Zur Freigabe von Cannabis legt Lauterbach ein bizarres Murksgesetz vor

Die Legalisierung von Cannabis war das Thema, in dem die Ampelparteien sich inhaltlich am nächsten waren. Trotzdem tritt aus dem Gesetz nur ein Bürokratiemonster hervor. Selbst die Anhänger der Legalisierung müssen es sich schön saufen – beziehungsweise kiffen.

IMAGO / Political-Moments
Bundespressekonferenz mit Gesundheitsminister Karl Lauterbach zum Thema Cannabis-Gesetz, Berlin, 16.08.2023
Wann Bubatz legal? Als Christian Lindner auf Twitter dieser Frage nachging, war das einer der wenigen Momente, in denen er sich in der Ampel wohlfühlen konnte. Als die FDP nicht die ewiggestrige Partei von früher war, in der schlecht beratende Berater Parteichef Guido Westerwelle davon abhalten wollten, sich zu seiner Homosexualität zu bekennen. Sondern die FDP, wie sie sonst nur Werbeagenturen für den heutigen Parteichef Christian Lindner designen: frech, kontrovers und zeitgeistig. Dazu gehört – auch wenn das viele nicht mögen – für zig tausende junger Menschen das Kiffen dazu.

In eigentlich allen Punkten der Politik stehen sich FDP und Grüne ideologisch diametral gegenüber. In nahezu allen Punkten musste die FDP nachgeben, um ihren Funktionären Gehälter und Dienstwagen weiterhin zu sichern. Nur nicht in der Frage der Legalisierung von Cannabis: Der Staat soll dem erwachsenen Bürger nicht vorschreiben, welche Genussmittel er zu sich nimmt. Ein urliberaler Gedanke. Damit war die FDP kompatibel zu dem Jugendverband der SPD und zu den Grünen, für die das Kiffen zum guten Ton gehört, was der Autor aus eigener Erfahrung bestätigen kann.

Eigentlich hätte die Legalisierung von Cannabis damit zu dem stringentesten Gesetz der Ampel werden können. Zu dem, mit dem sie am stärksten bei sich selbst ist. Doch was Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in den Bundestag eingebracht hat, ist ein Bürokratiemonster: nicht hilfreich, unpraktikabel und in manchen Momenten bizarr. Statt grundsätzliche Leitplanken einzuschlagen, wollen SPD, Grüne und FDP dem Bürger bis ins kleinste Detail Vorgaben machen. Wer sich die Legalisierung von der Ampel erhofft hat, für den ist der Gesetzesentwurf eine Enttäuschung.

Ein Beispiel: Die Ampel will Anbauvereine erlauben. Diese sollen Cannabis auch an Mitglieder zum Konsum weitergeben dürfen. Aber nur 25 Gramm am Tag und 50 Gramm im Monat. Es sei denn, das Mitglied ist jünger als 21 Jahre alt, dann darf es nur 30 Gramm im Monat erhalten. Will der Verein nun einem Mitglied 75 Gramm abgeben, muss er dieses auf drei Tagesportionen zu je 25 Gramm stückeln. Zwischen der Vergabe der zweiten und dritten Portion muss aber ein Monatswechsel liegen.

Der Verein kann dem Mitglied aber auch zwei Portionen zu je 25 Gramm geben und die übrig gebliebenen 25 Gramm an ein 20 Jahre altes Mitglied weiterreichen. Allerdings muss der Verein sicherstellen, dass dessen 17 Jahre alter Bruder nichts von dem Stoff abbekommt. Solche Regelungen kommen raus, wenn der Vater der „absoluten Killervariante“ Gesetze schreibt. Ach so: Wenn der Verein schon 499 Mitglieder hat, darf er keine Zwillinge aufnehmen. Nur einer könnte dann sofort Mitglied im Anbauverein werden, der andere müsste warten, bis eines der 500 Mitglieder abtritt.

