Ungarn am EU-Pranger: Das Ziel bleibt „Regime Change“

Die Maßnahmen der EU gegen Ungarn zielen darauf ab, die politischen Macht-Verhältnisse im Land zu verändern. Vor allem mit der Streichung von Fördergeldern soll Orbán an die Kandare genommen werden – oder eine von Brüssel forcierte Wirtschaftskrise soll die Ungarn gegen den Fidesz-Chef aufbringen.

IMAGO / Christian Spicker

Fast eine Milliarde Euro haben der Ministerpräsident und seine Mitarbeiter unterschlagen. Korruption ist Alltag auf allen Ebenen des Landes; in einer EU-Studie wird von einer „Kultur der Korruption“ gesprochen. Bei der EU in Brüssel werden derzeit insgesamt etwa 120 Fälle von Misswirtschaft, von Missbrauch und Unterschlagung von mehreren hundert Millionen Euro untersucht. Der Ehemann der Außenministerin arbeitet für eine politische PR-Agentur, die eng mit dem Politik-Betrieb der Hauptstadt verbandelt ist. Viele Politiker der neuen Regierung haben höchst umstrittene Lobbyisten in hohe Ämter gehievt.

Zur Klarstellung: Hier ist nicht von Ungarn die Rede. Sondern im ersten Fall von Spanien, wo die milliardenschwere Unterschlagung des Sozialisten José Antonio Griñán in Andalusien nur die Spitze des Eisbergs zu sein scheint. Korruptions- und Justizskandale begleiten Spanien seit Jahrzehnten, betroffen ist selbst das Königshaus. Danach geht es um Rumänien und Bulgarien, wo EU-Beobachter über das Ausmaß der Korruption oft verzweifelt sind. Schließlich geht es um die werte-geleitete Außenministerin Deutschlands, Annalena Baerbock, und deren Ehemann Daniel Holefleisch. Zu guter Letzt geht es um die Grünen in Deutschland.

Ungarn wird wie ein Feind behandelt

Die willkürlichen Blitzlichter auf die Lage der politischen Kultur in der Europäischen Union könnten leicht mit zahllosen gravierenden Missständen, Affären und Skandalen in Griechenland, Italien oder der Slowakei angereichert werden. Aber es gibt – neben Polen – nur einen Staat, dessen Regierung ununterbrochen am EU-Pranger steht: Ungarn mit seinem konservativen Ministerpräsidenten Viktor Orbán.

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Die EU-Kommission hat gestern empfohlen, Ungarn wegen „Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit“ Fördergelder in Höhe von etwa 13 Milliarden Euro nicht auszuzahlen. Letztendlich wird nun der EU-Ministerrat entscheiden. Seit vielen Jahren wird versucht, Ungarn als schwarzes Schaf unter den Demokratien der EU zu entlarven. Ungarn sei „zu einem hybriden System einer Wahlautokratie geworden“, heißt es in einer Erklärung des Europaparlaments. Die Vorwürfe gegen Budapest reichen von Korruption und Vetternwirtschaft bis hin zu einer angeblich politisch gesteuerten Justiz und der Einschränkung der Pressefreiheit.

In der Tat scheint das familiäre und politische Umfeld Orbáns massiv von seiner Regierungszeit profitiert zu haben. Der politische Einfluss bei der Ernennung von höchsten Richtern kann kaum bestritten werden. Nur gilt das wohl für alle EU-Staaten. Fragwürdig ist es auch, wenn das Parlament mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit Entscheidungen des Verfassungsgerichts revidiert.

Enormer Einfluss Orbáns auf Ungarns Medien

In den Medien – insbesondere im öffentlich-rechtlichen Fernsehen und Radio – dominieren Fidesz-Sichtweisen, was auch der geschickten, wohl zu Recht kritisierten Medienpolitik Orbáns geschuldet ist. Ein Großteil der Medien scheint von Fidesz und seinen Unterstützern kontrolliert zu sein; aber natürlich gibt es in Ungarn oppositionelle Blätter und Sender. (Nebenbei: Auch in den öffentlich-rechtlichen Medien der selbst ernannten Muster-Demokratie Deutschland dominiert eine ganz bestimmte, SPD- und vor allem Grünen-freundliche Weltanschauung. In der ARD gebe es „keine einzige profilierte konservative Stimme“, bestätigte jüngst Südwestrundfunk-Intendant Kai Gniffke – was niemanden im Land richtig empörte.)

