Olaf Scholz ist auf dem Holzweg

Die Euro-Finanzminister haben erneut ihre Chance einer grundsätzlichen Reform der Eurozone vertan. Sie haben sich nur mir Marginalien beschäftigt. Die Letztsicherung für die Bankenabwicklung ist eine erneute Vergemeinschaftung von Bankrisiken zu Lasten der Steuerzahler.

© DANIEL ROLAND/AFP/Getty Images

Fangen wir mit den positiven Nachrichten an. Die Vereinbarung der Euro-Finanzminister vom Dienstag ermöglicht im Zweifel vielleicht eine verbesserte Umschuldung von Euro-Staaten. Bereits seit 2010 war man innerhalb des Euro-Clubs der Meinung, dass so genannte Collective-Action-Clauses in den Anleihebedingungen verbindlich eingeführt werden müssen, damit die Zustimmung für eine Umschuldung nicht von einzelnen Anleihehaltern verhindert werden könne. Stattdessen solle hierfür eine qualifizierte Mehrheit ausreichen. Bei vielen Staatsinsolvenzen verhinderten zuvor einzelne Gläubiger eine Vereinbarung mit den Schuldnern, da diese sich einer Einigung aus taktischen Gründen verweigerten.

Staaten, die dem Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM beitraten, mussten seit 2013 bei Anleiheemissionen diese Klauseln in ihre Anleihebedingungen aufnehmen. Offen war immer, ob dies im Ernstfall auch wirklich funktioniert. Immerhin muss irgendjemand die Interessen der Gläubiger bündeln. Künftig soll dies der ESM tun. Ob dies dann funktioniert, wird sich schon bald zeigen. Die Einschläge kommen bekanntlich wieder näher. Allein das überschuldete Italien hatte bereits Ende 2016 Anleihen in der Größenordnung von über 902 Milliarden Euro mit CAC-Klauseln versehen. Vielleicht kommen diese schneller zum Einsatz als Viele denken.

Denn die Frage, wie sich die italienische Regierung künftig verhält, ist für die Zukunft der Währungsunion von entscheidender Bedeutung. Auch wenn die Regierung Conte erst gestern Signale ausgesandt hat, dass sie ihren Haushaltsentwurf 2019 nun doch überarbeiten und das geplante Defizit reduzieren würde, ist die Wahrscheinlichkeit, dass es die Lega und die Fünf-Sterne-Bewegung doch auf einen Bruch ankommen lassen, viel höher. Im Zweifel sitzt Italien am längeren Hebel. Sie sind Nettozahler in den EU-Haushalt. Strafzahlungen könnten sie einfach mit der Kürzung ihrer Zahlungen in den EU-Haushalt kompensieren. Denn wie wahrscheinlich ist es, dass sie sich an die Aufforderung zur Strafzahlungen halten, wenn sie an anderer Stelle europäische Vereinbarungen auf offener Bühne brechen.

Italien ist in einem Dilemma. Seit 10 Jahren herrscht faktisch ökonomischer Stillstand im Land. Immer noch ist Italiens BIP deutlich unter dem Krisenjahr 2008. Das Bankensystem ist überschuldet, die Wirtschaft lahmt und die staatliche Verschuldung erdrückend. Eine Fremdbestimmung wie in Griechenland kommt für die stolzen Italiener sicherlich nicht in Frage. Ein Austritt aus der Eurozone ist daher im Bereich des Möglichen. Das liegt auch an der Struktur der Verschuldung. 97,5 Prozent der Anleihen sind nach italienischem Recht begeben, lediglich 2,5 Prozent nach angelsächsischem. Tritt Italien aus dem Euro aus, dann ist ein Schuldenschnitt schon dadurch gegeben, dass die italienischen Anleihen in neue Lira umgewandelt werden könnten. Die Target-Verbindlichkeiten in Höhe von 489 Mrd. Euro der italienischen Notenbank gegen das Euro-System sind ohnehin uneinbringlich. Auch wenn EZB-Präsident Mario Draghi etwas anderes behauptet – dazu ist in den Europäischen Verträgen nichts vereinbart. Daher gehört auch dies zum möglichen Erpressungspotential der italienischen Regierung.

