Beta-Leute von SPD und CDU treffen sich mit Putin-Vertrauten in Baku. Eine Zusammenkunft, die Irritationen auslöst: Was steckt dahinter? Soll der „Petersburger Dialog“ wiederbelebt werden, oder formiert sich gar Schröders „Moskau-Connection“ neu?

Eine Handvoll zweit- und drittrangiger, teils aktiver, teils ehemaliger SPD- und Unions-Leute trifft sich Mitte April 2025 im vornehmen „Four Seasons“-Hotel in Baku, der Hauptstadt der ehemaligen Sowjetrepublik Aserbaidschan, mit Vertrauten Putins.
Mit von der Partie: Ralf Stegner (SPD-MdB), Matthias Platzeck (Ex-Regierungschef Brandenburgs und Ex-SPD-Chef), Roland Pofalla (Ex-Kanzleramtschef bei Merkel, 2015 bis 2022 Bahn-Vorstand, von 2015 bis 2021 deutscher Chef des „Petersburger Dialogs“), Stephan Holthoff-Pförtner (CDU-Europaminister unter Armin Laschet in NRW), dazu Martin Hoffmann als langjähriger Geschäftsführer des „Petersburger Dialogs“. Ex-CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet soll ebenfalls eingeladen gewesen sein, reiste aber nicht an. Von russischer Seite dabei: Viktor Subkow, 2007 bis 2008 Kurzzeit-Ministerpräsident Russlands und seit 2008 Aufsichtsratsvorsitzender des Staatskonzerns Gazprom, bei dem Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) ab 2005 einen einträglichen Job hatte, ferner Waleri Fadejew, Chef des „Menschenrechtsrats“ im Kreml.
Bei dem Treffen in Baku sei es um die Zukunft des 2001 von Schröder und Putin begründeten und nach der Stadt St. Petersburg benannten „Petersburger Dialogs“ gegangen. Das ist bzw. war ein deutsch-russisches Forum, das 2021 einschlief und nach dem russischen Angriff auf die Ukraine offiziell aufgelöst worden war. Wie wir mittlerweile wissen, war dieses Forum ziemlich „für die Katz“. Es überdauerte 2014 zwar die Annexion der Krim durch Russland, aber nicht mehr den seit nunmehr drei Jahren währenden völkerrechtswidrigen Krieg Russlands gegen die Ukraine.
Reanimation des „Petersburger Dialogs“?
Man wird nicht sonderlich schlau daraus, was das aktuelle Treffen in Baku sollte: Für die Nachkriegszeit wieder an Gesprächsfäden anknüpfen können? Gar Friedensgespräche anleiern wollen? Oder ist es der Versuch, ein wenig Neben-Außenpolitik neben der Mitte April bereits erkennbaren CDU/CSU/SPD-Koalition zu betreiben? Mit oder ohne Wissen der Parteivorsitzenden Merz und Klingbeil? Es soll – so berichten es nun „Zeit“ und „Kontraste“ (ARD) – auch bereits das dritte Treffen dieser Art gewesen sein. Jedenfalls wirkt alles reichlich konspirativ.
Vermutlich weiß man in der Spitze der CDU auch Bescheid. Immerhin hatte es im Oktober 2024 am ehemaligen Urlaubsort Adenauers in Cadenabbia am Comer See in der Tagungsvilla der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung ein Treffen des Netzwerks gegeben. Die beteiligten Deutschen verteidigen das aktuelle Treffen in Baku. Es gehöre „zu den Grundsätzen guter Außenpolitik“, in schwierigen Zeiten „Gesprächskontakte in alle Teile der Welt und auch nach Russland“ aufrechtzuerhalten, so die Deutschen laut „Süddeutscher“ in einer gemeinsamen Erklärung.
