Frauen wie Männer vertreten das ganze Volk

Die Debatte darüber, ob der neue Verteidigungsminister ein Mann sein darf, obwohl es der Geschlechterparität im Kabinett widerspricht, ist in mehrfacher Hinsicht absurd. Sie widerspricht nicht nur dem Grundgesetz, sondern auch der Vernunft.

Der neue Verteidigungsminister ist, horribile dictu, ein Mann. Das geht gar nicht, außer es ist Krieg und das Land im Ausnahmezustand, auch „neue Normalität“ genannt. Darf das sein?

I.

Stellen wir uns hilfsweise vor, im Bundestag säßen ausschließlich Frauen. Wäre das dann noch das Parlament des ganzen Volks? Ja. So steht es im Grundgesetz, Artikel 38: „Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages … sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“ Wenn alle Abgeordneten (das Grundgesetz ist noch nicht gegendert) Vertreter des ganzen Volkes sind, dann vertreten auch Frauen alle Männer, so wie Männer alle Frauen vertreten oder auch ein norddeutscher, schwuler Protestant alle bayerischen, katholischen Heteros. Ein Parlament repräsentiert das Volk, ist aber niemals sein Abbild. Es gibt auch zu viele Beamte, zu wenige freie Berufe, zu wenige Junge, und so weiter. Würde man das ernst nehmen, müsste man einigen Dutzend Minderheiten Quoten zusprechen.

II.

Das Grundgesetz ist auch (noch) nicht von Identitätspolitik infiziert. Danach dürfen sich etwa Rollstuhlfahrer nur noch mit Rollstuhlfahrern identifizieren, Schwarze nur noch mit Schwarzen oder Rastafari nur mit Rastafari. Mit Demokratie hat das nichts zu tun. Ein Parlament ist keine Versammlung streng voneinander unterschiedener diverser Opfergruppen, die sich auf ihre Identität berufen. Die Identität eines Menschen besteht im Übrigen aus einem dicken Bündel ganz unterschiedlicher „Identitäten“: Alter, Heimat, Beruf, Glauben, Bildung, politische Einstellungen, körperliche Eigenheiten, soziale Herkunft, Familienstatus usw. spielen keine geringere Rolle als Geschlecht und Nationalität. Das Individuum ist mit niemandem identisch außer mit sich selbst. Dass totalitäre Ideologen die Identitätspolitik erfunden haben, die den Menschen auf ein Merkmal reduziert, sagt alles: Es sind Kollektivisten, teilen die Menschheit in Gruppen, und sind in diesem Sinne Feinde der Freiheit, die es nur für Individuen geben kann, niemals für Kollektive.

III.

Lange Rede, kurzer Sinn: Die Debatte darüber, ob der neue Verteidigungsminister ein Mann sein darf, obwohl es der Geschlechterparität im Kabinett widerspricht, ist in mehrfacher Hinsicht absurd. Sie widerspricht nicht nur dem Grundgesetz, sondern auch der Vernunft. Kompetenz ist keine Sache des Geschlechts, noch nicht einmal Sache der Parteizugehörigkeit. Aber bitte! Warum tauscht die SPD nicht den Kanzler gegen eine junge, schwarze Frau aus als Kompensation für den alten, weißen Cis-Mann Pistorius? Egal, wen man findet, weniger inspirierend als Scholz kann sie kaum sein. Der Amtsinhaber imitiert zwar noch immer die geistige Raute seiner weiblichen Vorgängerin. Aber das zählt nicht. Das ist kulturelle Aneignung.

IV.

Mit der Geschlechtergerechtigkeit ist es wie mit der Klimagerechtigkeit. Man weiß zwar nicht, was das sein soll, aber es hört sich gut an. Gemeint ist Chancengleichheit – eine Selbstverständlichkeit. Aber wer Frauen oder Zuwanderer oder irgendeine andere Untergruppe aus Gerechtigkeitsgründen bevorzugt, wie es zurzeit systematisch geschieht, schafft nicht mehr Gerechtigkeit, sondern benachteiligt erfahrenere, begabtere, geeignetere Individuen, also zum Beispiel Männer oder Ältere und schadet sich dabei auch noch selbst. Gerechtigkeit kann es nur geben, wenn „Identität“ überhaupt keine Rolle mehr spielt, sondern nur noch Leistung. Dass das in Zeiten der Männerherrschaft überhaupt nicht der Fall war, steht außer Zweifel. Aber nun schlägt das Pendel in die andere, ebenfalls falsche Richtung aus.

V.

