Charles III: König des Volkes

Als Prinz wurde Charles oft kritisiert. Als König Charles III. hingegen gewinnt er die Herzen der Briten schon am ersten Tag. Dafür gibt es einen Grund: Er ist ein sehr liebenswerter Mensch.

IMAGO / PA Images

König Charles III. steigt aus der königlichen Limousine. Es ist der Moment, da er mit seiner Gemahlin, Queen consort Camilla, erstmals als herrschender Monarch durch das Haupttor des Buckingham-Palastes schreiten soll, fortan sein Amtssitz. „God bless the King!”, rufen die wartenden Menschen. Spontan geht er hin, schüttelt Hände, bedankt sich. Eine Frau küsst ihm die Hand. Eine andere die Wange. Sie zögert dabei, aber jemand aus der Menge ermutigt sie: „Kiss him!” Charles schreitet händeschüttelnd weiter, sieht sich dann die vielen Blumen an am Zaun des Palastes, mit Dankesbotschaften der Briten an ihre verstorbene Königin. Seine Mutter.

Vor lauter Ergriffenheit findet er den richtigen Eingang nicht. Das Haupttor hat er hinter sich gelassen. Helfer weisen ihn behutsam in die richtige Richtung. Es war ein Moment an diesem ersten Tag seiner Herrschaft, an dem spürbar wurde, was Charles ausmacht: Er ist ein herzensguter, liebenswerter Mensch. Wie er spricht, wie er einen ansieht – es ist schwer, ihn nicht zu mögen. Als er am Freitag seine erste, kurze Ansprache als König hielt, war echtes Gefühl in seinem Blick (obwohl es nur die Kamera war, in die er blickte). Echter Dank, echte Trauer, echte Liebe für sein Volk. Die Briten sahen und verstanden es. Die Medien auch. Der neue König ist ein Mensch wie sie.

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Ich empfand dasselbe, als ich ihm zum ersten Mal begegnete. Das war 2017, in einem kleinen siebenbürgischen Dorf namens Miklosvár. So nennen es die Ungarn, die darin leben. Da Siebenbürgen aber zu Rumänien gehört, hat es auch einen rumänischen Namen: Miklosoara.
Charles reist fast jedes Jahr nach Siebenbürgen. Meist besucht er dann auch meinen Bruder, Tibor Kálnoky. Diesmal war ich auch zugegen. Natürlich war jeder der Anwesenden darauf erpicht, ein paar Worte mit dem Thronfolger zu wechseln. Am besten schien es ihm aber mit meiner Mutter zu gefallen, gut gelaunt plauderten sie über dies und das.

An diesem Nachmittag in Miklósvár wurde ein Theaterstück zu Pferde aufgeführt für Charles und seine Entourage, von örtlichen Roma-Kindern, im Garten des Schlosses. (Das Schloss gehörte einst unserer Familie und ist jetzt ein Museum). Die Frau meines Bruders, Anna, hatte es inszeniert, und hatte spontan Charles’ Sicherheitschef in das Stück hineingeschrieben. Er genoss seine Rolle sichtlich. „Warum hat der Zigeuner des Bauern Pferd geklaut?”, lautete der nach westlichen Standards nicht ganz politisch korrekte Titel. Aber bei uns in Siebenbürgen nennen sich die meisten Roma selbst so, mit Stolz. Die Antwort – nach vielen Saltos, Galoppeinlagen und drolligen Komplikationen – lautete: „Weil er Lust hatte zu reiten”.

Am Ende sprangen die Kinder von den Pferden und rannten trillernd auf die königlichen Gäste zu, die das Geschehen von ihren Gartenstühlen aus beobachteten, packten sie bei den Händen und zogen sie aufs Gras um zu tanzen. Und so nahm der Mann, der seit Freitag König Charles III. ist, seinen Platz ein in einem traditionellen siebenbürgischen Kreistanz. Da halten alle einander an den Händen und bewegen sich in Schrittmustern, die einfach aussehen, aber gar nicht so einfach sind. Das Theaterstück war übrigens Teil eines karitativen Projekts zur Förderung der Roma.

