BBC: Wie wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Großbritannien umgebaut?

Die BBC soll wohl radikal umgebaut werden. Ohne Zwangsgebühren, überzählige Sender und digitale Sonderangebote soll sie im Inland zum schlanken Netflix-Konkurrenten und zum starken Auslandssender werden. Die BBC stand Pate bei ARD und ZDF - wird auch die Reform Modell für Deutschland?

Carl Court/Getty Images

Die Regierung Johnson macht anscheinend ernst, was Struktur und Finanzierung der BBC angeht. Wie die »Sunday Times« berichtet, ist aus Downing Street ein Plan nach außen gedrungen, der einen grundlegenden Umbau des öffentlichen Senderverbunds bedeuten würde. Die britische Rundfunkgebühr soll demnach spätestens 2027 durch ein Abonnementsmodell ersetzt werden. In diesem Jahr muss die BBC-Lizenz in jedem Fall neu verhandelt werden. Schon ab 2022 dürfte, wie Johnson schon vor längerem verlauten ließ, die Verweigerung der Gebühr entkriminalisiert werden. Schon diese Maßnahme könnte das BBC-Budget – nach Einschätzung der Betroffenen – um etwa ein Sechstel (200 Mio. Pfund) erleichtern.

Eindeutig sind die Erläuterungen »der Regierung« zu ihrem Plan: Man bluffe keineswegs, sei vielmehr entschlossen, die Gebühr abzuschaffen. Das tatsächlich gebrauchte Wort lässt mit einiger Sicherheit auf einen bestimmten ranghohen Berater schließen: Man wolle die Gebühr »plattmachen«, heißt es da etwas burschikos. Unzählige Radiosender, eine Vielzahl von Fernsehsendern und eine »gewaltige« Website müssten »zurechtgestutzt« werden. Dagegen soll sich die BBC der Zukunft stärker auf das weltweit ausgestrahlte Programm konzentrieren, das ihre eigentliche Kernaufgabe sei. So weit, nach allem Anschein, Dominic Cummings.

Der Plan wurde umgehend dementiert. Der zuständige Verkehrsminister Grant Shapps sagte, dass es keinesfalls ein derart weit entwickeltes Modell gäbe. Bislang gebe es nur Beratungen, um die „geliebte“ BBC auf den Weg der Reformen zu führen. Tatsächlich gibt es konkrete Gesetzesvorlagen nur in dem Sinne, das Beitragsverweigerer nicht mehr mit Strafverfolgung zu rechnen haben – ein eleganter Weg, um der BBC den Geldhahn zuzudrehen und die Gebührenfinanzierung faktisch auszusetzen. Zu weiteren Plänen und dem Zeitungsbericht gab es aus der Downingstrett 10, dem Sitz des Premierministers, keine Erklärung. Offensichtlich ist damit: Boris Johnson ist entschieden, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk grundsätzlich umzubauen, auch wenn innerhalb seiner Partei und Regierung noch keine letzte Entscheidung gefallen ist.

Konkret könnte das bedeuten: Der Senderverbund müsste die meisten seiner – sage und schreibe – 61, meist regionalen und lokalen Radiosender verkaufen. Nur Radio 3 und 4 sollen bleiben. Ebenso müsste die Nachrichten-Website des Senders in ihrem Umfang reduziert werden. Auch von den derzeit zehn Fernsehsendern sollen nicht alle überleben. Dagegen könnte der »World Service«, der etwa der Deutschen Welle entspricht, sogar ausgebaut werden.

Hinzu kommt noch eine persönliche, beißende Note: Den BBC-Großen sollen demnach lukrative Nebenjobs verwehrt bleiben. Zuletzt hatte Nachrichtenchef Kamal Ahmed (Jahresverdienst 205.000 Pfund) zusätzlich 12.000 Pfund für eine von ihm gehaltene Rede erhalten, bevor er öffentlich zur Rückerstattung verdonnert wurde. Derlei Extra-Gewinne sollten künftig einem wohltätigen Zweck wie »Help the Aged« gespendet werden – zumal da die BBC die Gratislizenzen für Über-75-Jährige abschaffen will, so die Regierungsquelle mit sehrendem Spott: »Es ist empörend, dass Personen, die sich ihr Profil auf Kosten der Öffentlichkeit verschafft haben, nebenher Profit zu machen versuchen. Sie machen sich einen Namen auf Steuerzahlerkosten und kassieren dann ab.«

»Mission: Attacke« trifft auf »Strictly Come Dancing«

Ernst ist es auch Boris Johnson mit der »Reform« der BBC. Der ehemalige Kulturminister John Wittingdale, der nun als Staatsminister mit der Führung der Verhandlungen betraut wurde, soll die Anweisung »Mission: Attacke« erhalten haben. Schon vor einigen Tagen hatte die Kulturministerin Nicky Morgan angekündigt, dass man einige »schwierige Diskussionen« über den mittelfristigen Fortbestand der Rundfunkgebühr mit den Verantwortlichen führen müsse. Einen Tag später warf sich der BBC-Vorsitzende Sir David Clementi ein letztes Mal in die Bresche für die öffentlich finanzierte Rundfunkgruppe.

