Ein Nothing-Burger aus Alaska?

In Anchorage trafen sich Trump und Putin zum geopolitischen Schach. Statt Frieden gab es viel Garnier und ein geschenktes Remis.

picture alliance / Anadolu | Kremlin Press Office

Wer beim Treffen von Donald Trump und Wladimir Putin auf einen Friedensschluss hoffte, wurde enttäuscht. Für Realisten gab es hingegen keine Überraschungen.

Vor allem der russische Präsident Putin zeigte sich im Laufe des Spektakels in Anchorage in bester Laune. Jovial nutzte er, wie auch schon während des Interviews mit Tucker Carlson, die Pressekonferenz, um seinem neuesten Hobby, dem Geschichtsunterricht, zu frönen und der versammelten Reporterschar die historische Verbindung von Russland und Alaska näherzubringen.

Präsident Trump hingegen inszenierte das Treffen hollywoodreif, mit als Höhepunkt dem Überflug eines B2-Bombers über Putin hinweg. Wie immer bei Trump vermischten sich in dieser Geste Protzerei und Intimidierung des Gegenüber. Putin hingegen, soweit man das an Fernsehbildern ablesen kann, gab sich betont amüsiert über diese Darbietung. Das größte Schachspiel zwischen Ost und West seit Bobby Fischer und Boris Spasski nahm seinen Lauf.

Europa schweigt, während die Erwachsenen reden

Der erste Punkt ging dabei sicher an Wladimir Putin, der allein durch das Treffen selbst an Legitimität gewann. Zwar ist die Welt mittlerweile größer als die USA, dennoch ist dieses Treffen, nachdem Joe Biden über Jahre hinweg Russland wie einen Schurkenstaat ignorierte, ein diplomatischer Erfolg und eine Rückkehr auf die westliche Politbühne.

Trump hingegen wird aus dieser Episode nur dann als Gewinner hervorgehen, wenn ihm tatsächlich ein Friedensschluss gelänge. Doch davon ist man nach dem Treffen in Anchorage nach wie vor weit entfernt.

Business First
Trump und Putin und niemand sonst ist die Botschaft aus Anchorage
Bei der abschließenden Pressekonferenz betonten beide Staatschefs, dass es sich um ein „gutes“ und „produktives“ Treffen gehandelt habe. Putin sprach von einer möglichen Rückkehr guter (Handels-)Beziehungen zwischen den Ländern, Trump erklärte weiters, dass man sich zwar in vielen Fragen geeinigt habe, es aber auch noch offene Punkte gäbe – darunter einen gewichtigen.

Obwohl keine Details darüber bekannt sind, in welchen Fragen noch weitere Annäherung vonnöten ist, so ist es wohl nicht abwegig davon auszugehen, dass vor allem die Territorialfrage noch ein Knackpunkt ist. Russland besetzt zur Zeit knapp 20 Prozent der Ostukraine und gedenkt nicht, die besetzten Oblasts wieder aufzugeben. Kiew hingegen beharrt auf einer vollständigen Wiederherstellung der territorialen Integrität. Das ist allerdings eine Forderung, der Russland nach über dreieinhalb verlustreichen Jahren nicht nachgeben kann und wird, zumal dies nicht dem bisherigen Kriegsverlauf entspricht.

Inmitten der betont freundschaftlichen Gesten zwischen Putin und Trump stach dann noch der Seitenhieb auf Europa heraus. Trump hatte bereits vor dem Treffen signalisiert, sich nicht von Europa die Verhandlungen diktieren zu lassen. Putin selbst legte in der Pressekonferenz nach, als er seine Hoffnung zum Ausdruck brachte, die europäischen Staaten würden die Verhandlungen nicht torpedieren. Das ist die diplomatische Variante von: „Ruhe in den hinteren Reihen!“

Ist ein Regimewechsel unausweichlich?

So endete die Pressekonferenz ohne die erhoffte Verkündung eines Waffenstillstands, sondern stattdessen mit einer von Putin bewusst auf Englisch ausgesprochenen Einladung nach Moskau zur Fortführung der Verhandlungen. Mit dem Besuch in Alaska hatte Putin Trump dessen Inszenierung ermöglicht, nun erfolgt also der Ruf in die Höhle des Löwen. Die Chancen, dass Trump diesem Ruf folgt, stehen nicht schlecht, denn der amerikanische Präsident steht unter weitaus höherem Druck als Putin, die Verhandlungen zu einem positiven Abschluss zu bringen. Die Absicht Trumps, sich aus dem Ukraine-Konflikt zurückzuziehen, ist hinlänglich dokumentiert. Währenddessen spielt die Zeit in dem Konflikt für Russland, das zwar langsam, aber stetig Gebietsgewinne vorzuweisen hat.

Der große Abwesende in dieser Gleichung ist natürlich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, dessen Rolle als von Gottes Gnaden eingesetzter Stellvertreter immer deutlicher wird. Es ist aber gerade dieser „ungehorsame“ Selenskyj mit seinen Maximalforderungen, der in der ebenfalls übergangenen EU einen willigen (und ebenso beleidigten) Unterstützer finden könnte.