Orbán und seine Regierung werden gerne auch der Homophobie, des Rassismus und des Antisemitismus beschuldigt. Bei näherer, fairer Überprüfung bleibt davon nicht viel übrig: In der Tat dominiert in Ungarn ein etwas anderes Bild von Gesellschaft und Nation. Die Verfassung betont die ethnische und historische Einheit der Ungarn. Der christlichen Religion wird eine Vorrangstellung eingeräumt.

Für Nation und Familie, gegen Migration und Multikulti

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Orbáns Weltanschauung basiert betont auf der abendländischen Kultur und konservativen, traditionellen Werten für Gesellschaft, Familie und Individuum – aber nichts davon muss Freiheit und Demokratie einschränken. Allerdings sollen beispielsweise Schulen zurückhaltend im Sexualkundeunterricht sein, auch gibt es keine völlige Gleichstellung von homosexuellen Paaren. Wie frei sexuelle Orientierungen in Ungarn gelebt werden können, belegen aber die fröhliche Teilnahme von Zehntausenden an der Budapest Gay Pride und auch die zahlreichen LGBTQ+-Lokale und -Medien im Land.

Ziemlich absurd ist auch der Vorwurf des Antisemitismus. Es gibt ihn zweifelsfrei in der ungarischen Gesellschaft – wie in vielen Ländern Europas –, aber der Staat hat dafür gesorgt, dass jüdisches Leben in Ungarn blüht und gedeiht. Eine Studie der Vereinigung der Europäischen Juden (EJA) und des in London ansässigen British Institute of Jewish Policy Research belegt, dass in der EU die Lebensqualität für Juden in Ungarn und Italien am höchsten sei, gefolgt von Dänemark, Großbritannien und Österreich.

„Ungarn ist sichere Heimstätte für Juden“

„Mit seinem Veto-Recht durchkreuzt Ungarn immer wieder Brüssels Bessermensch-Pläne und zeigt, dass es auch alternative Wege zur inflationären und Islam-freundlichen Migrationspolitik gibt. Damit ist Ungarn entgegen den falschen Vorwürfen der EU eine sichere Heimstätte für Juden und ein verlässlicher Freund Israels“, schrieb jüngst die Jüdische Rundschau. Ungarns Juden fühlten sich in Budapest sicherer und wohler als in Berlin, Brüssel oder Paris, betonte das Blatt.

Die Kampagne Orbáns gegen den US-Milliardär George Soros hatte kaum etwas mit den jüdisch-ungarischen Wurzeln des sendungsbewussten Devisen-Spekulanten zu tun. Vielmehr wehrte sich Orbán gegen massive Versuche der von Soros finanzierten Open Society und anderen Organisationen, politisch in Ungarn Einfluss zu nehmen.

Gegen Masseneinwanderung

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Denn Orbán lehnt – wie wohl die überwältigende Mehrheit der Ungarn – eine globalistische, grün-linke Multikulti-Ideologie ab, die offene Grenzen, ungesteuerte und massive Einwanderung sowie Verzicht auf nationale Identität und Interessen befürwortet.

Trotz der massiven Kritik aus Europa haben die Ungarn erst vor ein paar Monaten mit überwältigender Mehrheit Orbáns Fidesz-Partei wiedergewählt. Orbáns fünfter Wahlsieg in Folge belegt das Vertrauen der Ungarn in seine Politik.

Obwohl 900 ausländische Wahlbeobachter der OSZE penibel die Wahl überprüften, fanden sie keinen Anlass, die Rechtmäßigkeit anzuzweifeln. Also sprachen sie – wie die ungarischen Oppositionsparteien links von der Mitte – von „unfairen Voraussetzungen“, da die Medien des Landes direkt oder indirekt von Fidesz kontrolliert würden; Sendezeiten und Schlagzeilen vor allem der Regierungspartei gehörten.

Das Ziel scheint die Entmachtung Orbáns zu sein

Letztendlich haben die Angriffe und Maßnahmen der EU das Ziel, die politischen Macht-Verhältnisse in Ungarn drastisch zu verändern. Vor allem mit den finanziellen Folter-Instrumenten der EU soll entweder Orbán an die Kandare genommen werden oder aber eine von Brüssel forcierte Wirtschaftskrise die Ungarn gegen den Fidesz-Chef aufbringen.