In einer Rede im nordenglischen Salford teilte Clementi mit, dass eine Paywall den nationalen Senderverbund natürlich stark verändern würde: »Es wäre nicht mehr die BBC, wie sie die Nation kennt und schätzt. Hinter einer Bezahlschranke wäre sie nicht mehr für alle verfügbar.« Vermutlich würden Lokalsender, Kinder- und Bildungsprogramme Kürzungen zum Opfer fallen. Die BBC könnte, so ihr Vorsitzender, im Wettbewerb um die Zuschauer hinter anderen Anbietern zurückfallen.

Nun ja, gelegentlich muss auch das Selbstverständliche gesagt werden. Aber Clementi verstieg sich noch weiter in die eigene Unersetzbarkeit und behauptete, dass eine »verkleinerte BBC« das Vereinigte Königreich als Ganzes schwächen würde. Königliche Hochzeiten, die allseits populäre Tanzsendung »Strictly Come Dancing« und die Olympischen Spiele sollen, wenn es nach ihm geht, auch künftig der ganzen Nation gehören. Außerdem, so Clementi weiter, würde der gewollte Rückschnitt hunderte Millionen Pfund aus der »Kreativwirtschaft« des Landes abziehen.

Ja, möchte man anfügen, aus gewissen obskuren Kanälen, in denen heute noch die Untoten der Digitalwirtschaft schwimmen. Tatsächlich ist es doch so: Wie sehr die britische Nation ihre BBC und diese Programmhöhepunkte schätzt, könnte sich durchaus auch in einem Abonnementsmodell und sogar mit einer hohen Aussagekraft erweisen. Angeblich hat das »Tantchen« (»Auntie«), wie sie noch manchmal liebevoll genannt wird, derzeit eine Zustimmungsrate von 80%. Kommen da etwa noch Schlachten auf Johnson zu? Vermutlich vor allem auf Twitter und bei anderen Interessierten.

Sendungen von Interesse für die Welt von heute

Die Pläne der britischen Regierung sind in zweierlei Hinsicht auch für Deutschland von Interesse. Zum einen wäre die Änderung der Finanzierung von epochaler Bedeutung für die Geschichte des öffentlichen Rundfunks. Die Sender würde dann bezahlen, wen sie auch interessieren. Diese Rückkehr zu marktwirtschaftlichen Verhältnissen dürfte die zukünftigen Fernseh- und Rundfunkmacher in Bewegung setzen – unter anderem in Richtung auf Sendungen, die auch wirklich jemand sehen und hören will.

Diese Botschaft wird im Innern der Institution freilich nur schwer verstanden. Anscheinend hört man nur, was man will, und weiß nur, was einem nutzt… Letzte Woche gab der politische Redakteur Norman Smith der Kulturministerin Morgan allen Ernstes mit auf den Weg, dass man durch die kommenden Mindereinnahmen – durch die Entkriminalisierung der Beitragsverweigerung – schlechter gerüstet sei, um gegen Netflix und andere zu bestehen. Die geplante Umstrukturierung hält Smith für eine Strafaktion gegen eine politisch unbändige BBC. Für den Heldenstatus gibt es natürlich immer viele Bewerber, doch wer sich gar nicht einmal selbst am Markt bewähren muss, der kann recht leicht in diese glänzende Rolle schlüpfen. Tatsächlich wird hier aus »me, me, me« ein »mimimi«.

Anders herum wird ein Schuh draus: Die Kaperung des öffentlichen Interesses war der Sündenfall des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, wo immer es ihn gibt. Man denke nur an die hiesige »Demokratie-Abgabe«… Das Wort sagt schon alles: Die demokratischen Rechte der Meinungs- und Redefreiheit sollen an halboffizielle Funktionsträger »abgegeben«, abgetreten werden. Doch Demokratie im Inneren lebt von der Vielgestaltigkeit, und die kann letztlich nur bürgerlich und privatwirtschaftlich organisiert sein.

Daneben ist aber vielleicht sogar das von Downing Street anvisierte Organisationsmodell für eine neue BBC von Interesse für die europäischen Rundfunkplaner. Denn die Regierung möchte ihr gestalterisches Vorrecht, was den nationalen Rundfunk betrifft, offenbar trotz der Privatisierung seiner Finanzen behalten. Außerdem soll die BBC die britische Stimme in der Welt bleiben. Das hört sich nach einem weiteren Fall von »eat your cake and have it« an. Aber wenn es erreicht werden kann, warum nicht? – Einmal mehr verbände sich so das Ausbrechen aus altgewohnten Geleisen mit einem Aufbruch in die Welt von heute.