An der Ausgangslage hat sich also wenig verändert. Die Verhärtung der Fronten zwischen Putin und Selenskyj hat schon früh dazu geführt, dass ein Ende des Konflikts wohl nur durch einen Regimewechsel in einem der beiden Länder möglich scheint. Die Biden-Regierung machte aus ihrer Forderung nach solch einem Regimewechsel in Russland kaum einen Hehl, aber diese Hoffnung dürfte sich mittlerweile zerschlagen haben. So bleibt als Alternative nur die Ukraine, in der in den letzten 20 Jahren schon öfter – auch mit ausländischer Unterstützung – solche Regimewechsel stattgefunden haben.

Putins Spiel auf Zeit

Die Tatsache, dass in Alaska Trump und Putin verhandelten, anstelle von Putin und Selenskyj, zeigt nicht, dass Trump ein Friedensdiplomat aus Passion ist, sondern dass es sich um einen Stellvertreterkrieg der USA mit Russland handelt, den die USA nun beenden wollen.

In Anchorage konnte man Putin ansehen, wie sehr er die momentane Situation genießt, während Donald Trump deutlich angespannter wirkt. Mit jedem weiteren Tag des Kriegs und weiteren Gebietsgewinnen Russlands wird Trumps Verhandlungsposition schwächer. Und einem sofortigen Ende des Krieges steht ein Selenskyj gegenüber, der sich zunehmends nach alternativen Unterstützern umsieht. Putin hat in den jetzigen Verhandlungen die Oberhand und muss Trump einen Ausweg bieten, der es dem US-Präsidenten erlaubt, sein Gesicht zu wahren.

Es wäre vermessen gewesen zu erwarten, dass dieser gordische Knoten in Anchorage zerschlagen würde. Doch die angekündigten Telefonate Trumps mit Selenskyj und der NATO dürften richtungsweisend werden.

Das Schachspiel in Anchorage endete mit einem Unentschieden. Allerdings mit einem Unentschieden, dass Putin seinem Gegenüber schenkte. Denn über alle Partien gerechnet liegt Russland in diesem Konflikt in Führung. Und Trump geht langsam die Zeit aus, um das Match noch zu drehen.

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Kommentare ( 117 )

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117 Comments
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Koeller
3 Monate her

Meine persönliche Vermutung ist, daß man auf dem Weg zu Friedensverhandlungen so oder so nicht um einen Austausch des jetzigen ukrainischen Präsidenten, der sich ja auch im eigenen Land keiner großen Beliebtheit mehr erfreuen kann, herumkommen wird. Außerdem hat Putin mehrmals schon betont, daß er mit Selensky keine Verhandlungen führen wird ( ich habe gelesen , er könne ihn nicht ausstehen ) und ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen , daß sich das geändert hat. Vielleicht entscheidet sich das nächste Woche, wo Selensky mit VdL und Merz im Gefolge zu Trump im Weißen Haus antreten darf. Wenn Trump… Mehr

Michaelis
3 Monate her

EU unter vdL lädt sich selbst ein zum Treffen Trump-Selensky in Washington – genauer: drängt sich auf als ungebetener Teilnehmer. Diese Idioten kennen nicht einmal die grundlegenden Regeln eines anständigen menschlichen Miteinanders!!! Wollen wieder Krawall machen und jede einigermaßen vernünftige Verhandlungslösung boykottieren. Ich wiederhole mich: Selensky muss dringendst abgelöst werden, und die EU-Deppen sollten von Donald Trump AUSGELADEN werden!!!

Deutscher
3 Monate her

Auch Sie irren: Die Zeit spielt nicht wegen ein paar Geländegewimnen für Russland. Die russische Strategie ist auch nicht, weiter nach Westen zu kommen. Wäre das die Absicht, hätte Russland den Krieg ganz anders angefangen und die Ukraine wäre innerhalb weniger Wochen erobert gewesen. Die Strategie der Russen ist, das Gebiet, auf das sie Anspruch erheben, brsetzt zu halten und zu warten, bis der Ukraine die Puste ausgeht. Wenn sie jetzt etwas offensiver vorgehen, dann nur, um den Druck auf Kiew zu erhöhen, indem sie ihre Überlegenheit demonstrieren und so die Ukrainer demoralisieren. Alle strategischen Vorteile lagen von Anfang an… Mehr

bkkopp
3 Monate her

Egal ob man die Navalny-Witwe, den ehemaligen Oligarchen Michael Chodorchowsky, oder den Investmentbanker Sir Bill Browder, Hermitage Capital, fragt, sie werden alle sagen, dass das Putin-Russland seit 2001 ein mafioser Schurkenstaat ist und bleibt. Dies schließt nicht aus, dass wir trotzdem einen modus vivendi mit Putin-Russland finden müssen, um den Ukraine-Krieg zu beenden und Beziehungen zu normalisieren. Biden war nicht in seiner Grundposition falsch, auch wenn er als Führungsmacht mit seiner Zögerlichkeit dann viel vermurkst hat. Es wird keine gute Lösung geben wenn uns die USA, das Trump-Regime, praktisch zwingen die Ukraine dem Putin-Russland weitgehend zu überlassen. Es lohnt sich… Mehr

Lucius de Geer
3 Monate her
Antworten an  bkkopp

Haha, da bieten Sie ja lupenreine Demokraten als Zeugen auf – Sie Schelm!