Schon allein dieser Sachverhalt zeigt, dass die Euro-Finanzminister erneut ihre Chance einer grundsätzlichen Reform der Eurozone vertan haben. Sie haben sich nur mir Marginalien beschäftigt. Die Letztsicherung für die Bankenabwicklung ist eine erneute Vergemeinschaftung von Bankrisiken zu Lasten der Steuerzahler. Niemand glaubt ernsthaft, dass 60 Mrd. Euro für die Abwicklung auch nur einer mittleren europäischen Großbank ausreichen. Die Erweiterung der Aufgaben für den ESM rettet die falsche Architektur des Euro auch nicht. Ebenso wenig kann das Eurobudget, das Investitionsgelder für Wohlverhalten verspricht, das schleichende Auseinanderfallen der Eurozone stoppen. Eigentlich sind es selbst für diejenigen, die für eine weitere Vergemeinschaftung der Risiken eintreten, enttäuschende Vereinbarungen. Weder ist der Eurohaushalt nennenswert, noch kommt die europäische Einlagensicherung zeitnah, noch ist die europäische Arbeitslosenversicherung in Sicht. Insofern kann man auf der einen Seite froh sein, auf der anderen Seite jedoch zeigt sich wieder einmal die Reformunfähigkeit der Eurozone.

Der Regierung Merkel muss man das zum Vorwurf machen. Ideenlos tapert diese Regierung seit vielen Jahren in der Euro-Krise umher, ohne Konzept und Ideen. Notwendig wäre eine stärkere Verankerung des Haftungsprinzips. Im Einzelnen heißt das: wer das Target-Problem lösen will, muss Banken auferlegen, dass sie Staatsanleihen risikogerecht mit Eigenkapital unterlegen müssen. Wer das Erpressungspotential der Target-Verbindlichkeiten lösen will, muss dafür sorgen, dass diese Verbindlichkeiten bei einem Ausscheiden eines Mitgliedsstaates zu echten Verbindlichkeiten werden, die dann auch eingefordert werden können.

Wer das ökonomische Auseinanderfallen des Euroraums lösen will, muss geordnete Ausstiegsverfahren aus dem Euro ermöglichen. Wie schwer, aber wie notwendig dies zugleich ist, zeigt der Brexit. Und wer die Disziplinlosigkeit der EZB verändern will, muss dafür sorgen, dass diese ihre unkonventionelle Geldpolitik endlich beendet. Letzteres ist wohl der größte Brocken. Dennoch, wer daran nicht arbeitet, macht nur Symbolpolitik, die schon bald ihr Ende finden wird.

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Kommentare ( 11 )

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Roland Mueller
5 Jahre her

Die europäische Arbeitslosenversicherung bedeutet im Klartext Peanuts für alle. Ganz egal wer wie viel einzahlt. Wer soll daran ein Interesse haben, außer Ländern, bei denen die Arbeitslosenversicherung chronisch klamm ist wie z. B. in Frankreich?

Lothar Finger
5 Jahre her

…ist eigentlich bekannt, das kein Staatsanwalt, kein Polizist, kein Richter ein Recht auf Akteneinsicht bei der EZB hat? ( Sozusagen exterritoirales Gebiet) Das der Draghi mit samt seinem Stuff Immunität genießt wie ein Diplomat? Warum – wozu ist das gut? Keiner hat das Recht eine Antwort von Herrn Draghi zu bekommen; wenn ihm eine Frage nicht passt – antwortet er einfach nicht und nichts und niemand auf der Welt kann ihn dazu ermuntern! Wer hat solchen Schwachsinn zugelassen? Sehenden Auges wanken wir auf den großen Crash zu, welcher uns alle zu Boden schlagen wird und wir können der EZB nur… Mehr

EURO fighter
5 Jahre her
Antworten an  Lothar Finger

EZB: Sozusagen exterritoirales Gebiet: Nicht sozusagen, es ist exterritorial.
Immunität: Dieses Privileg hat nicht nur Draghi, sondern auch die komplette ESM-Mannschaft:
„Die Mitglieder des Gouverneursrats, die Mitglieder des Direktoriums und alle Bediensteten des ESM genießen Immunität von der Gerichtsbarkeit hinsichtlich ihrer in amtlicher Eigenschaft vorgenommenen Handlungen und Unverletzlichkeit hinsichtlich ihrer amtlichen Schriftstücke und Unterlagen (Art. 35)“ (Wikipedia).
Die ganzen EU- und €-Veranstaltungen sind Highlights der Demokratie [Sarkasmus off]

