründerväter. Man reibt sich nur noch die Augen über die Dreistigkeit, wie sich dieser undemokratische und unfähige EU Kommissionshaufen eine Autorität aneignet, die ihm bei weitem nicht zusteht. Und die Regierungschefs der Mitgliedsländer sitzen am Spielfeldrand, oder lassen sich am Nasenring durch die Manege zerren. Natürlich alles zum Wohle des Volkes! In Bayern sagt man „wer zahlt schafft an“. Nehmt euch das endlich mal zu Herzen ihr pseudopolitischen Bettnässer und stellt… Mehr

Phil
1 Monat her

Es ist völlig Wurst was diese grössenwahnsinnigen Spinner da für eine Varietéveranstaltung zum besten geben, Europa ist als Wirtschaftsraum, seit es die EU und den Euro gibt, bezüglich BIP von Platz 1 auf 3 abgestürzt. Europa war, ist und wird aussenpolitisch sowieso immer bedeutungslos sein, da Interessen der einzelnen Länder sowieso ganz unterschiedlicher Natur sind. Europa ist ein bunter Haufen von Staaten und diese Vielfalt der Kulturen, der tief verwurzelte Föderalismus der Völker, war und wäre noch weiterhin seine Stärke. Autonomie ist gefragt, nicht Diktatur, sie verschafft einem kleinteiligen Wirtschaftsraum die Agilität und Beweglichkeit sich anzupassen. Mit Blick auf die… Mehr

Freigeist63
1 Monat her

Es ist unglaublich was die Dame alles unternimmt, um mindestens 3 mal die Woche in der Presse zu erscheinen. Die Historiker werden in Nachgang an vdL kein gutes Haar lassen. Ich freue mich drauf.

ceterum censeo
1 Monat her

Stalin hatte auch sämtliche Kontrolle auf sich gezogen…

Lucius de Geer
1 Monat her

Köstlich – die merken gar nicht, dass sie genau die autokratischen Strukturen installieren, die sie anderswo beanstanden. EUDSSR fand ich aber schon früher passend für den Laden. Wieder ein Grund mehr, sich für die Verteidigung von „Unserer Demokratie“ nicht zur Verfügung zu stellen. Wenn der neue Adel Militär wünscht, muss er sich halt Söldner kaufen, denn freie Bürger mit Verstand werden für diese Figuren nicht Leib und Leben riskieren wollen.

Britsch
1 Monat her
Antworten an  Lucius de Geer

Die wissen das schon, aber durch Deuten auf Andere lenkt man von sich selbst ab. Haltet den Täter, dort läuft er. Je größer die „Untaten“ um so lauter müssen die „Täter“ schreien

Last edited 1 Monat her by Britsch
HDieckmann
1 Monat her

Fatal für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ist, dass die Regierungschefs der EU-Staaten im Europäischen Rat wie Diktatoren regieren können. Tragisch ist, dass sie unfähige Diktatoren sind. Es fehlt ihnen (vielleicht abgesehen von Orban) an langfristigen Zielen, strategischem Denken, Integrität und Glaubwürdigkeit, diplomatischem Geschick und Verantwortungsbewusstsein. Darum können sie von der EU-Bürokratie und ihren Leyen und Kallas für eine fragwürdige EU-Agenda benutzt/missbraucht werden.

Homer J. Simpson
1 Monat her

Man liest das und ist fassungslos. Die EU – ein Konstrukt, rechtlich eigentlich so gewichtig und relevant wie der KTC 1881 e. V. – ist ein Verbund krimineller und korrupter Charaktere, die man ursprünglich nach Brüssel schickte um sie in den Ländern los zu sein, die jetzt 1984 Realität werden lassen wollen. Faktisch gehören die alle eingesperrt. Darum ist es nicht verwunderlich, wenn hier die MSM und unsere Super-Sonder-Demokraten Schaum vorm Maul haben, wenn Alice Weidel sagt, Deutschland wird unter AfD-Regierung aus DIESER EU austreten. Die EU hat restlos ALLES, wofür die Gründerväter ES einst erdachten und schufen, an die… Mehr

Sozia
1 Monat her

Von der Leyen ermächtigt sich offensichtlich selbst zur EU-Kaiserin und die EU-Abgeordneten stehen daneben und schauen dabei einfach zu. Sie haben eine Kontrollfunktion, die genau das verhindern soll, was gerade passiert. Aber es reicht ihnen offensichtlich, sich mit unseren Steuergeldern fett zu fressen, es scheint überhaupt kein Interesse mehr an der Zukunft Europas und seiner Menschen zu bestehen. Dieses ganze Konstrukt gehört längst reformiert und so wie es jetzt ausufert, schlicht abgeschafft. Die Herrschaft des Adels wurde nach 1789 in ganz Europa sukzessive beendet, jemand sollte das von der Leyen klar mitteilen. Sie hat kein Geburtsrecht zu herrschen und sie… Mehr

Ralph Martin
1 Monat her

Sowas passiert überall bei fehlender demokratische Kontrolle.