Das Bundeswirtschaftsministerium geht kopf- und planlos in den Gasnotstand

In der Gasnotlage soll das BMWK entscheiden, wer Gas bekommt und wer nicht. Eine AfD-Anfrage enthüllt, dass man in Robert Habecks Ministerium nicht einmal weiß, wer das sein soll.

IMAGO / Emmanuele Contini

Es ist ein Szenario, das Albträume bereitet: Gasnotstand in Deutschland. Die wenigen Reserven müssen strategisch aufgeteilt werden. Wer ist als erstes dran? Wer geht leer aus? Der Herbst nähert sich und das Bundeswirtschaftsministerium hat offenbar nicht die leiseste Ahnung, was dann zu tun ist. Das geht aus einer Anfrage des Abgeordneten Leif-Erik Holm hervor, die TE exklusiv vorliegt.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der AfD-Fraktion fragte das BMWK danach, welche Bundesländer bei einem ausbleibenden Gaslieferstopp zuerst und am stärksten betroffen wäre. Antwort: Das Ministerium weiß es schlicht nicht. Zitat:

„Die Bundesregierung hat keine Kenntnis darüber, welche Region bei einem ausbleibenden Gaslieferstopp durch Nord Stream 1 zuerst und prozentual am stärksten von einer Gasmangellage betroffen ist, da dies von einer Vielzahl von Faktoren abhängt, unter anderem dem Zeitpunkt des Lieferausfalls und den dann vorhandenen Speicherfüllständen.“

Das BMWK, das seine Wissenslücken offen kundtut, betont zugleich die Verantwortlichkeit der Bundesnetzagentur, die dem eigenen Geschäftsbereich zugeordnet ist:

„Sollte es zu einer schweren Gasmangellage kommen, hat nach Ausrufung der Notfallstufe durch die Bundesregierung die Bundesnetzagentur als Bundeslastverteiler die Aufgabe, den lebenswichtigen Bedarf an Gas zu decken. Praktisch besteht die Aufgabe des Bundeslastverteilers darin, Gasmengen zu beschaffen, die die durch den Fernleitungsnetzbetreiber gemeldeten Engpasszonen auflösen.“

Und weiter:

„Eingriffe des Bundeslastverteilers sind abhängig von der zu dem speziellen Zeitpunkt gegebenen und absehbaren Situation.“

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Heißt übersetzt, dass man nicht weiß, wer Gas am dringendsten nötig hätte, dass man sich erst einen Kopf darüber macht, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist – und dass man sich trotzdem darauf beruft, im Notfall das Heft des Handelns in der Hand zu behalten. Anfragensteller Holm spricht von einem „Offenbarungseid“ der Ampel in der Energiekrise. „Das wäre Vogel-Strauß-Politik: Den Kopf in den Sand stecken und hoffen, dass der Ernstfall doch nicht eintritt“, sagt der AfD-Politiker gegenüber TE.

Allerdings bezweifelt Holm selbst, dass die Bundesregierung tatsächlich nicht weiß, in welchen Regionen das Gas zuerst ausgeht. Vielmehr wolle sie sich wohl vor „unbequemen Wahrheiten drücken, weil sie den Unmut und die Wut der betroffenen Bürger fürchtet“, vermutet der Abgeordnete. Einen ersten Vorgeschmack habe Habeck in Bayreuth bekommen.

Auch eine zweite Anfrage kann als Drei-Affen-Metapher gedeutet werden. Holm wollte wissen, welche Verbrauchergruppen nach der Ausrufung der Stufe 3 des Gasnotfallplans nicht mehr mit Gas versorgt würden. Auch hier will sich das BMWK nicht in die Karten schauen lassen. Antwort:

„Mit Blick auf die Notfallstufe existiert keine vorab festgelegte Abschaltreihenfolge. Vor dem Hintergrund der Komplexität und mangelnden Vorhersehbarkeit einer konkreten Gasmangelsituation handelt es sich bei den Anordnungen, die die Bundesnetzagentur (BNetzA) als Bundeslastverteilerin im Rahmen der Notfallstufe gegebenenfalls trifft, vielmehr um Einzelfallentscheidungen unter Heranziehung von Abwägungsgründen, basierend auf der aktuellen Versorgungssituation.“

