Saskia Esken wird nicht mehr für den SPD-Vorsitz kandidieren. Arbeitsministerin Bärbel Bas möchte Beamte in die Rentenkasse einzahlen lassen und Lars Klingbeil siegt sich gegen Friedrich Merz müde. Nur: Was will die SPD eigentlich?

Die großartigste unter vielen großen Passagen in Leo Tolstois „Krieg und Frieden“ ist die, in der sich der Autor in die Gedanken Napoleon Bonapartes versetzt. Der berühmte Feldherr hat gerade Moskau erobert und stellt sich die Frage der Fragen: Was will ich eigentlich hier? Er hat Russland erobert. Etwas, das bis dahin – und danach auch noch – ein Ding der Unmöglichkeit war. Doch als Belohnung sitzt er in einer lebensfeindlichen, saukalten Umgebung, in einem piefigen Nest, das zu allem Überfluss auch noch zu brennen anfängt. Wie es weitergeht, ist Geschichte.
Die letzten Wochen waren voll von Siegesmeldungen der SPD. Ihr Vorsitzender Lars Klingbeil hat in den Koalitionsverhandlungen den neuen Kanzler Friedrich Merz (CDU) öfter über den Tisch gezogen als einen Küchenschwamm. Mit nur 16,4 Prozent bestimmt die SPD, was in der Koalition passiert – vor allem aber, was in der Koalition nicht passiert. Da war die Niederlage in der Bundestagswahl, die keine drei Monate zurückliegt, eigentlich schon aus dem öffentlichen Bewusstsein verdrängt.
Doch an diesem Wochenende kam die Niederlage genau dorthin zurück: Klingbeils Co-Vorsitzende Saskia Esken hat aufgegeben. Sie kündigte an, dass sie nach sechs Jahren im Juni nicht erneut für die Führung der SPD kandidieren will. Nachdem sie nun bei der zweiten Regierungsbildung in Folge als nicht ministrabel befunden wurde, blieb ihr im Vorsitz nur noch eine PR-Rolle: Ihren Charme und ihre Kompetenz verbreiten, um für die SPD zu werben. Durchaus sinnvoll, dass sie auf diesen Versuch verzichtet. Klingbeil indes wurde auf Basis-Veranstaltungen beschimpft. Er überlasse es Esken, die Verantwortung für die Niederlage zu übernehmen. Ein Basis-Mitglied beschimpfte ihn laut Bild als Napoleon, der sich selbst zum Vizekanzler gekrönt habe – Kaisertitel gibt es in Deutschland seit dem Tod Franz Beckenbauers nicht mehr.
Nicht nur für Klingbeil, sondern für alle Sozialdemokraten stellt sich nun die Frage: Was will ich eigentlich hier? Ihre Politik hat der Bürger mit 16,4 Prozent der Bürger abgewählt. Er hat sich für die CDU und Merz entschieden, weil die Änderungen versprochen haben. Und der SPD bleibt jetzt eigentlich nur übrig, so viel wie möglich von eben diesen Änderungen abzuwehren. Das Hin und Her im Einwanderungsstopp bot dafür einen ersten Vorgeschmack. Weitere werden folgen. Etwa in der Reform des „Bürgergeldes“. Inhaltlich ist die SPD in diese Koalition mit dem Ziel gegangen, so wenig Neues wie möglich zuzulassen. Mit anderen Worten: Die SPD ist die neue FDP.
Eigene Ideen für Neues hat die SPD nach 23 von 27 Jahren in der Regierung nur wenige. Ihre neue Arbeitsministerin Bärbel Bas ist nun mit einer vorgeprescht: Sie will die Rentenpflicht auch auf Beamte, Politiker und Selbstständige erweitern. So möchte sie den prognostizierten, dramatischen Anstieg der Beiträge zur Sozialversicherung verhindern – oder wenigstens abbremsen. Es ist ein Vorschlag ganz nach dem Geschmack der SPD: Er beruht auf einer Neiddebatte, ist in dem öffentlich diskutierten Punkt nur Scheinpolitik – und wird an anderer Stelle das Land verheeren.
Der Vorstoß, dass Beamte in die Rentenkasse einbezahlen müssen, ist populär. Dass sie davon verschont bleiben und gleichzeitig im Schnitt das Dreifache an Ruhegeld kassieren wie Arbeitnehmer aus der freien Wirtschaft, ist letzteren kaum noch zu vermitteln. Doch es ist eben nur Symbolpolitik, was Bas jetzt vorschlägt. Wenn diese Reform etwas bewirken soll, dann geht das nur, wenn Beamte künftig spürbare finanzielle Einschnitte hinnehmen müssen. Nur ist der öffentliche Dienst so ziemlich der letzte Berufszweig, in dem sich die SPD noch Volkspartei nennen kann, ohne rot zu werden – also schamesrot. Ob Bas also ausgerechnet an der Stelle das Beil ansetzen kann, ist stark zu bezweifeln.
