Carsten Linnemann traut sich viel zu – außer Verantwortung zu übernehmen in einer Regierung, in der er kaum Gestaltungsmacht besäße und nach Klingbeils Pfeife tanzen müsste. Seine Absage ans Wirtschaftsministerium könnte seiner Karriere dienen: Ob es ihm gelingt, sich für die Nach-Merz-Zeit aufzusparen?

Vor ein paar Tagen hatte Carsten Linnemann im Westfalenblatt in einem Interview erklärt, dass er sich ein Ministeramt zutraut. Markig klang er dort und entschlossen: „Ja, ich traue mir ein Amt im Kabinett zu.“ Damit stand er nicht allein. Selbst die politischen Spatzen pfiffen es gerade eben noch von jeder Dachrinne des medialen Neu-Versailles von Berlin-Mitte, dass der Generalsekretär der CDU, Carsten Linnemann, der neue Bundeswirtschaftsminister im künftigen Kabinett Merz-Klingbeil wird. Linnemann, bekannt als Wirtschaftsliberaler und früherer Vorsitzender der CDU-Mittelstandsunion MIT, scheint dafür auch die richtige Besetzung.
Doch obwohl Carsten Linnemann es sich noch immer zutrauen dürfte, Bundesminister zu sein, will er es ausgerechnet nicht in der Regierung von Friedrich Merz werden. Es muss über Nacht geschehen sein, dass über Carsten Linnemann die große Erleuchtung gekommen ist, dass er Deutschland, dass er der CDU, dass er Friedrich Merz am besten zu dienen vermag, wenn er Generalsekretär bliebe, um von dort aus den Politikwechsel voranzutreiben. Welchen Politikwechsel?, möchte man fragen, die CDU ist sich doch merkeltreu geblieben. Ideologisch folgt sie den Grünen, die entscheidenden Regierungsämter für den „Politikwechsel“, das Finanzministerium und das Arbeits- und Sozialministerium, gehen an die Sozialdemokraten.
Schon im Wahlkampf konnte man beobachten, wie das Tandem Merz-Linnemann funktionierte. Während Linnemann vorn mächtig in die Pedale trat, bremste Merz hinten, weil es Merz herzinniglich noch verlangte, dieses und jenes Blümchen einzusammeln. Linnemanns ausgegebene liberal-konservative Losungen sammelte Merz stets wieder ein. Unterstellt man noch ein Fünkchen Restverantwortung, kann Carsten Linnemann diesen Koalitionsvertrag und die Koalition als Regierungsmitglied nicht mittragen, nicht den Todestanz der CDU mittanzen.
Aber man muss sich in der Tat nicht in psychologische Deutungen verlieren und über Linnemanns Kompass spekulieren. Wichtiger ist, dass sowohl Spahn als auch Linnemann zu jung dafür sind, dass in vier Jahren ihre politische Karriere endet. Denn in vier Jahren könnte die CDU am Ende sein.
Wenn sich Friedrich Merz, den jetzt schon kaum noch jemand sehen will, und Co. nach Brüssel oder ins politische Nirwana verabschieden und eine völlig zerstörte CDU zurücklassen, wird Linnemann möglichst unbelastet sein wollen, um die Union wieder aufzurichten und damit seine Karriere voranzutreiben. Für Spahn gilt Ähnliches. Nicht umsonst hat Spahn das Sakrileg begangen, das Anathema anzustimmen, dass man mit der AfD parlamentarisch ordentlich umgehen müsse: nämlich so, wie mit allen anderen Parteien.
Es gibt also Leute in der CDU, die nicht nur die roten und grünen Tasten des bunten Klaviers Deutschland bedienen wollen, sondern auch die blauen.
Allerdings ist noch nichts entschieden und riskant ist es allemal. Philipp Amthor schart schon mit den Schühchen, um Generalsekretär zu werden. Ob Friedrich Merz Linnemanns Absage akzeptiert, ist fraglich. Zwar heißt es, dass Merz Linnemanns Entscheidung begrüßen würde und er ihn vor die Wahl gestellt habe, Minister zu werden oder Generalsekretär zu bleiben, doch wird das zur Stunde nur aus „seinem Umfeld“ und aus „Parteikreisen“ kolportiert und klingt doch allzu sehr nach Schadensbegrenzung.
Das Bild, das sich ergibt, ist eindeutig: Niemand, der bei strategischem Verstand und in der Lage ist, über die eigene Eitelkeit hinauszudenken, will in die Schulden- und Niedergangsregierung Merz-Klingbeil eintreten.
Gern wird die DNA der Union beschworen. Will man bei dem Bild bleiben, dann ist der Verrat die DNA der Union und ihre bevorzugte Kommunikationsart gleißnerische Sirenengesänge. Doch die guten Tage des Verrats sind vorbei. Man darf gespannt sein, ob es Linnemann gelingt, sich für die Nach-Merz-Zeit aufzusparen. Es hat den Anschein, als ob Spahn und Linnemann bereits für die Zeit nach dem Debakel planen, doch ob es nach dem Debakel noch eine CDU geben, ob noch eine Partei existieren wird, die man reformieren kann, vermag zur Stunde niemand zu sagen.