Ein zweites Beispiel: Auch wer nicht Mitglied eines Anbauvereins ist, darf 25 Gramm Cannabis für den eigenen Bedarf besitzen. Allerdings darf der THC-Gehalt zehn Prozent nicht überschreiten. Die Person darf das Cannabis dann als Haschisch oder Marihuana öffentlich rauchen. Allerdings nicht in einer Schutzzone von 200 Metern rund um Kitas, Schulen, Spielplätzen, Jugendzentren oder Sportplätzen.

Wer soll das kontrollieren? Das fragt die Deutsche Polizeigewerkschaft und weist darauf hin, dass mit Lauterbachs Gesetz ein in seiner Masse kaum zu bewältigender Kontrollaufwand verbunden sein wird. Und vor allem: ein praktisch kaum umzusetzender Kontrollaufwand. Wobei TE für das Einhalten der Schutzzone einen Vorschlag hätte. Vor allem für die Polizei Frankfurt: Einfach 134 Abstandshölzer aus der Corona-Zeit aneinanderkleben und so den vorschriftsgemäßen Abstand zwischen Kiffer und Sportplatz prüfen und wahren. Das 134. Abstandsholz müsste aber um zwei Drittel seiner Länge gekürzt werden.

Es ist aber nicht so, dass die Ampel um diesen Kontrollaufwand nicht wüsste. Für den Umgang damit hat sie eigene praktische Vorschläge gemacht. Also zumindest in dem Sinne, den Lauterbach und die Ampel unter praktisch verstehen: Erst nach fünf Jahren werde es die von der Ampel gewünschte Zahl von 3000 Anbauvereinen geben. Bis dahin könnten die Länder ja „die Personal- und Sachmittelkapazitäten sukzessive anpassen“.

An dem Punkt zeigt sich, dass die Ampel mit dem Cannabis-Gesetz in all ihren Zielen gescheitert ist: Eigentlich wollten SPD, Grüne und FDP den Cannabis-Konsum entkriminalisieren. Dadurch sollte die Polizei entlastet werden. Stattdessen müssen die Länder nun „Personalkapazitäten sukzessive anpassen“. Statt weniger wird mehr Polizei für die Hasch-Kontrollen notwendig. Außerdem wollte die Ampel die Konsumenten aus der Kriminalität holen. Doch in der stehen sie dank Lauterbachs Entwurf weiterhin: Wenn der THC-Gehalt elf statt zehn Prozent beträgt, der kleine dem großen Bruder den Stoff klaut oder der Anbauverein seinem Mitglied 30 statt 25 Gramm Tagesration zuweist.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft geht davon aus, dass das Gesetz auch nicht den Schwarzmarkt beenden wird, was sich die Ampel ursprünglich ebenfalls vorgenommen hat. Zum einen sind die Mengen zu klein, die selbst 3000 Anbauvereine anbauen dürften. Zum anderen sind die Vereine nur bedingt attraktiv für die Konsumenten. Wer in ihnen Mitglied wird, wird damit auch zum staatlich registrierten Kiffer. Wie viele regelmäßige Bier- oder Weingenießer würden für sich selbst einen solchen staatlich registrierten Eintrag wünschen?

Und selbst wenn dieser Einwand nicht greift: Dann dürften 3000 Vereine zusammen nur 1,5 Millionen Mitglieder aufnehmen. Nach einer vom Gesundheitsministerium veröffentlichten Studie haben aber im Jahr 2021 in Deutschland 4,5 Millionen Menschen mindestens einmal gekifft. Das dürfte angesichts des verzerrenden Effekts der Illegalität in Umfragen noch konservativ gerechnet sein.

Die AfD möchte den Einsatz von Cannabis nur zu medizinischen Zwecken erlauben. Die Union hat sich komplett gegen das Gesetz der Ampel gestellt. In einem eigenen Antrag fordern CDU und CSU die Ampel auf, „ihr geplantes Vorhaben zur Legalisierung von Cannabis“ zu beenden. In dem Antrag übernimmt die Union die Argumente der Polizeigewerkschaft zur Kontrollierbarkeit des Gesetzes. Außerdem weist sie auf die Folgen des Konsums hin: Panikattacken, psychotische Symptome, beeinträchtigte Aufmerksamkeit, mangelnde Konzentration, gestörte motorische Koordination und Übelkeit.