War Charles überrascht? Hatte man ihm gesagt, was ihn erwartete? Das fragte ich ihn fünf Jahre später, als ich ihm im vergangenen Juni erneut in Miklosvár begegnete. „Oh, daran erinnern Sie sich?”, schmunzelte er. Nein, er sei nicht gewarnt worden. „Und es passiert mir immer wieder. Gerade gestern gab es eine Volkstanz-Vorstellung und am Ende haben sie wieder dasselbe mit mir gemacht. Mit 73 wird es allmählich zur Herausforderung.”

Er ist ein umsichtiger, reservierter Mensch, auch das merkt man rasch. Aber aus dieser natürlichen Reserve heraus ist er außerordentlich aufmerksam, offen für und neugierig auf andere. Diese Zugänglichkeit macht ihn zu einem idealen Nachfolger seiner Mutter. Denn Elizabeth II. modernisierte die Monarchie, indem sie sich als Mensch zeigte, unter Menschen ging, zu ihnen sprach – ihnen zuweilen aus dem Herzen sprach. Etwa, als sie, damals 14-jährig, in den dunkelsten Tagen des Zweiten Weltkrieges sagte: „Am Ende wird alles gut sein”.

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Da war sie noch nicht Königin. Aber es war schon damals ihr Stil: Mut geben, Zuwendung und Zuversicht. Dass sie die Monarchie für die Briten erlebbarer und menschlicher machte, war das Geheimnis ihres Erfolges. So gelang es ihr, in einer Zeit rasanten gesellschaftlichen Wandels die Dinge einfach und die Monarchie in den Herzen der Menschen zu halten: Wir gehören zusammen.

Was Charles an Siebenbürgen so mag, ist ein Gefühl der Beständigkeit. Es sind die Menschen und die Natur, die es ihm angetan haben. „Es gibt hier ein Gefühl Jahrhunderte alter Kontinuität”, sagte er mir im Juni. „Ein Kreislauf der Tugend, wo Mensch und Natur im Einklang sind.” Diese Liebe zum Fortbestand der Schöpfung macht ihn im schönsten Sinne zu einem konservativen Menschen. Und Kontinuität ist nach den 70 Jahren der elisabethanischen Epoche genau das, was die Monarchie braucht.

Es gibt Unterschiede. Elizabeth II. wird auch deswegen so verehrt, weil sie ihre privaten Wünsche immer ihrer Pflicht als Königin unterordnete. In einer berühmten Ansprache gab sie den Briten an ihrem 21. Geburtstag dieses Versprechen: „Ich werde mein Leben, möge es kurz oder lang sein, dem Dienste an Euch widmen.” So wurde sie zum Ruhepunkt, an dem die zentrifugalen Kräfte der Moderne abprallten. In einer Welt, in der die Ehen von drei ihrer Kinder scheiterten, vermochte sie die Familie so dennoch zusammenzuhalten.

In seiner ersten Ansprache als König am Freitag wiederholte Charles dieses Versprechen. Aber in seinem Leben hat er nicht immer vermocht, seine privaten Wünsche seinen Pflichten unterzuordnen. Camilla, seine heute Gemahlin, war einst seine Geliebte, als er noch mit Prinzessin Diana verheiratet war. Es ist ein Grund, warum die Medien ihm oft kritisch gegenüberstanden. Aber wenn er Glück hat, werden die Briten nun entscheiden, dass all das vergangen ist. Letztlich sind die Verhältnisse nun geordnet.

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Er hat bereits einen ersten eigenen Akzent gesetzt. In seiner Ansprache erwähnte er auch Prinz Harry. „Ich möchte auch meine Liebe für Harry und Meghan zum Ausdruck bringen”, sagte er, und das war viel wärmer als die eisige Atmosphäre, die Harry ansonsten im königlichen Hause entgegenschlägt. Mit diesem einen Satz zeigte sich Charles nicht nur als König, sondern als liebender Familienvater. Aussöhnung, Kontinuität, Harmonie zwischen Mensch und Natur und möglichst auch zwischen den Menschen selbst – wenn Charles entlang dieser Werte regiert, können es glückliche Jahre werden für ihn und sein Land.

