Riskant: „Tesla“ im S&P-Index, „Delivery-Hero“ im DAX

Zu Risiken und Nebenwirkungen der Index-Adelung von Firmen, die vor allem auf quantitativen Kriterien wie Marktkapitalisierung und Handelsumsätzen beruht.

imago images / ITAR-TASS
Fahrrad-Kurier einer Delivery Hero-Tochter in Moskau

Am 21. Dezember wird Tesla, Elon Musks E-Auto-Schmiede, durch die Aufnahme in den Standard & Poor‘s-500-Aktienindex endgültig als Blue-Chip geadelt. In den 17 Jahren seiner Unternehmensgeschichte hat die Firma bisher vor allem Investorengeld verbrannt. Jetzt verkündete Tesla allerdings den fünften Quartalsgewinn in Folge. Parallel dazu explodierten die Tesla-Kursgewinne an der Wall Street seit Jahresanfang um unvorstellbare 440 Prozent. Allein die Bekanntgabe der Indexaufnahme ließen die Tesla-Aktie am Dienstag um 13 Prozent steigen. Doch wieviel Substanz steckt in einem Unternehmen, von dem Fachleute glauben, dass die ausgewiesenen Erträge vor allem auf Sonderfaktoren und nicht auf der Profitabilität der im dritten Quartal ausgelieferten 139.300 Fahrzeuge beruhen.

Die Marktkapitalisierung von Tesla liegt mit 430 Milliarden Dollar höher, als die der etablierten Konkurrenten Toyota, VW und Daimler zusammen. Wenn sich der „Wert“ eines Unternehmens an der Börse mehr über die Spekulationsphantasie als über die substanziellen Kennziffern wie Umsatz und Gewinn definiert, dann ist etwas faul an den Finanzplätzen. Von der Entkoppelung der Finanzmärkte von der Realwirtschaft ist leider nur in Zeiten platzender Blasen die Rede. Dabei müssten alle Alarmglocken schrillen, wenn man die Marktkapitalisierung von Tesla mit den um ein Vielfaches höheren Umsätzen und Gewinnen der drei traditionellen Auto-Konzerne vergleicht.

METZGERS ORDNUNGSRUF 45-2020
In Deutschland stieg im August der Essenslieferant „Delivery Hero“ in den DAX auf. Das Unternehmen konnte im Corona-Lockdown zwar stattliche Umsatzzuwächse präsentieren, was die Börse erfreute und den Aktienkurs befeuerte. Doch Gewinne wies die Firma bis dato noch nie aus. Ob sie jemals Gewinne mit einem Geschäftsmodell ausweisen wird, das auf der Vermittlung von Kunden an Restaurants und Lieferdiensten beruht, steht in den Sternen. Doch eine Marktkapitalisierung von rund 19 Milliarden Euro und entsprechende Handelsumsätze haben gereicht, um den Essenslieferanten als Nachfolger der Wirecard-Aktie in den Index der 30 größten deutschen Unternehmen aufzunehmen. Gerade der Wirecard-Skandal belegt, wie fahrlässig Anleger, Wirtschaftsprüfer, die staatlichen Aufsichtsorgane, aber auch die Wirtschaftspresse, mit Unternehmen umgehen, die in Zeiten der Digitalisierung in kürzester Frist mit riskanten und wenig erprobten Geschäftsmodellen gewaltig wachsen. Deshalb muss einem Angst und Bange werden, wenn auf Wirecard nun ein „substanzielles“ Unternehmen wie Delivery Hero gefolgt ist.

Auch Indexfonds müssen jetzt Tesla ins Portfolio nehmen

Das Problem an den Indexwerten besteht auch für viele Durchschnitts-Altersvorsorgesparer darin, dass die etablierten Börsen-Indices von vielen Indexfonds (ETFs) abgebildet werden. Allein die S&P-Dow-Jones-Indizes belegen, dass sich Vermögenswerte von mehr als 11.000 Milliarden $ am Kursverlauf des S&P-Index orientieren. Von dieser riesigen Summe entfällt wieder mehr als ein Drittel auf Indexfonds. Weil alle Investoren, die dem Index folgen, die neuen Tesla- oder Delivery Hero-Aktien in ihre Depots legen müssen, sorgt die Blue-Chip- oder DAX-Adelung für frische Nachfrage. Viele deutsche Sparer, die auf ETFs setzen, werden deshalb ab spätestens Weihnachten auch Tesla-Aktien besitzen. Das gleiche gilt für den deutschen Essenslieferanten. Dass die Index-Aufnahme nicht automatisch zu einer weiteren Höherbewertung von Unternehmen führt, ist übrigens kein Geheimnis. Selbst Rückschläge sind nicht selten. Denn wann finden „Altaktionäre“ eine günstigere Verkaufschance, als zu Zeiten, in denen die Indexfonds zukaufen müssen – unabhängig von den Rahmenbedingungen und der aktuellen Bewertung.