Durchaus richtig. Nun soll es aber auch schon durch Alkohol gelegentlich zu Übelkeit gekommen sein, zu mangelnder Konzentration oder zu gestörter motorischer Konzentration. Schon nach geringen Mengen. Nach größeren Mengen sind auch Panikattacken und psychotische Symptome durchaus vorstellbar. Wollen CDU und CSU also auch Alkohol verbieten? Liberal wäre es, den erwachsenen Bürger selbst darüber entscheiden zu lassen, ob und welches Rauschmittel er sich antun will. Darin waren sich FDP, Grüne und zumindest der Jugendverband der SPD anfangs einig – doch statt konsequent durchzuziehen, haben sie ein Murksgesetz vorgelegt, das den Betroffenen kaum hilft, aber dafür Vorschriften bis ins Detail macht. Derzeit befindet sich der Entwurf samt den Änderungsanträgen der Opposition in den Ausschüssen des Bundestages.

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Kommentare ( 59 )

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59 Comments
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Repman
6 Monate her

“Ein zweites Beispiel: Auch wer nicht Mitglied eines Anbauvereins ist, darf 25 Gramm Cannabis für den eigenen Bedarf besitzen. Allerdings darf der THC-Gehalt zehn Prozent nicht überschreiten.“ Diese Aussage ist zum Teil falsch. Derzeit steht im Entwurf nichts von einer THC Beschränkung für den Eigenanbau. Das mit der THC Grenze gilt für die Abgabe der Vereine an die 18 bis 21 Jährigen, ähnlich wie der Verkauf von Bier, Wein und Sekt ab 16 und der von Schnaps ab 18 geregelt ist. Interssant ist unter dem Aspekt allerdings, dass man ab 18 selbst anbauen dürfte und es da eben keine THC… Mehr

Judith Panther
6 Monate her

Hinter dem weltweiten Drogenverbot steckt die Drogenmafia selber.
Die leben einfach zu gut davon.

Clemens Anton
6 Monate her

Die einfachste Lösung für die Freigabe von Cannabis ist, daß die Regierung mit den klassischen Anbauländern (nicht Holland!) Lieferverträge abschließt.
Das hilft diesen meist unterentwickelten Staaten wirtschaftlich weiter, der Stoff ist sehr preiswert und ökologisch angebaut. Der Vetrieb läuft hier dann über die gleichen Kanäle wie Zigaretten und Alkohol, die kennen sich mit dem Thema Jugendschutz aus.
Das Ergebnis des Anbaus in Deutschland unter freiem Himmel, die berüchtigte „Deutsche Hecke“, will wirklich niemand rauchen…..
Und Indoorplantagen brauchen teuren Strom, der wir nicht mehr haben!!!

AmitO
6 Monate her

Fairerweise muss man dazu auch sagen, dass hier die EU (leider mal wieder) Kompetenzen hat und das Kiffen eigentlich in allen EU-Ländern untersagt ist. In Holland gelten Bestandsregelungen so viel ich weiß. Folglich bleibt gar nichts anderes übrig als sich ein Über-drei-Ecken-Gesetz einzubringen.
Aber dies ist halt nur lächerlich. Eigentlich hätte man die Polizei auch anweisen können, den Konsum von Hanf einfach zu tolerieren. Fertig ist.
Funktioniert bei Prostitution ja auch schon seit langem so.

Teiresias
6 Monate her

Ein Gesetz wie ein Brainstorming beim CVJM.

Unfassbar, wie selbst die offensichtlichst Überforderten an ihren Sesseln kleben.

Wenn man sich überlegt, was hier alles faul sein muss und was alles versagt in Politik und Medien fragt man sich, ob dieser Augiasstall jemals ausgemistet werden kann.