Er wird auf vieles verzichten müssen. Wohl auch auf seine Besuche in Siebenbürgen. Er sagte es in seiner Rede: „Mein Leben wird sich ändern”. Viele Anliegen, die ihm lieb und wichtig sind, wird er aufgeben müssen. Das ist ein hoher Preis. Ich hatte im Juni das Gefühl, dass unsere kleinen Dörfer in Siebenbürgen ein Ort sind, an dem er sich wirklich zu Hause fühlt, wo er am ehesten er selbst sein kann.

Wie wir durchs Dorf spazierten, standen keine Menschenmengen am Wegesrand, niemand winkte oder rief ihm zu, niemand fotografierte. Die Menschen hier sehen ihn als einen, der dorthin gehört. Ruhig und unaufgeregt grüßen sie ihn mit „Jó napot kivánok” (ungarisch für „Guten Tag”) genau so, wie sie es einander sagen. Und er grüßt zurück.

Der König besitzt ein Häuschen im winzigen Weiler Zalánpatak. Da wohnt er, wenn er in Siebenbürgen ist. Als wir uns im Juni unterhielten, hatte er schlecht geschlafen. „Da muss ein Bär in der Nähe gewesen sein gestern Nacht”, sagte er. „Die Hunde wollten einfach nicht aufhören zu bellen.” Die einfachen Dinge des Lebens. Er wird sie vermissen.

Ex-Premier Boris Johnson hat Elizabeth II. „Elizabeth die Große” genannt. Ihr Lebenswerk ist so monumental, dass Charles’ daneben vielleicht bescheidener ausfallen wird. Aber für mich ist er schon jetzt Charles, der König des Volkes.

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Kommentare ( 33 )

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33 Comments
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Der Winzer
1 Jahr her

Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben, Herr Kálnoky.
Würde mich aber freuen, wenn Sie recht behielten.

Wiener
1 Jahr her

Charles ist ein Vertrauter von Klaus Schwab, ein geistiger Vater des Great Reset, eine Marionette des World Economic Forum.
Ein Dauergast in Davos, auf Du-und- Du mit Greta Thunberg.
Ein woker König, der den Untergang der britischen Monarchie beschleunigen wird (was ja durchaus positiv zu werten ist…)

Konradin
1 Jahr her

Vielleicht zieht es Charles auch deshalb nach Siebenbürgen weil er neben unzähligen Vorfahren verschiedener deutscher Fürstenhäuser (Hannover, Sachsen-Coburg und Gotha, Sachsen-Coburg-Saalfeld, Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg bzw. Battenberg, Hessen, Reuß, usw.) sogar Siebenbürger Vorfahren hat. Seine Ur-Ur-Ur-Großmutter war die ungarische Gräfin Claudine Rhédey von Kis-Rhéde bzw. Gräfin von Hohenstein. Über die Heirat ihres Sohnes Franz von Teck mit einer Enkelin des britischen Königs Georg III., Mary Adelaide of Cambridge, kam die gräflich-ungarische Linie aus Siebenbürgen ins britische Königshaus.

Teiresias
1 Jahr her

Charles III ist ein Grüner durch und durch.

„Armut für as Weltklima“ ist sein Programm, mit dem er dem Volk „dienen“ möchte.

Ein weiteres trojanisches Pferd für die Agenda des WEF – natürlich mit den besten Absichten.

maxmink
1 Jahr her

Mehr Vorbildfunktion in Menschlichkeit und Aufrichtigkeit als seine Mutter wird er wohl nicht in die Politik bringen können!
Diese Schuhe sind zu gross!

November Man
1 Jahr her

Und wir, wir haben einen im Volksmund sogenannten König von Bayern. Wir haben einen Roten Gnom der so ziemlich alles vergisst. Der sogar vergessen hat und nicht mehr weiß, dass es an der Zeit ist Zeit ist den Grünen Unwissenden und die großgoschige grüne Hochstabler,in rauszuschmeißen. Wir haben ein Rote Nänsi die dem Volk schon im Vorfeld droht, wenn es zu Recht wegen den Freiheitsbeschränkungen und zu hohen Preisen auf die Straße gehen will um zu demonstrieren. Und wir haben noch einen Volksebendimiologen der in eine Anstalt für geistige Weiterbildung gehört anstatt ein Ministerium zu begleiten.   

