Advent – Opium für’s Volk

Der Schmerz, ob körperlich oder seelisch, kann die Freude am Leben rauben. Wie gut, dass es Opium gibt! Wie gut, dass es das Seelen-Opium Religion gibt!

picture alliance / empics | Danny Lawson

In meiner Nachbarschaft wohnt ein Mann, der einen total kaputten Rücken hat. Schon mit 15 Jahren hatte er in einer Brauererei schwere Fässer tragen müssen. Das rächt sich heute bitterlich. 

Neulich reduzierte sich sein Leben über Wochen auf unerträgliche Schmerzen. Selbst Im-Bett-Liegen ging gar nicht. Es war zum Wändehochgehen.   

Doch die moderne Palliativ-Medizin hat eine wunderbare Hilfe für ihn: Opium. Opium als Dauergabe in Form von Morphiumpflastern; und bei besonderen Schmerzschüben kann er noch mit Akutmedikation nachlegen. 

So ist mein Nachbar jetzt wieder mittendrin im Leben. Er fährt Auto. Er schiebt den Kinderwagen seiner Nachbarin. Er will ein kleines Buch mit Lebenserlebnissen für seine Familie und Freunde schreiben. 

Opium als Medizin, um am Leben nicht zu verzweifeln. 

Auch ich leide manchmal an tiefen Schmerzen. Zum Glück nicht körperlich im Rücken, aber in meiner Seele, was auch nicht ohne ist. 

Da ist Schmerz, weil der Meinungskorridor in unserem Land enger wird. Was früher noch heiße, aber auch bereichernde Diskussionen auf Augenhöhe ausgelöst hat, das wird heute mit verächtlicher Abspaltung ausgegrenzt. 

Da ist der Schmerz über Verschuldungsorgien von Staaten und Zentralbanken. Es wird frisch und fröhlich auf Teufel komm raus Geld gedruckt, ohne über potentielle Nebenwirkungen nachzudenken und ohne nach weniger schädlichen Lösungen zu suchen. 

Das ist der Schmerz über immer mehr Staat. Von der Frage der Energieerzeugung bis hin zur Größe des weihnachtlichen Familienfestes 2020, überall meint der Besserwisser-Staat, den einzig wahren Ton angeben zu müssen. 

Da ist der Schmerz über eine Kirche, die sich mal wieder zum religiösen Echo des politischen Zeitgeistes macht. 

Da ist der Schmerz über Maßnahmen gegen ein Virus, die keinen Widerspruch dulden, selbst wenn sie noch so viel Schaden anrichten und sich von Fakten und Logik manchmal ziemlich weit entfernt haben. 

Vor lauter Weltschmerz kann es mir den Schlaf rauben, kann es mir die Freude am Leben zermürben. 

Wenn ich nicht mein Opium Religion hätte. 

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Nicht als Droge, nicht als Vertröstung auf einen himmlischen oder auch sozialistisch-irdischen Sankt-Nimmerleinstag, nicht als Weltflucht, die mich abgehoben und unvernünftig werden lässt. Im Gegenteil: Opium als Medizin, um trotz Seelenschmerz mit neuem Elan und Gottvertrauen zum Leben zurückzufinden. 

Der christliche Glaube als Palliativmedizin: Als „Mantel“ (lat. pallium), als „Kapallium“, als „Kapelle“ der Seele, die mich befähigt, trotz Weltenschmerz wieder am Leben teilzunehmen und mich mit meiner Meinung mutig einzumischen. 

Heilsamer Advent – Menschen feiern mit ihren Lieben und Freunden; denn die sind im Leben genauso wichtig wie Gesundheit. 

Heilsamer Advent – Menschen feiern das sinnlichste aller Feste. Denn mit allen Sinnen kommt neuer Sinn ins Leben. 