Nicht ganz ohne Pikanterie ist vor allem Stegners Teilnahme. Stegner gehörte in der vergangenen Legislaturperiode dem Parlamentarischen Kontrollgremium für die Geheimdienste (PKGr) an. Als Mitglied im PKGr hatte er Zugang zum Geheimsten der deutschen Nachrichtendienste. Man kann davon ausgehen, dass der russische Nachrichtendienst FSB bei einem solchen Treffen wie in Baku Aufzeichnungen anfertige, heißt es laut einem Mitarbeiter einer Sicherheitsbehörde in der „Zeit“. Auf die Frage, was er in Baku gemacht habe, sagte Stegner, er wolle sich „dazu hier nicht äußern“. Er sei „nicht im Auftrag von irgendjemandem unterwegs gewesen“ und habe „keine Mittel in Anspruch genommen“. Der Tageszeitung WELT teilte er mit, An- und Abreise sowie Unterkunft privat bezahlt zu haben. Stegner dementierte außerdem Gerüchte, zum Verzicht seiner Ambitionen auf den PKGr-Vorsitz aufgefordert worden zu sein.
Kritik aus CDU, SPD und Grünen
Die Kritik an dem Baku-Treffen ließ nicht lange auf sich warten. „Ein falsches Treffen zur falschen Zeit am falschen Ort“, schrieb der frühere Vorsitzende des Außenausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD), im Online-Dienst Bluesky: „So schafft man keinen Frieden, sondern wertet die russischen Kriegstreiber auf.“ Stegner wird sich „hier einige Fragen gefallen lassen müssen“, sagte Roderich Kiesewetter (CDU), bislang stellvertretender Vorsitzender des PKGr, dem „Tagesspiegel“.
CDU-Mann Peter Beyer sagte: „Ein Treffen in der Hauptstadt Aserbaidschans mit einflussreichen Repräsentanten des Kriegsherrn Putin ist niemals privat. Für ein Mitglied des Deutschen Bundestages muss klar sein, was ein Zusammentreffen im Luxushotel bedeutet: Es sendet ein Signal nach Moskau, dass es nicht so schlimm ist, wenn Putin sein Nachbarland überfällt.“
Kritik kommt auch von Konstantin von Notz (Grüne), dem bisherigen Vorsitzenden des PKGr. „Das ist ein völlig unmöglicher und irritierender Vorgang, der jetzt umgehend geklärt werden muss“, forderte von Notz im „Spiegel“. Robin Wagener (Grüne) sagte zu BILD: „Friedrich Merz und Lars Klingbeil müssen dringend aufpassen, dass die alte Moskau-Connection nicht Oberhand gewinnt.“ Womit wir bei der Frage sind: Was wissen Merz und Klingbeil? Wollen beide solche Treffen?
Apropos „Moskau-Connection“
Solche Treffen haben viel mit Ex-Kanzler Schröder zu tun. Warum Schröder? Weil Schröder seit eh und je ein besonderes Verhältnis zu Russland hat. Wohin Schröder tendiert, konnte man früh wissen. Ab 1978 war er regelmäßig in Moskau, seine erste Auslandsreise als niedersächsischer Ministerpräsident führte ihn 1991 ebenfalls dorthin. Während seiner siebenjährigen Kanzlerschaft 1998 bis 2005 gab es mehr als vierzig, oft auch sehr private Treffen mit Putin. Lange Jahre verharmloste er Putin als „lupenreinen Demokraten“. Der „Lohn“ dafür: Bereits drei Wochen nach seinem Ausscheiden als Kanzler im Herbst 2005 wurde Schröder Lobbyist für Putins Öl- und Gasgeschäfte. Im Mai 2022 – der Krieg Russlands gegen die Ukraine hatte eben begonnen – verzichtete Schröder auf die Nominierung für den „Gazprom“-Aufsichtsrat.