Staatssekretär Patrick Graichen verweist noch auf zwei Links der Bundesnetzagentur – das war’s. Zu viele Informationen könnten die Bürger verunsichern. Dabei wäre es deutlich beunruhigender, sollte die Bundesregierung tatsächlich keinen Abschaltplan haben und nach Gutdünken entscheiden, wenn das Gas ausbleibt. Eine klare Aussage bleibt die Netzagentur in der Frage, ob im Winter die Heizung in den Privathaushalten anbleibt, weiterhin schuldig.

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Die Bundesregierung trickst bei der Abschaltung der Kernkraft
Holm hat für solche Antworten nur Spott übrig. „Es sind eben zwei Paar Schuhe, ob man lediglich ein grünes Luftschloss in der Theorie entwirft, in dem Sonne und Wind ausreichend Energie für alle spenden, oder ob man ganz real die Verantwortung für die Versorgungssicherheit eines gesamten Landes trägt“, erklärt er gegenüber TE. „Möglicherweise ist das zweite Paar Schuhe dann für Habeck und Co. doch ein paar Nummern zu groß.“

Aus dem Ausland kommt indes ein anderer Tipp. In den süd- und osteuropäischen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union stieß die von deutscher Seite gewollte Gaseinsparung bekanntlich auf wenig Gegenliebe. Berlin drängte darauf, durch gesamteuropäische Sparmaßnahmen Reserven für Haushalte und Industrie anzulegen. Die Antwort des slowakischen Wirtschaftsministers Richard Sulík: „Wenn Deutschland Gas sparen möchte, dann möge es doch bitte seine Atomkraftwerke weiterlaufen lassen – beziehungsweise die drei, die letztes Jahr abgeschaltet wurden, die könnten ja wieder ans Netz gehen.“

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Kommentare ( 220 )

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Meinert
1 Jahr her

Es ist eine Schande wie dieses einst so erfolgreiche Land von diesen Grünen Dünnbrettbohrern zerstört wird.

ErwinLoewe
1 Jahr her

Würde man die Stromerzeugung von Erdgas-Kraftwerken durch die 6 KKW von Brokdorf bis Isar 2 ersetzen, würden stündlich ca. 1,68 Mio. m3 Erdgas nicht verbraucht werden.

Erdgas-Minderverbrauch:
Täglich: 40,3 Mio. m3.
Monatlich: 1,2 Mrd. m3.

Freigeistiger
1 Jahr her

Inzwischen dürfte vielen Bürgern klar geworden sein, daß diese grün dominierte Regierung, die sich ganz dem Klima-Irrsinn verschrieben hat, dabei ist, die Fundamente von Wirtschaft und Gesellschaft zu zerstören. Energiekrise und Inflation sind weitgehend hausgemacht und gewollt. Verarmte, hungrige und frierende Bürger senken wie schon die Coronapolitik den CO2-Ausstoß und zur Huldigung des Klima-Gottes kann kein Opfer zu groß sein. Dabei könnte die Energiekrise leicht beendet werden: man müßte nur die unsinnigen Russland-Sanktionen beenden, sich vom selbstauferlegten US-Joch freimachen und North Stream 2 in Betrieb nehmen. Die deutsche Selbstdemontage schadet weder Russland noch hilft sie der Ukraine, ganz im Gegenteil.… Mehr

Britsch
1 Jahr her
Antworten an  Freigeistiger

Man kann es nicht oft genug wiederholen
Deutschland hat eigentlich selbst Gasvorkommen, die für viele Jahre reichen würde. Dieses könnte man auf gleich weise fördern wie das Gas das teuer aus den USA gekauftz wird, gefördert wird.
Aber in Deutschland ist diese Fördermethode „vepönt“
Von den USA kauft m,an aber so gefördertes Bezahlt es teuer (wesentlich teurer als das Gas bisher aus Rußland) und Zahlt zusätzlich noch den Weiten Transport und Anderes das nötig ist.
Nach der Ideologie Derer Die eine Förderung in Deutschland verhindern „umwettechnisch geradezu grotesk, der Größte Frefel und Betrug der Verbraucher

Dieter Rose
1 Jahr her

Ganz banale Frage: Sind die genannten 800 Eur Gasumlage (bzw. 0,05 Cent/kWh) als Gesamtbetrag zu sehen oder als monatliche Kosten?