Die Tesla-Aktie wie – in viel kleinerem Maßstab – das Beispiel Delivery Hero sind für mich Warnsignale einer Finanzmarktentwicklung, die jeden Realitätsbezug verloren hat. Ohne die geldpolitische Begleitmusik der Notenbanken, die mit ihrer Liquiditätsorgie die Spekulationsphantasie förmlich provozieren, wären Tesla & Co mit dann ungeschönten Bilanzen nicht in der Blue-Chip-Welt gelandet. Wer den Finanzmärkten wieder mehr Realitätsbezug verordnen will, muss dem „quantitative easing“ der Zentralbanken ein Ende setzen und dem Zins als Risikoprämie wieder seine bewährte Funktion zurückgeben. Ordnungspolitisch gehört das Haftungsprinzip wieder auf die Tagesordnung. Auch im Finanzkapitalismus muss die Pleite die Strafe für riskantes Spekulieren sein. Das vielfach praktizierte Motto „Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren!“ ist nichts anderes als Schmarotzertum in einer Marktwirtschaft.

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Kommentare ( 14 )

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horrex
3 Jahre her

Tesla und „Gewinne“???
Schauen sie sich mal an, woher die angeblich Gewinne stammen! Nämlich fast ausschließlich aus den „Zuwendungen“ höchst politisch/populistisch-korrekt motivierten Staaten wie Californien.

BKunze
3 Jahre her

Ein Unternehmen, welches mittels Lastenrädern Essen ausliefert (neues Essen auf Rädern?) ersetzt im Dax ein zahlungsunfähriges Unternehmen, welches auf Zahlungsabwicklung spezialisiert war. Ein anderes Unternehmen, welches im Jahr ungefähr soviele Autos verkauft wie der Rumänische Autobauer Dacia vor fünf Jahren gelangt in den S&P500. Das hat mit Marktwirtschaft nicht mehr viel zu tun.

Fulbert
3 Jahre her

„Ohne die geldpolitische Begleitmusik der Notenbanken, die mit ihrer Liquiditätsorgie die Spekulationsphantasie förmlich provozieren, wären Tesla & Co mit dann ungeschönten Bilanzen nicht in der Blue-Chip-Welt gelandet.“ Die Technologieblase, die im Jahr 2000 platzte, fand bei wesentlichen höheren Zinsen als heute statt. In Deutschland gab es zu Zeiten der schlimmsten Exzesse am Neuen Markt sogar noch eine eigene Währung, die nicht von der EZB manipuliert wurde wurde, auch wenn die Euro-Einführung ihre Schatten warf. Boomphasen an der Börse sind nicht von der Geldpolitik allein abhängig. Delivery Hero wird es vermutlich so ergehen, wie den meisten Dax-Neulingen: Mit dem Aufstieg sind… Mehr

HRR
3 Jahre her

Wie kann es sein, dass ein Unternehmen, das keine Gewinne erwirtschaftet, in den bedeutendsten deutschen Index, den DAX, aufgenommen wird? Die Auswahlkriterien sollten umgehend auf eine Reihe von überprüfbaren ökonomischen Daten des Aufzunehmenden umgestellt werden. Eine spekulationsbedingte aufgeblasene hohe Marktkapitalisierung darf kein Zugangskriterium sein.
Für Unternehmen derart spekulativer Art stehen andere Indizes bereit.

F.Peter
3 Jahre her

Die Phalanx der gewollten Fehleinschätzungen an den Aktienmärkten und den Indizes geht aus Gründen der Spekulation einiger weniger Großanleger munter weiter. Statt harter Fakten aus den Geschäftszahlen werden immer mehr „weiche“ Faktoren als Maßstab für ein Unternehmen herangezogen, was dann oft in die Zukunft projezierte Ergebnisse zeitigt oder einem Wunschdenken folgt. Die Geldpolitik der EZB tut dann ihr übriges dazu, um die Blasen an den Märkten noch weiter zu befeuern, während der Verbraucher schon längst seine Groschen zusammen hält.
Dadurch sind selbst ehemals fundamental gute Unternehmen heute für den „normalen“ Anleger kein gutes Investment mehr.

H. Hoffmeister
3 Jahre her

Herr Metzger,
volle Zustimmung. Und der Überdruck in der Finanzblase nimmt durch den Corona-Aktionismus noch schneller zu. Der Knall wird phänomenal und brutale Auswirkungen auf unser aller Wohlstand haben. Unternehmen wie Tesla oder Delivery Hero hätten in funktionierenden Marktwirtschaften keine Chance gehabt. In Zeiten ideologischer Protektion -Tesla – und nicht abstellbaren Gelddruckmaschinen – Delivery Hero – gelten andere Gesetze.

horrex
3 Jahre her
Antworten an  H. Hoffmeister

Zutreffend! Der Haken ist, „funktionierende Marktwirtschaften“ haben wir längst keine mehr. – Warum? – Der beanspruchte Primat einer Politik der sich gierig durch alle Bereiche frißt, jegliche Evolution im Namen einer vorgeblichen Korrektness (Ideologie) eliminiert. – Z.B. nur: A) Funktionierende AKWs still legt, B) Hirngespinste subventioniert, C) neuerdings „Zombies“ alimentiert. Und den Leuten obendrein auch noch vorgaukelt, dies sei der Weg in eine rosarote sozialistische Zukunft „universeller Gerechtigkeit“. Alles, obwohl noch JEDER Versuch dieses „Himmelreich“ herzustellen Millionen von Menschenleben und unglaubliches Elend gekostet hat. – „Kluge“ machen Fehler und lernen – zumindest langsam – daraus. Dumme widerholen ihr Tun. Wundern… Mehr

Iso
3 Jahre her

Wenn diese Unternehmen die Zukunft sind, dann haben wir keine.

Anti-Merkel
3 Jahre her

Das wird zumindest noch ein paar Jahre lang „gut“ gehen. Delivery-Hero wird profitabel wie nie, wenn Merkel wegen der nächsten Grippewelle wieder den totalen Lockdown ausruft, und wenn danach Kanzlerin Baerbock den immerwährenden Lockdown zur Bekämpfung von CO2 verhängt.
Auch Tesla kann nur profitieren, weil die Pläne der kommenden Grün-Schwarzen Regierung den Verbrenner verbieten werden – so schafft man künstlich Millionen von Tesla-Kunden.

F.Peter
3 Jahre her
Antworten an  Anti-Merkel

Wer kauft sich denn ein Elektrofahrzeug? Die Städter brauchen es nicht und die Landbewohner können es nicht brauchen, weil es schlicht nicht alltagstauglich ist. Daher wird dieser sauteure Irrweg der Elektromobilität eine Sackgasse, aus der eine Kehrtwende so schnell nicht möglich wird. Davon abgesehen ist es schon als schizophren anzusehen, dass verlässliche Stromproduzenten abgeschaltet werden, die Stromverbraucher jedoch immer mehr werden sollen!

Christian
3 Jahre her

Volle Zustimmung.Ich bin kein Börsenfachmann, habe aber ein mittelständisches Unternehmen geführt.Dort hatte man Gewinn oder nicht.Ich habe schon lange das Gefühl, speziell bei Tesla, das der Wunsch der Vater des Gedankens ist. Von politischen Verlautbarungen bezgl. der E Mobilität wird der Glaube an Gewinne noch gesteigert und damit der Börsenwert. Substanz steht aus meiner Sicht nicht dahinter.1.Wie lange reichen die Rohstoffe für die Batterien? 2.Wo kommt speziell in D der Strom demnächst her? 3.Was ist insbesondere im ländlichen Bereich mit der Reichweite? 4.Wer kann ein so teures Auto kaufen? 5.Wer bezahlt bei einem Massenmarkt die notwendige Infrastruktur ,insbesondere die Elektrokabel… Mehr

HRR
3 Jahre her
Antworten an  Christian

Aber, aber, lieber Christian, das sind für die große Politik vernachlässigbare nachrangige Fragen, die von untergeordneten Behörden bzw. von der Wirtschaft zu lösen sind. Wenn die das dann nicht hinkriegen, was kann dann die oberschlaue Politik dafür???
Und zudem, für die zeitgeistige grün-linke Politik, die merkwürdigerweise und offensichtlich reichlich Anhänger besitzt, ist der schöne Schein allemal wichtiger als ein fundiertes Sein!

carl
3 Jahre her

Papiere wie Delivery Hero gehören nicht in den Dax – das Papier ist, aufgrund der Geschäftspolitik, hochriskant +++ Unternehmen dieser Art haben eine subadditive Kostenfunktion, d. h., mit zunehmenden Auslieferungen steigen die Kosten nicht in gleichem Maße, sondern sie fallen (pro Auslieferung) und das mit jeder weiteren Ausweitung des Geschäftes (Gegensatz dazu die S-förmige Verlaufskurve des zu. und abnehmenden Grenzertrages). Die Margen solcher Lieferer sind sehr gering, deswegen versucht man durch immer weitere Zukäufe (trotz laufender Verluste) die Kosten weiter zu senken, damit Konkurrenten aus dem Markt zu drängen bzw. zu übernehmen. Ziel ist es, eine Monopolstellung zu erreichen. Erst… Mehr