Der Denkzettel. Die Wahlen im Osten

Biedert sich die CDU weiter bei den Grünen an und verwirklicht als Regierungspartei deren Projekte, wird sie weiter Wähler an Grüne und AfD verlieren, aber keinen einzigen Wähler aus dem linken Lager gewinnen.

TOBIAS SCHWARZ/AFP/Getty Images

Sowohl die Ergebnisse der EU- als auch der Kommunalwahlen in Ostdeutschland vermitteln ein klares Bild und geben vor allem zwei Parteien zu denken, der CDU und der SPD, zumal im Herbst in Thüringen, in Sachsen und in Brandenburg Landtagswahlen anstehen. In Brandenburg und in Sachsen wurde die AfD stärkste Partei, in Sachsen-Anhalt, in Mecklenburg-Vorpommern und in Thüringen folgt sie der CDU als zweitstärkste Partei. CDU, SPD und Linke haben teils starke Verluste hinnehmen müssen.

Aber auch in den Kommunalwahlen konnte die AfD beachtliche Erfolge erzielen, obwohl bei den Kommunalwahlen stärker die persönlichen Erfahrungen mit den örtlichen Kandidaten eine Rolle spielen und die besonderen Situationen in den Gemeinden. In Bautzen und Görlitz erobert die AfD die Landkreise und in Görlitz liegt der AfD-Kandidat im ersten Wahlgang zum Oberbürgermeister vorn. In Cottbus liegen zwischen der AfD und der CDU ganze fünf Prozentpunkte. Die AfD wird in der zweitgrößten Stadt Brandenburgs zur stärksten Kraft. Ein Blick auf die Ergebnisse der Kommunalwahlen zeigt, dass die AfD auch in den Kreistagen und Stadtparlamenten angekommen ist. Die Wahlergebnisse stellen insofern keine Sensation dar, weil sie sich bereits im Vorfeld abgezeichnet haben.

Zunächst lassen sich zwei fundamentale Tatsachen ausmachen, erstens behauptet sich die CDU, doch mit teils empfindlichen Verlusten. Zweitens resultiert die relative Stärke der Grünen aus der Schwäche der SPD.

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Jahrelang hatte die SPD die Grünen als eine Art zweite Juso-Organisation gesehen, nun muss sie erleben, dass sie von den Grünen aufs Altenteil geschoben wird. Atemberaubend ist es zu verfolgen, wie die Funktionäre der SPD ihre Wähler nicht mehr verstehen und sie verprellen, die dann zu den Grünen oder zur AfD abwandern. Die neokommunistischen Anwandlungen von Kühnert und Co. werden der Partei den Garaus machen. Dem Beobachter vermittelt sich das Bild eines Tankers, auf dessen Brücke sich Kapitän, Offiziere, Steuermann und der Schiffsjunge balgen, während das Schiff führungslos weiter an einem Eisberg entlang schrammt.

Zudem hat die SPD anscheinend noch nicht realisiert, dass sie von den Haltungsmedien fallen gelassen wurde, die sich immer stärker als Abteilung Agitation und Propaganda in den Dienst der grünen Partei stellen. Die Tagesthemen propagieren einen Kanzler Habeck und übertrumpfen inzwischen die Aktuelle Kamera in puncto Parteilichkeit. So fällt es der SPD zunehmend schwerer ihre Botschaften, so sie welche hat, in der Öffentlichkeit publik zu machen.

In Ostdeutschland wachsen die Erfolge der Grünen nicht in den Himmel. Dort erfahren die Bevormundung, die Gängelung, der grassierende Infantilismus und die neostalinistische Attitüde des Parteivorsitzenden Habeck eine breite Ablehnung. Die Grünen werden allerdings von enttäuschten SPD-Wählern als dynamische SPD wahrgenommen, als neue linke Staatspartei. Auch schüttelt man im medienkritischen Ostdeutschland nur über Medien den Kopf, die allen Ernstes Greta Thunbergs Orakel auszulegen versuchen. Bleibt festzustellen, im Osten werden die Grünen nicht über 10-12 % der Stimmen einfahren. Diese Medien lassen allerdings nichts unversucht, um die Grünen als neue bürgerliche Partei zu promoten. Das sollte in der CDU eigentlich alle Alarmsignale klingeln lassen. Mit den neuen Medien kann die CDU nicht umgehen, die alten verliert sie.

