Neuer Versuch der EZB: Digital-Euro statt Bargeld?

Drei Monate lang läuft eine Testphase zur Erprobung des digitalen Euro. Mit der Digitalwährung ließe sich auch das Bargeld als Zahlungsmittel ersetzen.

imago images / Christian Ohde

Nach der Finanzkrise vor 12 Jahren begannen alle großen Notenbanken der Welt unkonventionelle monetäre Instrumente in ihr geldpolitisches Waffenarsenal aufzunehmen: Mit Null- und Negativzinsen und einer quantitativen Lockerung wollten sie die Wirtschaft ankurbeln und die Inflation über die selbst gesetzte Schwelle von 2 Prozent hieven. Sogar mit Anleihenkäufen schlechtester Bonität versuchen sie derzeit in der globalen Corona-Rezession Unternehmen und Staaten liquide zu halten. Um die verunsicherten Verbraucher bei Laune zu halten, wurde selbst über „Helikoptergeld“ spekuliert, das die Notenbanken direkt über die Köpfe der Bürger verteilen sollten, um die Konsumlaune zu stimulieren. In diesen Monaten ändern die amerikanische Notenbank, aber auch die EZB, ihre Inflationsstrategie: Weil sie die in ihren Augen unterdurchschnittlichen Inflationsraten der vergangenen Jahre „symmetrisch“ nachholen lassen wollen, werden sie über Jahre hin in Zukunft auch höhere Inflationsraten erlauben – ohne die durch ihre extrem expansive Geldpolitik faktisch abgeschafften Zinsen zu erhöhen.

Ob diese Milchbubenrechnung der Geldpolitiker aufgeht, wird sich zeigen. Sie werden mit der steigenden Inflation auf jeden Fall Abermillionen Verbraucher um ihre Kaufkraft bringen. Denn Inflation ist nichts anderes als die heimlichste Form der Enteignung. Sie züchten Zombie-Firmen, die nur überleben können, weil sie ihre hohe Fremdverschuldung keine Zinsen kostet und/oder die Notenbanken ihre Unternehmensanleihen aufkaufen. Sie bescheren eine wachsende Kluft zwischen Vermögensbesitzern, die über hohe Aktiendepots oder wertvolle Immobilien verfügen, und der großen Masse der Bürger, die nur bescheidene Geldbestände auf ihren Sparkonten haben. Außerdem wächst die Gefahr, dass die heute schon hohe Vermögenspreis-Inflation im Platzen von Spekulationsblasen mündet, was in der Wirtschaftsgeschichte alles andere als ein singuläres Ereignis darstellt.

Ist der zentral gesteuerte Konsument das Ziel?

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Doch die Strategen in den Notenbanken denken weiter. Wer glaubt, mit dem heutigen Arsenal, das längst den unkonventionellen Ausnahme-Charakter verloren hat, hätten die Geldpolitiker ihr Pulver verschossen, täuscht sich. Sie basteln an technischen Lösungen, mit denen sie das Verhalten der Konsumenten möglichst zentral steuern können. China und Schweden sind bei der Erprobung digitaler Währungen schon weiter. Mit dem Argument, sich technisch nicht von den Entwicklungen auf den Weltmärkten abzuhängen und den Euro als internationale Währung auch digital handelbar zu halten, pusht jetzt auch die EZB eine dreimonatige Testphase, die sie mit einer öffentlichen Konsultation verbindet. Ähnlich wie mit dem Bargeld, dessen Menge die Zentralbanken direkt steuern, würden sie mit dem digitalen Zentralbank-Euro direkt Bürger und Unternehmen versorgen. Allerdings bestünde dieser digitale Euro (CBCD: Central Bank Digital Currency) nicht aus Banknoten und Münzgeld, sondern aus Ziffern und Buchstaben. Die Geldschöpfung über die Geschäftsbanken, die mittels ihrer Kreditvergabe Giralgeld schaffen, würde tangiert. Im Gegenzug wären Bürger und Unternehmen aber auch nicht mehr so stark vom Wohl und Wehe ihrer Hausbanken abhängig.

Für die Erprobung von CBCD hat der Zahlungsdienstleister Mastercard bereits Anfang September eine virtuelle Plattform eingerichtet. Auf ihr können Notenbanken jetzt die Emission von digitalem Geld sowie die Zusammenarbeit mit und zwischen Geschäftsbanken, Finanzdienstleistern und Konsumenten simulieren. Ende letzter Woche stellte die Bank für internationalen Zahlungsausgleich gemeinsam mit sieben Notenbanken einen Bericht über die grundlegenden Prinzipien und Merkmale von digitalem Notenbankgeld vor. Doch darin fehlt genau die Beleuchtung des Aspekts, der die Finanzmarkt-Beobachter am meisten interessiert: Kann digitales Notenbankgeld auch dazu genutzt werden, um die noch bestehenden Grenzen der Geldpolitik endgültig zu überwinden? Denn mit den CBCDs lässt sich die noch bestehende Mauer zwischen der Geldpolitik der Notenbanken und der Finanzpolitik der Regierungen vollständig einreißen.

