Wirtschaft drosselt Produktion – trotzdem könnte Kohle knapp werden

Deutschland träumt von einer Zukunft allein mit erneuerbaren Energien. Doch in der Gegenwart setzt es vor allem auf umweltschädliche Kohlekraft. Nun könnte aber sogar die Kohle knapp werden, warnen Netzbetreiber.

IMAGO / Panama Pictures
Blick vom Aussichtspunkt Jackerath des Tagebaus Garzweiler auf das RWE-Kraftwerk Neurath hinter Windrädern

Mehr als ein Drittel des in Deutschland erzeugten und ins Netz eingespeisten Stroms stammte im dritten Quartal des Jahres aus Kohlekraftwerken. Genau lag der Anteil des Kohlestroms im Juli, August und September am gesamten Strom bei 36,3 Prozent, wie das Statistische Bundesamt mitgeteilt hat. Das ist ein Anstieg um 13,3 Prozent im Vergleich zum dritten Quartal 2021. Trotz hoher Gaspreise, trotz der politischen Spannungen mit Russland und trotz des nicht aufgeklärten Anschlags auf die Pipeline Nord-Stream 2 steigerte Deutschland auch seine Stromproduktion aus Gas. Sie machte im dritten Quartal 9,2 Prozent des eingespeisten Stroms aus. Ein Anstieg um 4,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

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Neben Deutschland setzt in der EU vor allem Polen auf Kohlestrom. Das könnte zum Problem werden. Denn die europäischen Stromnetzbetreiber warnen in diesen beiden Ländern vor Engpässen. Die Netzgruppe „Entsoe“ wies gegenüber der Welt auf eine mutmaßlich gefährliche Lage in Polen zum Ende des Winters hin. Deutschlands östlicher Nachbar solle daher sparsam mit seinen Vorräten umgehen. Als Exporteuer falle das Land im Winter aus. Polen hat den Bau von Atomkraftwerken beschlossen, um die Gefahr künftig zu bannen.

In Deutschland verschärft der vor allem von den Grünen betriebene Atomausstieg die Situation. Schon in den letzten Wintermonaten rechnen die Netzbetreiber mit einem Abfall der Leistung, da die Brennelemente ihrem Ende zugehen. Verabschieden sich die Atomkraftwerke wie derzeit geplant im April dann komplett vom Netz, könnte sich die Situation verschärfen. Vor allem wenn es meteorologisch einen langen Winter gibt. Dass es einen Kohlemangel gibt, bekommen private Nutzer schon länger zu spüren. Auch führt der Mangel zu entsprechend steigenden Preisen. Die Bergwerke berichten, sie könnten die Produktion nicht steigern, da ihre Kapazitäten „voll ausgelastet“ seien, wie sie die Welt zitiert.

Die häufigste, wichtigste und eigentlich einzige Antwort Deutschlands auf die Frage nach der Stromversorgung der Zukunft heißt Ausbau der erneuerbaren Energien. Nun gab es im Dezember bereits viele bewölkte sowie windstille Tage. Wenn aber Windräder und Solaranlagen stillstehen, brauchen wir einfach mehr Windräder und Solaranlagen. So die Logik der deutschen Energiepolitik. Und während die Schweiz über ein Fahrverbot für Solarautos nachdenkt, um das Netz zu schonen, sieht der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in ihnen einen Weg, Strom zu speichern für die Tage – und Wochen –, in denen es bewölkt und windstill ist.

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Strategisches Vermögen dieser Art führt dazu, dass die Stromproduktion in Deutschland zurückgegangen ist: Zwischen Juli und September wurden 118,1 Milliarden Kilowattstunden Strom ins deutsche Netz eingespeist, teilt das Statistische Bundesamt mit. Das seien 0,5 Prozent weniger als im dritten Quartal 2021. Es ist der fehlende Atomstrom, der diese Lücke reißt. Denn im dritten Quartal ist laut Bundesamt auch die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien um 2,9 Prozent gestiegen. Nur: Obwohl Deutschland mehr teures Gas verstromt, obwohl Deutschland mehr umweltschädliche Kohle verstromt und obwohl die Produktion aus den „Freiheitsenergien“ zunimmt, wie sie FDP-Chef Christian Lindner nennt – geht die Stromproduktion in Deutschland insgesamt ohne Atomkraft zurück.

