Geldschwemme der Notenbanken unterminiert Produktivität

Statt die Wirtschaft zu stimulieren, lähmt die Geldpolitik die Produktivität. Denn sie sorgt dafür, dass Finanzanlagen mehr Gewinn versprechen als realwirtschaftliche Investitionen.

KAREN BLEIER/AFP/Getty Images
This photo shows the US Federal Reserve Building in Washington, DC. Also known as the Federal Reserve or informally The Fed, is the central banking system of the United States.

Es ist paradox: Die wichtigsten Notenbanken der Welt sind seit der Finanzkrise angeblich bemüht, mit unorthodoxer Geldpolitik die Wirtschaft am Laufen zu halten. Sie haben die Zinsen faktisch abgeschafft, um die Kreditvergabe anzukurbeln. Sie kaufen Staatsanleihen en masse, aber auch Unternehmensanleihen und Aktien. Doch weder in Japan, dem Land mit der längsten Erfahrung mit dieser exorbitanten Geldschöpfung, noch in den USA oder gar in Europa, scheint die umstrittene Therapie wirklich nachhaltig anzuschlagen.

Fast überall hat sich das Potentialwachstum reduziert, sinkt die Produktivität der Volkswirtschaften. Immer wahnwitziger blähen sich dafür die Bilanzen der Notenbanken auf. Selbst die US-Notenbank, die vor zwei Jahren eine Phase der Normalisierung ihrer Zinspolitik, eine Abkehr von ihren Anleihekäufen sowie den Abbau ihrer aufgeblähten Bilanzsumme eingeleitet hatte, ist längst wieder im Ausnahmezustand. Fast die Hälfte der in den Vorjahren erzielten quantitativen Straffung des Bilanzvolumens ist binnen kurzem eliminiert worden. Denn am 17. September explodierten plötzlich am Repo-Markt, wo sich Banken über Nacht mittels kurzfristiger Pfandleihe Geld zu günstigen Konditionen besorgen, die Zinsen. Statt zwei Prozent waren urplötzlich 10 Prozent fällig, weil es weniger Angebote als Nachfrage gab. Das letzte Mal war das nach der Lehman-Pleite zu Zeiten der letzten großen globalen Finanzkrise passiert. Die US-Notenbank kaufte innerhalb weniger Tage hunderte Milliarden Dollar an Wertpapieren auf, um den Repo-Markt zu stabilisieren. Alle Erklärungsmuster der jüngsten Liquiditätskrise, die einer breiteren Öffentlichkeit verborgen blieb, versagen bis heute. Sicher ist nur, dass die Fed auch in diesen Tagen massiv weiter am Repo-Markt intervenieren muss, weil sich keine wirkliche Entspannung abzeichnet.

Kannibalisierung der realen Investitionen

Memorandum
Ex-Notenbanker greifen die EZB frontal an
Die Finanzmärkte sind auf Treibsand gebaut. Dafür ist nicht nur der Engpass am amerikanischen Repo-Markt ein gewichtiges Indiz. Während etwa die EZB vor der letzten Finanzkrise von den Geschäftsbanken nur Wertpapiere mit dem Investment-Rating A- akzeptierte, toleriert sie seither bereits die schlechtere Kategorie BBB-, weil ansonsten eine Reihe von Banken in Schwierigkeiten gerieten. Doch das passt auch zu einer generellen Entwicklung an den Finanzmärkten. Die Geldschöpfung der Notenbanken samt der Abschaffung des Zinses hat rund um den Globus einen Vermögenspreis-Hype ausgelöst, der es selbst vielen Firmen in der Realwirtschaft lukrativer erscheinen lässt, das Geld mit Finanzanlagen als mit Investitionen in Produktionsanlagen zu verdienen. Das führt nicht nur zu einer Kannibalisierung der realen Investitionen. Es schwächt auch die Unternehmensbilanzen, weil immer mehr Eigenkapital durch Fremdkapital ersetzt wird. Die von der ultralockereren Geldpolitik provozierte Umschichtung von Eigen- zu Fremdkapital hat dazu geführt, dass heute die US-Firmen mit über 47 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verschuldet sind. Das sind Rekordwerte, die über den Spitzen zu Zeiten der Dotcom-Blase (2000) und der Immobilienblase (2008) liegen.