Marcel Seiler
5 Jahre her

Natürlich brauchen wir eine Ausstiegsklausel aus dem Euro. Im Moment sind die Euro-Staaten wie an Händen und Füßen aneinander gebundene Schwimmer. Keiner kann für sich allein schwimmen, und genau deshalb werden sie gemeinsam ertrinken.

Absalon von Lund
5 Jahre her

Die EURO-Zone kann man nicht reformieren. Das ist wie mit einem gestrickten Socken, der eigentlich eine Mütze werden sollte. Da hilft nur auftrennen, bis man die Wolle wieder auf einem Knäuel hat und dann fängt man nocj einmal von vorne an und jetzt bitte richtig herum!

Gernot Radtke
5 Jahre her

Das Ende kommt spätestens dann, wenn Deutschland ausgeplündert ist und auf einem Giga-Himalaya wertloser Forderungen sitzt. Dann gucken sie alle, vor allem die Deutschen, sehr sehr dumm aus der Wäsche. Warnungen haben sie genug erhalten. Hochkarätige Expertise wie die von Herrn Schäffler, TE und vieler anderer auch. Also müssen die Deutschen wieder einmal durch den schlimmsten Dreck des (diesmal linksgewirkten) Staatschaos hindurch. Keine guten Aussichten. Die EU wird es nicht verhindern; ihr fehlen bekanntlich die republikanischen Krieger und jede Kriegswilligkeit.

W aus der Diaspora
5 Jahre her

Für eines hat der Euro jedenfalls gesorgt, die Angst vor einer Währungsreform scheint bei den Deutschen weg zu sein. Die Renten, Löhne und Gehälter wurden 1990 1:1 in die DM gewechselt. Zwar verloren viele bei Sparkonten fast 50% ihres Geldes, dafür konnten sie aber danach etwas für ihr Geld bekommen und mussten nicht mehr 10 Jahre auf ein Auto warten. Bei der Umstellung auf den Euro verlor erst einmal niemand Geld. Die Preise zogen erst nach einer gewissen Zeit an, das hätten sie wohl auch bei der DM gemacht. Es ist allerdings fraglich, ob jemand bereit wäre 4 DM für… Mehr

GermanMichel
5 Jahre her

Wieso eigentlich falsche Architektur des €uro? Es ist ja wohl die falsche Architektur des Bankensystems, die hier das Problem ist. No Bailout, und alle die ? an offensichtlich Zahlungsunfähige verleihen werden als „unfit“ aus dem System eliminiert, und die Übriggeblieben werden sich hüten, Griechenland, Italien etc bedingungslos Kredit zu geben. Die Banken sind die eigentliche Ursache des Problems, unfähig auch nur irgendeinen positiven regulierenden Marktmechanismus zu liefern, unwillig im Stammland steuern zu zahlen, aber immer vorne dabei wenn es gilt via Schuldendienst bis zu 10% des BSP der Staaten abzusaugen, als Vollversager die genau an den Missständen fett verdienen, die… Mehr

Klaus Mueller
5 Jahre her

Das Endspiel um die wirtschaftliche Bedeutung Europas hat schon längst begonnen. Derzeit lauschen wir der Ouvertüre. Es folgt ein Requiem in mehreren Akten. Das Finale wird neblig-trüb in Moll. Man möge sich aus nostalgischen Gründen jeweils ein Exemplar aller Euro-Banknoten sowie -Münzen zur Seite legen. Nach dessen Ende werden die meisten ihr keine Träne nachweinen und Restbestände könnten rar werden.

Thomas Holzer
5 Jahre her

Sozialisten sind mittlerweile in 99,99% aller Fälle auf dem Holzweg 😉

The Saint
5 Jahre her
Antworten an  Thomas Holzer

Das ist zu 0,01% Fake News.