„No Covid“, ewiges Rauchverbot, Annäherung an China: Neuseeland auf autoritärem Kurs

Wird Jacinda Ardern, die Premierministerin von Neuseeland, in ihrem neuen Bündnis mit China zum autoritären Vorbild des Westens?

IMAGO / Xinhua

Jacinda Ardern (Labour Party), die Premierministerin von Neuseeland, ist eine gefeierte Politikerin – warum auch nicht? Sie ist eine junge, hübsche und sympathische Frau, die neuen Wind in die Politik bringt und es gleichzeitig schafft, eine ganzes Land und eine Familie im Griff zu haben. Vom Guardian, über die New York Times bis hin zur Deutschen Presse waren fast alle Journalisten entzückt von ihr – natürlich auf eine hochseriöse und objektive Art und Weise, etwa so wie bei Annalena Baerbock. Doch jetzt, so scheint es, bringt die heilige Jacinda wohl etwas zu viel frischen Wind in die Politik – denn Neuseeland ist von einem weltweit beneideten zu einem weltweit bemitleideten Land geworden. Und die Neuseeländer kriegen langsam kalte Füße.

Friede, Freude, Union
Söder the Frauenheld und Laschet, der neue Helmut Kohl - bei Illner buckeln Doro Bär und Merz um die Wette
Am Anfang war ihre Art durchzugreifen noch sehr angesehen. Vor allem in Amerika träumten sich viele Demokraten nach Neuseeland. Denn während der damals noch amtierende Präsident Trump Corona für ihren Geschmack nicht ernst genug genommen hat, machte Neuseeland es kurz und schmerzlos: einfach richtig zu und dann ist gut – jedenfalls sah es damals noch so aus. Doch jetzt steht das Land in der Sackgasse: Aktuell hat man zwar fast Null Covid-Fälle und eine völlig isolierte Insel – aber auch keinerlei Immunitäten, nicht mal wirklich geimpft wird hier. Aber wie soll man so jemals wieder öffnen? Im benachbarten Australien, das eine ähnliche Strategie fährt, mussten ganze Millionenstädte schließen, weil eine Hand voll Fälle aufgetreten waren. Sobald das Land zur Normalität zurückkehren will, ist eine neue Welle quasi vorprogrammiert. Dann werden Infektionen nachgeholt, die man bis jetzt verhindern konnte.

Man muss der Premierministerin, die auch liebevoll Tante Cindy genannt wird, lassen, dass sie die scharfen Maßnahmen mit einer medialen Fürsorge begleitet hat, die sich ganz von Deutschland unterscheidet. Bei Cindy hört es sich wie etwas an, was alle gemeinsam durchstehen – sie eingeschlossen. Auf Social Media begleitete sie ihre Bürger, versicherte den Kindern beispielsweise, dass der Osterhase trotz Lockdown kommen würde, weil er ja schließlich systemrelevant ist. Im Gegensatz dazu ist die Rhetorik der deutschen Poltitiker ziemlich rau, fast vorwurfsvoll: „Weil ihr zu blöd und unsozial wart, müsst ihr jetzt auch den Lockdown ausbaden, ist alleine eure Schuld – und übrigens: ein Recht auf Ostern habt ihr sowieso nicht.“ (überspitzt gesagt). Aber so verlockend es auch klingen mag, dass Neuseeland nach ihren Erfolgen auch wieder Lockerungen zugesprochen bekommt, so hat dieses „harte Maßnahmen durchsetzen, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken“ auch seine Schattenseite: die Poltiker können sich von so viel Macht schwer wieder trennen.

So kann man jetzt beobachten, dass sympathische Politiker und ein vielfältiges Kabinett nicht unbedingt vor einem unmoralischen Charakter schützen. Interessant ist beispielsweise, wie sehr Neuseeland plötzlich ein gutes Verhältnisse zu China am Herzen liegt. Man distanziert sich nun von seinen „Five Eyes“-Partnern (Allianz der Geheimdienste aus den Ländern USA, Großbritannien, Australien, Kanada und Neuseeland), nachdem die Gruppe eine harte Linie in Bezug auf Chinas Menschenrechtsverletzungen eingeschlagen hat.

