Vieles, was derzeit rund um Friedenspläne für die Ukraine diskutiert wird, wurde schon 2022 von Viktor Orbán empfohlen. Der finnische Präsident Alexander Stubb formuliert es heute noch radikaler: Er spricht von einer Finnlandisierung der Ukraine.
picture alliance / Consolidated News Photos
Kaum hatte Russland im Februar 2022 die Ukraine überfallen, da sagte Ungarns Ministerpräsident voraus, wie und wann dieser Krieg enden werde. Dann nämlich, wenn die USA und Russland direkt miteinander verhandelten. Er wurde dafür von den Guten und Mächtigen der EU-Politik, und vom ukrainischen Präsidenten Volodimir Selensky selbst, angegriffen als wäre er ein Verräter. Niemals! Nur die Ukraine könne über ihr Schicksal entscheiden! Zwischen den Zeilen bedeutete das: „Der Westen” wird und muss Russland besiegen, der Krieg ist eine historische Chance, Moskau strategisch niederzuringen und nebenbei China eine Lektion zu erteilen: Seht, das passiert, wenn man uns herausfordert.
Am Montag saßen nun die Spitzen derselben Länder, und teilweise dieselben Politiker, in Washington am Verhandlungstisch mit Präsident Donald Trump und bedankten sich unterwürfig dafür, dass er das getan hatte, was Orbán immer wünschte und voraussagte: Er hatte die Hand in Richtung Moskau ausgestreckt und Präsident Wladimir Putin in die USA eingeladen, um über ein Ende des Krieges zu sprechen. Erst danach hatte er auch Selensky zum Gespräch einbestellt, und der hatte dann mit den „Europäern” gesprochen und vereinbart, dass auch sie bitte kommen sollten: Die „Koalition der Willigen” der einstigen europäischen Großmächte Deutschland, England, Frankreich und Italien. Ach, und den finnischen Präsidenten Alexander Stubb.
Der wurde nachher von fast niemandem in den europäischen Medien zitiert, obwohl er das Einzige gesagt hatte, was wirklich wichtig war: Finnland habe „nach 1944 eine Lösung gefunden” für das Problem, vor dem die Ukraine heute stehe, und könne daher mit gutem Rat dienen. Genauer formulierte er es in einem Gespräch mit dem Wall Street Journal: Finnland habe nach dem verlorenen Weltkrieg seine „Unabhängigkeit bewahrt, aber wir verloren die Souveränität, über unsere Zukunft zu entscheiden, und wir verloren Territorium”. Er übertrage das auf die Ukraine und komme zu dem Schluss, „dass etwas Vergleichbares mit der Ukraine passiert”.
Zwischen Viktor Orbán und Alexander Stubb (die einander politisch nicht sonderlich gewogen, aber beide realistisch sind) liegt die pragmatische, faktische Wahrheit übder die Lage der Ukraine und ihr wahrscheinliches Schicksal. Sie steht in krassem Gegensatz zu allem, was „die Europäer” seit 2022 wie eine Mantra herunterbeteten – Russland müsse sich zurückziehen, die Ukraine müsse gewinnen, darin werde man ihr beistehen bis – nun, „solange nötig”. Nichts von dem steht mehr.
Orbán verursachte auch einen Aufschrei der Gerechten in der EU, als er – als turnusmäßiger EU-Präsident – im vergangenen Jahr zu allen maßgeblichen Akteuren reiste, um ein gemeinsames Nachdenken über realistische Parameter für einen Waffenstillstand oder Frieden anzustoßen: Zu Selensky, Putin, zum chinsesischen Präsidenten Xi Jinping, zum türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Er berichtete dabei fortwährend an die EU-Spitzen und formulierte eine potentiell bahnbrechende Idee: Wenn die EU noch etwas gestalten wolle in der Geopolitik, dann müsse sie einen eigenen, europäischen Friedensplan für die Ukraine ausarbeiten. Er wurde dafür als Verräter bezeichnet.
Aber hätte man auf ihn gehört, dann wären die EU-Politiker jetzt nicht wie Schäfchen in der Herde dem Ruf Trumps nach Washington gefolgt, um zu vernehmen, was er und Putin entschieden hatten – sondern sie hätten selbst die Zukunft gestalten können.
