Die Jugend passt in keine Schublade

Die aktuelle Shell-Jugendstudie belegt: Die Jugend passt weder in die Greta Thunberg-, noch in die Willkommenskultur-Schublade. Sie tickt einfach normal.

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Seit 1953 bereits vermisst die Shell-Jugendstudie regelmäßig die Einstellungen der jungen Generation, genauer der 12- bis 25-jährigen in Deutschland. Dabei werden sowohl die Wertevorstellungen in Bezug auf ihr Privatleben als auch ihre Einstellungen zur Arbeitswelt erfragt. Es geht aber auch um ihren Wertekanon zur demokratischen Ordnung und zu aktuellen gesellschaftspolitischen Themen.

Eine Konstante seit vielen Jahrzehnten stellt der Wunsch nach stabilen privaten Beziehungen, nach Familie und Kindern dar. Der Wunsch nach guten Freunden (97 Prozent), nach einer vertrauensvollen Partnerschaft (94 Prozent) und einem guten Familienleben (90 Prozent) rangieren ganz oben. Mehr als zwei Drittel der Befragten wünschen sich später Kinder. Auch die Akzeptanz von Leistungsnormen, ohne die sich eine gesicherte soziale Existenz im Berufsleben nicht erreichen lässt, ist nach wie vor in hohem Ausmaß vorhanden. Das räumt mit vielen Urteilen Älterer auf, die von einer generellen Leistungsverweigerung der jungen Generation schwadronieren und ihre eigene jugendliche Sinnsuche rückblickend schönfärben. Auffällig ist in der 18. Auflage, dass sich die Werturteile der jungen Menschen in Ost- und Westdeutschland immer mehr annähern und dass unsere Demokratie insgesamt auf hohe Zustimmungswerte (77 Prozent) stösst. Dass der Umwelt- und Klimaschutz bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen einen erheblichen Bedeutungszuwachs erfahren hat, ist nicht verwunderlich. Diese beiden Themen stehen im Mittelpunkt der Forderung nach mehr Mitsprache und der Handlungsaufforderung an Politik und Gesellschaft. Greta Thunberg lässt hier grüßen, was auch die deutlich gewachsene politische Aktivitätsbereitschaft von Mädchen belegt.

In der Medien-Rezeption der aktuellen Shell-Jugendstudie hadern vor allem die linksliberalen Medien, etwa Spiegel-online (SPON), mit der angeblichen Anfälligkeit für „rechtspopulistische“ Positionen der Jugendlichen. Denn der erstmals erfragte Befund passt so gar nicht zum verbreiteten Weltbild einer kosmopolitischen Willkommenskultur-Generation. Immerhin 68 Prozent der repräsentativen Befragten stimmen der Aussage zu, dass man in Deutschland „nichts Schlechtes über Ausländer sagen kann, ohne gleich als Rassist beschimpft zu werden“. Mehr als die Hälfte (53 Prozent) glaubt, dass die Regierung dem Volk die Wahrheit verschweigt. Rund ein Drittel bejaht die Aussage, dass die Gesellschaft „durch den Islam unterwandert“ wird.

Das Gefühl von Denkverboten, über das TE-Leser aus unzähligen Alltagsbeispielen zu berichten wissen, scheint auch bei Jugendlichen verbreitet zu sein. Dazu passt der Befund, dass 71 Prozent der westdeutschen und 75 Prozent der ostdeutschen Jugendlichen politikverdrossen sind. Vielleicht wäre es korrekter, von Politiker-Verdrossenheit als von Politikverdrossenheit zu schreiben. Für mich besonders erstaunlich ist das Ergebnis bei der Frage nach dem Vertrauen der Jugendlichen in klassische und soziale Medien. Obwohl die junge Generation ja viel Internet-affiner ist als die älteren Generationen, erhält das öffentlich-rechtliche Fernsehen (ARD und ZDF) mit 84 Prozent bei der westdeutschen Jugend und immerhin 76 Prozent bei der ostdeutschen Jugend das höchste Vertrauens-Testat. Danach folgen mit ähnlich hohen Zustimmungswerten die klassischen Zeitungen (83 Prozent West/68 Prozent Ost). Internetportale rangieren bei unter 50 Prozent Vertrauenszustimmung, Facebook und Twitter nur um die 25 Prozent.

Meine Schlussfolgerung aus der 18. Auflage der Shell-Jugendstudie: Die Jugend tickt normaler, als viele Ältere glauben. Sie ist tendenziell wieder etwas politischer geworden, als es die überangepassten Jahrgänge nach der Jahrtausendwende waren. Und sie passt Gottseidank in keine Schublade.

Eine abschließende Wette biete ich noch an: Das Bundesprogramm „Demokratie leben“, das im aktuellen Etat des Bundesfamilienministeriums mit 115,5 Millionen Euro etatisiert ist, wird nach den Ergebnissen der Shell-Jugendstudie nicht gekürzt. Laut aktuellem Finanzplan des Bundes soll es bisher bis zum Jahr 2023 auf nur noch einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag abgeschmolzen werden. Doch die „Populismus-Anfälligkeit“ der Jugend, die sich in der Studie vermeintlich niederschlägt, wird für Ressort-Chefin Franziska Giffey sicher als wohlfeile Begründung dafür herhalten, das Programm nicht nur nicht zu kürzen, sondern sogar noch aufzustocken.

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Kommentare ( 42 )

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manfred_h
4 Jahre her

Zitat: „Mehr als zwei Drittel der Befragten wünschen sich später Kinder.“ Mhh, mit Blick auf den sog. demograph. Wandel und der Kinderarmut bei den Deutschen, zeigt sich hier doch, das man mit „17“ bzw als junger Mensch noch Träume hat. DOCH wenn der junge Mensch dann älter wird, dann den Ernst des Lebens kennenlernt und dann -auch- merkt wie teuer und mühsam das Leben in der Realität doch ist, DANN ist es auch vorbei mit den Kindersegen. Beweis ist für mich die Kinderlosigkeit bei den Deutschen. Wobei ich auch noch denke, dass dieses Studien-Ergebnis auch als Beispiel für andere Bereiche(zB… Mehr

Snakebite
4 Jahre her

Ja, einerseits könnte die Shell-Studie Anlass zur Hoffnung geben („Immerhin 68 Prozent der repräsentativen Befragten stimmen der Aussage zu, dass man in Deutschland „nichts Schlechtes über Ausländer sagen kann, ohne gleich als Rassist beschimpft zu werden“. […]“), andererseits wird aber der einseitigen Berichterstattung * der Leitmedien (ÖR, großen Tages- und Wochenzeitungen…) sehr hohe Glaubwürdigkeit geschenkt („[…] erhält das öffentlich-rechtliche Fernsehen (ARD und ZDF) mit 84 Prozent bei der westdeutschen Jugend und immerhin 76 Prozent bei der ostdeutschen Jugend das höchste Vertrauens-Testat. […]“). (* = Beispiele für diese Einseitigkeit lassen sich ja zuhauf finden.) Ob es also wirklich ein Hoffnungsschimmer ist,… Mehr

Yuminae
4 Jahre her

Mag sein, dass die Jugend ARD und ZDF für seriös halten, aber sie sehen die Nachrichten dort nicht. