Lösung für die Altersvorsorge: Ein Depot, in dem jeder sparen kann, wie er will

Oswald Metzger hat sich hier für die Pflicht zur zusätzlichen kapitalgedeckten Altersvorsorge ausgesprochen. Doch die Erfahrungen mit der Riester-Rente zeigen, dass staatliche Vorgaben bei Alterssicherung nicht funktionieren. Es gäbe eine bessere Lösung.

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Vor einer Woche hat sich Oswald Metzger hier an dieser Stelle für eine verpflichtende kapitalgedeckte Altersvorsorge als Ergänzung zur umlagefinanzierten gesetzlichen Rente ausgesprochen. Dem will ich vehement widersprechen.

Das beste Argument liefert Oswald Metzger höchstselbst, wenn er auf die heutigen Probleme der Riester-Rente verweist. Die Riester-Rente war zu Beginn eine gute Idee. Erstmalig förderte der Staat auf breiter Front die Altersvorsorge für Geringverdiener und kinderreiche Familien. Auch der Sonderausgabenabzug machte die Riester-Rente für Arbeitnehmer und Beamte attraktiv. Selbst ohne Obligatorium gibt es heute 16,5 Millionen Verträge. Doch an der Riester-Rente kann man sehr schön sehen, was schiefläuft, wenn die Regierung, das Parlament oder Politiker meinen zu wissen, wie Altersvorsorge für den Einzelnen aussehen soll.

METZGERS ORDNUNGSRUF 46-2019
Ohne verpflichtende Zusatzvorsorge droht Altersarmut
Die Riester-Rente gilt nur für zertifizierte Altersvorsorgeverträge, die zwingend verrentet werden müssen, deren Beiträge garantiert und die nicht beliehen oder vererbt werden dürfen. Diese Restriktionen mögen für den einen oder anderen sinnvoll und richtig sein, sie mögen auch bei der Einführung wohl überlegt gewesen sein, heute stellt sich aber heraus, dass viele Probleme erst durch diese Restriktionen entstanden sind. Die Riester-Rente ist kompliziert und bürokratisch. Wer die Höchstzulage erhalten will, muss 4 Prozent seines Bruttogehalts einzahlen. Bei Einkommensänderungen oder der Geburt eines Kindes muss dies an die Zulagenstelle gemeldet werden, die die Zulagen jedes Jahr in den Vertrag überweist. Dafür ist eine Behörde mit 1500 Mitarbeitern und einem Etat von 150 Millionen Euro aufgebaut worden. In der persönlichen Steuererklärung muss die Zulage dann wiederum angegeben werden, damit diese mit dem Sonderausgabenabzug verrechnet werden kann. Komplizierter geht es nicht.

Wahrscheinlich wird im nächsten Jahr die Riester-Rente als Versicherungsrente in größere Schwierigkeiten geraten. Daran haben weniger die Initiatoren aus dem Jahr 2002 Schuld. Sie haben in gutem Glauben gehandelt. Dennoch stellt sich im Zuge der Null- und Niedrigzinspolitik der EZB heraus, dass die Beitragsgarantie und die Kosten des Vertrages nicht mehr auskömmlich für die Anbieter zu finanzieren sind. Spätestens im nächsten Jahr, wenn der Höchstrechnungszins für Lebensversicherungen von 0,9 Prozent auf dann wahrscheinlich 0,5 Prozent abgesenkt wird, ist der Punkt erreicht, bei dem viele Anbieter ihr Neugeschäft einstellen werden. Sie können anschließend nur noch ihre Altbestände verwalten, müssen aber einen großen Teil der Verträge zu einem Rechnungszins von 2,75 Prozent bedienen. Schon daran werden sie auf Dauer scheitern.

Und auch beim Fonds-Riester sieht es nicht viel besser aus. Hier galt das Versprechen, dass der Vertrag erst in Aktien und später in festverzinsliche Wertpapiere umgeschichtet wird. Grundsätzlich ein gute Idee. Tatsächlich ist es aber so, dass der Aktienanteil zu Beginn minimal ist, weil das Erreichen der Beitragsgarantie inzwischen so teuer ist, dass kein oder nur ein geringes Aktienengagement möglich ist. Das heißt, auch die Fonds-Riester-Anbieter investieren im Wesentlichen in festverzinsliche Wertpapiere, die die Kosten des Vertrages und die Beitragsgarantie künftig nur noch schwer erwirtschaften können. Die Anzahl der Anbieter hat sich ohnehin auf nur noch drei reduziert.

Das alles sieht Oswald Metzger wahrscheinlich genauso wie ich. Er zieht aus der Analyse aber die falschen Schlüsse. Wieso ein Obligatorium diese „Anmaßung von Wissen“ ausschalten soll, bleibt mir schleierhaft. Ein Standardprodukt, das der Staat initiiert, hätte wahrscheinlich auch eine Beitragsgarantie und eine Verrentungspflicht – also würde es die heutigen Probleme nicht lösen. Neu hinzu kämen wahrscheinlich ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance), die eine „nachhaltige“ Anlagepolitik vorschreiben. Ob dies langfristig zu einer besseren Performance führt oder kurzfristig nur zu einem besseren Gewissen, ist zumindest fraglich. Klar ist: jedes Standardprodukt ist ein Einfallstor für staatliche Vorgaben und Restriktionen.

Standardprodukte sind allenfalls für Standardmenschen geeignet. Doch die gibt es nicht, es gibt nur Individuen. Jeder ist anders und jeder hat andere Vorstellungen und Ziele im Leben. Der eine will eine regelmäßige Rentenleistung beziehen, der andere will den Kredit seines Hauses oder Eigentumswohnung tilgen und ein weiterer will die Ausbildung seiner Kinder finanzieren. Daher ist die Antwort auf das Scheitern der Riester-Rente nicht ein standardisierter Deutschland-Fonds, sondern möglichst große Vielfalt. Mein Vorschlag ist ein Altersvorsorgedepot, in dem jeder Bürger sparen darf wie er will. Der eine will in Aktien, Aktienfonds, ETFs investieren, der andere in Lebensversicherungen und wiederum ein anderer in Mitarbeiterbeteiligungsmodelle investieren. Veränderungen im Depot können jederzeit unschädlich erfolgen. Auch Arbeitgeber sollen dort für die Arbeitnehmer einzahlen können. Die Entnahme wäre ab 60 Jahren möglich und wäre beitragsfrei in der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Erträge des Altersvorsorgedepots könnten steuerfrei gespart werden und müssten in der Entnahmephase versteuert werden. Oswald Metzger behauptet: „ohne verpflichtende Zusatzversorgung droht Altersarmut“. Ich sage: mit einer verpflichtenden Zusatzversorgung droht die Altersarmut. Denn sie nimmt den Bürgern das Kapital für Investitionen in die Bereiche, die sie für sinnvoll und notwendig erachten. Gerade in Zeiten, wo die Steuer- und Abgabenbelastung derart hoch ist, wirken verpflichtende Beiträge wie eine zusätzliche steuerliche Belastung.

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Kommentare ( 27 )

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Britsch
4 Jahre her

Ich denke Manche hier können sich gar nicht vorstellen wie wenig Geld manmche an Monatsende für ihre arbeit bekommen und was Netto übrig bleibt. Leute die wenn sie ein Leben lang arbeiten, dadurch einebn Rentenanspruch erwerben der niedriger liegt als die zu erwartende „Mindestrente“. Wie sollen solche Leute von dem Wenigen das Sie zum Leben haben und jeden Euro erst einmal 2x umdrehen müssen, bevor sie ihn ausgeben? Jeden vor dem Ausgeben 4x umdrehen? Zumindest beim „Riesetern“ war es ja auch so, Wenn Leute in Rente gekommen sind, denen aber auf Grund ihres geringen Einkommens auf Grund der Beiträge eine… Mehr

bkkopp
4 Jahre her

Ich habe das US-amerikanische “ Individual Retirement Account “ ca. 1977 kennengelernt. Ungefähr zur gleichen Zeit gab es auch Index-Fonds für Privatanleger (Vanguard). Das Konzept ist in verschiedenen Varianten weiterentwickelt worden und stellt durch die schiere Größe des Anlagevermögens, und der hunderten Millionen von Teilnehmern die größte Erfahrung zum Thema dar. Entscheidend war, dass man sich von der Idee verabschiedet hatte, dass man über den Arbeitgeber, oder eine Versicherung, 30 und mehr Jahre in die Zukunft eine feste Rente planen kann. Man muss möglichst feste Beiträge in Beteiligungswerte investieren um ein wachsendes Portfolio zu bekommen. Dieses sollte ganz oder teilweise… Mehr

Kunze
4 Jahre her

Bei Versicherungen ist das Geld bei einer Hyperinflation jedenfalls so gut wie weg und solange der Euro in dieser Hinsicht fragwürdig scheint, ist das keine gute Idee. Warum sollte man zudem Politikern vertrauen, die die Auflösung von solchen Versicherungen durchgesetzt haben, wenn jemand von der Arbeitslosigkeit in Hartz 4 abrutscht. Wer da vorgesorgt hatte, war doch der Gelackmeierte. Herr Metzger weiß schon, warum er von „obligatorisch“ spricht und Zwang meint.

Horst
4 Jahre her

**
Die Politik hat alle privaten Vorsorgemöglichkeiten rückwirkend besteuert und mit KV-Beiträgen versehen. Jetzt sollen Transaktionsgebühren dazu kommen.
Das wirklich funktionierende und gesellschaftlich gerechte System, die Umlage-Rente, haben die Politiker erfolgreich zerstört. Jetzt fordern sie ein weiteres Kapitalsammelbecken, um die Leistungsträger systematisch weiter abzumelken.
Man stelle irgendwo einen gefüllten Trog auf, nach einiger Zeit kommen die Schweine – ganz sicher.

The_Gumbo
4 Jahre her

Genau das ist der Punkt !

Jetzt wird durch den Staat sogar bei Altverträgen abkassiert ( fiktive Veräußerungsergebnis 2017- Fonds ) ! und die Pläne der SPD bzgl. Abgeltungssteuer sind einfach nur noch widerlich.

Maria sem Veu
4 Jahre her

Wer sich ein bißchen mit den Pensionskassen und den Solvabilitätsanforderungen der BaFin befaßt, weiß, dass es um die Betriebsrenten sehr schlecht bestellt ist und dass einige Arbeitgeber schon Angst haben, dass sie ihren Mitarbeitern keine Betriebsrente mehr zahlen werden können. Wie schon erwähnt, dürfen die Pensionskassen nur mit sehr geringem Risiko investieren und erwirtschaften daher schon seit längerem nicht mehr die notwendigen Gewinne. Der geringe Überschuß wird zudem von Finanzverwaltern, die keinerlei Skrupel haben, wieder weggefressen, die schon allein für eine Angebotserstellung zur Vermörgensverwaltung 5-stellige Summen berechnen. Etliche Unternehmen haben schon versucht, aus Pensionskassen auszusteigen und das sinkende Schiffe zu… Mehr

Waehler 21
4 Jahre her

Frage mich, wie jemand mit 2000 brutto vorsorgen soll? Es könnte uns allen besser gehen, wenn es nicht diese besonderen Leute gäbe, die 15 Jahre oder früher in Rente geschickt wurden. Das ist nicht unsozial, das ist ASOZIAL.
P.S.: hat der SPD auch nicht geholfen, nur der Gesellschaft dauerhaft geschadet.

Til
4 Jahre her
Antworten an  Waehler 21

Wer 2000 € brutto verdient, bekommt bei Steuerklasse 1 ca. 1394 € netto. Nicht wenige leisten sich bei diesem Einkommen z.B. das Rauchen. Bei Verzicht auf dieses Laster (ist schwer, ich weiß) ließen sich 100 € pro Monat für die Altersvorsorge abzweigen. Aber warum sollte ein Geringverdiener das tun, wenn er damit am Ende nicht viel mehr bekommt als jemand, der nicht zusätzlich vorsorgt und am Ende Grundsicherung und neuerdings sogar „Respektrente“ bekommt? Das ist das Crux des Sozialstaats – eigenverantwortliche Vorsorge lohnt sich für Geringverdiener nicht.

Waehler 21
4 Jahre her
Antworten an  Til

Klar und zu Fuß gehen kann er auch. Urlaub wer braucht den schon. Für Balkonien ist die Miete zu hoch und man kann ja auch das Fenster aufmachen.
Es geht hier um die so viel beschworende soziale Gerechtigkeit. Allerdings spricht niemand von der Leistungsgerechtigkeit! Wer zu Hause hocken bleibt und nebenbei was verdient, ist in diesem Staat der Schlaue.

Thorsten
4 Jahre her

Dies entspricht grob gesagt dem US-Modell, dass als „401-k“ bekannt ist.

Mir stellt sich die Frage, warum wir privat vorsorgen sollen, obwohl wir schon EXTREM VIEL einzahlen.

Müsste nicht erst die Rente von den „Altlasten“ bereinigt werden und nicht schon wieder mit Geld zugekleistert werden.

Thorsten
4 Jahre her

Alle Sondersysteme gehören in das gesetzliche Rentensystem überführt. Dazu gehören neben Beamten-, auch Politiker- und andere Sondersysteme.

Imre
4 Jahre her

Zustimmung, Herr Schäffler. In mehr oder weniger regelmäßigen Abständen erfreut O. Metzger seine Leser mit Vorschlägen zu einer Rentenumstellung. Unbestritten sollte es bei der Rente Korrekturen und Begradigungen geben, wo inzwischen allzuviel Schieflage vorliegt. Nun aber auf die neue Sau Aktien- oder Anleiheinvestments zu setzen, wo jeder bessere Anlageberater die fundierten Vorwürfe über Zins- und Kursmanipulationen kennt, der aufgeklärte Normalo längst auch die teils krampfhaften Versuche der Neubelebung des entsprechenden Versicherungsgeschäftes registrieren durfte? Und grundsätzlich sollte man Staaten nur dann in Anleiheform Geld leihen, wenn diese verantwortungsvoll damit umgehen. Dies ist hier in D mittlerweile seit Jahrzehnten nicht mehr der… Mehr