SpaceX-Mission: Privates Unternehmen fliegt zur ISS

Es ist der erste bemannte Weltraumflug, der seit neun Jahren von den USA aus Richtung ISS gestartet ist. Gestern Abend hob die SpaceX-Rakete von Cape Canaveral in Florida ab und dockte heute an der Raumstation ISS an. Das Raumfahrt- und Telekommunikationsunternehmen SpaceX wurde 2002 von Elon Musk gegründet. Nun leitet es eine neue Ära der kommerziellen Raumfahrt ein.

imago images / Eibner Europa
Samstag, 21.22 Uhr MESZ: Start der Falcon 9 Rakete von Cape Canaveral in Florida. Es waren beeindruckende Bilder aus Amerika, als die Rakete in einer mächtigen Wasserdampfwolke abhob.

Drei Minuten vor dem Start übernahmen die Computer die Regie und liessen die neun Merlin-Triebwerke der Falcon 9 mit ihren rund 26 Millionen PS in den Himmel erheben. Ein sehr kritischer Augenblick, es werden immerhin in einer kontrollierten Explosion rund 250 000 Liter Kerosin und tiefgekühlter flüssiger Sauerstoff in 160 Sekunden verbrannt. Die erste Stufe trennt sich danach und die zweite Stufe treibt die Kapsel weiter an. Die erste Stufe fliegt wieder zurück zur Erde und landet auf einer Plattform mit dem schönen Namen »Of Course I Still Love You« im Meer. Eine eindrucksvolle technische Leistung, so kann die erste Stufe wiederverwendet werden. Das soll die Kosten reduzieren, bedeutet allerdings auch erheblich höheren Energieaufwand, weil der Treibstoff für das Bremsmanöver beim Start mit beschleunigt werden muss und die Nutzlast reduziert.

Nach einem knapp 19 Stunden Flug dockte sie fast vollautomatisch an die Internationale Raumstation ISS an, die in einer Höhe von 400 Kilometer in rund eineinhalb Stunden die Erde umkreist.

NASA-Chef Jim Bridenstine sah den Start der Rakete als »Moment der Hoffnung« und Anlass »über Menschlichkeit nachzudenken«. Ein sichtlich gerührter Elon Musk nach dem Start: »Ich bin wirklich emotional sehr überwältigt, es ist schwer für mich zu sprechen.« 18 Jahre habe er auf dieses Ziel hingearbeitet: »Ich glaube es ist etwas, worüber die Menschheit sich freuen kann, und worauf sie stolz sein kann.« Aus Russland beglückwünschte Sergey Krikalev, Direktor des russischen Raumfahrtprogramms, und twitterte „Grüße an die amerikanischen Kollegen“. Der Start markiere einen neuen Abschnitt in der bemannten Raumfahrt.

— Intl. Space Station (@Space_Station) May 31, 2020

US-Präsident Donald Trump flog mit seiner Regierungsmaschine Air Force One an und nannte den Start »heldenhaft«: »Ein neues Zeitalter amerikanischen Ehrgeizes hat jetzt begonnen.« Der letzte Präsident, der einem Start einer Weltraumrakete beiwohnte, war der damalige Präsident Bill Clinton im Jahr 1988, als Space Shuttle Discovery (STS 95) startete. Seitdem interessierte sich kein Präsident mehr sonderlich für Raketenstarts.

Der jetzige hätte nicht besser nicht inszeniert werden können: In einem Tesla-Elektroauto mit nach oben klappenden Türen fuhren die beiden altgedienten und erfahrenen NASA-Astronauten Robert Behnke und Douglas Hurley zur Startrampe. Die neue Kapsel sah mit ihrem futuristischem Look nicht mehr zusammengebastelt aus, sondern so, wie man das aus einem anständigen Sciencefiction-Raumfahrtfilm von George Lucas kennt und erwartet. Auch die Raumfahrtanzüge sehen futuristischer aus, nicht mehr klobig wie früher. Sie sind zudem dünner und leichter.
Keine etwa 1200 Schalter und Knöpfe mehr, sondern ein paar Touchscreens und Platz für später insgesamt sieben Passagiere, von denen jetzt nur die Sitze zwei und drei besetzt waren. Das Einsteigen verläuft wesentlich komfortabler als früher durch eine enge Luke.

