Kein Weltuntergang

1. Die Weltwirtschaftskrise wiederholt sich nicht. Anders als in den berüchtigten Zwanzigerjahren pumpen die Zentralbanken Geld ohne Begrenzung in die Wirtschaft. Damit wird erfolgreich verhindert, dass die Finanzierung immer weiterer Unternehmen zusammenbricht. In Deutschland herrscht besondere Angst, weil hier die Weltwirtschaftskrise letztlich mit zu Hitlers Machtergreifung und in den Krieg führte. Aber damals litt Deutschland unter den Folgen des Ersten Weltkriegs und der Reparationsleistungen. Heute ist Deutschland ein starkes Wirtschaftsland und kann damit fertig werden.

2. Die USA bleiben Supermacht. Es ist ideologisches Hoffnungsdenken, das Ende der US-Dominanz herbeizuschreiben. Der Sturz von ein paar Zockerbanden zerstört nicht ihre wirtschaftliche, technologische und militärische Dominanz. Der Dollar-Kurs ist überraschend stark. Warum? Weil die Welt das weiß. Und es war ja bemerkenswert zu beobachten, wie am Montag sich die Kanzlerin noch arrogant dem US-Milliardenplan entgegenstellte – und genau diesen sieben Tage später herbeiflehte.

3. Wir zahlen als Steuerzahler und Bankkunden für die offenkundigen Fehler des US-dominierten Finanzsystems mit, weil unsere Banken nicht weniger dumm und gierig waren. Unser Einlagensicherungsfonds zahlt für die deutsche Lehman Brothers, die Staatskasse für Hypo Real Estate und die Landesbanken. Das macht uns alle ärmer. Den höchsten Preis aber zahlen wir durch die Abschwächung der Konjunktur, sowohl als Arbeitnehmer wie Unternehmer. Der hübsche Merkel-Aufschwung ist vorbei. Es wird kälter im Land.

4. Misstrauen gegenüber dem Banksystem bis hin zur Paranoia zahlt sich aus. Am besten ist derjenige davongekommen, der besonders konservativ finanziert, anlegt – und dafür auch geringeren Profit akzeptiert. Nachhaltigkeit als Prinzip sollte auch in der Finanzwirtschaft Einzug halten.

5. In der Trümmerlandschaft werden erste Gewinner sichtbar. Es sind diejenigen, die Geld und Nerven genug besitzen, jetzt Aktien zu kaufen. Qualitäts- und Technologieaktien stehen auf der Einkaufsliste der Staatsfonds aus Asien, Russland und Arabien. Damit verstärkt sich der Trend, dass Deutschland zu einem Land der Angestellten wird, die in Firmen arbeiten dürfen, die anderen Nationen gehören. Der Oberprofiteur ist der Staat. Dessen Schulden verbilligen die Flucht in die sicheren Staatspapiere und erleichtern die Aufnahme neuer Schulden.

6. Quer durch alle Parteien herrscht Wut auf die feinen Herren aus den Banktürmen, die sich mit ihren Riesengehältern wie die Oberschlauen aufführten und den gewählten Politikern die Welt erklärten. Jetzt müssen sie wie Schulbuben ihre dummen Streiche gestehen und sich von den verachteten Beamten und Bundestagsabgeordneten retten lassen. Diese Erfahrung wird die Machtbalance zugunsten der Politik verschieben; die Verfechter freier Märkte werden es in Zukunft schwer haben. Niemanden wird die Mitverantwortung des öffentlichen Sektors am Schlamassel interessieren. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten werden zum Anlass genommen, die Schleusen der Staatsverschuldung wieder zu öffnen, und niemand wird sich dem entgegenstellen: Schließlich verbrennen ein paar Banken im Jahr so viel Staatsgeld wie Hartz-IV-Empfänger bekommen.

7. Es werden zahlreiche neue Gesetze und Regulierungen entstehen. Die Staatsverschuldung und das viele Geld, das gleichzeitig in die Märkte gepumpt werden muss, wird zwischen den Ritzen durchquellen. Damit schaffen wir beim Zerplatzen der aktuellen gerade die Voraussetzungen für die nächste Blase.

(Erschienen auf Wiwo.de)

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