Digitalwährung mit Verfallsdatum

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In den vergangenen Jahren ist die durch die gigantischen Wertpapierkäufe der Notenbanken geschaffene Liquidität zu einem großen Teil im Bankensektor hängengeblieben. In der realen Wirtschaft kam sie dagegen nicht an. Sie hat nur die Vermögenswerte in die Höhe getrieben. Mit dem digitalen Notenbankgeld, das direkt den Konten von Unternehmen und Konsumenten gutgeschrieben wird, ließe sich die Wirtschaft aber direkt stimulieren, was endlich die von den Notenbanken so herbeigesehnte Inflation beschleunigen würde. Schließlich, und das ist das Horror-Szenario für alle freiheitsliebenden Bürger, könnte ein digitaler Euro die Handhabe für weitreichende Zwangsmaßnahmen bieten, vor allem dann, wenn er als Ersatz für das heutige Bargeld dient. Das Digitalgeld lässt sich von der ausgebenden EZB beispielsweise mit einem Verfallsdatum versehen, bis zu dem es ausgegeben werden müsste. Geschieht das nicht, verliert es an Wert. Auf die gleiche Weise ließen sich mit dem Digitalgeld auch die Zinsen deutlich unter Null drücken, da ein Ausweichen auf Bargeld nicht mehr möglich wäre. Der von den Notenbanken und den Regierungen gesteuerte Konsument wäre die fatale Folge.

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Kommentare ( 27 )

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Milliarden von Galaxien
3 Jahre her

„Ob diese Milchbubenrechnung der Geldpolitiker aufgeht, wird sich zeigen.“ Denke ich an solche „Finanzexpertinnen“ wie Christine Lagarde (‚im Dezember 2016 wurde Lagarde durch das Gericht des fahrlässigen Umgangs mit öffentlichen Geldern schuldig gesprochen‘) hätte ich hier lieber die gute alte „Milchmädchenrechnung“ gelesen, besonders im Zeitalter eines völlig aus dem Ruder gelaufenen Feminismus. Gleiches Recht für alle_innen beim Finanzversagen. Oder muss ich noch von der Leyen erwähnen?

Peter Gramm
3 Jahre her

die Politelite hat die Bürger in diese Sch…..e hineingeritten und jetzt wird ein Ausweg aus der Misere gesucht. Der kann nur über Inflation und Neubewertung der assets gehen (man dies auch Währungsreform). Die Kleinen werden wieder einmal diejenigen sein die die Zeche zahlen müssen. Ein Milliardär ist danach immer noch ein Milliardär. Jemand der aber nur so 900 Euronen p.m. an Rente hatte kann sich dann am Friedhof anstellen und sich in eine Grube entsorgen lassen. Es hat schon seinen Grund warum ein Goldman Sachs Bänker dem Finanzolaf den Griffel führt. Die Grundbücher wurden schon digitalisiert. Der Eintrag einer Last… Mehr

andreashofer
3 Jahre her

Ich wette, dann kommt es auch zu einem Bedingungslosen Grundeinkommen. Aber: Dieses Einkommen ist auf bestimmte Güter und Dienstleistungen beschränkt. Also wenig Alkohol, wenig Fleisch, viel veganer Trash.
Wie aber werden all die Drogendealer bezahlt, die es sich in Berlin gemütlich gemacht haben? Was ist mit Schwarzarbeit, Prostitution? Jedem „Praktiker“ muss doch klar sein, dass das Riesenmärkte sind, dem das Tauschmittel nicht einfach entzogen werden kann, ohne dass es zu empfindlichen Störungen der gesamten Volkswirtschaft kommt.
Wer soll sich denn bitte mit 25 sonst einen Lamborghini leisten?

hoho
3 Jahre her
Antworten an  andreashofer

Nun ich kann Ihnen sagen, was passiert wenn man eine Währung, hat die zwar real existiert aber mit der man nicht die reale Preise bezahlen kann. Ich habe es selbst erlebt als ich noch unter Kommunisten lebte. Die Argentiner haben es auch erleben dürfen obwohl ohne Kommunismus. Da benutzen dann die Leute zwei Währungen von denen eine sehr schnell illegal wird, oder man kehrt zu Tauschhandel zurück. In beiden Fällen sind die Mächtigen sehr unzufrieden wenn sie merken dass Plebs ihre Währung ignoriert. Man kann die Wirtschaft und die Leute dermaßen unter Druck, Beobachtung usw setzen dass sie es nicht… Mehr

andreashofer
3 Jahre her

Dann wird Gold halt verboten. Die Leute werden ihren Job nicht aufgeben, um den ganzen Tag schieben zu gehen…

horrex
3 Jahre her

Nachtrag aus ganz aktueller Erfahrung: Meine neue Sparkassenkarte hat keine Geldkarten-Funktion mehr. Auch das ist ein Schritt in die oben skizzierte Richtung. Quasi ein weiteres Stück „Entmaterialisierung“ von Bargeld als dem gesetzlich garantierten und EINZIG (!) verbindlichen Zahlungsmittel. –