Deutschland produziert weniger Strom – das wirkt sich auch auf die Wirtschaft aus. Die Produktion im produzierenden Gewerbe ist von September auf Oktober saisonbereinigt um 0,1 Prozent zurückgegangen, wie das Statistische Bundesamt mitteilt. Im Vergleich zum Oktober 2021 stagniert demnach die Produktion. Dabei hat die industrielle Produktion eigentlich von Oktober 2021 auf Oktober 2022 um 0,8 Prozent zugelegt. Es ist die Industrie mit hohem Stromverbrauch, die die deutsche Bilanz nach unten reißt: „In den energieintensiven Industriezweigen ist die Produktion im Oktober 2022 gegenüber September 2022 um 3,6 Prozent gesunken“, teilt das Statistische Bundesamt mit. Im Vergleich zum Vorjahr lag sie sogar um 12,6 Prozent niedriger.

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Kommentare ( 32 )

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flozn
1 Jahr her

Betrachtet man den Anteil der Erneuerbaren am Bruttoendenergiebedarf (19,7% im Jahre 2021) wird offensichtlich, dass Deutschland unausweichlich (verschärftes Klimaschutzgesetz) auf eine Katastrophe zusteuert.
https://www.umweltbundesamt.de/daten/energie/energieverbrauch-nach-energietraegern-sektoren#anteil-erneuerbarer-energien-am-gesamten-bruttoendenergieverbrauch

Konservativer2
1 Jahr her

Kohle wird knapp? Echt jetzt? Doch nicht dieselbe Kohle, die in rauhen Mengen unter unseren Füßen schlummert, an die wir aber wegen einer Sch…entscheidung nicht mehr rankommen?

Das musste so kommen. Das ist das Resultat der verbrannte-Erde-Politik. Wir hier brauchen keinen Krieg, um uns selbst auszurotten. Wir haben CDU/CSU, SPD und die Grünen.

Iso
1 Jahr her

Wenn es eng wird, werden wir soviel Geld auf den Tisch legen, dass sie in Polen und Tschechin freiwillig das Licht ausmachen, um sich das Geschäft ihres Lebens nicht entgehen zu lassen. Momentan jedoch fällt Rohöl im Preis, was eine gute Sache ist, um es sinnvoll zu verbrennen. 🙂

StefanB
1 Jahr her

Deutschland, das Weltvorbild in Sachen Weltrettung. Ich für meinen Teil habe von den linksgrünen Versagern nichts anderes erwartet.

Richard28
1 Jahr her

Die häufigste, wichtigste und eigentlich einzige Antwort Deutschlands auf die Frage nach der Stromversorgung der Zukunft heißt Ausbau der erneuerbaren Energien.
Nein ! Ich widerspreche!
Es ist die einzige Antwort der Regierung, gestützt durch GEZ-Sender.

alter weisser Mann
1 Jahr her

Nun könnte aber sogar die Kohle knapp werden, warnen Netzbetreiber.
Wenn der letzte deutsche Briketthersteller ungeachtet der Nachfrage nicht voll produzieren kann, weil die Kohle ins Kraftwerk muss und der Veredlungsbetrieb hinansteht, dann IST Kohle bereits knapp.

elly
1 Jahr her

Gestern im TV: Apotheken haben keine Fiebersäfte für Kinder und nahezu keine lebensnotwendigen Herzmedikamente mehr. In Deutschland verschärft der vor allem von den Grünen betriebene Handelskrieg mit China den Mangel.

