Wirecard: kollektives Versagen

Wirecard-Skandal ist nun auch ein Skandal des Präsidenten der Bafin, Felix Hufeld, und seines obersten Dienstherrn, des Finanzministers Olaf Scholz.

imago Images/Sven Simon

Es ist sicherlich einer der größten Bilanzbetrugsskandale in Deutschland. Der Zahlungsdienstleister Wirecard hatte einen beeindruckenden Aufstieg bis in den Deutschen Aktienindex DAX, der jetzt zum tiefen Fall wird. Das Unternehmen ist pleite. Erst hieß es, 1,9 Milliarden Euro seien reine Luftbuchungen. Jetzt hat man den Eindruck, dass das wundersame Verschwinden der umgerechnet rund 50 Peanuts nur die Spitze des Eisbergs sind, und das Ende noch nicht erreicht ist.

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Die Strafermittlungsbehörden sind alarmiert und ermitteln auf Hochtouren. Vorstände werden verhaftet oder sind auf der Flucht. Tausende Anleger, die entweder direkt oder indirekt über Investmentfonds in Wirecard investiert waren, haben bis zu 99 Prozent ihres Kapitals verloren. Im August 2018 erreichte die Aktie einen Höchststand von 191 Euro und das Unternehmen eine Börsenkapitalisierung von 24 Mrd. Euro. Inzwischen fiel der Kurs zeitweise auf 1,09 Euro. Die Anleger haben auf die Richtigkeit der Bilanzen vertraut und fühlen sich nun jäh getäuscht. Und sie haben auf eine staatliche Finanzmarktaufsicht vertraut, die im internationalen Vergleich einen guten Ruf genoss. Beides war offenbar nicht gerechtfertigt.

Hinweise auf die Manipulation gab es bereits 2008, als die erste Leerverkaufs-Attacke gegen Wirecard geführt wurde. 2016 folgten weitere, und im Februar 2019 schaltete sich sogar die Financial Times ein. Und dann reagierte endlich auch die zuständige Finanzaufsicht BaFin, auch aufgrund konkreter Hinweise eines Informanten. Aber nur verhalten und viel zu spät.

Die BaFin steht deshalb unter Beschuss. Zu Beginn der Gerüchte ist sie lediglich gegen Insider bei Börsenspekulationen vorgegangen. Die Inhalte der Gerüchte vernachlässigte die oberste Finanzaufsicht jedoch. Diesen Vorwurf muss sich die Behörde mit ihren 2.700 Mitarbeitern jetzt machen lassen.

Zwar hat die Bafin die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR), die auch als Bilanzpolizei bezeichnet wird, am 15.2.2019 mit einer vollumfänglichen Bilanzprüfung beauftragt. Doch die aus 25 Personen bestehende DPR ist dazu personell gar nicht in der Lage. Seit dem 15.2.2019 beschäftigt sich dort sage und schreibe eine Person mit Wirecard.

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Im Mai 2020, also 15 Monate später, fragte die BaFin nach einem Zwischenbericht zu Wirecard nach und die DPR versprach diesen für Anfang Juli 2020. Erst am vergangenen Sonntag hat das Finanzministerium der DPR die Pistole auf die Brust gesetzt und einen Abschlussbericht angefordert. Dies konnte die DPR wohl nicht liefern, daher kündigte das zuständige Justizministerium fristgerecht zum 31.12.2021 den Vertrag mit dem privatrechtlichen Verein. Spätestens hier wird das Problem Wirecard auch ein Problem dieser Regierung. Wenn die Regierung mit der Arbeit der DPR unzufrieden ist, warum kündigt sie dann den Vertrag nicht gleich fristlos? Was passiert in den nächsten eineinhalb Jahren? Wird dann immer noch mit Wattebäuschchen auf Elefanten geschossen?

Und warum hat die BaFin das Verfahren nicht frühzeitig an sich gezogen? Die Möglichkeit hatte sie. Wenn sie der Auffassung ist, dass eine ordnungsgemäße Durchführung der Prüfung durch die Prüfstelle nicht möglich ist, dann hätte sie einschreiten können, nein: müssen! Der Skandal ist daher ein Skandal, der nicht nur organisatorisches Versagen offenbart, sondern auch personelles Versagen. Parlamentarische Anfragen wurden lange ignoriert oder bagatellisiert. Das rächt sich nun. Jetzt ist der Wirecard-Skandal auch ein Skandal des Präsidenten der Bafin, Felix Hufeld, und seines obersten Dienstherrn, des Finanzministers Olaf Scholz.

