Macron hinterlässt nach seinem China-Besuch zwei Scherbenhaufen

Macrons Reise nach China sorgte für viel Kritik. Paris ist um Schadensbegrenzung gegenüber Washington bemüht. Die Reise hat aber gezeigt: Es war schon nicht leicht, gegenüber Russland eine gemeinsame europäische Linie zu finden. Gegenüber China ist das derzeit schier aussichtslos.

IMAGO / Xinhua
Der chinesische Präsident Xi Jinping und der französische Präsident Emmanuel Macron bei der Begrüßungszeremonie, 6. April 2023, Peking, China

Frankreichs Staatspräsident Macron war in der Woche vor Ostern drei Tage zu Besuch in China. In Begleitung von EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen. „Na und, zwei eitle postroyale Majestäten auf Reisen“, könnte man sagen. Aber damit ist es nicht getan. Denn diese Reise war ganz ostentativ die Reise eines Mannes, der zu Hause zwar Riesenprobleme hat, aber dennoch ständig den Praeceptor Europae spielt, die zentrale EU-Achse Paris–Berlin schleifen lässt (nicht ohne Zutun Berlins), vor allem aber alle anderen in Europa spüren lässt, dass er der Koch ist und sie, die anderen, die Kellner.

Die EU-Kommissionpräsidentin gab da nur das Feigenblatt, auch wenn sie bemüht war, gegenüber China kritischer aufzutreten als Macron. Jedenfalls wurde viel Porzellan zerschlagen.

Scherbenhaufen 1:

Der Zeitpunkt der Reise. Macron musste wissen, dass Chinas Volksbefreiungsarmee unmittelbar nach Macrons Abreise ein riesiges dreitägiges Manöver in der Nähe Taiwans durchführte. Wenn Macron das nicht gewusst haben sollte, muss er sich einmal ernsthaft mit seinen Geheimdiensten unterhalten. Am dritten Tag übten die chinesischen Streitkräfte jedenfalls die „Abriegelung“ der Insel, die China als abtrünnige Provinz betrachtet und bis spätestens zur 100-Jahr-Feier zur Begründung der Volksrepublik China im Jahr 2049 zurückholen will. „Chinesische Erde“ – die Theorie der „russischen Erde“ lässt grüßen.

Es waren jedenfalls mehrere Dutzend chinesische Militärflugzeuge vor Taiwan im Einsatz, um eine „Luftblockade“ der Insel zu erproben. Und was sagt Macron auf dem Rückflug von Peking nach Paris zum Taiwan-Konflikt? Das Schlimmste wäre zu denken, dass wir Europäer bei diesem Thema Mitläufer sein sollten und uns an den amerikanischen Rhythmus und eine chinesische Überreaktion anpassen. Taiwan (und dessen Unabhängigkeit) sei zudem nicht das Problem Europas. Xi wird das alles gerne gehört haben. Macron zeigte jedenfalls viel Verständnis für Pekings Befindlichkeiten.

Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine wachsen jedenfalls die Sorgen, dass China mit Taiwan ähnlich umgehen könne wie Russland mit der Ukraine. Macrons Aussagen passen jedenfalls gut in Xis Weltbild.

Scherbenhaufen 2:

Der Konflikt um die demokratische Inselrepublik ist ein zentrales Streitthema zwischen China und den USA. Denn im Konflikt um Taiwan will China einen Keil zwischen Europa und die USA treiben. Die USA stützen die Inselrepublik seit 1979 mit Militärpräsenz und Waffenlieferungen.

Nun sagt Macron: Die EU müsse im aufziehenden Konkurrenzkampf der Supermächte aufpassen, nicht ein Vasall (der USA) zu werden. So wird denn auch Macron in Osteuropa hierfür attackiert. Die Osteuropäer machen bei Macrons Dialog-Kurs nicht mit. Sie hatten bis vor 30 Jahren reale Vasallen-Erfahrung, nämlich des sowjetischen Imperiums. Eine tschechische Parlamentarierin bezichtigte Macron denn auch, die Allianz mit Amerika zu untergraben. Der deutsche CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen bezeichnete Macrons China-Besuch auf Twitter als ein „außenpolitisches Desaster“.

„Die Äußerungen des französischen Präsidenten sind harter Tobak“, hieß es verschiedentlich, und der FDP-Außenpolitiker Lechte sagte, besonders die Einlassungen zu Taiwan wögen schwer. Der französische Politikwissenschaftler und Taiwan-Experte der „Fondation pour la Recherche Stratégique“, Antoine Bondaz, warf Macron in der Zeitung „Le Point“ vor: „Das Timing und der Kontext sind katastrophal. Er kommt aus Peking zurück, hat China nicht einmal kritisiert und schießt auf die USA.“ In Washington jedenfalls wird man „not amused“ gewesen sein, auch wenn man es herunterspielt.

