Grexit: „Isch over“?

Neue Entwicklung: Zu Beginn der Verhandlungen in Brüssel sprechen einige Finanzminister vom Zuschlagen der Tür durch die Griechen. Hat sich Varoufakis also doch verzockt? Warten wir es ab. Heute morgen jedenfalls hat es noch anders ausgeschaut:  Griechenland schien sich bei den Verhandlungen durchzusetzen. Die Finanzminister schienen bereit, die Tricks von Yanis Varoufakis durchzuwinken. Und das geht so, jedenfalls wenn man den Plänen der EU-Kommission folgt: Das Pleiteland erhält frisches Geld aus dem Europäischen Rettungsfonds. Dafür kauft es seine Staatsschuldtitel bei der EZB zurück. Diese Papiere reicht es als „Bezahlung“ wieder beim Rettungsfonds ein. Der verlängert die Laufzeit der Papiere, sie müssen dann also erst am Sankt Nimmerleinstag zurückbezahlt werden. Das ist faktisch ein Schuldenschnitt über 10,5 Milliarden €. So der Plan noch am Morgen. Nachmittags sah es eher danach aus, als habe Schäuble badisch-englisch (bengalisch) gemurmelt: „Isch Over“. Seit 13.30 Uhr, dem Zeitpunkt der Ankunft der Finanzminister in Brüssel, sieht es aus, als ob der ursprüngliche Plan von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker an dem frechen Tweet von Varoufakis scheitert.




Aber auch mit dem Rettungsfonds das reicht nämlich noch nicht: Weil ja die Griechen bei der EZB dann weniger verschuldet sind, können sie auch dort wieder frische Staatsanleihen unterbringen. Zu der Finanzierung aus dem Rettungsfonds kommt auch noch die direkte Staatsfinanzierung durch die EZB. So lässt es sich gut leben. Aber auch das reicht halt noch nicht. Also werden Kredite, die eigentlich die Banken in Griechenland stabilisieren sollen, direkt in die Staatskasse umgeleitet.

Und die nächsten 40 Milliarden kommen auch

Und so nebenbei wird in die öffentliche Diskussion schon das nächste Hilfspaket eingeführt. Denn klar ist: Die sozialistische Regierung in Athen würgt die Wirtschaft ab, und Europa sorgt dafür, dass die Politiker, Beamten und Bonzen trotzdem ihre fetten Gehälter ausbezahlt erhalten. Es ist genau das, was immer ausgeschlossen wurde: Staatsfinanzierung zu Lasten der Dummen. Das sind wir.

Das alles folgt einer einzigen Logik: Der Euro darf nicht auch nur jenes Krümelchen verlieren, das Griechenland mit seinem Beitrag von 2 Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung darstellt. Daher wird politisch durchgesetzt, was wirtschaftlich grundfalsch ist. Europa rettet sich buchstäblich zu Tode, und für die einfache griechische Bevölkerung außerhalb des Beamten- und Parteiapparats bessert sich nichts: Sie bleiben die Bettler Europas, abhängig von den Inszenierungen der Brüsseler Politik.

Alle sind zufrieden – der deutsche Steuerzahler der Dumme. Der merkt das aber nicht sofort. Er merkt es erst dann, wenn die leere Kasse des Rettungsfonds wieder aufgefüllt werden muß.

Da mag Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble so böse schauen, wie nur er es kann. Wir werden heute Abend sehen, ob er außer böse Blicke auch noch einen Rest Durchsetzungsfähigkeiten hat. Denn nur mit einem klaren „Nein“ wäre der Lügentrick noch zu stoppen. Dieses Nein kommt jetzt wohl doch. Man kann wieder hoffen. Die Wende brachte wohl der oben abgebildete Tweet: Zu unverschämt wirkt er, als ob nur Griechenland abstimmen dürfe – nicht aber die Geber-Länder. Damit ist auch die Stimmung im Rest Europas gekippt.

Mehr Demokratie wagen – in Griechenland

Denn wie sehr Europa sich an der Nase durch den Ring ziehen lässt, zeigt der Tweet des griechischen Finanzministers Yannis Varoufakis: Er fordert, die Demokratie in Europa zu stärken. Sein Trick: Volksabstimmung in Griechenland darüber, ob der Rest Europas den Griechen helfen darf. Das erinnert an den literarischen Trick, den Mark Twain in seinem Schelmenroman „Huckleberry Finn“ beschrieben hat: Tom muss auf Geheiß der Tante den Zaun streichen, was für eine lästige Arbeit. Aber Tom macht daraus etwas, was man heute eine Kunst-Aktion nennen würde: Er läßt den Zaun von seinen Freunden streichen und sich dafür – bezahlen. Mit Murmeln und andern Schätzen aus den Hosentaschen seiner Kumpel. Varoufakis lässt in Griechenland darüber abstimmen, ob wir ihm helfen dürfen, mit Milliarden aus den Taschen der Steuerzahler. Bitte, lieber Varou, nimm unser Geld, sei so lieb! Aber laß uns mit dem Euro weiter mitspielen! Bitte!

Varoufakis hat sich damit als europäischer Staatsmann der Meisterklasse gezeigt: Geld von anderen abkassieren, und zwar unbegrenzt. Kommt er damit durch, sollte er zum Präsidenten Europas direkt gewählt werden. Eine so coole Strategie lässt alle Merkels, Schäubles, Junckers und wie sie sonst noch heißen, ziemlich dumm dastehen. Varoufakis ist kein Spieler, sondern ein Spielttheoretiker. Ihm gegenüber sitzen meist Billig-Juristen, die sonst nix werden konnten. Aber am Ende hat er sich wohl doch verzockt. Die Finanzminister lehnen die Verlängerung des Hilfsprogramms ab. Noch während der Ablehnung debattierte das Athener Parlament darüber, unter welchen Bedingungen man das Hilfsprogramm annehmen wolle. Eher absurdes Theater – die Geholfenen überlegen, unter welchen Bedingungen sie sich helfen lassen. 

Demokratie ist auch etwas, was man außerhalb Griechenlands durchführen könnte, dann sollten Sie die Petition unterzeichnen. Wenn nicht, laufen wir Gefahr, dass die Helden im Deutschen Bundestag doch noch  schnell ihre Murmeln und Schätze aus den Hosentaschen auf den Tisch des Hauses legen, in Milliarden einwickeln und sie auf Knien in einer Sondersitzung dem griechischen Meistertrickser zum Opfer bringen. Natürlich werden sie dazu ein bißchen Sorgen zeigen, zwei Stunden darüber debattieren, dass es nicht anders geht und so weiter und so fort. Die Texte kann man in früheren Pseudodebatten nachlesen.

OB es so kommt – heute Abend wissen wir mehr. Noch ist alles Gezerre, Brüssel eben wie es regiert.

 


 

Hier geht es zu unserer Petition:

Volksabstimmung über Kredite an Griechenland und andere EU-Staaten




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