Auswanderer
1 Jahr her

Läuft doch super! Vor 4 Wochen meinten selbst Skeptiker der aktuellen Energiepolitik, dass ein Blackout normalerweise nicht kommen wird. Jetzt wird es kälter als von Habeck erhofft und die Kohle wird auch noch knapp! Dann will ja Olaf auch kein Erdöl aus Russland für die Ostdeutsche Mineralölindustrie! Wenn der „leckere“ Strom dann nicht kommt ist wohl die Wahrscheinlichkeit eines Blackout erheblich höher! Wie geschrieben, läuft! Ein Blackout wird schlimm, aber wohl nicht so schlimm wie die aktuelle Politik noch weitere drei Jahre! Lassen wir uns überraschen!

Peterson82
1 Jahr her
Antworten an  Auswanderer

Ein Blackout ist in unplanmäßiges Ereignis das zu einer Kettenreaktion und Notabschaltung von ganzen Landstrichen führt. Das was hier passiert ist eine Energieknappheit die dann in nächster Konsequenz zu gezielten Shutdowns oder im schlimmsten Fall zu Lastabwürfen führt. Also quasi das, was in Südafrika seit Jahren mehrfach wöchentlich an der Tagesordnung steht. Zwar peinlich für eine Industrienation aber weit von einem Blackout entfernt. Ich weiß nicht woher diese Panik mit diesen Blackouts kommt.

Silverager
1 Jahr her
Antworten an  Peterson82

Peterson, da sind wir aber froh, dass wir „nur“ eine Energieknappheit haben und dass die Fachleute, die einen Blackout befürchten, dummes Zeug daherreden.

jopa
1 Jahr her
Antworten an  Peterson82

Ja und unsere Industrie geht nicht pleite, sie produziert nur nicht mehr, und die Leute erfrieren nicht, sie senken nur ihre Körpertemperatur. Derartigen Dummsprech kann jetzt jeder weiter ergänzen, oder warten bis ein Minister es tut.

Proffi
1 Jahr her

Deutschland träumt von einer Zukunft allein mit erneuerbaren Energien. Doch in der Gegenwart setzt es vor allem auf umweltschädliche Kohlekraft“
Die widersinnige Gleichsetzung von Umweltschutz und Kampf gegen die vermeintliche Klimakrise ist anscheinend auch aus den Köpfen von sich kritisch gebenden Journalisten nicht auszutreiben. CO2 ist nicht umweltschädlich und schon gar kein Schadstoff.

Iso
1 Jahr her

Je knapper der Strom, umso besser finde ich Habecks Vorschlag, dass die E-Autos nun als „Strompuffer“ angeklemmt werden. Schließlich haben die Steuerzahler die Akkus bezahlt und deshalb werden jetzt die Räder abgeschraubt. Vielleicht nicht gleich vor dem Fest, aber spätesten ab Neujahr. 🙂

Peterson82
1 Jahr her
Antworten an  Iso

Der Steuerzahler hat meinen Akku bezahlt? Interessant. Ich kaufe also letztes Jahr ein Auto für 50.000€, zahle als Privatmensch meine 19% Mehrwertsteuer darauf und habe somit dem Staat 9500€ fürs Nichtstun geschenkt. Davon erhalte ich als BAFA Bonus 6000€ Förderung. 3500€ bleiben beim Staat kleben. Wo hat jetzt genau der Bürger den Akku bezahlt? Oder ist es nicht eher eine Steuerminderung? Wenn ja, warum stört es sie dann hier so sehr, wird aber bei jedem verkauften Liter Diesel seit Jahren akzeptiert?

StefanB
1 Jahr her
Antworten an  Peterson82

Ihr gesamte E-Auto gibt es nur aufgrund von Subventionen. Oder meinen Sie irgendein Hersteller – insbesondere Tesla – würde diese E-Schrott herstellen, wenn er nicht mit CO2-Zertifikaten Kohle machen könnte? Dann wäre es nämlich ein reines Verlustgeschäft.