Und bewegt sich doch

Ermannt sich der zauselige Präsident Hollande doch noch zu Reformen? In Frankreich entscheidet sich die Zukunft des Euro und der EU.

Carla Bruni, die singende Gattin des früheren Präsidenten Nicolas Sarkozy, hat einmal enthüllt, was einen kleinen Mann unwiderstehlich macht: die Atombombe. Das erklärt den Erfolg von Sarkozys Nachfolger François Hollande, wenn er sich zur finsteren Nacht auf dem Motorroller zur Geliebten schleicht: Es ist wohl der düstere Nimbus der absoluten Macht über Leben und Tod, der so erotisierend wirkt; die Atombombe fährt immer mit, auch auf der Vespa zur hübschen Julie Gayet.

Aber nun will Hollande öffentlich mannhaften Mut zur Tat beweisen. Er kündigt Reformen an, die auch in Deutschland wieder als revolutionär wirken: Nicht der Staat, sondern die Unternehmer schaffen Arbeitsplätze; aber nur, wenn sie von Steuern, Regeln und Vorschriften befreit werden. Dafür muss der Staat sparen – an Gesetzen, Beamten, Regulierung. Und wenn dann die erleichterten Unternehmen ein neues und besseres Angebot schaffen, dann steigen auch die Einkommen. „Jedes Angebot schafft sich seine Nachfrage“, zitiert Hollande den Klassiker Jean-Baptiste Say (1767–1832) – ein Franzose, heute üblicherweise als geistiger Vorfahr des Neoliberalismus vom keynesianischen Mainstream verteufelt.

Frankreich braucht diese Reformen und nicht nur die Grande Nation, sondern auch der Euro und Europa. Solange die zweitgrößte Wirtschaft der EU im Strudel sinkender Wettbewerbsfähigkeit versinkt, wird sich Europa nicht erholen. Überwunden ist damit auch das wirtschaftspolitische Schisma, das die EU seit der Euro-Krise so tief gespalten hat: Auf der einen Seite die wirtschaftsliberalen Nordländer – Deutschland, unterstützt von den Niederlanden und den skandinavischen und baltischen Staaten; auf der anderen Seite die von Paris angeführte Mittelmeerunion: Schulden mit mehr Schulden zu bekämpfen lautet deren Rezept gegen den angeblichen Austeritätskurs, der Europa angeblich von Angela Merkel aufgezwungen wird.

Jetzt aber stellt sich Hollande wieder demonstrativ an die Seite Merkels. So ist eben Europa: Irgendwann bewegt es sich doch, wenn auch nie gleichzeitig und vor allem: Irgendeiner zieht immer genau in die Gegenrichtung. Denn Frankreichs neuer neoliberaler Reformeifer fällt ja in eine Woche, in der in Berlin gerade die gescheiterten Rezepte Hollandes in neue deutsche Gesetzesvorhaben gegossen werden: starre Mindestlöhne, Rente mit 63 und 160 Milliarden Euro Rentengeschenke auf Pump – Plagiate einer Wirtschaftspolitik des Bremsens und Verschwendens, deren Konsequenzen den französischen Präsidenten in der Steilkurve zurück in die Reformroute gezwungen haben.

Möglicherweise ohnehin zu spät. Fast zwei Jahre hat Hollande mit dem staatswirtschaftlichen Kurs verplempert. Nur auf eine präsidiale Ankündigung hin wird Frankreichs desolate und geschundene Wirtschaft auch nicht anspringen; Reformen brauchen Zeit.

Die Stunde der Wahrheit droht bei der Europawahl am 25. Mai. Weil das Pseudoparlament ohnehin als unwichtig gilt, fällt die Wahlbeteiligung ziemlich sicher niedrig aus. Das macht es engagierten Europakritikern leichter, Stimmanteile zu gewinnen. Und in Frankreich liegt in Umfragen heute schon der Front National von Marine Le Pen weit vorn an erster Stelle. Das ist eine ebenso erklärte wie knallharte Europafeindin. Gemessen an ihr nehmen sich die verteufelten deutschen Euro-Kritiker etwa der AfD aus wie freundliche Barockengel: Le Pen hält Europa für so wenig reformierbar wie die Sowjetunion. Sie will den Euro sofort abschaffen und die Freizügigkeit stoppen; Grenzkontrollen wieder reaktivieren und den freien Handel begrenzen. Mit dem Erfolg bei der Europawahl will sie den Präsidenten zu Neuwahlen zwingen und dann die Konstruktion Europas komplett infrage stellen.

Damit entscheidet sich die Zukunft Europas in Frankreich mit Le Pen. Und diese neue Pariser Partnerin der Bundeskanzlerin kurvt nicht leichtsinnig auf dem Moped zu Liebeshändeln. Das wird ernst.

(Erschienen auf Wiwo.de am 18.01.2014)

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