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Denn Orbáns „abendländische Prinzipientreue“ (Jüdische Rundschau) scheint den Ideologen in Brüssel und Straßburg nicht tolerabel – möglicherweise wäre es auch attraktiv für die Bürger in anderen EU-Staaten. Jüngste Wahlergebnisse in Italien und Schweden belegen die wachsenden Zweifel der Bürger an den EU-Idealen.

Ungarn versucht noch, mit zahlreichen Schritten den EU-Vorwürfen zu begegnen. Die Einrichtung einer unabhängigen Korruptionsbekämpfungsbehörde oder eine Task Force zur Korruptionsbekämpfung gehören zu den 17 Maßnahmen der Regierung – die EU verlangt inwzischen 27. Aber es ist höchst zweifelhaft, ob das den EU-Gremien genügt.

Denn die meist erkennbar konstruierten Verfahren auf verschiedenen Ebenen der EU gegen Ungarn haben in Wirklichkeit nur ein einziges Ziel: möglichst bald einen „Regime Change“ zu erreichen. Ein Glück für Orbán, dass die EU in manchen Fragen – beispielsweise bei der Ukraine-Hilfe und Russland-Sanktionen – auf Ungarns Stimme angewiesen ist. Die einzige Möglichkeit, Ungarn das Stimmrecht zu entziehen, wäre ein Nachweis, dass Ungarn Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit begangen hat. Allerorten wird genau daran gearbeitet.

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Kommentare ( 26 )

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Gruger1
2 Jahre her

Orban is das einzige noch normal denkende Landesoberhaupt in der EU. Ich hoffe er hält durch bis das ganze Brüsseler Gerüst zusammenbricht.

Bernd Schulze sen.
2 Jahre her

Ungarn hat ein Ass im Ärmel. Was würde passieren, wenn sie die Schleusen für die bewaffneten und gewalttätigen Migranten öffnet. Ungarn muß nicht befürchten, daß diese im Land bleiben und es wäre die Büchse der Pandora. Deutschland, Österreich, Niederlande Schweden all die Länder würde es den Rest geben. Dann werden solche Zustände wie in Triest auch hier zum Dauerzustand, wenn sie es nicht schon sind. Wie jetzt der Bürgermeister der Stadt mit einem Videobotschaft jetzt den zeigte wie sich die Gäste benehmen. Ungarn Fehler wahr, daß sie das Pipeline Projekt durch das Schwarze Meer ablehnte. Statt dessen hat man diese… Mehr

elly
2 Jahre her

„ gegen Migration und Multikulti..“ das auch. Aber ich glaube Orban bekommt die ganze Härte deswegen ab, weil er sich gegen einen weiteren Schuldenfond der EU für den Wiederaufbau der Ukraine sperrt. Er sperrt sich nicht gegen die Hilfe für die Ukraine und den Anteil Ungarns dafür. Er will keinen weiteren Schuldenfond, das heißt er will die EU Schuldenunion nicht und er hat Recht.Naja, und die Ungarn stellen sich schützend VOR Ihre Kinder „Er betonte, dass Ungarn „keine Lösung unterstützen wird, die die Europäische Union in Richtung einer gemeinsamen Verschuldung führt“. „Wir glauben nicht, dass es eine gute Richtung für die… Mehr

H. Priess
2 Jahre her

Es geht nicht nur um Orban, es geht darum ein ganzes Volk zu disziplinieren nach dem Motto: Euren Nationalstolz und Kultur werden wir euch schon noch austreiben! Ich war im August in Budapest und fand die Stadt sehr schön und sauber. Nirgendwo Schmierereien, Leute freundlich und ihre Denkmäler tippitoppi. Die Magyaren blicken auf eine mehr als tausendjährigen Geschichte zurück oft mit viel Leid verbunden und sie haben mehr als zwei Drittel ihres ehemaligen Siedlungsgebietes „verloren“. Budapest Donau in Flammen zum Nationalfeiertag 2021 auf Youtube, dort wird in einer großen Laseshow die Geschichte Ungarns erzählt, leider keine deutsche Übersetzung des Sprechers… Mehr

elly
2 Jahre her
Antworten an  H. Priess

Es geht nicht nur um Orban, es geht darum ein ganzes Volk zu disziplinieren nach dem Motto: Euren Nationalstolz und Kultur werden wir euch schon noch austreiben! „
Sie überschätzen die Bedeutung der Bevölkerungen für die EU. Die Bevölkerungen werden lediglich als Stimmvieh gebraucht und im Kriegsfall noch als Kanonenfutter