Nur noch kleine Dispute „zu Themen wie den Menschenrechten“

Die Außenministerin von Neuseeland begründete das damit, dass sie es nicht zulassen würde, dass die neuseeländische Beziehung zu China von diesen Staaten definiert wird. Sie spricht sich dafür aus, dass Neuseeland die besonderen chinesischen Bräuche und „Traditionen und Werte“ „aufrechterhalten und respektieren müsse“. Ob diese besonderen Bräuche wohl auch das aus dem Weg schaffen politischer Gegner beinhaltet? Jedenfalls scheinen der Außenpolitik Neuseelands die Befindlichkeiten Chinas wichtiger zu sein als die der traditionellen Allianzpartner. Aufsehenerregend ist auch ein Post der New Zealand Labour Party auf Facebook vom 19. April. Da schreiben die Verfasser, die Außenministerin Nanaia Mahuta habe vor dem New Zealand China Council eine Grundsatzrede gehalten, in der sie das Verhältnis zu China als eines der wichtigsten Beziehungen „würdigte“ – wenngleich sie doch „zu Themen wie den Menschenrechten“ nicht einer Meinung seien. Na das klingt doch nach dem Beginn einer wunderbaren Freundschaft: China und Neuseeland, best friends for live.

Ja klar, bei der Thematik, ob Menschen außerhalb der Führungsebene ein Recht auf Leben haben, sind sie noch nicht ganz der gleichen Meinung und auch bei der Frage nach der Tötung politischer Gegner auf offener Straße sind sie sich noch nicht ganz einig – aber sonst verstehen sie sich ganz prächtig! Zu einer guten Freundschaft zählt eben auch, über die kleinen Macken des jeweils anderen hinwegzusehen. Ich denke China wird Neuseeland die sehr problematische Haltung zu diesen Themen eines Tages nachsehen – mit Vergebung hat China es ja.

Lockerungen statt Lockdown
Wie immer: Deutschland ist auch coronapolitisch auf dem Sonder- und Holzweg
Diese super tollen Beziehungen scheinen inzwischen abgefärbt zu haben – denn die autoritären Maßnahmen sollen ab jetzt nicht mehr nur auf Corona beschränkt werden: als neues Ziel setzt Neuseeland sich „den Untergang der Tabakindustrie“. Als erster Schritt wird der Zigarettenverkauf an 2004 und später geborene Bürger total verboten – und zwar für immer. Das mache man, um eine Politik für eine rauchfreie Generation zu bilden, die „den Verkauf und Nachschub von Tabakprodukten für neue Alterskohorten verhindert“, heißt es in einem Regierungsdokument. Sobald dieses Gesetz in Kraft tritt, dürfen alle, die seit dem 1.Januar 2004 geboren sind, nie mehr in ihrem Leben in Neuseeland Zigaretten kaufen.

Denn Neuseeland hat einen Plan: die „Rauchfrei bis 2025“-Agenda, mit der sie das „schädlichste Konsumprodukt der Geschichte“ zum Kampf herausfordern – dem Kampf um die absolute Volksgesundheit. Denn warum bei der bloßen Coronabekämpfung aufhören? Gesundheit kann ja schließlich niemals falsch sein! Wer braucht schon Freude, Freiheit und Selbstbestimmung im Leben, wenn er dafür ganze fünf Tage älter werden kann? Es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis dort das Essen mindestens eines Apfels am Tag – Allergie oder nicht – als Pflicht eingeführt wird.