Orbán und Stubb waren im Vorfeld die beiden Vermittler zwischen Trump, Putin und „den Europäern”. Stubb mehr als Orbán, was Kontakte mit „den Europäern” betrifft; er spielte einst Golf mit Trump, seither können sie miteinander, und Stubb ist als zentristischer, liberaler Christdemokrat die Verkörperung der politischen EU. Er wird, anders als Orbán, in Brüssel geschätzt, und so konnte er Brücken bauen, wie Orbán es nicht vermochte, obwohl er mit Trump vielleicht noch besser kann, aber in Brüssel hasst man ihn eben.
Orbán half mehr als Stubb, was Kontakte mit Putin betrifft. Im Vorfeld des Gipfeltreffens am Montag erwähnte Trump seine europäischen Gäste kollektiv, aber nur einen mit Namen: Viktor Orbán. Ihn habe er in einer „wichtigen Frage” konsultiert: „Kann die Ukraine den Krieg gewinnen?” Orbán, so sagte Trump, habe dabei ein Gesicht gemacht, als sei Trump ein wenig dumm: Natürlich könne die Ukraine den Krieg nicht gewinnen.
Das war Orbáns Analyse seit den ersten Wochen des Krieges, und noch etwas anderes: Die Zeit sei gegen die Ukraine. Deswegen sei ein rascher Waffenstillstand un Kiews Interesse. Denn je länger es dauert, desto mehr Menschen, Volksvermögen und Territorium werde die Ukraine verlieren. Wie wurde er dafür niedergemacht von den Granden der europäischen Politik! Und jetzt saßen sie alle am Montag da und sagten genau dasselbe: Ein Waffenstillstand müsse her, möglichst schnell. Es war, als säße Orbán mit am Tisch: Seine Analyse der Lage bereits seit 2022 war die Basis für alles Denken über eine mögliche Lösung. Auch Stubb’s Einsicht, die Ukraine werde ihre Souveränität verlieren, formulierte Orbán bereits 2023: Die Ukraine sei bereits jetzt kein souveräner Staat mehr, sie sei nicht in der Lage, selbstständig ihr Schicksal zu bestimmen. Deswegen könne sie auch kein Nato-Mitglied werden.
Noch jemand hatte einen entscheidenden Gedanken beigetragen: Die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni. Sie erwähnte beim gemeinsamen Pressetermin mit Trump am Montag, dass das entscheidende neue Element beim Nachdenken über Sicherheitsgarantien für die Ukraine am Anfang „eine italienische Idee” gewesen sei: Eine Beistandspflicht für die Ukraine „wie Artikel 5 der Nato”, aber ohne einen Nato-Beitritt. Ein potentiell folgeenschwerer Schritt für jene, die dabei mitmachen wollen, wohl gerne Großbritannien, Frankreich und vielleicht Polen, nicht aber die USA.
Deutschland hat sich bereits prophylaktisch aus der Liga der Risikofreudigen verabschiedet: Ohne deutsche Truppen, ließ Außenminister Wadephuhl wissen.
Da stehen wir also nun: Alle jene, die Orbán’s Werben für einen Waffenstillstand vor zwei-drei Jahren verurteilten, wollen nun selbst einen Waffenstillstand. Jene, die Orbáns Worte über die verlorene Souveränität der Ukraine als Verrat und „Anbiederung an Putin” attackierten, sehen es nun ähnlich.
Orbáns Forderung nach einem europäischen Friedensplan lehnten sie ab, deswegen sind sie nun gezwungen, den USA hinterher zu laufen. Orbáns Diktum, die Ukraine könne nicht Nato-Mitglied werden, ist nun offizielle Position der USA und somit auch der „Europäer”.
Nächste Station: Die Ukraine dürfe auf keinen Fall EU-Mitglied werden, sagt Orbán. Die EU-Granden sind von dieser Aussage entsetzt. Schauen wir einmal, was sie in einem Jahr sagen werden.
Als Folge der europäischen Kurzsicht und Ohnmacht besteht nun die Gefahr, mit eigenen Truppen in den Krieg hineingezogen zu werden. Die EU redet seit Jahren von „Wehrhaftigkeit” und „strategischer Autonomie” von den USA. Brilliante Chance für Trump: Sollen die Europäer doch bezahlen, mit eigenem Geld amerikanische Waffen für die Ukraine kaufen, und mit eigenen Soldaten alles Risiko eingehen. Gewinner sind die USA und Russland, der Verlierer heisst Europa.

Sie müssenangemeldet sein um einen Kommentar oder eine Antwort schreiben zu können
Bitte loggen Sie sich ein
Es ist schon grotesk, wenn sich Selenskyj bei Trump dafür bedankt, nach einem Friedensschluß amerikanische Waffen für 100 Milliarden kaufen zu können – mit dem Geld Deutschlands, Frankreichs etc..
