Amerika verstehen

Deutsche verstehen die USA nicht. Und man hat den Eindruck: Sie wollen es auch nicht. Dabei schadet die Entfremdung von unserem wichtigsten Verbündeten vor allem uns selbst. Denn der amerikanische Konservatismus entwickelt gerade zukunftsfähige Strategien – während Deutschland auf der Stelle tritt.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Julia Demaree Nikhinson

Wir sind tolerant. Wir haben viel Verständnis für andere Kulturen. Wir sind sensibel. Weshalb sich kein Kind auf Kindergeburtstagen als Indianer verkleiden darf. Wir sind zwar selbst nicht mehr sonderlich gläubig, aber wir segnen alle anderen Glaubens.

Jedenfalls, wenn es den Islam betrifft. Burka, Kopftuch, Gebetsräume in der Schule oder Massengebet auf dem Marktplatz, halal in der Kantine und das Messern von Ungläubigen – höchstens kommt uns da ein „aber das ist ein Einzelfall“ über die Lippen.

Ganz anders das Verhältnis zu den Sitten und Gebräuchen der US-Amerikaner. Nehmen wir die Trauerfeier aus Anlass der Ermordung von Charlie Kirk, ein gigantisches, so noch nie dagewesenes Ereignis. Hundertausende waren live dabei, Frauen, Schwarze, Juden, Latinos und Schwule, viele folgten dem Ereignis in Fernsehen oder Radio.  Weinende und betende Menschen, die „Amazing Grace“ sangen. Eine Witwe, die unter Tränen dem Mörder ihres Mannes verzeiht.

Unter uns Atheisten: das mag ein wenig pathetisch sein, das ist nicht so unser abgeklärtes Ding. Aber ist das nicht unendlich viel friedlicher als die Aufmärsche jener, die die Juden ins Meer wünschen und allen anderen die Herrschaft des Kalifats samt Prügelstrafe? Und überhaupt: war nicht auch Deutschland einst ein christliches Land?

Unsere Hauptmedien aber sehen in den USA offenbar den Teufel am Werk. Und unsere Religiösen auch. Etwa im „Wort zum Sonntag“, serviert von der einstigen Pastorin und jetzigen Kirchenfunktionärin Annette Behnken aus Hannover, die meint, es sei pures Gift, wenn „ein rechtsradikaler Rassist verharmlost wird als ein Konservativer, der die Jugend begeistert habe“. Rechts war Kirk gewiss, aber radikal? Und Rassist? Wie so viele andere hat Behnken sich gar nicht erst die Mühe gemacht, sich einmal anzuschauen, wie Kirk agiert hat. Sonderlich christlich ist das nicht.

Auch andere deutsche Medien haben sich die Mühe nicht gemacht. Elmar Theveßen oder Dunja Hayali tröten Lügen über den Ermordeten in die Welt. Und über die Trauerfeier wird vor allem gespöttelt: „Das Ganze hatte etwas von einer Heiligsprechung von Charlie Kirk“, sagte Torben Börgers im ARD-Morgenmagazin. „Es war aber gleichzeitig auch eine Kampfansage an alle, die nicht so gedacht haben wie er.“ Das nun widerspricht allem, wofür Kirk stand: er redete mit jedem. Egal: „US-Präsident Donald Trump nutzte die Gedenkfeier für Charlie Kirk als Machtdemonstration.“ „Jetzt soll Kirks Witwe den MAGA-Nachwuchs aufpeitschen“, peitscht es im Spiegel, der die Trauerfeier „bizarr“ und Trump „Witwentröster mit Hassbotschaft“ nennt.

Ein gewisser Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität Köln mit Namen Thomas Jäger geht noch ein wenig weiter: „Das Selbstverständnis bei der ‚Trauerfeier‘ (sic!) mag das eines religiösen Patriotismus sein. Es ist jedoch ein mit religiöser Sprache aufgeladener Nationalismus, dem es vor allem darum geht, festzulegen, wer aus der amerikanischen Gesellschaft ausgeschlossen werden soll.“

Also: die haben alle gar nicht richtig getrauert? Sondern wollten Elmar Theveßen für seine üblen Lügen ausweisen? Alles nur ein „Marketingevent“?

Scherz beiseite. Aus dem Professor spricht die insbesondere bei den deutschen Salonlinken tief verankerte Verachtung für die „primitiven“ Amerikaner, bei denen irgendwie alles Show und Marketing ist und die trauernde Witwe, pfui, Makeup und Blingbling trägt.