Grenz Gaenger
2 Jahre her

„Denn Orbán lehnt – wie wohl die überwältigende Mehrheit der Ungarn – eine globalistische, grün-linke Multikulti-Ideologie ab, die offene Grenzen, ungesteuerte und massive Einwanderung sowie Verzicht auf nationale Identität und Interessen befürwortet.“
Allein das reicht aus, um mir Orban mit seiner politischen Linie sympathisch zu machen. Damit redet er einer Abschottung seines Landes keineswegs das Wort, sondern er macht, was gut für sein Land und dessen Bürger ist.
Denke ich vergleichsweise dazu an Deutschland (nicht nur bei Nacht), ….
Vom Moloch EU möchte ich als überzeugter Europäer gar nicht reden.

thinkSelf
2 Jahre her

Die einzige Möglichkeit, Ungarn das Stimmrecht zu entziehen, wäre ein Nachweis, dass Ungarn Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit begangen hat.“
Der Nachweis ist bereits dadurch erbracht das Orban nicht zu Kreuze kriecht.

nachgefragt
2 Jahre her

Wenn Deutschland mit einem Finger auf andere zeigt, zeigen vier Finger zurück auf Deutschland. Ich frage mich, wer diesen internationalen Moralismus Deutschlands eigentlich beauftragt hat. Die Tatsache, dass man hierzulande Menschenrechte und Grundrechte in der Gesellschaft oberflächlich und selektiv hochhält, sofern es Linksgrün in die Agenda passt, während man sie gleichzeitig flächendeckend bei den eigenen Bürgern kassiert, heißt noch lange nicht, dass man anderen Gesellschaften Normen vorschreibt und deren demokratische Prozesse außer Kraft setzen will. Man könnte die Bürger ja mal fragen, wie sie es in Deutschland wirklich sehen: „Sind Sie dafür, dass Deutschland jedes Jahr so viele Migranten wie… Mehr

Biskaborn
2 Jahre her

Wann eröffnet die EU Verfahren gegen Deutschland wegen Verstößen gegen demokratische und rechtsstaatliche Grundsätze? Ach so ja, das ist die zu melkende Kuh, da sehen wir darüber hinweg! Nun darf man gespannt sein, wann Italien und Schweden dran sind, da sind ja auch die Falschen an der Macht! Was ich aber im Ernst nicht verstehe, warum schließen sich die Konservativen in der EU, die CDU aus Deutschland ist nicht gemeint, zu einem engen Bündnis zusammen und räumen auf in diesem Linken und Grünen Moloch? Oder siegen bei denen auch Geld und Eitelkeiten über Vernunft? Dann aber müssen sie sich über… Mehr

Waldorf
2 Jahre her

Es scheinen die üblichen EU Methoden zu sein. Die mehrjährige Demütigungspolitik im Brexit-Verfahren zeigte deutlich, wie schlecht und undiplomatisch dort internationale Politik betrieben wird, wenn nicht alles exakt so läuft, wie es sich Frankreich und Berlin denken. Offensichtlich sind internationale Strippenzieher wie Soros immer im Hintergrund aktiv, nicht ohne Grund verlegte seine OSF ihren Europasitz von Ungarn nach Berlin. Parallel dazu ist der WEF Einfluss aus Davos unbezweifelbar, was in Davos besprochen wird, prägt stets und zeitnah den offiziellen Singsang der EU-Kommision. Aber gleichzeitig lehrt die Erfahrung, daß „Nettsein“ oder allzuviel „Nachgeben“ nicht belohnt wird, im Gegenteil. Ergo wäre es… Mehr

Dominik R
2 Jahre her

Solange Klára Dobrev und der ehemalige Ministerpräsident Ferenc Gyurcsány die Opposition anführen, braucht sich die EU gar nicht bemühen. Die Ungarn werden den EU-Versuchen des Machtwechsels die rote Karte zeigen. Das liegt auch in der Geschichte des Landes begründet. Die Ungarn hatten von Türken , Habsburger bis Nazis und dann Sowjets schon viele aggressive Mächte erlitten. Und das, was sie zwischen 2002 und 2010 unter Gyurcsány, Medgyessy und Bajnai ertragen mussten, soll sich nicht wieder holen: Misswirtschaft, Korruption, wirtschaftliche Inkompetenz, Wahlbetrug (2006), beinahe Staatsbankrott (2009/10) und eine brutale Eliteeinheit der Polizei am 23.Oktober 2006. Übrigens: sehr guter Artikel, der zur… Mehr