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Kommentare ( 14 )

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Karina Gleiss
3 Jahre her

Was soll man sagen. Symptomatisch für fast alles im Lande. Im besten Deutschland, das es je gab.

nomsm
3 Jahre her

Um sich einen Überblick zu verschaffen, lohnt es sich die kleinen Anfragen zum Thema Wirecard zu lesen. Die Bundesregierung bezeichnet darin die Leerverkäufer quasi als „Kriminelle“ die dem Ansehen des Standortes Deutschland schaden. Ob an den Vorwürfen was dran ist, hat die nicht interessiert. Auch das Aussetzen der Leerverkäufe wurden offensichtlich direkt von der Regierung „befohlen“ aus besagten politischen Gründen. Eine weitere Behörde die politisiert wurde und keine Unabhängigkeit hat. Dazu noch komplett aufgebläht. Ich habe auch schon früher als Berater mit denen indirekt zu tun gehabt, wo eine Bank über Jahre offensichtliche fehlerhafte Zahlen an die gesendet hat und… Mehr

Bernd Schulze sen.
3 Jahre her

Wirecard ist das Spiegelbild einer von Merkels Regierung betrieben Finanzpolitik und dem Unvermögen des Finanzministers.

Gisela Fimiani
3 Jahre her

Dem Land, das seine Bürokratie verehrt, liegt jeder bürokratie-kritische Gedanke fern. Bürokraten dienen vor allem der Bürokratie und damit sich selbst. Je omnipotenter und aufgeblähter der, durch Politiker eingesetzte Bürokratieapparat, desto besser wird das Volk in Schach gehalten. Sein Scheitern wird entweder vertuscht, oder durch endlose Schuld-Relativierungen ins Gegenteil verkehrt. Zur Verantwortung werden Bürokraten und deren politische Vorgesetzte nicht gezogen. Gelegentlich gibt es ein Bauernopfer. Auch dieses „Versagen“ wird weder für verantwortliche Politiker, noch für inkompetente Bürokraten nennenswerte Konsequenzen haben. Die einzige Konsequenz ist womöglich : mehr Bürokratie…..

marxzii
3 Jahre her

In welchem Zusammenhang steht dieser Skandal mit der Tatsache, dass der halbe Aufsichtsrat ganz schick und modern aus Quotenprinzessinnen mit offensichtlich aufgebauschten und konstruierten Lebensläufen besteht?

Sogar „KI-Forscherinnen“ sind dabei: sowas von hipp!

Sieht so der moderne Bankraub aus?

Kristallo
3 Jahre her

Wenn ich vom Versagen des BaFin-Chefs lese, fällt mir der Name Haldenwang ein.
Läuft wohl alles nach dem gleichen Muster ab.

Guter Heinrich
3 Jahre her

Der Wirecard-Skandal folgt dem bekannten Erfolgsmuster der besten deutschen Regierung aller Zeiten. Fassadenartige Strukturen erwecken den Anschein von Sicherheit, von Seriosität. Dahinter verbirgt sich wenig, nichts oder etwas ganz anderes. Kritik wird verleugnet und bekämpft. Wenn es denn sein muss, leitet man ein Placebo als Alibihandlung ein, damit das Loch im Damm ein Dammbruch, das Steinchen in der Felswand eine Steinlawine werden kann. Die Folgen gibt es offiziell nicht. Oder sie sind nur von lokaler Bedeutung, keine große Nachricht wert. So gesehen gibt es keinen Unterschied zwischen jetzt sind sie halt da, die Millionen, und jetzt sind sie halt weg,… Mehr

StefanB
3 Jahre her

Es ist allgemein bekannt, dass die Bafin nur ein Plazebo ist. Nebenbei: Es gibt aktuell einen viel eklatanteren Fall von kollektivem Versagen, nämlich erneut dem des Bundestags. Die sozialistischen Blockparteien, inklusive FDP versteht sich, wollen in bereits hinlänglich bekannter Manier kurz vor Toresschluss, sprich vor der Sommerpause, der EZB heute im Eiltempo einen Freibrief für ihre vom Bundesverfassungsgericht teilweise für rechtswidrig befundenen Anleihekäufe ausstellen.* „Am Donnerstag soll der Bundestag über einen fraktionsübergreifenden Antrag von Union, SPD, FDP und den Grünen entscheiden. Darin kommen die Parteien zu dem Schluss, dass die Notenbank die von den Karlsruher Richtern geforderte Prüfung der Verhältnismäßigkeit… Mehr

Ananda
3 Jahre her

Als nächstes die Banken, die Zombie Unternehmen und der Euro. Ist ja wohl ebenfalls klar was sich da abspielt.

Augen zu und Märchenplatte auflegen. Deutschland seit der „großen Transformation“.

MFK
3 Jahre her

Zunächst einmal ist ja wohl der Aufsichtsrat zu kritisieren.