Eis essen in der Öffentlichkeit- „obszön“ oder fortschrittlich?

Unsere Gesellschaft erschafft Fortschritt, ohne dass sie vorher alle Frauen wegsperren muss. Wenn Frauen mit Eiscreme in der Hand also eines sind, dann ein Zeichen dafür, dass der Westen doch noch nicht so ganz verweichlicht ist. Frauen haben hier die Freiheit, ihr Eis zu essen, wie sie wollen, trotzdem fahren nicht täglich Männer ihr Auto gegen den Baum, wenn sie mal an einer Eisdiele vorbeifahren.

IMAGO / Westend61

Ein Artikel der Süddeutschen Zeitung sorgt im Netz aktuell für Furore und an der Eisdiele womöglich für Rekordzahlen. In seiner Kolumne „Typisch deutsch“ schrieb Autor Mohamed Alkhalaf in dieser Woche über seinen Freund Ibrahim, der in Deutschland ein Kulturschock erlitt, als er sah, dass Frauen und Männer hierzulande doch tatsächlich in der Öffentlichkeit Eis essen. Sein Freund sei das aus Syrien gar nicht gewöhnt, denn dort gilt das Essen von „phallisch“ geformten Lebensmitteln – wie Eis – als „obszön“.

Seit ich nun auch von diesem Artikel weiß, habe auch ich nun das dringende Verlangen nach einem Erdbeereis. Vielleicht ist diese Kolumne in der SZ ja auch einfach nur nicht gekennzeichnete Schleichwerbung für die Eiscreme-Branche. Ein SZ-Abo kostet für sechs Monate 49 Euro. Wenn sich alle SZ-Abonnenten, die sich nach diesem Artikel als dann Ex-SZ-Abonnenten zusammen tun, könnten sie das nun gesparte Geld dafür nutzen, einen Eiswagen zu mieten und diesen für mindestens einen Monat vor dem SZ-Büro aufzustellen. Wobei man schon nochmal darauf hinweisen sollte, dass der Autor selbst ja nichts gegen das Eisessen im Freien einzuwenden hat.

Besser aus der Box daheim
SZ: "Typisch deutsch: Ist Eisessen im Freien obszön?"
Bei diesem Text in der SZ muss ich an einen Witz denken, den wir uns als vorpubertäre Unterstufenschüler erzählt haben – damals als plötzlich alles irgendwie mit Sex zu tun hatte, der geht so: Fragt die Lehrerin die Klasse: „Es sitzen neun Vögel auf einem Baum und ein Jäger erschießt einen von ihnen – wieviele Vögel sind dann noch übrig?“ Da antwortet Hansi: „Keiner! Schließlich sind die anderen nach dem Knall erschrocken weggeflogen.“ Die Lehrerin antwortet: „Falsch, aber Deine Art zu denken gefällt mir.“ Darauf antwortet Hansi: „Dann möchte ich Ihnen jetzt mal eine Frage stellen. Vor einer Eisdiele stehen drei Frauen und essen ihr Eis. Eine isst es mit dem Löffel, die nächste beißt davon ab und die dritte leckt und saugt daran – welche der Frauen ist verheiratet?“ Die Lehrerin wird rot und antwortet: „Die Dritte, die am Eis saugt und leckt?“ Da antwortet Hansi: „Falsch, die mit dem Ehering. Aber Ihre Art zu denken gefällt mir.“

Diese Art zu denken gefällt aber dann nicht mehr, wenn sie komplett unreflektiert das Problem bei anderen sucht, dann wird daraus: „Wenn Du Eis isst, muss ich an Sex denken, also hör auf Eis zu essen.“

Für mich offenbart dieser Text in der SZ eben auch ein tieferliegendes Problem: Nämlich was eine zu streng ausgelebte Religion mit einem Menschen anstellen kann. Jeder Mensch hat Triebe und den Drang diese auszuleben. Die biologische Uhr in uns tickt nicht nur, sie ist wie die Mutter, die unbedingt Enkelkinder haben will. Wenn man von klein auf eingeprügelt bekommt, dass Sex etwas unreines und falsches ist, dass diese Triebe der direkte Weg in die Hölle sind, dann geht dieser Drang nicht weg. Er wird nur verdrängt. Und plötzlich laufen völlig unbefriedigte Männer durch die Gegend, mit jeder sexuellen Versuchung der letzten 40 Jahre in sich angestaut und treffen auf eine Frau, die doch einfach nur ganz unschuldig ihr gottverdammtes BumBum-Kaugummi-Eis essen will. Ein normaler Mensch, der an diesem Tag nicht alleine aufgewacht ist, würde sich dabei gar nichts besonderes denken. Vielleicht fällt mal ein urteilender Blick wegen der Geschmacksverirrung, die die Dame zu der Eisauswahl geritten hat. Aber nur ein Mann Gottes (welcher Gott auch immer) muss da sofort an Oral-Sex denken.

Das bringt mich aber auch zur anderen Seite der Medaille: den eisleckenden Frauen. Die Sexualisierung des Eisessens kommt nicht ganz aus dem Nichts. Diese Tradition dürfte schon so alt sein, wie das Eis selbst. Ob nun am Stil, aus dem Plastiktütchen oder aus der Waffel. Wo eine Frau auf Männersuche ist, ist auch ein Weg. Es ist auch ihr gutes Recht, wofür kämpfen wir denn für den freien Westen, wenn der keinen Spaß versteht? Die Sache ist nur die: Wenn man das Eis nicht mehr ablecken darf, dann dauert es keinen Tag, dann saugen die Damen eben am Löffel, oder am Strohhalm. Oder die Männer bilden sich ein, sie würden am Löffel saugen. Dann dürfen Frauen nur noch aus dem Glas trinken, weil kein Mann seine Herzensdame gerne mit einer anderen Flasche sehen will.