Teide
1 Jahr her

„Wissen Sie schon“, fragte jemand einen Bekannten, „dass die Maskenproduktion eingestellt werden mußte?“
„Warum?“
„Weil die alten Modelle nicht mehr paßten. Die Gesichter sind zu lang geworden.“

abel
1 Jahr her

Ich stelle mal die These auf: Hätte nicht die Politik ständig Wirtschaftspolitik für Großunternehmen gemacht dann hätten wir heute einen gesunden und starken Mittelstand bei gleichzeitig generell niedrigeren Löhnen. Dann gebe es auch keine Notwendigkeit eines Mindestlohnes.

Last edited 1 Jahr her by abel
Daimondoc
1 Jahr her

Was verlangt ihr von einem Kinderbuchautor, und übrigens erkläre mir mal jemand ob die Grünen je was richtig gemacht haben, außer Kriegstreiberei und Spaltung.
Aber das hört man ja immer öfter wie bestellt so geliefert.

abel
1 Jahr her

Was gerade abläuft beweist wieder: Gute Wirtschaftspolitik ist wenn sich die Politik gänzlich heraushält. Mit Sanktionen und anderen Markteingriffen richtet man am Ende den großen Schaden an.

ErwinLoewe
1 Jahr her
Antworten an  abel

So ist es. Leider will heute jeder mitbestimmen. Selbst die Freiheitlichen mit Christian Lindner an der Spitze glauben, nur sie könnten es richten und werfen täglich Neues an Muss und Darf-nicht unter die Leute.

Wenn man hört, die Regierung müsse Erdgas und Flüssiggas beschaffen oder Brennelemente für Kernkraftwerke, dann bleichen auch noch die letzten Haare aus. Die Vorstellung, Parteikader wie Patrick Graichen, Oliver Krischer und Robert Habeck könnten Wirtschaft, ist absurdes Theater.

Britsch
1 Jahr her
Antworten an  ErwinLoewe

Wie lautet ein spruch,den so in etwa Helmut Schmidt öfter benutzte
“ das größte problem dieser welt ist, die Dummen sind sich Ihrer sache immer absolut sicher und die „Wissenden“ Intelligenten voller zweifel was das Beste ist

abel
1 Jahr her

Hr. Habeck hat wahrscheinlich vorher geglaubt in Deutschland wird Gas nur im Privathaushalt zum kochen und duschen verwendet.

Rob Roy
1 Jahr her

„Robert Habecks Ministerium nicht einmal weiß, wer das sein soll“ Politik, vor allem die grüne, heißt: man möchte regieren, aber bitte bloß keine Verantwortung übernehmen. Das haben sie bei Merkel gelernt und perfektionieren es nun. Den Grünen, die inzwischen die eigentliche Macht haben und mit Habeck quasi den Kanzler stellen, haben es geschafft, dass man ihre grüne Politik nicht mehr mit ihnen als Personen in Verbindung bringt. Deswegen gibt es auch gegen Habeck keine Kritik zu hören. Alles, was passiert wird quasi als Schicksalschlag und Naturkatastrophe angesehen, gegen die man nicht ausrichten kann und sich damit abzufinden hat. Den meisten… Mehr

Kassandra
1 Jahr her
Antworten an  Rob Roy

„Das sind Ereignisse die wir selbst nicht veranstaltet haben, dafür sind wir nicht verantwortlich.“ So der grüne Kretschmann in BW: https://twitter.com/Cybaer/status/1544641742112161792