Aber Schröder war in Sachen Russland kein Solist. Sehr wohl als dessen Alphatier, schuf er ein schier „männerbündisches“ Netzwerk. Die Namen dieses Netzwerks lesen sich wie ein „Who ist Who“ der SPD, vor allem der niedersächischen, die gewissermaßen als „Erzdiözese“ der SPD gilt, und deren Vorfeldorganisationen: darunter die Namen Frank-Walter Steinmeier, Sigmar Gabriel, Stephan Weil, Brigitte Zypries, Erwin Sellering, Henning Voscherau, Martin Schulz, Manuela Schwesig und so manche Großunternehmer. „Frogs“ hießen bzw. heißen sie: „Friends of Gerhard Schröder“.
Was 1999 im 2. Tschetschenien-Krieg und 2008 in Georgien geschah, hat man dort verdrängt. Falsch verstanden hat man Putins Bundestagsrede vom 25. September 2001, als Putin seinen Plan, den Westen spalten zu wollen, andeutete. Nicht ernstgenommen hat man Putins Aussage von 2005, dass der Zusammenbruch der Sowjetunion „die größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts“ sei, dass Putin weiter von einer „Russischen Welt“ und „Russischer Erde“ träumte und dass er diesen Traum mit der Annexion der Krim und von Teilen der Ostukraine umzusetzen begann.
Man wollte nicht wissen, dass die Spuren des Abschusses der MH-17-Boeing über der Ostukraine am 17. Juli 2014 mit 298 Opfern nach Moskau zeigten. Man wollte die Hochrüstung Russlands, auch die Schaffung einer Cyber-Armee in fünfstelliger Personalstärke nicht wahrhaben. Man wollte die zunehmende Indoktrination der russischen Bevölkerung, die Ausschaltung von Opposition und freier Presse nicht wahrhaben. Wer sich in all die Vertuschungen, Verstrickungen und Umstände vertiefen möchte, kann das in einem im März 2023 erschienenen, hieb- und stichfest recherchierten 300-Seiten-Buch des Beck-Verlags nachlesen. Geschrieben von den FAZ-Leuten Reinhard Bingener und Markus Wehner. Titel: „Die Moskau-Connection. Das Schröder-Netzwerk und Deutschlands Weg in die Abhängigkeit“.
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„Falsch verstanden hat man Putins Bundestagsrede vom 25. September 2001, als Putin seinen Plan, den Westen spalten zu wollen, andeutete.“
Wie lächerlich kann man sich nur machen?
Wenn die „Moskau-Connection“ dazu beitragen kann, aus Russland endlich einen halbwegs anständigen Staat zu machen, ohne die Kreml-Kriminellen, ohne die kriminellen Geheimdienste und ohne sein perverses Militär, dann hätte es sein Gutes. Russland ist der ideale Partner für den Rest Europas – sofern es sich nicht als Herrscher aufführt. Die Gelegenheit ist günstig, weil die USA inzwischen kein gesteigertes Interesse mehr haben, eine Kooperation Russlands insbesondere mit DE zu torpedieren – die haben mit dem Pazifik genug an der Backe.
„Die Gelegenheit ist günstig, weil die USA inzwischen kein gesteigertes Interesse mehr haben, eine Kooperation Russlands insbesondere mit DE zu torpedieren“ Der Beitrag war gut!! Die USA haben erst einmal tabula rasa gemacht, inem sie maßgeblich an der Zerrüttung des westeuropäisch-russischen Verhältnisses beteiligt waren (Nuland mit „fuck the EU“ und angekündigte Entnutzung von „Nord Stream 2“). Sollten die Vasallen jetzt eigenmächtig werden, gibt’s vom Chef einen auf die Finger. Egal, wer da gerade im Oval Office sitzt.
putin ist erst 72 Jahre alt. Der kann gut und gerne noch weitere 10 Jahre herrschen und Krieg führen.
Bei aller berechtigten Kritik gegen ihn frage ich:
Wann ging es der Welt besser: Unter der Männerwirtschaft putin/Schröder oder nach der Machtübernahme durch merkel?
Heute hat keiner mehr einen „guten“ Einfluss auf putin.
Alles hat eben zwei Seiten.