Es ist doch so: Wenn man will, kann man alles sexualisieren. Vom Klempner, über den Staubsauger bis hin zum Kaktus. Trotzdem schaffen wir es als Zivilisation, unserem Alltag nachzugehen. Frauen haben hier die Freiheit, ihr Eis zu essen, wie sie wollen, trotzdem fahren nicht täglich Männer ihr Auto gegen den Baum, wenn sie mal an einer Eisdiele vorbeifahren. Allgemein dürfen Frauen im Westen alles, was Männer auch dürfen – sogar ihre Haare zeigen. Und der westliche Mann? Lebt nicht in der ständigen Versuchung, die ihn zu der Forderung verleitet, die Vollverschleierung einzuführen.

Der Anblick eines nackten Fußknöchels versetzt hier kaum noch jemanden in einer Schockstarre, ein Handgelenk auch nicht. Ossis sind da sogar nochmal mehr abgehärtet, wenn die an einem FKK-Strand von der schönen Aussicht schwärmen, meinen die tatsächlich den Sonnenuntergang. Unsere Gesellschaft erschafft Fortschritt, ohne dass sie vorher alle Frauen wegsperren muss. Wenn Frauen mit Eiscreme in der Hand also eines sind, dann ein Zeichen dafür, dass der Westen doch noch nicht so ganz verweichlicht ist.


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Kommentare ( 104 )

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Manfred_Hbg
1 Jahr her

Zitat: „Für mich offenbart dieser Text in der SZ eben auch ein tieferliegendes Problem: Nämlich was eine zu streng ausgelebte Religion mit einem Menschen anstellen kann“

> Einfach nur kurz und knapp sarkastisch-zynisch-ironisch gesagt: Die Religion der Liebe bzw der Islam gehört zu Deutschland. Wir sehen und hören es jeden Tag mehr.

MeHere
1 Jahr her

Das sind aber komische Phalli, die aussehen, wie Waffeleis … was die Morgenländler doch alles hinein interpretieren. Offensichtlich hat man all diese wirren Vorstellungen nicht zu hause gelassen, sondern transportiert die in einem Anflug von Missachtung der Willkommenskultur ins Tschermany, das mit der Invasion der Hinterwäldler notorisch überfordert ist. Die SZ (SPD Blatt) macht aus dem Bimbotum gleich noch einen Artikel. Klar ist eines: inzwischen sind so viele Millionen „politisch verfolgte“ ins Land gekommen + wird keiner wirklich abgeschoben, dass die Kosten von 30 Mrd EUR / Jahr + der Verwaltungsaufwand + akute Wohnungsnot jede weitere Zuwanderung absurd erscheinen lässt… Mehr

Buck Fiden
1 Jahr her

Der Islam steht nun mal unserer abendländischen Gesellschaft als religionsbestimmter Kulturkreis diametral gegenüber. Wenn wir über das Leben von Werten reden, so reden wir nicht über dieselben Definitionen und Begrifflichkeiten. Das emaniert ausschliesslich aus der Intoleranz von Koran und Scharia. Denn was wir unter Menschenrechten verstehen, wird im Islam mit schönen Worten beschrieben, aber letztendlich ausschliesslich der Scharia untergeordnet. Das zeigt der Vergleich der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 und dem islamischen Pendant in Gestalt der sog. Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam von 1990. Alles, was da an guten Sachen und Werten drinsteht, wird im „Kleingedruckten“ der Scharia… Mehr

fatherted
1 Jahr her

Zwischenzeitlich ist es wohl eher die Frage ob man sich als Frau (oder Mann) noch ein Eis leisten kann….als die, ob sich Frau damit in der Öffentlichkeit zum Lustobjekt macht.

Riffelblech
1 Jahr her

Ob der syrische Autor in der Süddeutschen seinen Freund nicht vielleicht „ „relotiusartig „“hat entstehen lassen ?
Um einfach seine eigene aufgestauten Triebe mal in einem Artikel aufschäumt .
Und die Zeitung ist noch so dämlich und druckt solchen Schwachsinn auch noch .
Zu Fragen und Festzustellen .

Forist_
1 Jahr her
Antworten an  Riffelblech

Ob es den Freund gibt oder nicht sei mal dahingestellt, aber bei mir entsteht der Eindruck, der Freund, oder der Autor stammt eher aus den vom islamischen Staat eroberten Teilen Syriens denn aus Syrien selbst.

EinBuerger
1 Jahr her

Gab es an Ihrer Schule bei bei vorpubertären Unterstufenschülern solch subtile Witze? Das kann ich fast nicht glauben. Bei uns waren die deutlich einfacher gestrickt. Z.B. „Was heißt lateinisch Membrum auf Deutsch? – Hihihi …“

ramses82
1 Jahr her

Mit Impulskontrolle scheint es bei diesen Herrschaften generell nicht so weit her zu sein, was sich ja auch in zunehmenden Messerattaken hierzulande manifestiert. Dieter Nuhr nannte das mal: orientalische Folklore.

Roland Mueller
1 Jahr her

Der Artikel in der SZ zeigt vor allem. wie tief eine ehemals angesehene Tageszeitung sinken kann.

Nevada Schmidt
1 Jahr her

Ich freue mich auf die Kolumne von Herrn  Mohamed Alkhalaf zum CSD.

Last edited 1 Jahr her by Nevada Schmidt
w.k.
1 Jahr her

Wenn ich das lese, denke ich an Michel Houellebecq. Es ist so weit.

Last edited 1 Jahr her by w.k.