Donald Trump und der geheimnisvolle Stoff aus Venezuela

Das Vorgehen der USA gegen Venezuela ist ein Paradebeispiel für die Blindheit unserer Nachrichten-Medien. Worum es dabei wirklich geht, wird dem Publikum vorenthalten – weil die Journalisten es selbst nicht verstehen.

picture alliance / Newscom | Aaron Schwartz

Donald Trump macht Ernst: Der US-Präsident hat eine Blockade fast aller Öltanker angeordnet, die Venezuela ansteuern und von dort wegfahren wollen. Die Operation der US-Karibikflotte soll fortgesetzt werden, bis Caracas „Öl, Land und andere Vermögenswerte“ zurückgibt, die es den Vereinigten Staaten „gestohlen“ habe.

Tatsächlich hatte Venezuela Anfang der 2000er-Jahre Ölfelder ausländischer Konzerne verstaatlicht. Danach versuchten US-Firmen jahrelang, für die Enteignungen entschädigt zu werden – meist vergeblich. Trotzdem ist es auf den ersten Blick nicht plausibel, weshalb Trump jetzt so massiv gegen das südamerikanische Land vorgeht.

Erstaunlicherweise verzichten die meisten internationalen Medien auf diese naheliegende Überlegung. Die deutschen sowieso. Dieselben Medien, die Donald Trump sonst bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit als Lügner brandmarken, stellen hier keine einzige ernsthafte Nachfrage.

Dabei wäre das sehr erhellend. Denn die USA haben strategische Interessen an Venezuela. Die versteht man aber erst, wenn man auch mal hinter den Vorhang schaut.

Seit 2005 haben die USA ihre eigene Ölproduktion vervielfacht: von damals rund 8.000 Barrel pro Tag auf heute etwa 20.000 Barrel pro Tag (Zahlen vom US Energy Institute). Damit ist die größte Volkswirtschaft der Welt inzwischen auch mit Abstand der größte Ölproduzent.

Saudi-Arabien auf Platz zwei kommt nur auf etwa 11.000 Barrel täglich. Unter den kleptokratischen Regimen von Hugo Chávez und Nicolás Maduro dagegen hat im selben Zeitraum die Ölförderung von Venezuela stark abgenommen. Mit weniger als 1.000 Barrel pro Tag ist das Land auf Platz 21 der Ölproduzenten abgerutscht.

Aber das ist nur die halbe Wahrheit.

Öl ist nicht gleich Öl

In den USA ist der Boom vor allem auf das Fracking zurückzuführen. Mit dieser Technik werden enorme Mengen Rohöl im Wortsinn aus dem Boden gepresst, und da wird die ganze Sache interessant. Denn es gibt verschiedene Arten von Rohöl. Das ist keinesfalls nur eine unwichtige Kategorisierung für Fachidioten, sondern sehr relevant. Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal zwischen verschiedenen Rohölsorten ist die Dichte bzw. die Viskosität.

Anders: Wie flüssig bzw. zähflüssig ist das Zeug jeweils?

Das wird in der Fachwelt am sogenannten API-Grad gemessen, aber das muss der Laie sich nicht merken. Wichtig ist allein: Es gibt Öl, das ist so dick, fast so fest und auch so schwarz wie Teer. Es gibt Öl, das sieht ziemlich so aus und fühlt sich auch so an wie Zuckerrübensirup. Und es gibt Öl, das ist so grün wie ein Spinat-Smoothie und so flüssig wie Wasser.

Es ist zwar alles Rohöl, entstanden vor Hunderten von Millionen Jahren. Aber durch jeweils unterschiedliche geologische und biologische Bedingungen im Boden sieht es halt immer etwas anders aus. Im Ergebnis gibt es sehr verschiedene Arten von Öl: am einen Extrem das flüssige und leichte Öl – Leichtöl eben. Am anderen Extrem das beinahe feste und sehr schwere Öl – das Schweröl.