Schadensbegrenzung aus Paris

Der Elysée-Palast hat nun am Dienstag, 11. April, versucht, den Schaden zu begrenzen. Man teilte mit, dass Macron mit US-Präsident Biden das Ziel eines „offenen Indopazifiks“ teile. Ein gemeinsames Ziel sei es, „dem Anstieg der Risiken in der Straße von Formosa vorzubeugen“. Biden und Macron hätten sich auch darüber verständigt, dass die Taiwan-Frage „im Dialog“ geklärt werden müsse. Zudem, so der Elysée, seien die USA für Europa ein Verbündeter, China zwar Partner, aber auch systemischer Rivale.

Seltsam freilich bleibt, dass Macron sich erneut als „Diktatorenflüsterer“ (NZZ) versucht. Obwohl doch sein Hinreden in Moskau auf Putin den Überfall auf die Ukraine nicht verhindert und nicht einen einzigen Tag verzögert hat.

Macrons Reise war jedenfalls ein Flop. Sie hat aber eines klar gezeigt: Es war schon nicht leicht, gegenüber dem absteigenden Russland eine gemeinsame europäische Linie zu finden. Gegenüber dem wirtschaftlich und vor allem militärisch offensiv-expansiven China ist das derzeit schier aussichtslos. Äquidistanz gegenüber China und den USA ist jedenfalls auf lange Sicht noch nicht möglich und auch nicht ratsam.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 51 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

51 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Nibelung
1 Jahr her

In dieser Frage besitzt er noch Realitätssinn und kündigt den Russen und Chinesen an, daß er sich von den USA nicht verheizen lassen will und da er zur Zeit in dieser Hinsicht europäisch nahezu allein da steht, hat er sich trotzdem nicht gescheut, den Wink mit dem Zaunpfahl zu geben, denn kommt es zur direkten Konfrontation, dann scheint es derzeit nicht jedermanns Geschmack zu sein für andere zu sterben und das war seine Absicht es dem Osten mitzuteilen, damit die im Ernstfall nicht alles über den Haufen schießen, wenn es Richtung Westen geht. Rein hypothetisch müßte es ja so nicht… Mehr

Wilhelm Roepke
1 Jahr her

Das sind nur Phantomschmerzen. Frankreich und Macron wären gerne Hegemon von irgendetwas, aber da muss man über 200 Jahre zurück gehen, damit diese Attitüde nicht lächerlich wirkt. Er möchte den indischen Weg gehen, aber dafür fehlen ihm 1 Milliarde Einwohner. Als mittelgroßes Land ohne Geld gewinnst Du 2023 keinen Blumentopf mehr…?

hansgunther
1 Jahr her

Wie naiv kann man sein.
Macron und seine Elitenabgänger der ENA sind heilfroh, daß die „Vasallen“ jenseits des Rheines diesen Status haben. Ziel seit Jahrhunderten, die Germanen an die Leine zu legen erreicht.
Selbst wäre man doch zu gerne Hegemon eines Europas, das in erster Linie französischen Interessen dient. Auf dem Weg dahin waren die Amis schon zweimal sehr behilflich, merci!

DiasporaDeutscher
1 Jahr her

Nicht dumm von Macron, den Amis mal zu sagen, dass bei ihrem nächsten Krieg jottweedee kein französischer Soldat sterben wird. Die Volksrepublik China greift in naher Zukunft die Republik China an? Et alors? Was sollte das uns Deutsche / Franzosen interessieren? Viel wichtiger wäre in diesem Zusammenhang, die Halbleiterindustrie und -forschung in Europa konkurrenzfähig zu machen…

Jo_01
1 Jahr her

Warum lese ich bei TE ausschließlich die Meinung der Transatlantiker? Um nicht missverstanden zu werden: das chinesische Modell einer Gesellschaft gefällt mir ganz und gar nicht. Jedoch ist es eine Grundsatzfrage der Souveränität, es Staaten freizustellen, wie sie ihre jeweiligen Gesellschaften aufbauen. Die amerikanische Gesellschaft hatte mal das Ideal der Freiheit und der Marktwirtschaft. Es schloss damit den berühmten Traum „vom Tellerwäscher zum Millionär“ ein – soll heißen: wer sich anstrengt im Leben, kann es auch zu etwas bringen. Wir nannten das früher mal Leistungsprinzip… Heute ist die US- Gesellschaft ebenfalls mitnichten mehr ein Vorbild, sondern wirkt abschreckend auf mich:… Mehr

Wilhelm Roepke
1 Jahr her
Antworten an  Jo_01

Schöner Beitrag, aber die Mehrheit will wohl lieber Freiheit in Armut als Knechtschaft im Wohlstand. Macron sieht das anders. Kann man vertreten.