Am stärksten gewachsen sind global die Anleihen mit dem niedrigsten Investment-Rating (BBB). Von den beinahe 4 Billionen Dollar global stammen allein 2,5 Billionen Dollar von US-Firmen. Diese riskanten Papiere sind eine tickende Zeitbombe für die Stabilität des Weltfinanzsystems und die Konjunktur. Schon eine Tieferbewertung eines Teils dieser Anleihenklasse würde zu Verkaufswellen führen, die systemsprengend wirken können. Je länger deshalb die Notenbanken ihre ultralockere Geldpolitik praktizieren, umso weniger werden sie das angestrebte nachhaltige Wachstum bewirken. Denn Zentralbanken können zwar aus dem Nichts Geld schöpfen. Doch dass sie damit die Realwirtschaft und deren Wertschöpfungspotential, das allein Basis unseres Wohlstands ist, unterminieren, sollte ihnen langsam dämmern. Denn sie treiben den Teufel mit dem Beelzebub aus.

Einen Seitenhieb in Richtung Politik kann ich mir abschließend nicht verkneifen. Ausgerechnet jetzt, da klassische Sparformen jährlich reale Verluste erleiden, weil Zins und Zinseszins faktisch abgeschafft sind, will die Politik die Bürger ermutigen, sich stärker in Aktien zu engagieren. Dass die dortigen hohen Renditeversprechen gerade in diesen Zeiten auch mit hohen Risiken verbunden sind, sollten sich Anleger bewusst machen. Trotzdem gehört Sachanlagevermögen – und darum handelt es sich bei Aktien – selbstverständlich in das Altersvorsorge-Portfolio. Dass aber der Bundesfinanzminister parallel zu dieser politischen Aktienkauf-Ermutigung jetzt eine Finanztransaktionssteuer vorschlägt, die genau die Leute trifft, die mit Aktien für ihre Altersversorgung sparen sollen, ist ein Treppenwitz. Erst recht, weil er damit die sozialdemokratische Grundrente finanzieren will.

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Kommentare ( 13 )

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Harald Kampffmeyer
4 Jahre her

„Denn Zentralbanken können aus dem Nichts Geld schöpfen.“

Und das ist wohl der größte Betrug der Menschheitsgeschichte.
Aber keine Sorge: Dieses „Geld“ wie Form des Fiat Money kehrt zu seinem inneren Wert zurück. Und der ist Null.

Del. Delos
4 Jahre her

„Je länger deshalb die Notenbanken ihre ultralockere Geldpolitik praktizieren, umso weniger werden sie das angestrebte nachhaltige Wachstum bewirken.“ Das ist ja auch gar nicht ihre Absicht. Die Absicht ist, eine Neue Weltordnung zu installieren, in der der Dollar oder Bargeld keine Rolle mehr spielen werden. Vermutlich wird der Währungskorb mit einer digitalen Währung (blockchainbasiert) das Rennen machen. Die Sache mit dem angeblich angestrebten Wachstum, das gaaanz sicher bald kommt, ist ein Märchen – erfunden, damit die Leute still halten, während man ihnen schon mal die Schlinge um den Hals legt. Das Chaos, das ohne Zweifel eintreten soll und wird, sobald… Mehr

Thorsten
4 Jahre her

Die Grundrente ist als Alimentierung von Nicht-Arbeit und Niedriglohnarbeit gedacht. Damit sollen vor allem die Probleme die durch Migration (Überflutung mit ungelernten Arbeitern) gelöst werden.

Faktisch werden alle ab „unterer Mittelschicht“ dabei zur Kasse gebeten. Die langfristigen Auswirkungen sind zur Zeit unübersichtlich, da laut EU-Recht JEDEM der mal in seinem Leben in Deutschland gearbeitet hat, diese Grundrente anteilig gezahlt werden muss. Extrembeispiel: 3 Jahre in D. gearbeitet und dann wieder in seine pakistanische Heimat…

Iso
4 Jahre her

Apropos Seitenhieb, die Politik sollte den Bürger nicht mit falschen Vorsorgeversprechen in den Aktienmarkt locken, und statt dessen die Rentenversicherung grundlegend reformieren. Schon der Begriff Rentenversicherung ist Betrug, denn wie kann es sein, dass ein Beitragszahler nach 45 Jahren noch keinen Cent Zinsen gesehen hat, dafür aber Leute Geld bekommen, die nichts eingezahlt haben.