Weiss
1 Jahr her

Herr Schwab will m.E. alle demokratischen Nationalstaaten einschließlich der USA, UK und Israel abschaffen.

Würde der neue König Herrn Schwab folgen wollen, dann würde er sich ja am Ende selbst zerstören ?

Da ich davon ausgehe, dass der König letztendlich wie seine Mutter von G-tt auserwählt und für das Amt auserkoren worden ist, gehe ich davon aus, dass der König sich nicht gegen G-tt und Seine Schöpfung stellen wird.

Inana
1 Jahr her

Prinz Charles ist, wie hier schon viele geschrieben haben – real ein Anhänger des „Great Reset“ und im World Economic Forum vernetzt. Er ist eine Figur der globalistischen Elitennetzwerke – und bestimmt kein „Mann des Volkes“. Dass einige Briten ihm trotzdem zujubeln mag sein, dass täten sie aber bei jedem König und werden relativ schnell eines besseren belehrt werden. Real haben sie keine Souveränität gewonnen, sondern mit Charles und übrigens auch Liz Truss („Young global leaders“) Figuren des WEFs in den höchsten Staatsetagen. Und das sind keine Interessenvertreter des Volkes und das wissen wir alle. Wir wollen es nur im… Mehr

Alexis de Tocqueville
1 Jahr her

Charles persönlich interessiert mich so gar nicht. Es hat auch keine Bedeutung, wie er privat so drauf ist. Ein Mistkerl kann ein guter Herrscher sein, und ein netter Mensch ein Tyrann.
Die Frage ist doch, wofür steht Charles als König? Fürs (zwangsweise) Impfen? Für CO2 Bepreisung und Klimagaga? Für Gender, Diversity und Wokismus? Immerhin ist er ja anscheinend recht dicke mit Schwab und seiner menschenfeindlichen Transformation. Ein Habeck wirkt auch sympathisch, und wahrscheinlich ist es privat auch – unter Gleichdenkenden.

imapact
1 Jahr her

Auch wenn Charles vom Wokismus befallen ist (vgl. seine Äußerungen zur Weiterleitung der aus Frankreich übersetzenden“Flüchtlinge“ nach Ruanda); die Rolle der britischen Monarchen ist eine rein repräsentative.
Die Beliebtheit Elizabeths II. dürfte nicht zuletzt daher rühren, daß sie sich strikt daran gehalten und niemals in die Politik eingemischt hat; auf diese Weise ist sie stets unangreifbar geblieben.

imapact
1 Jahr her

Möglicherweise hat der Tod Elizabeths II. die Monarchie in GB sogar verstärkt. Auch wenn diese im Alltag auch monarchiebegeisterter Briten keine allzu große Rolle spielen dürfte, bildet sie doch im Hintergrund eine historische Kontinuität, die immerhin seit 1200 Jahren besteht und in turbulenten Zeiten als eine Art stabilisierender Faktor wirkt.
Ist natürlich für Deutsche, in deren Land nationale Selbstzweifel, Selbstablehnung bis zum (geförderten) Selbsthaß beinahe inoffizielle Staatsdoktrin sind, nur schwer nachvollziehbar.

Weiss
1 Jahr her
Antworten an  imapact

Mein aktueller Eindruck ist schon der, dass die Queen doch bei vielen Menschen in UK eine größere Rolle in ihrem Leben gespielt hat ? Für einige war die Queen eine Art Familienmitglied, das sie mehr oder weniger ihr ganzes Leben begleitet hat… Von einem Menschen, der nur knapp die Shoah überlebt und all seine Familienmitglieder durch die Nationalsozialisten verloren hat, habe ich gehört, dass die Queen ihm in all den Jahren seit seiner geglückten Flucht nach UK schon Halt im Leben gegeben hat… Sie war wie ein Anker für ihn, an dem er sich festhalten konnte… Ich verfolge ja seit… Mehr