Ernst-Fr. Siebert
1 Jahr her

Die Streitfrage, auf die deutsche Politiker in den genannten Artikeln eingehen, ist Taiwan, das China angeblich Taiwan überfallen will. Da lohnt sich ein Blick auf die offizielle völkerrechtliche Linie der EU und ihrer Mitgliedsstaaten. Völkerrechtlich erkennt die EU (und übrigens auch die USA) Taiwan nicht als eigenständigen Staat an, sondern sie betrachten Taiwan als Teil Chinas. Das ist die sogenannte „Ein-China-Politik“, auf die China besteht und die von der EU und den USA offiziell anerkannt wird. China sieht Taiwan als Teil seines Landes an und weder die EU noch die USA haben dem je offiziell widersprochen oder gar diplomatische Beziehungen… Mehr

Memphrite
1 Jahr her

Taiwan & China Leider wird die Tatsache das Taiwan kein normaler Staat von allen westlichen Autoren nicht zur Kenntnis genommen. Fast alle Staaten der Erde u.a. die USA und auch Deutschland erkennen Taiwan nicht als unabhängigen Staat an. Taiwan hat keinen Sitz in der UN. Die USA (wie man auf der Seite des „State Departments usw nachlesen kann) unterstützt die „Ein-China-Politik“ wonach die „PRC“ China als ganzen Staat vertritt und Taiwan nur eine Provinz von China (PRC) ist. Taiwan selber hat in seiner Verfassung stehen, dass man nur eine Provinz ist. Und zwar von von der ROC (Republic of China).… Mehr

Wolfgang Schuckmann
1 Jahr her
Antworten an  Memphrite

Nach dem ich ihren Kommentar gelesen habe, erübrigt sich meinerseits ein Kommentar. Jedoch in einem widerspreche ich ihrem Statement. Macron weiß genau wie es um die EU steht, er kennt die Ubergriffigkeit der Freunde. Schon De Gaulle ließ die aktive Mitgliedschaft in der Nato deshalb ruhen. Macron weiß,dass Deutschland niemals eine eigeninteressengeleitete Politik machen kann und immer über Brüssel den Zampano spielt. Die Mitreise der kleinen Gewalt aus Deutschland und angeblich für die EU als Gesamt-, ja was eigentlich … „Vertretung“ ? war lässlich, weil Peking nur Staaten respektiert, die souverän sind. Die EU IST KEIN Staat und Deutschland, respektive… Mehr

Schmidtrotluff
1 Jahr her

Sehr geehrter Herr Kraus, Macron hinterlässt keine Scherbenhaufen, er öffnet eine Tür in die Zukunft. Er sucht einen Notausgang.
Der Zeitpunkt könnte besser nicht sein. China hat einen Friedensplan auf den Tisch gelegt. Jeder, der Interesse an Frieden hat, muss darüber reden. Je früher desto besser.
Taiwan ist chinesisch, nicht amerikanisch. Daran ändert sich nichts. Über den Zeitpunkt der Wiedervereinigung entscheiden ausschließlich Chinesen.
Wenn die europäische Achse Paris- Berlin jemals wichtig war, dann jetzt. Hätte Deutschland unabhängige Politiker, hätten sich diese umgehend hinter Macron gestellt.

Wilhelm Roepke
1 Jahr her
Antworten an  Schmidtrotluff

Das ist richtig, aber Deutschland will keinen eigenständigen Weg ohne die USA gehen.

Ralf Poehling
1 Jahr her

Einspruch. Macron liegt hier zu 100% richtig. Macron verteidigt französische und europäische Interessen. Also genau das, was ein Franzose und überzeugter Europäer tun sollte. Wer ihn jetzt angreift, agiert nicht in unserem europäischen Interesse, sondern im Interesse ausländischer Lobbygruppen. Und die Lautstärke und Vehemenz, mit der er angegriffen wird, deutet auf das gigantische Ausmaß der Unterwanderung und Fremdsteuerung in der EU hin. Es war ein gigantischer Fehler, die EU auf Geld aufzubauen. Dadurch wird der ganze Laden käuflich und durch Fremdinteressen steuerbar. Das gehört abgeklemmt und durch eine gemeinsame militärische Verteidigung der EU Mitgliedsländer ersetzt. Inklusive einer gemeinsamen EU Außengrenzensicherung.… Mehr

Freigeistiger
1 Jahr her

Im Unterschied zu Scholz kommt Macron nicht mit der von den USA zugewiesenen Vasallenrolle zurecht. Ihm scheint zudem klar zu sein, daß sich das amerikanische Imperium im Niedergang befindet und jeden mitzieht, der sich nicht rechtzeitig emanzipiert und auf die veränderten Bedingungen einer multipolaren Welt einstellt, die unter der Federführung von China und Russland entsteht. Immer mehr Länder haben genug von der „regeblasierten“ Ordnung der USA, die auf Zwang, Gewalt und Unterwerfung aufgebaut ist und schließen sich einer Staatengemeinschaft an, die Souveränität, Gleichberechtigung der Interessen, faire, friedliche Kooperation und die UN-Charta in den Mittelpunkt stellt.