Der CDU stellt das Wahlergebnis gerade mit Blick auf die Landtagswahlen im Herbst eine ganze Reihe von Denkaufgaben, insofern könnte man die Wahlen im Osten als Denkzettelwahlen verstehen. Dass in Sachsen-Anhalt die CDU in der EU-Wahl die Führung behaupten konnte, liegt vor allem daran, dass hier die CDU noch CDU ist und der beliebte Ministerpräsident Reiner Haseloff von jeher einen klaren Kurs gefahren ist, teils auch im Dissens zur Bundespartei in der Frage der Flüchtlingskrise. Auf ihrem Landesparteitag in Röblingen am See forderte eine Mehrheit der Delegierten die Bundesregierung auf, den Migrationspakt abzulehnen und nicht zu unterschreiben.

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Ganz anders stellt sich die Situation in Brandenburg dar. Der CDU-Vorsitzende Ingo Senftleben hat öffentlich über eine Regierungskoalition nach der Landtagswahl im September mit den Linken spekuliert und in den Mittelpunkt seines Wahlkampfes die Bildungspolitik gestellt. Der Zusammenhang wird evident, wenn man bedenkt, dass die Bildungsvorstellungen der CDU mit denen der Linken in wichtigen Teilen übereinstimmen. Eine besondere Liebe zum Gymnasium kann man Senftleben jedenfalls nicht nachsagen.

Die Wahlen in Brandenburg zeigen, dass die SPD als Regierungspartei abgewirtschaftet hat und Zeit für eine Erneuerung in der Opposition benötigt. Es ist eigentlich die Stunde der CDU, doch die setzt auf Platz und nicht auf Sieg. Nach Lage der Dinge wird die SPD wohl die Staatskanzlei verteidigen können, allerdings in einer rot-rot-grünen Koalition. Was das bedeutet, können die Brandenburger im nahen Berlin besichtigen.

In Sachsen kämpft Michael Kretzschmer mit großem Engagement, aber eines wird deutlich. Will er die führende Position in Sachsen behaupten, wird er in die Distanz zur Bundeskanzlerin gehen müssen. Sachsen droht ohnehin unregierbar zu werden, d.h. es zeichnet sich ein Ergebnis ab, dass die sächsische CDU vor die Frage stellt, ob sie mit der AfD koalieren möchte. Ähnliches gilt für Brandenburg und Thüringen. Rot-rot-grün in Brandenburg wäre möglicherweise, nur durch Schwarz-blau zu verhindern und möglicherweise würde ein solches Bündnis auch den Weg für die Thüringer CDU ebnen, wieder den Ministerpräsidenten zu stellen.

Doch die Frage möglicher Koalitionen stellt sich erst nach der Wahl. Vor der Wahl hat die Union genügend damit zu tun, ihr Profil zu schärfen, hat sie wieder die große integrierende Kraft der Mitte zu werden und die Repräsentationslücke zu schließen, die sie gerissen hat, als sie sich fahrlässig unter Führung Angela Merkels nach links bewegte. Den größten Fehler, den die Union begehen könnte, bestünde darin, den Grünen in der Klimaideologie zu folgen und die Klimahysterie mitzumachen, anstatt sie zu entlarven. Bildlich gesprochen: Wer sollte im Osten eine CDU wählen, die zu Füßen Gretas Platz genommen hat.