Doch um die Rentenpflicht für Beamte geht es Bas eigentlich gar nicht. Ebenso wenig um die von ihr vorgeschlagene Rentenpflicht für Politiker. Das ist reine Symbolik. Die Politiker fallen zahlenmäßig ohnehin nicht ins Gewicht und würden sich voraussichtlich ebenfalls zusätzliche Belastungen ausgleichen lassen. In Wahrheit ist Bas’ Vorstoß ein Angriff auf die Selbstständigen. Die will die SPD schon seit Jahren in die Rentenversicherung pressen. Die Beamten ins Paket zu nehmen ist reines Gaslighting. Ein Ablenkungsmanöver. Ein dringend notwendiges. Denn die Rentenpflicht für Selbstständige würde das Land verheeren.
Selbstständige haben es in Deutschland ohnehin schwerer als in den allermeisten Industrienationen: durch den hohen Verwaltungsaufwand und die ebenso hohe Last an Steuern und Abgaben. Kommt die Rentenpflicht dazu, wird das Gesamtpaket tausende, wenn nicht Millionen Selbstständige, die eng auf Kante genäht sind, in den finanziellen Ruin treiben. Die Folgen wären verheerend: Die Sozialkassen würden zusätzlich belastet, die Schwarzarbeit würde weiter wachsen und viele Dienstleistungen würden wegfallen, da sie dann nicht mehr bezahlbar sind.
An der Stelle zeigt sich, dass die SPD in einem Bild von der Wirtschaft verharrt, das irgendwann in den 50er Jahren eingefroren ist. Als es normal war, dass die überwältigende Mehrheit der Arbeiter und Arbeitnehmer sich um 9 Uhr an ihrem Arbeitsplatz einstempeln und um 17 Uhr ausstempeln. Das Gesetz zur Zeiterfassung von Bas’ Vorgänger Hubertus Heil (SPD) ist ein gruseliger Ausdruck dieses veralteten Bildes. Die moderne Arbeitswelt verlangt Unternehmer und Arbeitnehmer, die flexibel auf Bedarfe reagieren können. Auch mit Geschäftsmodellen, die keine Industrie-Imperien begründen, sondern nur für fünf, zwei oder mitunter sogar nur für ein Jahr angelegt sind. Schnürt die SPD hunderttausenden Selbstständigen mit der Rente die Kehle zu, wird dieses neue Arbeitsumfeld noch schwerer zu bedienen als ohnehin schon. 23 von 27 Jahren regiert die SPD in Deutschland. In der Zeit hat Deutschland nicht nur die Digitalisierung verschlafen – sondern die gesamte Moderne.
Der Vorschlag Bas‘ hat noch eine zweite Ebene, die über die inhaltliche hinausgeht – aber sich schon für die Ampel als verheerend erwiesen hat: Die neue Arbeitsministerin prescht mit einem Vorschlag vor, der einen tiefen Einschnitt in die Organisation der Arbeitswelt bedeutet. Bedeuten würde. Denn diesen Vorschlag hat Bas nicht im Kabinett gemacht, sondern in einem Interview. Sie hat ihn offensichtlich nicht mit dem Koalitionspartner abgesprochen – und es gibt keinen konkreten Entwurf, sondern nur die Idee.
Die SPD hat also nichts, rein gar nichts aus dem Ampel-Fiasko gelernt: Nach ihrer Niederlage in der Bundestagswahl haben die Sozialdemokraten beteuert, den inhaltlichen Streit künftig nicht mehr öffentlich austragen zu wollen. Ein paar Verhandlungssiege später ist das schon wieder vergessen. Vor allem aber glauben die Sozialdemokraten offenbar immer noch, es komme nur auf die Idee an. Den guten Willen. So lästige Details wie konkrete Entwürfe könne man später nachreichen. Darauf komme es nicht an. Das ist genau der Geist, dem dieses Land die Fiaskos um das Bürgergeld, die Kindergrundsicherung, die Entlastungspakete, die Gasumlage oder den Heizungshammer verdankt.