Über den schönen Artikel 38, GG ließe sich noch in anderer Hinsicht trefflich theoretisieren. Abgeordnetinnen sind „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“. Es darf gelacht werden. In Wahrheit sind sie existentiell von ihren Parteien abhängig und quasi Angestellte der Fraktionen. Womit wir wieder bei der Identität wären. In der Politik wird so getan, als sei die Parteizugehörigkeit ein Identitätsmerkmal wie das Geschlecht. Gut, notfalls kann man beide wechseln, doch erst einmal bestimmt die Partei, was Politiker zu denken und zu entscheiden haben. Aber auch an ihre Identität sind Parlamentarier nicht gebunden. Man sollte Artikel 38 entsprechend ergänzen.


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Kommentare ( 36 )

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Unglaeubiger
1 Jahr her

Quote statt Leistung ist in jeder Hinsicht selbstbedienende, Diktatur! Zuerst das Peter Prinzip, dann das gekaufte, erpresste Prinzip und nun unverholen die Quote für Nichtleister, die sich halt nun halbe-halbe die Jobs teilen. Die Weiblein haben gelernt und überlassen nicht mehr den Männleins die lukrativen Jobs, sie wollen auch mal absahnen ohne ihre Weiblichkeit einsetzen/verkaufen zu müssen.

Dieter
1 Jahr her

Art. 3(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) 1 Männer und Frauen sind gleichberechtigt. 2 Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3)1 Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. 2 Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Der kleine Nebensatz ist heutzutage leider eher… ein Nebensatz? Übervorteilung widerspricht auch dem Grundgesetz! EIne Arbeitsstelle, und nichts anders ist ein Ministerposten, sollte nach Kompetenz und nicht nach… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Dieter
R.Baehr
1 Jahr her

Alleine der 1. Absatz sagt mir, dieses Land und diese Gesellschaft ist hoffnungslos verloren. Alle die an dieser Debatte beteiligt sind, sind meiner Meinung komplett wohlstandsverwahrlost und irre. So etwas ist nur in einer Gesellschaft möglich, die längst jeden Sinn für die Realität und jegliche Bodenhaftung verloren hat. Wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe, mit Baerbock, Habeck, Faeser, (Lamprecht) v. d. L, Lauterbach und Konsorten ist der Weg des Landes in den Untergang mehr als deutlich vorgezeichnet. Aber eine Aufgabe wüsste ich noch für den Neuen wenn er denn darf? 1. zu untersuchen, wer jetzt die Erdgasleitungen in… Mehr

Last edited 1 Jahr her by R.Baehr
Grenz Gaenger
1 Jahr her
Antworten an  R.Baehr

„Denn was den Russen billig war, soll den Amis doch nur Recht sein“
Sie haben eine Kleinigkeit „übersehen“: die Russen waren 40 Jahre in der anderen Hälfte Deutschlands – so wie die Amerikaner in der hiesigen.
Wer von beiden ist wohl besser mit den Deutschen in „seiner Hälfte“ umgegangen?

AnSi
1 Jahr her

Was waren das noch für Zeiten, als Leistung noch etwas galt! Ich (Frau) habe nichts gegen Männer an der Spitze. Auch nicht gegen Frauen, WENN sie denn wirklich etwas können! BEIDE Geschlechter!
Es geht nicht um „skin, bones und big boobs“. Es geht um „brain“!

Innere Unruhe
1 Jahr her
Antworten an  AnSi

Quotenpolitik ist langfristig nicht gut für Frauen, die wirklich etwas können.
Hat das Mädchen selbst eine Eins geschrieben, oder hat sie die Note der Quote zu verdanken? Ist sie wirklich gute Spezialistion oder wird sie befördert, weil eine Frau befördert werden muss?
So ruiniert man das Selbstbewusstsein von Frauen.

H. Priess
1 Jahr her
Antworten an  AnSi

Ich habe mein ganzes Berufsleben mit Frauen zusammen gearbeitet, auch als Chefin. Dieses ganze Quotengedöhns hätten die entrüstet zurück gewiesen. Die hatten nämlich alle was drauf in ihrem Job und von vielen hab ich viel gelernt. Das Zickengehabe hab ich nie mitgekriegt vielleicht auch, weil es das nicht gab. Es ist richtig, diese ganze Quoten schadet den Frauen die eben was drauf haben. Wenn ich mir vorstelle, damals in der Firma wäre eine Quotenfrau Chefin geworden, die hätte nicht lange durchgehalten. Alle, ob Mann oder Frau, hätten gegen sie gearbeitet. Man muß nicht immer ein offenes Visier haben wenn man… Mehr

Silverager
1 Jahr her
Antworten an  H. Priess

Leider habe ich in meinem Berufsleben mit Frauen als Chefs keine so guten Erfahrungen gemacht wie Sie.