Kann es sein, dass unsere Verlautbarer in Deutschland vom Islam weit mehr verstehen als davon, wie Amerika tickt? Amerika war das Land, in das viele Europäer einwanderten, weil man sie hier nicht daran hinderte, ihre Religion zu leben. Heute sind die Protestanten noch immer in der Mehrheit, gefolgt von den Katholiken und den Nichtreligiösen. Nichtchristliche Religionen, Juden eingeschlossen, machen etwa 5% aus. Noch heute spielt der Glaube eine große Rolle im Land  – und er inszeniert sich oft weit sinnesfreudiger als in Deutschland. Die Trauerkleidung ist nicht schwarz, sondern eher weiß. Und man redet weniger vom Tod, als vom Himmel.

Erika Kirk hat sich nicht verschleiert und verhüllt, und sie hat eine bemerkenswerte Rede gehalten. Bemerkenswert nicht nur, weil sie dem Mörder ihres Ehemanns öffentlich verzieh. Sondern auch, weil sie den konservativen Kern seines Anliegens zusammenfasste, den man im nicht mehr sonderlich christlichen Deutschland nur noch für reaktionär hält. Bei uns gelten Männer als toxisch und verzichtbar. Kirk aber wollte die Verlorenen retten, ihnen eine Aufgabe geben, so die Zusammenfassung durch seine Frau: „Lebt echte Männlichkeit. Seid stark und mutig für eure Familien. Liebt eure Frauen und führt sie. Liebt eure Kinder und beschützt sie.“ Und seht eure Frauen nicht als Dienstmädchen oder Sklavin an.

Das benennt nichts anderes als eine Lebens- und Überlebensstrategie. Aber das haben die aufgeklärten Deutschen längst vergessen.

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Kommentare ( 98 )

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Elmar
2 Monate her

Oh Frau Stephan, die EKD ist doch spätestens seit dem Tausendjährigen Reich dafür bekannt, dass sie sich von vorne bis hinten an die jeweils Regierenden anbiedert. Diesen absurden Verein sollte man nicht so ernst nehmen.

Kassandra
2 Monate her
Antworten an  Elmar

Es wäre erneut fahrlässig, es nicht zu tun.
Zumal man weiß, wie sie damals agierten.

moorwald
2 Monate her

Da ist einmal die riesige Fläche, die bewußtseinsprägend wirkt. Dann die völlig andere Entstehungsgeschichte und damit verbunden ein sehr lebendiges Geschichtsbewußtsein. Schließlich der ungebrochene Glaube an den American Way o Life . man mag davon halten, was man will. Die Kraft zu stetigen Erneuerung.
Nächstes Jahr wird der 250. Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung begangen werden. Mit entsprechendem Pomp. Die Verfassung und Stars and Stripes – das sind die USA.
Der deutsche Blick aufs Ausland ist und bleibt provinziell

Last edited 2 Monate her by moorwald
Maja Schneider
2 Monate her

Danke, liebe Frau Stephan, für diesen wohltuenden Beitrag. Bei uns im Land hat man uns die Emotionen, jedenfalls die ganz natürlichen, ausgetrieben, die gibt es nur noch beim Fußball in völlig überzogener Weise. Was den Umgang mit den USA angeht, macht der politmediale Komplex wirklich alles falsch, was nur möglich ist, und ein Großteil der Gesellschaft macht mit, um ja auf der richtigen Seite zu stehen, ohne Debatte, ohne Akzeptanz anderer Meinungen, es ist bequemer so!

Lausi
2 Monate her

Die unfassbare Arroganz der Deutschen gegenüber Amerika spottet jeder Beschreibung. Ich habe schon als Kind Amerika geliebt und verstehe es sehr gut. Nie war und bin ich so glücklich, als wenn ich dort sein durfte und darf. God bless America!

Winnetou
2 Monate her

Ich habe die USA immer verstanden und geliebt! Ich habe dort Urlaub gemacht, dort gelebt und freue mich auf meinen nächsten Urlaub dort im Herbst!
America, the beautiful!
PS: Dieser Prof. Thomas Jäger ist ein eitler Klugschwätzer. Irrelevant!