Heilsamer Advent – Menschen feiern: Gott wird Mensch und nicht Staat. Damit der Mensch in seiner Freiheit und Verantwortlichkeit gestärkt wird gegen einen übergriffigen Staat, der sich von All-Klima bis All-Gesundheit und All-Geld in Allmachtsphantasien verstiegen hat. 

Heilsamer Advent – Christen singen: „Seht die gute Zeit ist nah, Gott kommt auf die Erde, kommt und ist für alle da, kommt, dass Friede werde“ (nach einem alten Weihnachtslied aus Mähren). 

Karl Marx hatte Recht: Religion ist Opium für’s Volk. 

Dabei ist die alles entscheidende Frage: Ist Religion eine illusionäre Droge zur jenseitigen oder diesseitigen Realitätsflucht, so wie es Karl Marx zu recht angeprangert hat? 

Oder ist Religion eine kraftvolle palliative Medizin, damit wir nicht am Weltschmerz verbittern, sondern mit göttlichem Trost immer wieder neu zu Leben und Vernunft und Zuversicht zurückfinden können? 

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Kommentare ( 14 )

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W aus der Diaspora
3 Jahre her

Menschen denen es nicht gut geht brauchen eine Krücke die ihnen hilft durchs Leben zu gehen. Opium gegen Schmerzen und Religion gegen die real existierende Ohnmacht. Gegen körperliche Schmerzen kann evtl. tatsächlich nichts anderes als Opium helfen, aber gegen den „Weltschmerz“? Mir hilft da eine gute Regel: Finde Dich mit dem ab was Du nicht ändern kannst, und ändere das, was Du ändern kannst und Dich stört. Um die zwei Dinge fast immer von einander gut unterscheiden zu können hat die Evolution mir einen Denkapparat mitgegeben und mir erlaubt diesen nach besten Kräften zu nutzen. Sehen Sie, selbst die Sklaven… Mehr

Regenpfeifer
3 Jahre her

Aus „Einer trage des anderen Last“ (einem alten DEFA-Film von 1988): „Warum, warum, warum?“ „-Es gibt keinen Trost gegen den Tod. Außer bei Gott dem Allmächtigen.“ „Dem Allmächtigen!? Der die Erde erschaffen hat, mitsamt den Pestbazillen, der Schwindsucht, dem Krebs?“ „-Ja, Joseph. Seine Wege sind undurchschaubar. Aber es ist ein Trost, dass nichts ohne seinen Willen geschieht.“ „Natürlich. Das ist natürlich außerordentlich tröstlich.. NICHTS ohne seinen Willen.. Konzentrationslager!? Vergasung von Juden!? Die Folterungen, die Verstümmelungen, die Verbrennungen!? Die nicht zu zählenden Ungerechtigkeiten dieser Welt!? NICHTS ohne seinen Willen? Ausbeutung, Unterdrückung, Rassenhass!? -Wenn es ihn wirklich geben würde, Deinen Gott: Millionen… Mehr

Urbanus
3 Jahre her

Ich frage mich, warum wird das Opium so verteufelt ? Es ist schmerzstillend, beruhigend, eigentlich ein Wundermittel. Und alles Natur…

achijah
3 Jahre her
Antworten an  Urbanus

In der Schmerztherapie wird Opium nicht verteufelt!

Urbanus
3 Jahre her
Antworten an  achijah

Stimmt.

Urbanus
3 Jahre her

Ich frage mich manchmal, warum die USA so lange in Afghanistan „sitzen“. Da ist doch eigentlich gar nix, ausser Schlafmohn. Vielleicht deswegen. Karl Marx hatte Recht: Opium fürs Volk.

fatherted
3 Jahre her

Es wird wohl höchste Zeit, dass Cannabis als „Volksdroge“ freigegeben wird. Ein Joint am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen…Abends dann ein Plätzchen und alles wird gut. Übrigens….nur mal so….Medikamente die Opium enthalten sind zwar nicht ungefährlich (wegen des Gewöhnungspotentials) aber für betroffene Schmerzpatienten ein Segen.