Strategisch ist die SPD eigentlich in einer komfortablen Lage: Sie hat die Koalition mit massiven Verhandlungssiegen über Friedrich Merz begonnen und damit erstmal einen – für ihre Klientel – guten Eindruck hinterlassen. Jetzt könnte die Partei in Ruhe ihre Projekte vorbereiten, diese in der Mitte der Wahlperiode verabschieden und sie so im nächsten Wahlkampf wirken lassen. Doch das scheitert an einem Detail. Allerdings an einem entscheidenden. Die SPD setzt auf Symbolpolitik statt auf effektive Veränderungen. Auf den Schnellschuss statt auf das tiefgründige Konzept. Durchdachte Projekte wird es daher von der SPD auch weiterhin nicht geben.
Aber nicht aus Überzeugung. Sondern, weil die SPD zu tiefgründigen Konzepten mit effektiven Veränderungen nicht mehr in der Lage ist. Die TV-Figur „Ekel Alfred“ hat in den 70er Jahren mal gesagt, dass der Sozialdemokrat im Allgemeinen Pech mit dem Denken hat. Leo Tolstoi würde in einem Roman den Sozialdemokraten der Gegenwart nach 23 von 27 Jahren in der Regierung dastehen und sich die entscheidende Frage stellen lassen: Was will ich eigentlich hier?
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„Sondern, weil die SPD zu tiefgründigen Konzepten mit effektiven Veränderungen nicht mehr in der Lage ist.“
Nichts anders erwarte ich von CDU/CSU und allen anderen Parteien und es war Horst Seehofer, der es mir schlüssig begründet hat:
„Diejenigen die entscheiden, sind nicht gewählt und diejenigen die gewählt sind, haben nichts zu entscheiden.“
Es gibt keine Katastrophe, wenn Beamte, Freiberufler und Selbständige in die Rentenversicherung einzahlen. Ganz im Gegenteil. Ich war als Selbständiger 46 Jahre pflichtversichert und hatte die Möglichkeit, meinem Einkommen entsprechend Rentenbeiträge einzuzahlen. Das war für mich in Ordnung. Heute profitiere von meiner Rente. Ungerechterweise nur 48% eines Durchschnittseinkommens. In den Nachbarländern zahlen fast alle ein (Österreich, Italien Frankreich). Die bekommen zwischen 70 und 90% vom Durchnittseinkommen. Man sieht, es geht. Aber nicht in Deutschland, wo über 70% der Abgeordneten-Plätze von Beamten belegt sind, die mit komfortabler Arbeitsplatzgarantie ausgestattet sind. Es gibt nur eine Partei, die das ändern könnte oder eben… Mehr
Die staatliche Bevormundung mit einer Pflichtversicherung für die Rente muss dringend beendet werden. Jeder Bürger sollte frei entscheiden wie und in was er für seine Rente investiert. Das System der gesetzlichen Rente ist tot. Die Demographie gibt es einfach nicht mehr her. Wir sind bei 1,2 Geburten und werden in einigen Jahren unter 1 fallen. Die ganze Diskussion ist lächerlich. Hier wird ein totes Pferd geritten.
Umsonst hat sie nichts getan in dieser sozialistischen Versorgungsanstalt, denn da werden die Genossen schon dafür sorgen, daß sie materiell nicht zu kurz kommt, auch anhand vieler Beispiele, denn Linientreue wurden schon immer auf dem Schild eigener Interessen getragen, wo dann in der Regel der Absturz auch milde sein wird und sich das Bedauern des Gegenübers in Grenzen hält, wenn man ihre permanten Zumutungen über Jahre ertragen mußte und sie ein Teil des Ganzen war, was man nicht vergessen sollte und uns erst in diese abgrundtiefe Situation gebracht hat und die Roten nun nach außen mit Mitleid zerfliesen und im… Mehr
Dazu kommen dann noch die AG-Anteile, die dann sofort abgeführt werden müssen und die Etats der Stellen, die Beamte beschäftigen entsprechend belasten. Das hat der Frau Bas während ihrer vielen diversen Ausbildungen keiner gesagt. Aber wir haben ja jetzt das Sondervermögen, das keine Schulden sondern eine Investition darstellt. Sagt Herr Ramelow, der muss es ja wissen.
Irgendwie überzeugt der Artikel nicht. Diesem Sozialstaat kann man nur noch mit der Kettensäge beikommen. Es ist nur niemand da, der sie bedienen kann. Eine Rentenreform wird es nur mit heftigen Abstrichen für die Nutznießer geben. Also Beamte und Selbständige. Die unanständig hohen Persionen vieler Beamter gehören eingekürzt und die Selbständigen müssen natürlich einzahlen. All die Ärzte, Zahnärzte, Juristen und auch Journalisten!! , Abgeordnete aller Parlamente usw. Natürlich werden einige Handwerker und kleinere Firmen ev. Probleme haben, aber das wird der Markt schon regeln. Ich habe über die Jahre gelernt, daß viele Selbstständige sehr wohl in der Lage sind, Geld… Mehr
Österreich geht es z. Zt. wirtschaftlich noch schlechter als D. Ob das mit dem Pensionistensystem zusammenhängt? Wenn ich heute jung wäre würde ich das Umsonststudium (Mathematik) mitnehmen und dann in ein Land gehen, das meine Fähigkeiten schätzt. Dann können sich die Zurückgebliebenen um meine nicht gezahlten Steuern und Sozialabgaben streiten. Merke: Fleißige und Gescheite sind überall willkommen.