Ob Linnemann letztlich das Zeug zum Reformer haben wird, ist äußerst fraglich, ihm fehlt die Härte dazu. Auch nicht, ob am Ende Carsten Linnemann doch noch in die Regierung eintreten wird. Alles ist möglich, nur keine gute Politik.
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Im Vor-Merz wird schon für den Nach-Merz geplant!!! Vielleicht kommt es da ja gar nicht zu einem Jetzt-(bin-ich-endlich-Kanzler-)Merz!!
Als wirklich aufrechter Konservativer könnte Linnemann eigentlich nur aus der Partei austreten, deren Generalsekretär er ist. Ja, er mag sich um seine Karriere sorgen. Aber wirklich auch nicht mehr als das.
Linnemann hat mehr Einblicke in das Innenleben der Nationalen Front als der Normalverbraucher. Wenn er diese Koalition als morschen Kahn betrachtet, bei dem schon im Hafen die Lenzpumpen mit voller Kraft arbeiten, wird er kaum anheuern und auf große Fahrt gehen. Kluge Ratten gehen gar nicht erst auf ein sinkendes Schiff.
Mit jeder Energiepreiserhöhung wird die Brandmauer löchriger. Wer nicht in der Lage ist, sich -wie die AfD- mit der Erneuerbaren-Lobby anzulegen, taugt als Kanzler NICHTS. Die Wähler werden nicht Fritzens (ohnehin unglaubwürdiges) Anstandsgehabe über ihre Heizkosten finanzieren wollen. Ès ist gut, wenn dann Personal bereitsteht, dass übernimmt. Und Spahn/Linnemann wären die derzeit Besten.
Linnemann sieht klar und deutlich, daß Merz gegen die Wand fährt. Spahn und Amthor wohl inzwischen auch. Dieses Trio könnte durchaus ein Comeback der CDU inszenieren, indem es nach Merz (das wird nicht allzu lang dauern), die von Merz verteufelten alten CDU’ler wieder zurückholt. Ohne Merz, aber mit Maaßen u.a. dürfte die CDU dann endlich den Linksdrall und den Wahnwitz eines Egomahnen hinter sich lassen und endlich einen ernstzunehmenden Gegenpol zur AfD bilden, ohne diese in allen zu verteufeln. Merz ist der Totengräber der CDU.
Die CDU braucht keine Reformen mehr, die CDU ist im Endstadium ihres Bestehens. Sie wird der italienischen Schwesterpartei DC folgen, denn die CDU dient nur noch als Brandmauer zum Schutz grünlinker Machtverhältnisse und als Grant für die Umsetzung der irren Politik. Sie ist der größere Juniorpartner einer SPD Minderheitsregierung, der debile große Bruder einer erpresserischen SPD.
Also dass Linnemann aus strategischen Gründen einen Ministerposten ablehnt glaube ich gerne. Sonst würde er kaum einen Ministerposten inklusive Pensionsansprüchen ablehnen. Dass er das aber tun will um in vier Jahren die CDU wieder aufzurichten, weniger. In vier Jahren gibt es nicht mehr viel aufzurichten. Zumal dann auch Millionen weiterer Unionswähler aus Altersgründen abgetreten sein werden. Vielleicht spekuliert er ja darauf dann bei der AfD mitzumachen, wer weiß.
Richtig. Es geht wieder mal nur drum, die eigene Haut zu retten. Einen echten Wandel wird es mit der CDU nicht geben.
The best is yet to come my friends…oder auch: wait & see…
Ich gebe denen eineinhalb Jahre – maximal! Dann ist es vorbei.
Ich kann das spontan rational nicht erläutern, das Warum, jedoch:
Nur irgendwie erinnert mich Lindemann vom Gesamteindruck immer an den Amthor.
(Gleicher geschmeidiger, nur verbal gut inszenierter Typus!? )
Möge er auch noch etwas an Festigkeit im Bereich der Wirbelsäule verfügen, so war auch er zu lange Zuarbeiter und willfähriger „Handlanger“ für den Fritz, Merz.
Gemeinsam zu viel gewollt und gelogen!
Einmal nur „nein zu sagen“ reicht nicht aus für eine gute Reputation.
Merz sollte das ramponierte Wirtschaftsressort nun der SPD überlassen – würde auch helfen, dass die Arbeitgeber sich dann endlich mal in ihrer Abarbeit an der volkswirtschaftlich suizidalen Wirtschaftspolitik mehr als nur bemühen – und dafür auf das Finanzressort aka die Ausgabenkontrolle bestehen, wo er schon wider seiner Versprechen die Schuldenbremse gelöst hat.