Gunter Zimmermann
3 Monate her

Das Treffen hat gezeigt, dass Trump, der „Dealmaker“, eine einzige Enttäuschung ist. Vermutlich wird bei diesem ungewöhnlichen „Chicken“ leider nie der Moment kommen, an dem er begreift, dass Putin weder einen Waffenstillstand noch einen Verhandlungsfrieden, sondern die Kapitulation will. Oder er kommt in einem Augenblick, in dem alles zu spät ist.

Michaelis
3 Monate her
Antworten an  Gunter Zimmermann

Na Sie sind ja einer, haben den Wladimir offenbar schon seit langem intensiv ausgeforscht, psychologisch sozusagen. Geben Sie Ihr Wissen bitte weiter an die Herren Kiesewetter oder Röttgen (bei den Grünen gibt’s sicher auch noch Interessenten), die werden gewiss dankbar sein.

joly
3 Monate her

„Trump hingegen wird aus dieser Episode nur dann als Gewinner hervorgehen, wenn ihm tatsächlich ein Friedensschluss gelänge.“ Pyrrus  hatte auch immer gewonnen. Was hat es gebracht? Seien wir ehrlich- Das alles war teuer, hat außer handshakes nix gebracht und selbst ein Friedensvertrag ist auch mit Garantie das Papier nicht wert. Oder glaubt hier jemand, dass die USA den atomaren Hammer loslassen wenn Putin sich danach Odessa holt? Mit oder ohne Friedensvertrag; mit oder ohne Schutzverträge; keine Großmacht wird die eigenen Städte im atomaren Feuersturm verglühen lassen wegen ein bisschen schwarzer Erde mit Sonnenblumen und Weizen drauf. Trump braucht Zeit zum… Mehr

Ohwehnene
3 Monate her

Mit den Ausführungen Ihres Autors David Boors bin ich gar nicht einverstanden. Was soll die Formulierung „als von Gottes Gnaden eingesetzter Stellvertreter“? Und seinen „Maximalforderungen“? Mit EU-Unterstützung? Gegen einen maximal gebietshungrigen Gegner? Soll Selensky kapitulieren, damit Ruhe ist?  Hinter der Tatsache, dass verhandelt wird einen Stellvertreterkrieg zu sehen statt echten Willen zum Frieden, ist ein Intellektueller Absturz am Hochseil ohne doppelten Boden. Völliger Quatsch, genau so, wie oben. Trump will Deals mit der Rohstoffnation und den Friedensnobelpreis, Putin will ins Geschichtsbuch. Und er muß auch Trump keinen Ausweg zur Gesichtswahrung bieten. Putin muß gar nichts, solange seine Brutalität die Agenda… Mehr

Rueckbaulogistik
3 Monate her

Churchill soll der bisher einzige Staatsgast gewesen sein, der mit dem amerikanischen Präsidenten gemeinsam im Auto saß … und nun ist es der andere Allierte, der Auto fahren durfte. Was man während so einer Fahrt alles sagen könnte oder überreichen könnte, ohne dass Dritte oder sonstige Spione das jemals zu sehen bekommen. Man stelle sich vor, der Chef hätte keinen Boten gesandt, sondern geheime Informationen aus dem Tresor selbst überbracht. Da wäre doch Applaus angebracht. Hat jemand geklatscht, als Putin aus dem Flieger in Alaska stieg? Ich frage mich heute noch, was in dem Kinderschokolade-Ei war, das Papst Franziskus Vizepräsident… Mehr

Dellson
3 Monate her

In den Tagesthemen und dem Heute Journal wird nächste Woche dann auf die Frage ab wann denn der Friedensvertrag in der Ukraine denn dann gelten soll, von BK Merz vom Blatt abgelesen, „Das tritt nach meiner Kenntnis… ist das sofort, unverzüglich.“ Während im Hintergrund zu Y.M.C.A ein semmelbonder älterer Herr ein Tänzchen macht!

man without opinion
3 Monate her

Moin, zunächst einmal bin ich etwas erleichtert, daß die ultimative Auseinandersetzung zumindest erst mal verschoben wurde. Die US hätten Putin nicht eine derartige Bühne geboten, wenn da nicht irgendwelche Machtinstrumente im Hintergrund eine Rolle spielen würden. Vermutlich ist der zurückgebliebene Russe tatsächlich momentan 2-4 Jahre militärstrategisch voraus. In dem Moment, wo die Amerikaner wieder gleichziehen, geht high noon wieder los. Natürlich nur, wenn China sich wieder auf Bleistifte und Radiergummis zurückzieht. Sei es drum. Österreich und das Schwein Orban werden wohl mit russischem Gas weiterhin eine warme Bude haben. Irgendwie ist auch die Höhe des Bürgergeldes genau richtig. Wenn man… Mehr