Von dem ganz leichten Zeug werden nach einer Statistik der Internationalen Energie-Agentur IEA weltweit pro Tag knapp 40.000 Barrel gefördert, vom mittelleichten Öl etwa 55.000 Barrel und vom ganz schweren Öl nur um die 15.000 Barrel.

Begehrtes Schweröl

Doch ob leicht oder schwer: Nur das wenigste geförderte Öl kann genauso verwendet werden, wie man es aus dem Boden geholt hat. Letztlich muss es fast immer weiterverarbeitet werden, zu Benzin oder zu Chemikalien, und dazu braucht man Raffinerien.

Die USA haben 130 davon. Von den zehn größten steht eine ganz im Westen, im Bundesstaat Kalifornien; eine steht ganz im Norden, in Illinois. Der Rest steht an der Atlantikküste, in Texas und Louisiana.

Hier liegt der Hase im Pfeffer: Die meisten Raffinerien der USA sind für Schweröl gebaut.

So eine Raffinerie ist sehr teuer. Und man kann sie nicht einfach für eine andere Ölsorte umrüsten. Historisch stützte sich Amerika am Anfang des Öl-Booms stark auf Erdöl aus Kalifornien – und das ist das schwere, klebrige Zeug. Die Raffinerien folgten. Doch das Schiefer-Öl, das in den USA heute per Fracking aus dem Boden geholt wird, ist durchweg Leichtöl.

Die USA fördern also sehr viel Öl. Aber ihre Raffinerien brauchen ein anderes.

Im Jahr 2015 pumpten die USA täglich gut 1.300 Barrel Schweröl nach oben, etwa 2.800 Barrel mittelschweres Öl und rund 4.500 Barrel Leichtöl. Und es wird, in Bezug auf die Raffinerien, immer schlimmer: Im vergangenen Jahr waren es immer noch knapp 1.300 Barrel Schweröl, etwa 4.100 mittelschweres Öl – aber über 7.200 Barrel Leichtöl. Also passiert, was passieren muss: Obwohl die USA mehr Öl produzieren als jemals zuvor, importiert das Land immer größere Mengen Öl. In den 1970er-Jahren wurden etwa 2.000 Barrel täglich eingeführt. Heute sind es etwa 6.000 Barrel.

Denn Amerika fördert Leichtöl, braucht aber Schweröl.

Wenig verwunderlich, ist seit den 1970er-Jahren die Einfuhr von Leichtöl in die USA von einstmals knapp 20 Prozent auf heute fast null zurückgegangen. Mittelschweres Öl hatte damals einen Anteil von 70 Prozent, heute liegt er bei etwa 20 Prozent. Der Anteil von Schweröl am importierten Öl der USA ist dagegen von zwölf Prozent vor 50 Jahren auf über 70 Prozent heute gestiegen.

Die größten Schweröl-Vorkommen der Welt liegen vor allem in drei Ländern: in Kanada, in Russland – und in Venezuela.

Um die Jahrtausendwende importierten die USA sogar mehr Öl aus Venezuela als aus Kanada. Dann verschlechterten sich die Beziehungen, und unter den Gangster-Regimen von Chávez und Maduro in Caracas brach auch die Ölförderung von Venezuela beinahe zusammen. Sozialismus eben. Heute liegen die Ölimporte der USA aus Venezuela quasi bei null.

Das hat dazu geführt, dass Washington in eine eigenartige Abhängigkeit von Kanada geraten ist. Kamen noch im Jahr 2000 nur 15 Prozent aller Öl-Importe vom nördlichen Nachbarn, sind es jetzt 61 Prozent. Nicht zuletzt deshalb haben die Kanadier sehr selbstbewusst reagiert, als es zu Beginn der zweiten Amtszeit von Donald Trump auch hier zu erheblichen diplomatischen Spannungen kam.

Und den USA gehen die Alternativen aus

Denn selbst Donald Trump hat einstweilen erkennbar nicht vor, mehr Schweröl aus Russland zu beziehen, um die Abhängigkeit von Kanada zu verringern. Was also tun? Für jeden politisch nüchtern und klar denkenden Menschen liegt das auf der Hand: Venezuela.

