Die Idomeni-Verschwörung

Ist Idomeni wirklich ein „Anschlag auf die Menschlichkeit“, wie Norbert Blüm noch aus seinem Idomeni-tauglichen hellblauen Wurfzelt heraus berichtete oder steckt mehr dahinter? Ist Idomeni am Ende schon das ersehnte Symbol, das Einwanderungsbefürworter so dringend brauchen wie Priester ihr Weihwasser?

© Matt Cardy/Getty Images
People walk among tents pitched at the Idomeni refugee camp on the Greek Macedonia border on March 19, 2016 in Idomeni, Greece.

Zugegeben, ein reißerischer, ein geradezu cineastischer Titel. Aber die Existenz dieses Ortes ist zum Stachel geworden im Fleisch eines europäischen Selbstverständnisses von einem Mindestlebensstandard auf dem Kontinent. Von einem humanitären Umgang mit Einwanderern und Flüchtlingen. Und gleichzeitig zu einem starken Symbol für viele Zuwanderungsbefürworter, die ein neues europäisches Mahnmal erkennen wollen – allerdings ein von Verzweifelten bewohntes.

Dabei könnte man denken, die Wunde wäre schnell geschlossen, wenn man dieses Camp der Hoffnungslosigkeit endlich auflöst und die Menschen, die auf ihre Passage – hauptsächlich nach Deutschland – warten, in die ja schon vorhandenen, komfortableren Auffanglager in der weiteren Umgebung von Idomeni bringt.

Nein, es kann nicht sein, dass Griechenland mit dieser Umsiedlungsaufgabe überfordert sein sollte. Mit der humanitären Verbringung in gut organisierte neue Aufnahmelager. Oder vielleicht doch, weil der moralische Effekt, weil die Empörung in Rest-Europa größer wäre, als sie es schon war, als Viktor Orbán, der ungarische Ministerpräsident, seine Grenzen weitestgehend dicht machte und damit für ein paar Monate zum Buhmann Europas werden sollte? Freilich nur, um damit später Vorbild für die Schließung des größten Teils der Balkanroute zu werden. Man erkannte kleinlaut, dass es sehr wohl möglich ist, mit Zäunen Flüchtlinge aufzuhalten und sich abzuschotten, ohne dass es dadurch zu einer humanitären Katastrophe gekommen wäre, wie Vertreter der Befindlichkeitsschickeria des Wohlstandswestens vielstimmig prophezeit hatten.

Tränengas gegen Tränen?

Warum ist also in Idomeni nicht möglich, was in Frankreich mit dem „Dschungel“ von Calais ohne große europäische Proteste vonstatten ging, als der Immigrationsminister nach einer von mehreren Räumungsaktionen in Calais fast stolz in die Kameras sprach, „287 Menschen sind bei der gewaltsamen Räumung der Unterkunft am Ortsrand von Calais verhaftet worden“ und man habe damit „ein Zeichen gegen Schlepper gesetzt.“

Was unterscheidet nun die linke Regierung in Athen von jener des „Sozialisten“ des François Hollande in Paris? Lässt sich Europa, lässt sich der griechische Staat von einer gewaltbereiten Minderheit unter den etwa 9.000 (die Zahlen schwanken) ausharrenden Flüchtlingen und Deutschland-Einwanderungswilligen erpressen?

Wie viel Verlust an nationaler Souveränität müssen die Griechen eigentlich noch hinnehmen, wenn sie es im eigenen Land scheinbar aus berechtigter Sorge vor einer gesamteuropäischen medialen Empörung akzeptieren sollen, dass im Lager Idomeni mittlerweile ein rechtsfreier Raum entstanden ist?

Idomeni verwandelt sich gerade von einem bedauernswerten Elendsquartier deutschlandsehnsüchtiger Gestrandeter hin zu einem florierenden Melting pot des Drogenhandels und der Prostitution, wie unlängst selbst das so zuwanderungsoptimistische Magazin Der Spiegel ernüchternd feststellen musste.

Wenn wir also schon in der griechischen Finanzkrise keine adäquaten Lösungen präsentieren können, dann sollten wir die Griechen jetzt wenigstens moralisch darin unterstützen, dieses Lager zu räumen, ohne mit dem erhobenen europäischen Zeigefinger zu drohen und das Gesicht abzuwenden. Wir müssen hinschauen, wenn geräumt wird. Und zwar nicht applaudierend, aber den griechischen Behörden mindestens die Arbeit erleichternd, indem wir uns zu dieser notwendigen Maßnahme wohl oder übel bekennen.

Werbeveranstaltung für Schlepper

Erschwerend kommt übrigens hinzu, das die unhaltbaren Zustände im Lager in Idomeni wie eine Werbeveranstaltung anmuten für die Schlepper, die den Flüchtlingen eine komfortable und sichere Reise nach Europa versprechen. Diese Mafia der Menschenschmuggler hat also größtes Interesse daran, dass die europäischen Medien weiter die unhaltbaren Bilder aus Idomeni senden, Interesse daran, dass gut meinende Politiker wie der 80-Jährige Norbert Blüm („Idomeni ist ein Anschlag auf die Menschlichkeit“) live vor Ort ihre Elendsberichte in die Mikrofone sprechen.