Abendroete
3 Jahre her
Antworten an  horrex

Das war bei meiner Postbank Karte genauso. Keine Geldkarten Funktion mit ausdrücklichem Hinweis. Auf mein empörtes Mail mit dem Hinweis, mein Konto zu kündigen, wurde mir versichert, dass die Geldkarten Funktion noch möglich wäre, was ich selbstverständlich gleich getestet habe. Hier wird sukzessive durch die Hintertür der Verbraucher angelogen. Das Bargeld soll abgeschafft werden; die Kontrolle ist da und wenn – wie in Griechenland geschehen, die Banken schließen oder nur 50 Euro abgehoben werden kann, ist man ausgeliefert. Jeder zahlt heute wegen Corona mit Karte. .Wegen der angeblichen Sicherheit. Das ist dann die vorgeschobene Ausrede, Barzahlung ist nicht mehr erwünscht.… Mehr

horrex
3 Jahre her

Exakt so ist es!
Der Autor vergaß leider zu erwähnen, was das in der Konsequenz Fundamentales für die Versicherungswirtschaft bedeutet. Der Versicherungswirtschaft wird derart die Geschäftgrundlage entzogen. Indem – längst!!! – der „lender of last resort“ in seiner Bedeutung und Funktion ausfällt. –
Es werden auf diese Art – quasi – „Kriegsverhältnisse“ entstehen. Nur im Falle eines „Sieges“ wird Staat das Geliehene zurückzahlen, bedienen (können). Zu welchem „Kurs“ (Inflation!) auch immer. –
In anderen Begrifflichkeiten formuliert: DDR-Verhältnisse!

Cubus
3 Jahre her

So wird es kommen, das „Papiergeld“ ist am Ende. Vielleicht der einzige Weg, uns Kaufkraft zu erhalten. Alles nur Bits und Bytes, was kümmern da ein paar Nullen mehr oder weniger, kann man streichen oder in die Ewigkeit stellen. Dumm nur, dass nun jederzeit bekannt ist, was du so treibst mit deinem „Geld“. Und wenn du nicht artig bist, na dann, dann darfst du dir auch nichts mehr kaufen. Zusammen mit der Impflicht, dem digitalen Impfausweis, ein wahrlich Schöne Neue Welt. Das wird kommen. Alles, was digitalisiert werden kann, wird auch digitalisiert werden. Alles, was automatisiert werden kann, wird automatisiert.… Mehr

Candida Albicans
3 Jahre her

Ich verstehe den Sinn dieser Digitalwährung nicht. Aktuell sind ca 10% der Geldmenge M3 Bargeld (=Zentralbankgeld). Die restlichen ca. 90% (Zentralbankgeld in Form von Einlagen der Geschäftsbanken bei der EZB sowie Giralgeld) existieren nur als Kontobestände und sind damit bereits per definitionem „digital“. Wenn die Zentralbank direkt in die Wirtschaft eingreifen will, würde es doch ausreichen, jedem Bürger ein Konto bei der EZB zu geben. Dazu braucht es keine „Kryptowährung“. Und als Ersatz für Bargeld? Wie soll das funktionieren? Eine Eigenschaft von Bargeld ist, dass man Geschäfte direkt zwischen zwei Parteien abwickeln kann, ohne einen Dritten (in der Regel eine… Mehr

Lucius de Geer
3 Jahre her
Antworten an  Candida Albicans

Es geht darum, staatlicherseits direkten Zugriff auf die Guthaben der Bürger zu haben (bisher steht dem das Rechtsverhältnis zwischen Kunde und Bank entgegen), das Ausgabenverhalten überwachen und durch Belohnungen/Bestrafungen zu beeinflussen. Nur deshalb will die EZB diese Währungsreform durchführen – aus rein technischen Gründen wäre das alles nicht erforderlich, da haben Sie recht.

FKR
3 Jahre her

Man kann Markt nicht abschaffen, höchstens verbiegen. Geld, welches wie ein Handyguthaben verfällt weil nicht benötigt, ist nicht wertbeständig,sondern lediglich eine Art Foodstamp. Arbeit und Kreativität generiert es schon garnicht. Von Mehrwert ganz zu schweigen. Am Ende stehen Tauschhandel und Mangelwirtschaft. Es scheint, als gibt es keine Vergangenheit…

non sequitur
3 Jahre her

„Ob diese Milchbubenrechnung der Geldpolitiker aufgeht, wird sich zeigen.“

Aber Hallo! Wird jetzt schon bei TE gegendert? Zumal der EZB ja ein wegen seiner Rechenkünste rechtskräftig für schuldig befundenes Milchmädchen vorsteht.

Wolfsohn
3 Jahre her
Antworten an  non sequitur

Irrtum – die Anspielung auf die „Milchbubies“ ist gewollt, und das keineswegs aus Gründen des Genderns! Unter einem Milchbuben versteht man einen völlig unerfahrenen Jungen – die Anspielung gelingt, weil von einer „Milchmädchen“-Rechnung die Rede ist.