Janno
6 Monate her

1. Der Cannabis Markt existiert, da kann der gute Michel noch so stänkern
2. Derzeit verteilt er sich einerseits illegal auf lokale Kleinbauern, Überschüsse aus den Graumärkten Holland und Spanien, Importwaren aus Marokko (Haschisch) und Albanien (Marihuana) sowie legal über die medizinische Schiene aus Kanada.
3. die Profiteure dieses Systems sind das Organisierte Verbrechen und die Wallstreet (ein Pleonasmus für manche)

Was dem Querdenker-Michel bei Corona nicht in den Kram passte, soll der Kiffer-Michel klaglos hinnehmen?

fatherted
6 Monate her

Ich gebe zu….in Punkto Drogen bin ich absolut liberal. Ich selbst trinke nicht mal Alkohol….aber mir ist es egal wenn andere es tun…von mir aus auch bis zur Besinnungslosigkeit. Gleiches gilt für Drogen….wenn die Leute sich die Birne zuhauen wollen und Hirnschäden + Suchtgefahren in Kauf nehmen…bitte schön….ein jeder hat einen Kopf auf den Schultern um über sich und sein Leben zu entscheiden……nur muss gewährleistet sein, dass die Strafen bei Autofahrten oder ähnlichem extrem hoch sein müssen, wenn Dritte gefährdet werden. Was die Knäste wohl noch voller machen würde. Bilder aus den USA wo es wohl neuerdings die Zombiedroge Tranq… Mehr

Contra Merkl
6 Monate her

Das Ganze ist nur eine weitere ABM für Polizei, Labore, Gerichte. Bis auf wenige spezielle Züchtungen dürften über 90 % der erhältlichen Samensorten deutlich mehr als 10% THC haben. Also ist da gar nichts mit legalem Anbau und Konsum. Selbst für Schmerzpatienten denen keine Pillen mehr helfen unintressant, da grade THC der schmerzlindernde Part ist. Die müssten von 10 % Gras die 2 – 3 fache Menge nehmen. Auch selbst mit 3 Pflanzen im Eigenanbau nur für sich selber passt das Gesetz nicht. Wer 3 Pflanzen im Garten hat und im Herbst erntet und das trocknet wird mehr als 25… Mehr

wachschaf
6 Monate her

Hat irgendjemand mal nachgeforscht, wie das in Holland geregelt ist ?
Dort gibt es bestimmt auch Analysen der Auswirkungen und Verbesserungsideen bei Mängeln.
Ist wahrscheinlich nicht gut genug für D.

Manfred_Hbg
6 Monate her
Antworten an  wachschaf

Mal abgesehen von Holland, so sollen angeblich in Portugal alle Drogen frei gegeben worden sein und die bisherigen Erkenntnisse sollen sehr positiv sein.(also kein Anstieg von Konsumenten und so).

WENN es so stimmen sollte, sollte man deren dbzgl. Vorgehen man genauer betrachten.

Ansonsten meine, egal was aus diesem Lauterbach-Gesetz auch wird, die Lütt – agal ob jung oder alt, werden so oder so ihr Röllchen, Purpiepchen oder Blubber durchziehen.

Regina Lange
6 Monate her

Ich kann das Argument „Alkohol ist ja auch legal“ nicht mehr hören. Weil sich die einen den Verstand regelmäßig legal wegsaufen, dürfen die anderen sich dann legal die Birne regelmäßig matschig kiffen. Was hat das mit liberal zu tun! Ich bin fassungslos!

AmitO
6 Monate her
Antworten an  Regina Lange

Nicht liberal, libertär!
Demnach liegt es in der Hand der (mündigen!) Bürger, womit man sich die Birne kaputtdröhnt.
Das ist immer noch besser als eine idiotische Reglungswut in meinen Augen.

Manfred_Hbg
6 Monate her
Antworten an  Regina Lange

Zitat: „Was hat das mit liberal zu tun“

> Was das mit liberal zu tun hat? Das würde ich oller weißer Mann, der in seinen jungen und jüngeren Jahren mit Sicherheit so manches Kilo weggeraucht hat, heute im Alter so sagen:

Alk und Marihuana/Hasch sind absolut nicht miteinander vergleichbar und – so zumindest meine Erfahrungen, wenn man das Kiffen nicht mit 12, 14 oder 16 Jahren anfängt, dann bekommt und hat man auch kein „matschig“ Gehirn -im Gegensatz zum Alk, welcher alles im Körper(innkl den Verstand) wegfrißt!