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Wenn die CDU nicht endlich begreift, dass der politische Gegner der CDU in den Ländern und im Bund die Grünen sind, sondern im Gegenteil die Grünen auch noch umwirbt und von Koalitionen mit ihnen träumt, dann wird die CDU der SPD folgen. Eine Erbschaft von Merkels Kanzlerschaft wird jetzt schon deutlich: sie hat Deutschland geschwächt und die Grünen gestärkt. Es ist an der CDU, eine klare bürgerliche Position zu beziehen. Biedert sich die CDU weiter bei den Grünen an und verwirklicht als Regierungspartei deren Projekte (bspw. Abschaffung Wehrpflicht, Energiewende, Griechenlandrettung, Ehe für alle, Migrationspolitik), wird sie weiter Wähler an die AfD verlieren, aber keinen einzigen Wähler aus dem linken Lager gewinnen. Allein die Energiewende hat auf Kosten der Bürger grüne Unternehmer reich gemacht. Die sogenannte Energiewende und das EEG gehen vielleicht als die unsozialste und die wirtschaftsfeindlichste Maßnahme in die Geschichte der Bundesrepublik ein, die je eine Bundesregierung in die Tat umgesetzt hat.

Ein Letztes: Zumindest im Osten war Manfred Weber als Verkörperung des Brüsseler EU-Establishments für die CDU – freundlich ausgedrückt – nicht hilfreich. Seine scharfe Wendung gegen Viktor Orban, einen der großen Gewinner der EU-Wahl, stieß bei vielen Wählern im Osten auf Ablehnung. Gerade im Osten existiert aufgrund einer gemeinsamen historischen Erfahrung eine Verbundenheit besonders zu Polen, Tschechien, der Slowakei und Ungarn. Insofern spielte der damalige Kommunikationsdirektor der Erzdiözese Köln, Ansgar Mayer, in seinem Tweet nach der Bundestagswahl am 24. September 2017: „Tschechien, wie wär’s: Wir nehmen Euren Atommüll, Ihr nehmt Sachsen?“ unwissend und auf menschenverachtende Weise auf diese Verbindung an.

Es wird sehr auf die CDU ankommen, ob sie die richtigen Lehren aus den Wahlergebnissen zieht. Sie trägt Verantwortung für das Land.

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Kommentare ( 151 )

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jahrgang 1946
4 Jahre her

Der klugen Analyse von Herrn Mai ist nur eines entgegenzuhalten: die – wie leider so häufig recht freigiebige – Verwendung des Begriffs „Denkzettelwahl.“ Denn ihm haftet doch stets unüberriechbar der haut gout des „jemandem eins auswischen“ als bestimmendes Motiv der Wählerentscheidung an. Was die guten Gründe solcher Wähler indes eher verbuddelt als freilegt. **

Wolfsohn
4 Jahre her

Zur SPD:

„Sieh, das Kind, das du erzogen,
das an deiner Brust gesogen,
droht den Pfleger zu ermorden,
denn es ist zu Schlange worden“

J.S. Bach, Matthäus-Passion

omma boese
4 Jahre her

das ganze ist ein „Installateurproblem“
m weigert sich, den wasserhahn zuzudrehen und
grasfarben (herrlich!) weigert sich, die abflußstörung im knie des waschbeckens zu beseitigen
logische folge – das ganze gebäude säuft ab
wartezeit für handwerker derzeit ca. 15 wochen….
die erfahreneren ossis sind in der lage, sich wie damals selbst zu helfen!

Sani58
4 Jahre her

So – in Sachsen hat Kretschmer und seine CDU nun fertig.
Verspricht doch öffentlich eine 4 – Parteienkoalition gegen die AfD.
Welcher Sachse wählt denn CDU, wenn er dann Rot-Rot-Grün und eine sich dem unterordnede CDU erhält.

Lena M.
4 Jahre her

Verantwortung der CDU für unser Land ??? …das war einmal, ist allerdings schon sehr sehr lange her !!!

Thorsten
4 Jahre her
Antworten an  Lena M.