Last edited 2 Monate her by Winnetou
Kassandra
2 Monate her
Antworten an  Winnetou

Er wird auf SecRubios Liste kommen und Einreiseverbot erhalten. Gut wäre, er erführe davon erst nach dem Hinflug im ImmigrationOffice: America will not host foreigners who celebrate the death of our fellow citizens. Visa revocations are under way. If you are here on a visa and cheering on the public assassination of a political figure, prepare to be deported. You are not welcome in this country. https://x.com/SecRubio/status/1967784061721776521 MARCO RUBIO: “There’s no shortage of idiots around the world who think it’s a great idea to murder someone.” https://x.com/townhallcom/status/1968048421379682754 Ihnen schöne Tage im „land of the free“ – und beschreiben Sie doch, was Sie… Mehr

Hannibal ante portas
2 Monate her

Der heutige linke Deutsche ist im Gegensatz zu seinem Selbstverständnis viel „deutscher“ als der heutige rechte Deutsche. Er ist überhaupt nicht intellektuell in der Lage zu verstehen, dass in ihn immer noch der wilhelminische Leitsatz „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“ weiterwirkt, ganz egal ob seine Flagge von schwarzweißrot in regenbogenfarben gewechselt hat. Dieses Land ist zum dritten Mal in gut hundert Jahren dabei komplett die Bodenhaftung zu verlieren und die Welt mit in den Abgrund zu ziehen. Die Bedeutung unseres Landes ist groß. Im Guten wie im Schlechten. Es ist der Schlüssel Europas und damit auch heute noch… Mehr

Markus Gerle
2 Monate her

Zitat: „Kann es sein, dass unsere Verlautbarer in Deutschland vom Islam weit mehr verstehen als davon, wie Amerika tickt?“
Nein, vom Islam in seinen unterschiedlichen Ausprägungen verstehen die Salonlinken ebenso wenig wie von der US-Amerikanischen Kultur. Wenn ich mir unsere links-grünen Ideologen so ansehe, stelle ich fest, dass deren interkulturelle Kompetenz gegen 0 geht. Das ist mit ein Grund für die desaströse Einwanderungspolitik.

Kassandra
2 Monate her
Antworten an  Markus Gerle

Das Beispiel Persien kann aber doch auch an linken, die sich dort aufgeknüpft an Laternenmasten, gar Kränen wieder fanden, nicht spurlos vorbei gegangen sein? „Iraniens never wanted an Islamic Republic: I need ppl to know this. It was a left wing revolution that allied w Islamists. Once they won, the Islamists killed the socialist/communist leaders, hijacked the revolution, and called ist Islamic. Iranians have been fighting since day 1.“ https://twitter.com/YasMohammedxx/status/1585256666731524096 Dort auch: „Muslims have and still are ethnically cleansing the lands they colonized. Afghans used to be Buddhist. Iraq was Christian. What do you think happened to all the Jews… Mehr

FredericWeatherly
2 Monate her

Frau Stephan, das Zitat von Stirner (1844) lag so nahe:

Unsere Atheisten sind fromme Leute.

Nibelung
2 Monate her

Wer sind die sogenannten Amerikaner überhaupt, wo man 180 indigenen Völkern einfach das Land geraubt hat und sie in Reservate steckte und sie vorher noch liquidierte, wenn sie sich gewehrt haben und ihre Heimat verteidigen wollten. Was mit der ersten Schandtat von eingedrungenen Europäern vollbracht wurde, hat man fortgesetzt mit der Einfuhr von billigen Arbeitssklaven aus Afrika und die wurden über lange Zeit als Menschen zweiter Klasse gesehen und beides zusammen war wahrlich nicht christlich und wer unter dieser Voraussetzung später mit dieser Hypothek belastet der Welt Anstand und Moral beibringen wollte, hätte besser mal vor der eigenen Haustür kehren… Mehr

HansKarl70
2 Monate her
Antworten an  Nibelung

Das Eine ist so falsch wie das andere, aber leider menschlich. Wie das zu lösen ist? Keine Ahnung, wahrscheinlich eine Jahrtausendfrage. Zwei Menschen= zwei Meinungen, hundert Menschen=hundert Meinungen.

Winnetou
2 Monate her
Antworten an  Nibelung

Antiamerikanischer Unfug!

ratatoesk
1 Monat her
Antworten an  Winnetou

Hmm, hier ist kein Forum ich weiß,aber den ein oder anderen Hinweis ,welcher der oben genannten ,geschichtlich schriftlich und mit Fotos belegten Geschehnisse , ist denn Ihrer Meinung nach Unfug !?

Ronce
2 Monate her

Woher immer dieser Irrglaube, dass die Linken nicht wissen, wer Charlie wirklich war?
Es sind Faschisten, die Hass sähen und ohne ihre Strukturen schon längst den Hungertod gestorben wären.
Ein Thevesen, die Pastorin etc. sind Funktionäre, die niemals wertschaffend gearbeitet haben und es auch nicht können.
Es sind Influencer des Hasses, der Unterdrückung und des Faschismus! Sie wissen genau, was sie tun und man muss ihnen auch niemals verzeihen.
Das ist das gute am Atheismus. Sollen deren Götter ihnen verzeihen, wir müssen es nicht.

HansKarl70
2 Monate her
Antworten an  Ronce

Glauben heißt nicht wissen.