Trump bzw. die US-Rüstungsindustrie freut’s ebenso wie Selenskyj, immerhin.
Aber auch wenn der Krieg weitergehen sollte sind EU und GB finanziell in der Pflicht: viele Milliarden für das Kiewer Regime und Waffenkäufe in den USA, die sich von nun an zurückhalten.
So handeln nur Vasallen, die nicht an ihre Bevölkerungen denken.
Frankreich gibt so gut wie nichts an diesen jämmerlichen Schilinsky und wird auch in Zukunft nichts geben. Das BRD Schaf wird zahlen und brav weiter „UnsreDemokratie“ wählen.
Frankreich gibt vor daß unbedingt der Krieg weiter geführt und gewonnen werden muß, was getan werden muß, Andere tun mussen. Ist das nichts?
Finnland konnte in der Zeit des Kalten Krieges ganz gut mit seinem Státus als neutrales und westliches Land mit einer demokratischen Ordnung leben. Helsinki war mit Kekonem immer ein gefragter Gastgeber und Gesprächspartner, die finnische Gesellschaft konnte sich dank ihrer Wirtschaft zu einer Wohlfahrtsgesellschaft entwickeln . Der Preis dafür , nämlich eine gewisse Rücksichtnahme auf Russland schien annehmbar gewesen zu sein. Nun kann man die finnische Gesellschaft nicht mit der ukrainischen vergleichen. Finnland hatte nie ein Problem mit der Koruption , hatte sich immer intergere Regierungen und Regierungschefs gewählt, für die die Interessen von Finnland die Richtschnur war, der sie… Mehr
„Russland müsse sich zurückziehen, die Ukraine müsse gewinnen, darin werde man ihr beistehen bis – nun, „solange nötig”. Nichts von dem steht mehr.“ Es ist als absolut sicher anzunehmen, dass die Europäer noch nicht einmal bedacht haben, was das für die russische Rüstungsindustrie bedeutet. Es ist die beste Werbung für diese! „Seht her, so wird der Leo2 ausgeschaltet, so der M1 der Amerikaner und so der Challenger 2, so die F16 und so das Patriot-Luftabwehrsystem.“ Die russischen Waffen werden sich international so erfolgreich verkaufen, wie sonst nur noch der deutsche Sozialstaat. Daran hat gewiss keiner von diesen EU-Knallköppen gedacht! Tja,… Mehr
„Gewinner sind die USA und Russland, der Verlierer heisst Europa.“
Herr Kálnoky,
wie definieren Sie „Europa“. Was ist für Sie „Europa“ Würden Sie das bitte freundlicherweise erklären?
Vielen Dank.
Herr Kálnoky, ob Rußland die Ukraine überfallen hat oder in einen Bürgerkrieg gegen Separatisten eingriff, lasse ich mal dahin gestellt sein. Aber, die Finnlandisierung der Ukraine ist nur eine Momentaufnahme. Die Tragweite eines Friedens oder auch nur schlichten Kapitulation, geht viel weiter, als Sie, Herr Kolbe & wer sonst noch alle schreiben. Es wird jetzt, nach 80 Jahren, offensichtlich, daß nicht Deutschland, Österreich & Ungarn 2 Weltkriege verloren haben, sondern ganz Europa. Auch wenn das noch nicht in den Köpfen unserer Anglo-Französischen Freunde realisiert werden will. Wer will schon zu den depperten Verlierern gehören? Deswegen geht es gerade nicht nur… Mehr
Die Europäer sollen zuerst mit russischem Geld in D, F, und wo auch immer in Europa etwas Brauchbares verfügbar ist, und dann erst in den USA Waffen kaufen – dazu sollten die € 300 Mrd. russisches Staatsbankgeld in einen Ukraine Relief and Reconstruction Fund eingebracht werden. Trotzdem ist eine Fortsetzung des Krieges, des ukrainischen Abwehrkampfes gegen den russischen Plan der nationalen Vernichtung der Ukraine, nur eine Notlösung für den Fall, dass Russland seinen Siegestaumel mit russischen und amerikanischen Fahnen auf seinen Panzern fortsetzt, weil es auch den USA nicht gelingt die Russen wenigstens zu einem Waffenstillstand zu stoppen. Es ist… Mehr
300 Milliarden sind ein Tropfen auf den Heißen Stein. Europa ist pleite. Die USA werden in keinen Europäischen Konflikt mit Rußland eingreifen. Die Amis sind kultur-resistent, bildungsfern, aber nicht bescheuert.