Johann Thiel
3 Jahre her

Also, als Katholik bin ich ja der festen Überzeugung, dass man für eine anständige Wochenend-Depression 3 Dinge braucht: Den Sonntag, Worte dazu, und einen Protestanten der diese spricht. Zugegeben, es ist sicher nicht immer leicht die richtigen Worte zu finden, aber kann man in dem Bemühen, eine im weitesten Sinne christliche Botschaft zu vermitteln, nicht einen Moment des Innenhaltens, zur Zwiesprache mit dem Herrn, bezüglich der Zutaten nutzen? Da schlägt der Autor hier doch tatsächlich den Bogen von einem atheistischen Taugenichts und Tagedieb, über ein abhängig machendes Betäubungsmittel zum Christlichen Glauben. Was ist das denn für ein Glaubensverständnis? Man mag… Mehr

achijah
3 Jahre her
Antworten an  Johann Thiel

Wenn Morphium zur Schmerzstillung eingesetzt ein Betäubingsmittel wäre, dann dürfte mein Nachbar nicht mehr Auto fahren. Gegen den Schmerz hilft ihm Morphium zur Klarheit. Dass Morphium bei Schmerzpatienten abhängig mache, soll auch ein Vorurteil sein, denn mein Nachbar erklärt mir, dass Schmerzpatienten kein Verlangen mehr nach Morphium haben, sobald ihr Schmerz etwa durch eine curative Behandlung genommen wird. Dass man sich diesen palliativmedizinischen Erkenntnissen öffnet ist natürlich die Voraussetzung zum Verstehen meines Textes.

Johann Thiel
3 Jahre her
Antworten an  achijah

Lieber Achijah Zorn, sehen Sie bitte meine Kritik vor dem Hintergrund als jemand der den palliativen Einsatz von Morphium-Plastern bis zu Morphium-Spritzen in den letzten Lebensphasen beider Elternteile nur zu gut kennt. Natürlich weiß ich, dass Sie mit Ihrem Beitrag Trost spenden wollen, aber ich denke diesmal ist es halt schiefgegangen. Ihnen einen schönen 1. Advent.

Thuringus
3 Jahre her
Antworten an  achijah

Ihr Nachbar wird, in meinen Augen, aufs übelste als „atheistischen Taugenichts und Tagedieb“ beschimpft und Sie verwaren sich nicht dagegen. Mal abgesehen davon, daß ich im Artikel nichts zur religiösen Überzeugung des Mannes finde. Was hätte Atheismus mit seiner Erkrankung zu tun? Und jemanden als „Tagedieb“ zu bezeichnen, der anscheinend von früher Jugend mit schwerer Arbeit sein Geld verdient und dabei seine Gesundheit ruiniert hat, statt nur auf der Couch zu sitzen, verdient es zurück gewiesen zu werden. Insbesondere da ich auch keinen Hinweis zum Alter des Mannes finde. Vielleicht ist er ja vom Alter her schon im verdienten Ruhestand.… Mehr

Johann Thiel
3 Jahre her
Antworten an  Thuringus

In der Tat, das gibt es. Mit „atheistischem Taugenichts und Tagedieb“ war natürlich Karl Marx gemeint.

Wolf Koebele
3 Jahre her

Das ist ein sehr schöner Text! Die Folgerungen kann auch ich als Atheist nachvollziehen und mir wünschen, möglichst viele Christen (nicht nur evangelische) mögen Kraft daraus gewinnen. In der Tat sind die gegenwärtig wildgewordenen Politiker und ihr Tun ohne schmerzstillende Mittel (muß nicht unbedingt Religion sein) nicht zu ertragen.

achijah
3 Jahre her
Antworten an  Wolf Koebele

Ein Austausch über individuell bevorzugte schmerzstillende Mittel zur Psychohygiene angesichts einer wildgewordenen Politik wäre eine spannende Sache.