Also. Schröder&Co. müssen ran, einverstanden. Sollen den NATO-Russlandrat wieder beleben.
Der Autor sollte sich lieber mit inhaltlichen Fragen der Koexistenz benachbarter Staaten und der Geschichte, vor allem auch der Krim, auseinandersetzen, als zu versuchen, Inhalte durch diffamierende Kontaktschuldverweise in den Hintergrund zu rücken. Früher konnte er das bei anderen Themen besser. Um ihn bezüglich der Krim auf seiner neuen Ebene in seinem Sprachduktus einzuordnen: ein Chrustschow-Nationalist. Daß mit den Gebietsumverteilungen im 20. Jahrhundert in Europa die Herde für alle folgenden Konflikte gelegt wurden, ist ihm anscheinend entgangen. Ergänzend zu den von den anderen Kommentatoren aufgeführten Argumenten sollte auch der Frage nachgegangen werden, wer den ABM-Vertrag gekündigt hat. Putin hat die… Mehr
Habe ich die Wahl zwischen reden mit den Russen und Krieg führen mit den Russen, werde ich wohl angesichts der militärischen Kräfteverhältnisse letzteres vorziehen. Ich denke alles andere ist verantwortungslos. Putin hat, wie Herr Kraus richtig bemerkt, anfang des Jahrhunderts versucht in Europa politisch Fuß zu fassen, was man ihm nicht übelnehmen kann. Die Amerikaner haben um ihre Vormachtstellung gebangt und ihn „rausgekegelt“. Hätte man ihn aufgenommen, hätten wir vermutlich keinen vom Westen angezettelten Ukrainekrieg und ähnliche Unternehmungen zur Modifizierung politischer Richtungen in diversen Staaten im Dunstkreis Europas. Auch keine amerikanisch mißbrauchte NATO und eine echte europäische Wirtschaftsgemeinschaft auf dem… Mehr
gut so! was soll schlecht daran sein, wenn menschen von konfliktparteien miteinander reden???
Gerhard Schröder?
Gaaanz schlechtes Beispiel, Herr Kraus.
Der hat uns nämlich schon damals als Sozialist in Nadelstreifen in die Pfanne gehauen.
Putin und Schröder in Petersburg, das ist doch ein anderes Format als die Genossen XY in Baku. Vielleicht sollte man jetzt weniger nach Kiew reisen und den neuen Außenminister nach Moskau schicken. Man hat schließlich viel Porzellan zerschlagen und es gibt einige Dinge zu besprechen, die höchster Ebene bedarf.
Nicht „man“ hat viel Pozellan zerschlagen. Euer Putin war das.
Gasgerd und sein Chef in St. Petersburg, was für ein Format soll das sein ?
Dem Autor möchte ich entgegnen: Man wollte nicht wahrhaben, daß Putin ein Bewunderer Deutschlands war und deshalb mit 14 Jahren bereits deutsch gelernt hat.. Man wollte nicht wahrhaben, daß alle Vorgänger von Trump seit 1945 nach der Europa Doktrin handelten “ To keep the USA in, Russia out and Germany down “ und daß die unterwürfigen deutschen Politiker dies befolgten. Man wollte nicht wahrhaben, daß das Versprechen, die NATO nicht weiter nach Osten auszudehen, umgehend gebrochen wurde, nachdem sich die Sovietunion zurückgezogen hatte. Man wollte nicht wahrhaben, daß die USA eine Demonstration in der Ukraine finanzierten, dort Demonstranten erschießen ließen… Mehr
Zu Schröders Zeiten gab es bessere Energiepreise und eine Taurus-Debatte, wie sie zurzeit geführt wird, hätte es auch nicht gegeben. Deswegen ist man aber auch nicht gleich ein Putin-Versteher.
Dafür hat es noch früher eine SS20/Pershing-Debatte gegeben.
Und ein Helmut Schmidt hatte sich NIEMALS von einem russischen Gaskonzern anstellen lassen wie Gasgerd.