Das Land hat nach Angaben der US-Statistikbehörde EIA die größten Erdölreserven der Welt – noch weit vor Saudi-Arabien und dem Iran. Es hat das schwere Öl, das Amerika so dringend braucht. Und es liegt am Atlantik quasi nur einen Steinwurf entfernt von den wichtigsten Raffinerien an der Küste von Texas und Louisiana.

Das sollten Sie im Hinterkopf haben, wenn Sie das nächste Mal etwas von Donald Trump und Venezuela hören oder lesen. Meist geht es um viel mehr.

Geopolitik eben.

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Kommentare ( 23 )

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Werner Meier
28 Minuten her

Mainstream-Medien sind zu reinen Propagandamedien degneriert. Die naive Chefredaktorin der BILD forderte einen Kamala-Harris-Moment für Deutschland. Meinung: Deutschland braucht einen Kamala-Harris-Moment | Politik | BILD.de Tim Walz, der Vize von Harris, hat soeben einen Kamala-Harris-Moment geliefert. Unter seiner Kontrolle haben die Freunde der linksextremen Ilhan Omar mit der somalischen Gemeinde dem Sozialsystem von Minnesota eine Milliarde Dollar entwendet und der BILD ist dies keine Zeile wert. What did Ilhan Omar know about the $1B welfare fraud case in her Minnesota district? | New York Post Wenn Trump hustet, überschlägt sich Horn, wenn der Spezi von Harris das Sozialsystem von Minnesota zur… Mehr

Manfred_Hbg
29 Minuten her

…..und Dank TE und prima TE-Autoren wieder etwas dazugelernt. Danke – – – – Zitat: „Die größten Schweröl-Vorkommen der Welt liegen vor allem in drei Ländern: in Kanada, in Russland – und in Venezuela.“ > Ich kann mich schwach erinnern, dass ich irgendwann mal eine Doku über ein „exotisches“ Land gesehen hatte, in der zu sehen war das bei denen teerartiges Oel sogar einfach an der Erdoberfläche austritt und in Abstände einfach abgeschöpft und in Fässer geladen werden kann. Und da es sich bei dem Land meiner Erinnerung nach nicht um Kanada oder Russland gehandelt hatte, bin ich nun grad… Mehr

Hutten
35 Minuten her

Statt in Venezuela Öl zu kaufen, will Trump es einfach rauben. Politik mit Stil des gesetzlosen wilden Westen. Wird aber nicht funktionieren. Die Zeiten der US-Dominanz sind vorbei und Trump ist innenpolitisch nicht so gefestigt, daß er sich einen militärischen Husarenritt wirklich leisten kann.

Autour
37 Minuten her

Super Artikel! SO Geht Journalismus!
DANKE!

Peter Gramm
37 Minuten her

War alles scxhon lange bekannt wurde von den Amis jetzt als K(r)ampf gegen die Drogen verdreht. Nachdem Chavez die Ölindustrie verstaatlicht hatte blieben die Investitionen der amerikanischen Ölkonzerne aus und die Ölinfrastruktur verfiel. Rußland hatte keine Interesse, wollte sein eigenes Öl verkaufen. Da aber die Amis für ihre Raffinerien schweres Öl benötigten greift Uncle Sam jetzt wieder zur Kanone. Echt demokratisch eben. Die Unterstützer Venezuelas sehen darin jetzt eine Möglichkeit im Hinterhof Amerikas militätisches Drohpotential aufzubauen ohne als Aggressor dazustehen. Sie schützen lediglich ihre Investitionen die die Amis nie getätigt haben. Sie haben immer nur geholt, nie gegeben. Weil immer… Mehr