Ho.mann
1 Jahr her

Abgeordnete, die sich männlich, weiblich oder divers einordnen, haben Aufträge und Weisungen der Parteiendiktatur zu befolgen. Alle Parteien im Staat haben, was ihre Parteiangehörigen betrifft, zwei Elemente, die man als Parteityrannen und Parteisklaven einordnen kann. Weil es für Abgeordnete im Hinblick auf die eigene Politkarriere nicht ohne Konsequenzen möglich ist ihrem Gewissen zu folgen, werden deren Handlungen noch oft dafür sorgen, dass uns das Lachen, auch ohne geschlechtsspezifischer  Irrungen und Wirrungen,  immer wieder vergehen wird.

Werner Geiselhart
1 Jahr her

Die Quote wird immer nur da gefordert, wo viel Geld verdient wird, z.B. in Aufsichtsräten oder Vorständen bzw. dort, wo es ziemlich viel Geld für wenig Aufwand gibt, z.B. in der Politik oder im Beauftragten(un)wesen. Wo harte Arbeit für begrenztes Geld gefragt ist, da darf der Mann auch gerne zu 100% vertreten sein, z.B. bei 40° auf dem Bau. Oder wie wär’s mal mit 50% Männerquote im Medizinstudium anstatt den aktuellen 30%. Das ist nämlich der Hauptgrund für den Ärztemangel, da kaum eine Frau den harten Job in Vollzeit macht. Die bestehenden Qotenregelungen sind allesamt dem Leistungs- und Effizienz-Prinzip abträglich… Mehr

rainer erich
1 Jahr her

Bei der und jeder anderen Quote geht es doch nicht ( nur) um Repräsentanz. Die Annahme ist zum einen, dass die Vertrer der Quote eine entsprechende (Interessen) politik fuer ihre Gruppe durchsetzt, was durchaus in Sachen Genderismus, Feminismus, „sexuelle Orientierung, und Migration zu erkennen ist. Zum anderen geht man spaetestens seit Merkel davon aus, dass die Transformation mittels bestimmter Gruppen deutlich leichter umzusetzen ist, als mit (alten) weissen Männern. Mit diversen, wichtigen Aspekten dieser Transformation kommt man bestimmten Eigenschaften bzw handlungsleitenden Motiven zumindest des weiblichen Geschlechts deutlich naeher, als denen, die das maennliche Geschlecht noch! beeinflussen. Man weiss nur zu… Mehr

Innere Unruhe
1 Jahr her

Ich frage mich, wann endlich Parität auf den Baustellen gefordert wird – Frauen und Männer bauen Autobahnen für das Volk!!!
Wieso regt sich keiner auf, wenn auf einer Baustelle nur Männer schuften. Gut, die Migrantenquote scheint übererfüllt zu sein, aber Frauen mit Kopftuch habe ich dort bisher keine gesehen.
Diese Ungerechtigkeit gehört dringend korrigiert.

Wolfgang Schuckmann
1 Jahr her

Durch lässliche Narretei in einer Diskussion um Kaisers Bart, von Leuten, die wichtigere Dinge zu tun hätten, als diesem Unsinn nachzulaufen, paralysiert man sich selbst. Mit anderen Worten, die Interessierten haben uns in der Ecke, die für die eigene Agenda als beste Vorraussetzung gilt , um die Ziele zu erreichen, die nötig sind, um uns letztendlich ein für allemal zu erledigen. Mir graut vor der Konsequenz. Und Pistorius, na warten wir es ab, wie sich das entwickelt. Wenn ich an diese Hetzerei der Mainstreammedien denke, glaube ich, daß das Verfallsdatum schon in den Redaktionsstuben bekannt ist. Die Nötigungsorgie bzgl. Lieferung… Mehr

DELO
1 Jahr her

„Abgeordnetinnen sind „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“. Es darf gelacht werden. In Wahrheit sind sie existentiell von ihren Parteien abhängig und quasi Angestellte der Fraktionen“
Ein ausgezeichneter Abschnitt, der das ganze Desaster offenlegt. Im Bundestag sollten nur Volksvertreter sitzen, die über ein eigenes Einkommen unabhängig von Partei und Plenarsaal verfügen und somit tatsächlich auch nur ihrem eigenen Gewissen folgen können. Ich weiß: Eine Forderung aus dem Märchenland…