>dazu sollten die € 300 Mrd. russisches Staatsbankgeld in einen Ukraine Relief and Reconstruction Fund eingebracht werden<. Diese Pläne wurden ja schon genannt. Doch offensichtlich dachte niemand über die Folgen eines solchen Diebstahls fremden Vermögens nach.Der größte Teil des russischen Geldes in Europa liegt bei Euroclear. Stehlen die wahnsinnigen Kriegstreiber Europas heute das Geld in Europa, ist die Euroclear Filiale China morgen beschlagnahmt weil die Russen in Hongkong oder Peking klagen. Abgesehen davon, wäre es ein Zeichen für ALLE Sparer und Anleger, dass Bankgeheimnis, Anlegerschutz usw. nicht mehr bzw. nur nach gutdünken gelten – hatten wir eigentlich schon im kleinen… Mehr
Seine Hoheit schreitet voraus, zusammen mit dem Hofnarren aus dem Grenzland und die anderen trotteln hinten nach, was auch eine Art von Beschreibung sein kann ohne ein weiteres Wort verlieren zu müssen und man sich allenfalls schämen kann, ein Europäer zu sein, der von solchen Leuten allen ernstes vetreten wird und andere sich daran ergötzen um ihnen damit zu belegen, daß sie doch mit dem richtigen Entscheidungsträger verhandeln, bevor man selbst unnütze Energie vergeudet.
Die Maria Sacharowa, Sprecherin des russischen Außenministeriums, hat zu dem drolligen Narrativ der »Finnlandisierung der Ukraine« heute morgen auf Telegram wie gewohnt professionell und souverän Stellung genommen.
https://t.me/MariaVladimirovnaZakharova/11173
(rechte Maustaste und dann: übersetzen)
Man muss das nicht alles 100% teilen, aber es hilft auch hier ungemein, den Standpunkt der anderen Seite zur Kenntnis zu nehmen und zu verstehen.
Mit den Zahlungen, die die Ukraine von uns erhält, sollte man meinen, dass von den Oligarchen, in deren Kanäle das Geld fließt, etwas Geld für angemessene Kleidung abzweigbar ist. Ist er so proletenhaft oder sieht er nur so aus ?
Beides!
Wenn Selenskjy die Ausgehuniform der Ukrainischen Armee tragen würde, wäre es ok. Aber der Anzug-Kompromiß ist innenpolitisch gedacht. Können Sie das nicht verstehen?
Er tut das damit seine Schafsbevölkerung glaubt er wäre Soldat.
Die „Sieger“ der beiden Weltkriege haben nach dem jeweiligen Ende der Veranstaltung die kulturell und ethnisch gewachsen Strukturen Europas, die sich nach dem Westfälischen Frieden und dem Wiener Kongress etabliert hatten, kraft ihrer Wassersuppe vor allem in Osteuropa grundlegend nach Gusto durcheinandergewürfelt – vom Polarkreis über den Balkan bis zur Ägäis und darüber hinaus. Der bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts existierende politisch stabile Zustand Europas geriet ins Wanken, als dann Briten und Franzosen ihrer verlustig gegangenen industriellen, intellektuellen und militärischen Führungsrolle auf dem Kontinent gewahr wurden. Der Rest ist bekannt und erhielt den entscheidenden Kick, als die USA 1917… Mehr
Die glorreichen „Willigen“ in Europa haben nur noch eine einzige Chance: so schnell wie möglich von der Bildfläche zu verschwinden. Samt ihren Hoftrompetern, die es vermeiden wie der Teufel das Weihwasser, auch nur einen Blick zurückzuwerfen auf die, die als Putinversteher diffamiert wurden, nur weil sie für eine diplomatische Lösung des Ukrainekonflikts plädierten. Wie wurden die niedergemacht, niedergeschrien und niedergeschrieben. Als Elfriede noch Michael hieß, wurde bei TE darüber berichtet, allerdings nur in einer ÖRR-Rezension, nicht mit einem eigenen Kommentar. https://www.tichyseinblick.de/feuilleton/medien/kretschmer-maischberger-ukraine-afd/ Entweder bekommt Deutschland Unterstützung von Außen, oder wir müssen warten, bis selbst der langzeitahnungslose Wählermichel merkt, wen er denn… Mehr