Marc Hofmann
4 Jahre her

Hr. Metzger…es ist doch nicht nur die Geldschwemme sondern es ist der massive Eingriff der Politik in die freie Marktwirtschaft….es ist diese Grün-Sozialistische Staats-EU Wirtschaft…es ist dieser „Green Deal“….der aus einer innovativen und mehrwertschaffenden freien Marktwirtschaft zu Wohle aller eine Politische/Ideologische Plansystem Diktatur macht…eine Grün-Sozialistische Diktatur die nur Mangel und Armut mit sich bringen kann, weil die Vorgaben dieses „Green Deal“ alles andere als Vernünftig und Verständlich sind und somit keine Innovationen und Fortschritt in sich mitführen. Es werden staatlich subventionierte Unternehmen als Zombie = unwirtschaftliche = nicht marktreife Unternehmen am Leben gehalten…und dies führt zu 100% in eine Mangel… Mehr

humerd
4 Jahre her

die Firmen wachsen nur noch durch Zukauf anderer Firmen, die Geldschwemme verhindert nicht nur die Produktivität, sie ist in ganz besonderem Maße ein Hemmschuh für Innovationen.
Schon die Billiglöhne verhindern Innovationen, wozu in Prozesse oder IT investieren, wenn die menschliche Arbeitskraft billiger ist? Das billige Geld wird gebraucht für den Aufkauf der Konkurrenz.

IJ
4 Jahre her

Lieber Herr Metzger, die Kannibalisierung, die sie beschreiben, weil der Zins als Preis des Geldes im realwirtschaftlichen Wettbewerb nicht mehr seine Steuerungsfunktion als Knappheitsfaktor ausüben kann, ist langfristig in der Tat ein desaströser Faktor. Meine Prognose lautet jedoch, dass der EZB unter Fr. Lagarde dieser schleichende Niedergang gar nicht ausreichen wird. Ich bin mir recht sicher, dass sie die Fehlallokation von Produktionsmitteln durch den (umwelt-)politisch motivierten Ankauf von Anleihen noch massiv forcieren wird – wieder „whatever it takes“. Denn der Ankauf wird sich früher oder später auf alles beziehen (Anleihen, Kredite, Beteiligungen, ob privat oder staatlich), was irgendwie mit Umwelt… Mehr

R. Scholl
4 Jahre her

Wenn Birgit Schrowange anfängt, für Aktien zu werben, sollte man aussteigen.

Tizian
4 Jahre her

Man muß sich das mal überlegen. Die Politik fordert oder ermuntert die gerade in Deutschland in Finanzdingen generell und in Börsen-und Aktienthemen speziell in der Masse ungebildeten und unwissenden Bürger in Aktien zu investieren, wohlwissend, daß die Börse schon lange nicht mehr von den Wirtschaftsdaten der Unternehmen getrieben wird, sondern praktisch nur noch von der vorhandenen Liquidität, insbesondere auch der börsennotierten Unternehmen selbst, die im gigantischen Stil diese Liquidität für Aktienrückkäufe nutzen und damit die Kurse weiter treiben, ohne das die entsprechende Wirtschaftskraft dahintersteht. Jedenfalls nicht bei den meisten Unternehmen. Sie fordert die Bürger also direkt auf, in eine Blase… Mehr

Oleron
4 Jahre her
Antworten an  Tizian

Die Deutschen sollen jetzt mit ihren geschätzten 5-6 Billionen Sparguthaben der EZB in die Bresche springen und in Aktien gehen, um dann bei der unausweichlichen Bereinigung der Kurse einen Totalverlust zu erleiden. DAS IST DER PLAN!!! Der Zeitpunkt des Platzens der Aktien-Anleihen und Immobilienblase kann auf diese Weise noch ein wenig in die Zukunft verschoben werden…..abrr dabei handelt der sich nicht mehr um Jahre sondern um Monate. Ich wünsche allen NEUEN Aktionären „Viel Glück“.

Tizian
4 Jahre her
Antworten an  Oleron

Ja, so sehe ich das auch. Auf jeden Fall als Abschöpfung des Geldvermögens der Deutschen.

Ego Mio
4 Jahre her

Das ist die einzige Zuflucht, die sich unsere marktfeindlichen Technokraten vorstellen können.