Hans Nase
40 Minuten her

Interessant. Und plausibel. Und danke für die letzten beiden Sätze „Meist geht es um viel mehr. Geopolitik eben.“. So einfach. Und doch so schwer bis unmöglich zu schlucken für die hiesige feminisierte Gesellschaft, vor allem dem polit-medialen Komplöex, in der der Gefühl wichtiger ist als Ratio. Ich habe ein anderes Beispiel: Warum ist Trump wohl and Kanada und Grönland interessiert? Nun, weil unter der Annahme, daß die Arktis immer mehr eisfrei wird, Zugriff auf die dortigen Bodenschätze möglich ist. Die Hauptanrainer sind Grönland, Kanada und Russland. Aber was sind denn die Chancen von Dänemark, sich z.B. gegen eine russische Invasive… Mehr

bkkopp
43 Minuten her

Die Ölförderindustrie in Venezuela und deren Geschichte läßt sich mit ChatGPT sehr leicht zusammengefaßt überblicken, und hat nicht erst mit der Verstaatlichung in 2000 gegonnen. Absolut nichts ergibt eine respektable Begründung für das was das Trump-Regime derzeit vor Venezuela macht. Auch die Zerstörung von ein paar angeblichen Drogenbooten, und die kaltschäuzige Ermordung von mindestens 80 Personen ausserhalb jeder Rechtfertigung, ist eine reine Show um “ Stärke“ zu zeigen, weil sich in den USA und anderswo immer Leute finden die willkürliches Ermorden, die ultimative Kraftmeierei, eben cool finden. Selbst wenn noch ein paar Dutzend Boote zerstört werden sollten, bisher sollen es… Mehr

RMPetersen
44 Minuten her

Die obigen technisch-ökonomischen Überlegungen sind nicht überzeugend. Eine Wirtschaft benötigt nicht Schweröl, sondern Benzin, Diesel/Heizöl und Kerosin. Diese sind leichter und billiger aus Leichtöl zu gewinnen. Die Reststoffe, deren es im Schweröl viele gibt, hat man früher als Kraftstoffe auf See und in Kraftwerken genutzt, was aber seit einigen Jahren aus Umweltgründen weniger und weniger gemacht wird. Raffinerien auf Leichtöl umzustellen ist weitaus einfacher als umgekehrt. Natürlich erfordert das Investitionen, ab er der Raffineriebestand der USA ist ohnehin ziemlich alt und bedarf – auch aus Umweltgründen – Modernisierung. Eine auf Leichtes Erdöl ausgelegte Raffinerie ist umweltfverträglicher. Aber wer nicht investieren… Mehr

bkkopp
13 Minuten her
Antworten an  RMPetersen

Das sind gute Zusatzinformationen zum Thema. Aktuell hat nur Chevron eine in 2022 geschlossene, aktive Lizenz zur Ölförderung in Venezuela. Die in Teilen anarcho-kapitalistischen Raffinerien in den USA sind an Profitmaximierung interessiert, und an der politischen Macht diese gesichert zu wissen. Alles was eine möglichst hohe Profitabilität einschränkt ist freiheitsfeindlich und sozialistisch. Der Bestand an Raffinierien in den USA ist meist älter, weil lange Laufzeiten die Profitabilität erhöhen. Ein Um- oder Neubau sind teuer.

H. Hoffmeister
44 Minuten her

Interessante Informationen, würden aber den publik gemachten Bestrebungen der Trump-Administration, sich nicht mehr in dem Maße wie früher in die Belange anderer Staaten einmischen zu wollen, zuwiderlaufen. Am Ende würde die interssengeleitete Machtpolitik dann doch fortgesetzt. Vermutlich wird das immer so bleiben. Reale Geopolitik eben.

swengoessouth
45 Minuten her

Man stelle sich mal vor irgendein anderes Land, würde das machen was die USA gerade macht: beliebig Boote versenken, Menschen töten und sonstige Schweinereien, was da los wäre. Es wäre ein leichtes die Boote von der US Flotte aufzubringen und wirklich zu schauen ob da Drogen transportiert werden, die Drogen zu beschlagnahmen, die Menschen zu verhaften und der Gerichtsbarkeit zu überstellen. Dazu sollten die USA in der Lage sein, wenn sie sich als Weltpolizist versteht Es war von Anfang an vollkommen klar, daß es nur ums Öl und somit um viel Geld geht und sonst nichts anderes. Die USA sind… Mehr