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Kommentare ( 25 )

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Iso
4 Jahre her

Der DDR Rundfunk kam auch mit 4 Radio- und 2 TV-Sendern aus, dazu gab es täglich die Pravda, und der Informationsauftrag war erfüllt. Warum das heute so kompliziert gemacht werden muss, um doch überall das Gleiche zu berichten ist nicht nachzuvollziehen. Ein paar YouTuber würden die Nachrichten für unter 1% der jetzigen Kosten produzieren, und das wars dann auch mit dem ÖRR. Für die Unterhaltung kann jeder selbst sorgen. Aber die Rundfunkgebühr sehe ich noch als das allerkleinste Übel. Noch schlimmer sind doch die Kassenbeiträge die jeder von uns zu leisten hat, und mit denen ein riesiger Verwaltungsapparat unterhalten wird.… Mehr

schwarzseher
4 Jahre her

Ich beneide die Briten täglich mehr. England ist und bleibt die Wiege der Demokratie, Deutschland deren Sarg, und Merkel zelebriert gerade die Totenmesse.

Jrgen D.
4 Jahre her

Ein ÖR wie die BBC, ARD und ZDF wird nicht mehr benötigt. Der beste Beweis ist der stockende Ausbau des Digitalradios. Der Staat setzt voll auf Mobile Networks, d.h. der freie Empfang von Radio und Fernsehen wird immer mehr zugunsten des Internets aufgegeben. Wenn also die Übertragungswege nicht mehr frei sind, wofür soll dann ein ÖR gut sein. Es gibt nur ein Argument für das ÖR, die Regierenden und ihre Satrapen brauchen ein Medium mit dem sie ihre Doktrinen verbreiten. Dass der Bürger nicht wählen darf, ob er in den Genuß dieser Gehirnwäsche kommen will, ist aus deren Sicht verständlich.

kasimir
4 Jahre her

Es würde absolut genügen ARD+ZDF als Pay-TV zu verschlüsseln. Dann kann und darf sich das der zahlende Kunde ansehen und die anderen greifen eben auf andere Informationsquellen zurück. Diese Zwangsgebühr wie in D/A oder GB ist nicht mehr zeitgemäß und gehört abgeschafft. Dann würden sich sicher diese Sender allein schon notgedrungen verschlanken müssen…

Peter Silie
4 Jahre her

In Deutschland war auch schon der Hauptmann von Köpenick mit einem Schwarzafrikaner besetzt und das Nürnberger Christkind war im vergangenen Jahr auch nicht mehr weiß. Und die Menschen applaudieren dazu. Mehr noch, sie gefallen sich sehr in ihrer „Toleranz“. Sie sind intellektuell unfähig zu begreifen, daß es sich hierbei um Geschichtsverfälschung handelt. Oder wenigstens um Kulturrelativismus oder -verfälschung. Diese Leute, die einen afrikanischen Hauptmann von Köpenick bejubeln, würden gleichzeitig die Idee eines schwarzen Hitlers oder Stalins oder eines weißen Obamas vehement von sich weisen und zum Kampf gegen Rechts aufrufen. Sie können machen, was immer Sie wollen, aber gegen die… Mehr

Klaus Maier
4 Jahre her

Die „Reform“ in Deutschland wird anders aussehen: Zusätzliche „Demokratie-Abgabe“ für schwächelnde Kartell-Blätter.

Peter Silie
4 Jahre her

Hört sich für mich eher nach Flickschustetei an. Hier ein klein wenig, dort noch etwas weniger. Wenn man bedenkt, wie sehr die BBC Gender und PC betreibt, dann wäre eigentlich nur die Zerschlagung und Neuaufbau mit neuem Personal angezeigt. Der Vernunft rennt doch die Zeit davon. Wieviel Jahre wird es dauern, bis sich der Irrsinn von Gender und PC in die Köpfe der Menschen hineinzementiert hat? Ich bin mir sicher, schon jetzt werden die Schulkinder bei einem schwarzen Julius Caesar keine Geschichtsverfälschung sehen. Und es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis man der Überzeugung ist, daß sämtliche Nobelpreise… Mehr

Sonny
4 Jahre her

Finde ich gut.
Die Engländer werden irgendwann zu schätzen wissen, dass Boris Johnson ihnen so viel Freiheit zurückgeschenkt hat – ob nun durch den Brexit oder das von oben herab aufgezwungene Staatsfernsehen.

humerd
4 Jahre her

„..wird auch die Reform Modell für Deutschland?“
Niemals solange Kleber, Slomka etc , der WDR die braven Meinungsmanipulationsmaschine der NGOs, der Grünen und Linken, sowie der Kanzlerin sind und dafür auch noch hohe Gehälter und noch höhere Altersversorgung erhalten. Und dann noch der Rundfunkrat: „Prälat Dr. Karl Jüsten, Vorsitzender Kommissariat der deutschen Bischöfe – Katholisches Büro, von der katholischen Kirche benannt“ https://www.dw.com/de/die-mitglieder-des-rundfunkrats/a-305442
die müssten freiwillig auf Macht & Einfluss, sowie daraus abgeleitete Pfründe verzichten. Niemals

Karl Napf
4 Jahre her

Wie ÖR umgebaut wird in UK?
Ganz einfach:
Weniger Geld, weniger Einfluss.

Die Blaupause fuer Deutschland.
Kann man prima erstmal am Sender mit der blauen Maus ausprobieren.