Ein führender deutscher Gesundheitspolitiker soll bereits versuchen eine Talkshow zum Thema: „Wer seinen Eltern nicht täglich einen Orangensaft zwangseinflößt, hat es zu verantworten, wenn Enkelkinder ohne Großeltern aufwachsen“ zu organisieren. Zum Thema Zwangeinflößung soll er sich in China informiert haben. Außerdem wartet er darauf, dass Tante Cindy seine Freundschaftsanfrage auf Facebook annimmt, denn er will sie in Sachen Salzverzicht und in der Thematik „Warum Zahnpasta Gedächtnisverlust verursachen kann“ beraten. Es muss eben jeder seinen Betrag leisten im Kampf gegen ein schönes Leben.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 115 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

115 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Barbarossa
2 Jahre her

Ich weiß zwar nicht, ob die sehr junge Elisa David jemals in ihrem Leben in Neuseeland war und das hiesige Leben beurteilen kann. Aber das macht ja nichts mehr heutzutage, wo jede Information so bequem von Wikipedia und Google kommt, nicht wahr? Tatsache ist: Aotearoa ist anders. Es ist schwer mit anderen, besonders europäischen Ländern mit großen Bevölkerungsdichten zu vergleichen. Hier bei uns gibt’s ganze drei große Städte. Alles andere ist Provinz, wo die Uhren anders gehen. Wer in Kawakawa oder Kaeo rauchen will, wird dies auch in zwanzig Jahren noch tun, denn es ist ihm völlig gleichgültig was Auckland… Mehr

DiasporaDeutscher
2 Jahre her

Nun ja, die Tabakpolitik Neuseelands mag radikal sein, jene Deutschlands ist es weit mehr. Als einziges Land Europas (oder der Welt?) sind Tabakwerbung und Zigarettenautomaten im öffentlichen Raum erlaubt. Als ehemaligen Raucher nervt es mich doch sehr, bei meinem alljährlichen Besuch in der Alten Heimat auf Schritt und Tritt in Versuchung geführt zu werden. Wie wichtig die Gesundheit der Deutschen der Bundesregierung tatsächlich ist, ist leicht zu erkennen. Die Corona-Rhetorik ist ein Scam ?

Nun ja
3 Jahre her

Gouvernanten gehören nicht in Regierungsämter. Das lernen die Neuseeländer offenbar auch gerade.

Mayor Quimby
3 Jahre her

Mit dem „Passivrauchen“ und dem Rauchverbot fängt es an, mit dem jährlichen Impfzwang hört es auf.

Wer seine Mitmenschen nicht im geringsten belästigen und ja, gefährden darf, muss tatsächlich eingesperrt werden. Entweder oder.

Darüber hinaus gilt: noch nie in der Geschichte der Menschheit hat eine Gesellschaft eine feministische – nicht feminine – Weiberherrschaft überlebt.

Deshalb gibt jenseits der Subsistenzwirtschaft auch kein Matriarchat, nirgendwo.

Last edited 3 Jahre her by Mayor Quimby
horrex
3 Jahre her

So ist es!
Immer wieder UNTERWERFUNG!
Sei es Sharia, angeblicher Umweltschutz (in zig verschiedenen Gewändern), sei es angebliche(!) nur „Gerechtigkeit“ oder „Gleichheit“. –
Angst und Unterwerfung unter das Diktum derer die Macht für sich generieren nicht nur wollen sondern schon längst tun. Erst fast unmerklich, alles von so toleranten Bürgern ausgehalten, werden zunächst hauchdünne „Salamischeibchen“ immer mehr zu daumendicken Wurstscheiben. –

horrex
3 Jahre her

Habe NZ – die Lebensart – immer geliebt und war 2x länger dort.
Aber DAS ist der „Hammer“!!!
Sieht wrklich nach „Anna-Lena“ aus.

Sonny
3 Jahre her

Toleranz, Achtung der menschlichen Würde und eigenständigen Meinung, Selbstverantwortung, freiheitliche Grundrechte.
Das sind alles Wörter, die in vielen Staaten dieser Welt zur Zeit zur Disposition stehen und faktisch bei vielen schon abgeschafft wurden.
Eine Weltdiktatur, die seinesgleichen sucht.
Machtlose Bürger sind nur noch Bauernopfer in dem riesengroßen Schachspiel der Macht.