Und die Frage stellt sich jetzt, wie wenige Kriminelle und Radikale es eigentlich braucht, um diese Stimmung aufrecht zu erhalten und wie viel Unrecht man damit jenen Menschen tut, die ohne Zweifel in der Mehrheit sind, die einfach nur für ihre Familien ein bessere Leben ersehnt hatten und nun in diesem grenznahen, grenzwertigen Slum gelandet sind.

Hendryk M. Broder titelte für die Welt über Blüms Idomeni-Aufenthalt ebenso despektierlich wie zweideutig: „Was Blümchen in Idomeni zu sehen bekam.“ Aber Broder geht noch viel weiter, wenn er den arabischstämmigen Randalierern vor Ort bescheinigt, sie seinen nur deshalb radikal, weil „in der arabisch-islamischen Kultur das Leiden als ein Wert an sich“ gelte. Dass ist natürlich nah dran an Sarrazzin und Pirincci. Das ist die Rhetorik des versierten Provokateurs. Das ist vor allem Wasser auf die Mühlen derer, die nicht etwa die Lösung des Konfliktes suchen, sondern – aus welchen unterschiedlichen Interessen auch immer – die Fortdauer dieses unerträglichen Zustandes in Idomeni wünschen.

Arcor.de berichtet:

„Unter die randalierenden Migranten in Idomeni hatten sich nach übereinstimmenden Berichten auch vermummte Autonome gemischt. (…) In Polizeikreisen gab es Informationen, dass vor allem junge Migranten Kontakte mit «radikalen Elementen» geknüpft hätten. Es handle sich um Autonome aus verschiedenen Staaten Europas und griechische Linksextremisten.“

Hamburgs Hafenstraße ist also längst vor Ort als schlagkräftiger Abgesandter, als Aufrührer von Antifa-Gesinnung, durchfinanziert aus den Millionenmitteln gegen den Kampf gegen Rechts, jetzt als Brandbeschleuniger in Idomeni? Wahrlich, an Theorien mangelt es auf beiden Seiten nicht. Und ein Flugblatt, welches zum Sturm auf die Grenze aufrief, trug ja bekanntlich die satirische Unterschrift „Kommando Norbert Blüm“. Hat der Kampf gegen Rechts, gegen die deutschen Einwanderungsgegner, gegen die AfD, eine zweite Front bereits am Hot-Spot Idomeni eröffnet?

Zweite Front bereits am Hot-Spot Idomeni

Sind die schadensbegrenzenden Maßnahmen der deutschen Bundesregierung zur Eindämmung der Einwanderung über die Balkanroute und das Mittelmeer schon so erfolgreich, dass man – um die Kurskorrektur Merkels noch zu torpedieren – aktiv Fluchthilfe leisten muss, damit überhaupt noch jemand den langen Weg schafft hin in die mittlerweile leerer werdenden deutschen Turnhallen?

In völliger Verkennung der Lage scheinen diese staatlicherseits durchfinanzierten linken deutschen Kräfte Idomeni zu verwechseln mit so etwas, wie dem spanischen Bürgerkrieg von 1936, als tausende wackere Antifaschisten – denen diese Bezeichnung übrigens noch zur Ehre gereichte – ihren verzweifelten spanischen Genossen bewaffnet zur Hilfe eilten gegen den Diktator Franco, wenn auch am Ende vergeblich.

Aber die konzertierte Elends-Unterstützung scheint nun Risse bekommen zu haben, wenn selbst das Hamburger Magazin Spiegel seine Reporter nach Idomeni schickt zum exemplarischen Drogeneinkauf, um ihre Leser zu schockieren und mitzuteilen, dass dieser düstere provisorische Ort mittlerweile Strukturen krimineller Art bekommen hätte, die mit abstoßendem Gemengelage aus Drogenhandel und Prostitution an die kriminellen Strukturen vieler Migranten-Ghettos in den europäischen Großstädten erinnern. Mit dem Unterschied allerdings, dass die dort Lebenden großteils auf eine staatlicherseits garantierte Vollversorgung durch die sozialen Netze ihrer Aufnahmestaaten rechnen dürfen, die in Idomeni natürlich nicht gewährleistet werden kann.

Der Spiegel-Artikel endet mit einem Zitat eines zuständigen Polizisten:

„Nichts wird passieren, Idomeni wird bleiben. Lasst euch das gesagt sein“, „Nichts würde Idomenis Bosse glücklicher machen.“

Ja, die Schleuserbosse werden zufrieden sein. Aber nicht nur die. Man muss leider sagen, dass wohl auch die linke Sache von den unhaltbaren Zuständen in Idomeni meint, profitieren zu können, und bereits ihre Fußsoldaten ins Elendsgebiet geschickt hat. Keine gute Sache ist das, die allerdings vehement vorgibt, eine gute Sache zu unterstützen.

Nein, Europa ist nun aufgefordert, der griechischen Regierung ein klares Zeichen zu senden, dass man zur Unterstützung bereit ist: Dass man einverstanden ist, dass die Griechen diesen nicht nur elendigen, sondern immer öfter auch schwerkriminellen Ort auflösen und die wirklich Bedürftigen und ihre vielen Kinder endlich an sichere und einigermaßen versorgte Orte mit Schulen und hygienischen Mindeststandards geleiten kann.

Nein, Idomeni darf kein zweites Guantanamo werden, ein weltferner Ort, den eigentlich niemand will, aber der doch einigen notwendiges Übel ist.

Aktuelle Entwicklung, BILD meldet heute früh:

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