Diese Verantwortung wird mit der Unterstützung von Personal wie Merkel. vd Leyen und Altmeier doch seit Jahren verhöhnt. Geschweige denn dieser Koalitionspartner …

Kalle Wirsch
4 Jahre her

Und wieder hallt es aus den Vorstandreihen von Union und SPD „Wir haben verstanden“. Zuwenig Klimaschutz, die Rentenpolitik und die unbezahlbaren Wohnugen etc. Sind deswegen so viele zur AFD gegangen? – Das wahre Thema, das diese Nation spaltet, wird hochnotpeinlichst weiter totgeschwiegen. Weil nicht sein kann was nicht sein darf. – Also wieder nichts begriffen und, hoffentlich, weitere Stimmenverluste.

banxter
4 Jahre her

„Das Volk hat das Vertrauen der Regierung verscherzt. Wäre es da nicht einfacher, die Regierung löste das [ostdeutsche] Volk auf und wählte ein anderes?“
Frei nach Bertolt Brecht

Thorsten
4 Jahre her
Antworten an  banxter

Ist Merkels Politik seit 2015 nicht darauf ausgelegt?

Harry Charles
4 Jahre her

„SIE TRÄGT VERANTWORTUNG FÜR DAS LAND?“
Hoffentlich nicht mehr lange.

Hans Wurst
4 Jahre her
Antworten an  Harry Charles

Ich habe zumindest mit Freuden registriert, daß in der Uckermarck die DCU nun hinter der AfD liegt.

RalledieQ
4 Jahre her

Und noch etwas: bei den vielen hasserfüllten Kommentaren im Focus, bei der SZ, der Zeit usw. muss man als Ossi ja fast Angst vorm Überfall haben. Gut, es wäre ein Überfall der genderfluiden E-Tretrollerfahrer*Innen, aber dennoch eine beängstigende Vorstellung.

Thorsten
4 Jahre her
Antworten an  RalledieQ

Zeigen Sie „Toleranz“ gegenüber den indoktrinierten Wessies. Die kennen nix anders. Vergleichen Sie es mit dem „Tal der Ahnungslosen“ zu Mauer-Zeiten 😉

Gustl
4 Jahre her
Antworten an  RalledieQ

Liebe Ossis, nicht alle Wessis sind so. Ihr habt das Herz am richtigen Platz. Nur Mut, weiter so. An Euch ist nichts falsch.

Old-Man
4 Jahre her
Antworten an  RalledieQ

Sie brauchen keine Angst vor denen haben,denn die sind im Grunde feige **.
Ihr habt doch schon einmal eine gewaltlose Revolution hingelegt,vielleicht schafft ihr das ja noch im Herbst noch einmal **

Christoph_Koehler
4 Jahre her
Antworten an  RalledieQ

Ich fürchte doch – und zwar die 2 plus 4-Verträge, die als quasi Friedensvertrag des 2. WK gelten und die Grenzfrage endgültig als geregelt präsentieren. Nur: Deutschland hatte hier insofern die Pistole auf der Brust, als die vier Siegermächte ihre Zustimmung zur Wiedervereinigung davon abhängig gemacht haben, dass Deutschland die Oder-Neisse-Grenze als endgültig akzeptiert. In der alten BRD über Jahrzehnte absolutes No-Go! Kohl hat es geschluckt, weil er unbedingt die Einheit wollte, die es damals ohne Zustimmung, vor allem der Sowjetunion und Abzug der Roten Armee aus der DDR nicht gegeben hätte. Meiner Ansicht nach hätte man aber bloß abwarten… Mehr

RalledieQ
4 Jahre her

Meine Vermutung ist, dass angesichts der zunehmenden Ost-West-Spaltung mehr und mehr Zuständigkeiten von den Ländern auf den Bund übertragen werden, legitimiert durch die grüne Macht im Bundesrat. Irgendwie muss der wehrhafte Osten ja auf Linie gebracht werden.

Thorsten
4 Jahre her
Antworten an  RalledieQ

Wobei eine durchaus vorstellbare Entmachtung des Bundesrates dazu führen wird, dass das Bundesland Bremen und Saarland von der Landkarte verschwinden würden. Deren „Geschäftsmodell“ ist es ihre Defizite per Bundesrat zu erpressen!!!