IJ
3 Jahre her

Ich misstraue Personen in politischen Führungsrollen zutiefst, die sich von Emotionen und spontanen Ideen statt von nüchternem Kalkül, einem geschichtlich-kulturellen Grundverständnis und einer gehörigen Portion Skepsis gegenüber sich selbst leiten lassen. Jacinda Ardern verkörpert den überemotionalen Sponti wie kaum eine Zweite. Ich frage mich, was die neuseeländischen Wähler bei ihrer Wahlentscheidungen zugunsten Ardern umgetrieben hat. Wahrscheinlich sind viele Bürger in westlichen Ländern zu saturiert, um zu begreifen, wie dünn das Eis von Freiheit, Demokratie, Rechtsstaat und Wohlfahrt ist bzw. wie schnell selbst ein Land wie Neuseeland wieder alles verlieren kann.

Barbarossa
3 Jahre her

Na, na,na! Jetzt mal halblang! Kennt die 20-jährige Autorin Neuseeland und seine Politik wirklich so gut oder plappert sie Gelesenes und per Google Recherchiertes und Interpretiertes einfach nach? Ich lebe in Aotearoa seit 40 Jahren und meine das Land und seine Bewohner ganz gut zu verstehen. Hier muß man sich von der Ansicht verabschieden, öffentliche, von Politikern geäußerte Ansichten, ja sogar An-und Verordnungen allzu ernst zu nehmen. Nichts wird hier so heiß gegessen wie’s gekocht wurde! Wo ich lebe (und hiesiger Lebensstil ist durchaus die gängige Art am schönsten Ende der Welt) wohnen 800 Menschen, auf die ein einziger Polizist… Mehr

horrex
3 Jahre her
Antworten an  Barbarossa

Ich hoffe sehr, wünsche ihnen, dass sie recht haben und behalten mit dem „nicht so heiß gegessen wie gekocht. –
„Wehren sie den Anfängen“ ruf ich ihnen zu. –
Wollte gerne auf meine alten Tage noch das 3. Mal zu ihnen nach NZ kommen. Sobald der ganze C-Schei… hier rum ist. –
Bin ganz sicher Keiner der panikt wegen C!!!
(Denken sie auch mal dran, dass wie oben erwähnt, die „Feihung“, ob sie nun per Impfung oder ganz „still“ passiert, bei ihnen eben n i c h t passiert eintritt.)

Barbarossa
3 Jahre her
Antworten an  horrex

Ja, horrex, Sie haben vollkommen recht mit „der ganze Corona-Sch…hier.“ Eben, hier, und Sie meinen damit natürlich „hier in Deutschland“. Bei uns gibt’s diesen ganzen Unsinn nicht. Trotz „Jacinda the Great.“ Ja, diese Figur ist sehr umstritten und ihre sozialistische Politik ist sicherlich schlecht für unser kleines Land. aber deswegen wie im Artikel geschehen, gleich von „Totalitärem Kurs“ zu faseln, das geht entschieden zu weit. Ich jedenfalls kenne kein freieres Land als NZ.
Was Sie mit „Feihung“ meinen, verstehe ich nicht.

horrex
3 Jahre her
Antworten an  Barbarossa

Sorry!
Ist mir ein „h“ reingerutscht.
Es sollte „Feiung“ heißen.

Eloman
3 Jahre her

Hadmut Danisch berichtete nach seinem letzten Neuseeland-Urlaub 2019 schon davon, dass viele Neuseeländer den Ausverkauf ihres Landes an China beklagten.

Burkart Schramm
3 Jahre her
Antworten an  Eloman

Von Portland über Seattle in den USA bis Vancouver in Kanada ist genau der gleiche Ausverkauf im Gange; die Vorhut leistet ganze Arbeit.

horrex
3 Jahre her
Antworten an  Eloman

Schon als ich 1990 das erste mal in NZ war fiel mir schon die Staßen-Beschilderung in Chin. Zeichen auf. Speziell in Christchurch!!! –
Hier an der romantischen Straße, nahe Neuschwanstein gibts das seit einiger Zeit auch. –
Und sie „kaufen“ nicht, sie haben keine Eile, Zeit, sie lassen die Länder „sich selbst ausverkaufen“. Was dann noch übrig ist – und falls es noch zu etwas taugt – wird einfach übernommen. –
Schon ziemlich lange her, dass als Witz kursierte:
Optimisten lernen Russisch, Pessimisten lernen Chinesisch. –