Sicherheitssysteme können die Kapsel an der Spitze im Notfall absprengen. Die NASA hat für den Start grünes Licht gegeben, nachdem die Wahrscheinlichkeit für einen Verlust der Crew bei 1 zu 276 errechnet wurde und damit über dem geforderten Mindestwert von 1 zu 270 liegt.

Die nationale Bedeutung dieses Fluges kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Erinnerungen an US-Präsident John F. Kennedys Aufruf »Fliegt zum Mond!« werden wach. Der hatte nur sechs Wochen nach dem ersten sensationellen Flug des russischen Kosmonauten Juri Gagarin am 12. April 1961 in einer bemerkenswerten Rede die Marschrichtung vorgegeben: »Ich glaube, unsere Nation sollte sich das Ziel stecken, noch vor dem Ende dieses Jahrzehnts einen Menschen zum Mond zu schicken und wieder heil zur Erde zurückzubringen! Kein einziges Projekt in diesem Zeitraum wird eindrucksvoller für die Menschheit oder wichtiger für die langfristige Exploration des Weltraumes sein, und keines wird so schwierig oder kostspielig zu erfüllen sein.«

»Launch America!« heißt heute die Parole. Die amerikanische Nationalhymne wurde gesungen. Die NASA legt großen Wert, Amerika wieder für die Raumfahrt zu begeistern und unternahm erhebliche Anstrengungen, in den Social Media zu berichten, Fragen unter dem Hashtag »Launch America« zu beantworten und junge Leute einzubinden. Erklärtes Ziel: Kids sollen dafür begeistert werden, auch mal Raumfahrer zu werden.

Dieser Start läutet auch einen neuen Abschnitt in der bemannten Raumfahrt ein. Zum ersten Mal baut und fliegt ein privates US-amerikanisches Unternehmen eine bemannte Raumkapsel in den Weltraum und wird dafür von der NASA bezahlt. Die legt die Ziele fest und beaufsichtigt die Raumfahrtunternehmen.

Das Raumfahrt- und Telekommunikationsunternehmen SpaceX wurde 2002 von Elon Musk mit dem ausdrücklich formulierten hehren Ziel gegründet, Technologien zu entwickeln, die es der Menschheit ermöglichen sollen, den Mars zu kolonisieren und das Leben auf anderen Planeten zu verbreiten.

Immerhin schaffte es SpaceX, in penibler Detailarbeit mit immer neuen Tests die Falcon 9 flugtüchtig zu machen. Ein sichtbarer Beweis von technischer Kompetenz und der Fähigkeit zur Kärrnerarbeit: entwickeln, testen, scheitern, entwickeln, testen, scheitern und wieder entwickeln.

Es ist eine Sache, Transporter zur ISS zu schicken, eine andere, eine bemannte Rakete zu starten. Hier gelten exorbitant höhere Sicherheitsregeln. Denn Raumfahrt ist immer noch kein Kinderspiel, Raumfahrt ist ein riskantes Hightechnologie- Abenteuer. Sie hat jedoch die Fähigkeit, einer Nation das Gefühl zu vermitteln: »Wir können das!« Das klingt anders als der Spruch aus dem Mund des Finanzministers Scholz »Weil wir es können!«

Private Unternehmen werden künftig stärker in die Raumfahrt einsteigen. Lukrativ ist das Geschäft mit Transporten von Satelliten in Erdumlaufbahnen, bei dem auch die europäischen Ariane-Trägerraketen der europäischen Weltraumorganisation ESA und EADS dabei sind. Allerdings nimmt hierzulande niemand das Wort der bemannten Raumfahrt in den Mund, während die USA, Russland, China und Indien ehrgeizige Raumfahrtpläne verfolgen. Der erste Europäer auf dem Mond wird wahrscheinlich ein Roboter sein. Für die deutlich aufwendigere und damit auch teurere bemannte Raumfahrt sei kein Geld vorhanden, heißt es immer wieder.
Elon Musk dagegen betont deutlich seine Vision: »Das ist hoffentlich der erste Schritt auf dem Weg zur Zivilisation auf dem Mars.«

Immerhin fliegt bereits seit dem 6. Februar 2018 ein Tesla-Elektrofahrzeug mit einer Raumfahrerpuppe am Steuer in den Weltraum in eine Umlaufbahn um die Sonne. Den hatte Musk als Nutzlast für einen Testflug in eine Falcon Rakete montieren lassen. Ein grandioser Werbegag. Allerdings fliegt das Gebilde am Mars vorbei.

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