Nachruf auf eine rote Stimme – Saskia Esken Es war nicht der lauteste Klang, der die Bühne betrat, doch einer, der blieb – unbeirrbar, klar, wie ein roter Faden durch das Dickicht der Jahre, durch Krisen, Koalitionen, durch Zweifel und Wahre. Saskia Esken – ein Name, der nicht dröhnte, sondern trug. Eine Stimme, die nicht donnerte, sondern stand. Sie kam nicht mit dem Glanz der Inszenierung, sondern mit der Kraft der Überzeugung. Nicht für Schlagzeilen, sondern für Haltung. In einer Zeit, in der viele wankten, blieb sie aufrecht. In einer Partei, die oft suchte, war sie ein Kompass. Sie sprach… Mehr
Die überaus, kompetente, empathische, charmente & „natürlich Antifa“ Saskia Esken wird Opfer ihrer eigenen Hybris. Mein Mitleid hält sich aber sehr in Grenzen, hat sie doch nmbW. ebenfalls 0,0 Skrupel gehabt, ihr unliebsame „Genossen*-Hicks!- Innen“ über ihr Klingbeil springen zu lassen.
Immerhin ist es recht amüsant, wie sich die SAntifa-„s“PD Genossen gegenseitg -politisch gesehen- kannibalisieren.
Enjoy your own dogfood
Die unverschämt hohen Pensionsansprüche sind das Problem. Insbesondere ohne eigene Beitragsleistung. Das ganze ist ein Relikt aus Zeiten wo noch Milch und Honig flossen. Jetzt wo immer mehr Geld für Zinsen aufzubringen ist geht dieses Spiel nicht mehr auf. Die Zahl der Günstlinge in Staat, Medien und anderen Organisationen ist zu einer nicht mehr zu bewältigenden Masse angewachsen. Begründen kann man ja bekanntlich alles, nur die Wohltaten müssen zuerst erwirtschaftet werden. Das müssen die Günstlinge erst noch lernen.
Die einzige Stellschraube bei der Altersversorgung der Beamten ist die Pensionshöhe, da liege Sie, genauso wie H. Thurnes, vollumfänglich richtig.
Die fehlende Beitragsleistung hingegen ist irrelevant, da ja bei Beamten der Staat der Arbeitgeber ist und die zusätzlichen Beiträge, die es jetzt ja noch nicht gibt, dann eh 1:1 vom Staat beglichen werden müssten (außer man würde den „Arbeitnehmer-Beitrag“ einfach von der Beamtenbesoldung abziehen, was kaum realistisch erscheint). „Funfact“ am Rande, der Bundeszuschuss in die gesetzliche Rentenversicherung liegt zudem jetzt schon bei größer 100 Milliarden jährlich 😉.
…“außer man würde den „Arbeitnehmer-Beitrag“ einfach von der Beamtenbesoldung abziehen…“. Nur so würde es Sinn machen. Diese Belastung ohne die sonstigen Vergünstigungen muß jeder Bürger tragen. Diese einseitige Besserstellung dieser Spezies ist nicht mehr zeitgemäß und auch ökonomisch nicht mehr tragbar.
Volle Zustimmung, allerdings sehe bei der derzeitigen Zusammensetzung der Parlamente (mit seinem überdurchschnittlich hohen Anteil von Beamten und Mitarbeitern im öffentlichen Dienst) kaum Chancen, dass sich substanziell etwas am Status Quo ändert, leider 😢.
Was Klingbeil und Mischpoke wollen? Also bitte: Pöstchen und darüber Macht und Geld an genehme Genossen verteilen. So einfach diese Antwort ist, sie ist auch zutreffend!. Man kann und sollte diese ONLINE-ergebnis noch mehr in Zweifel ziehen als das damalige Ergebnis der Mitgliederbefragung. Die SPD hat fertig, sie wird sich mit solchen Leuten wie Klingbeil &Cie. nicht erholen, die Koalition wird wieder scheitern und zwar mit herben Verlusten für die SPD und die sonstigen Träumer in den sog. Parteien der Mitte. Die AFD wird leise stärker und weiter triumpfieren. Ich bin überzeugt, es kommt so – und dann ?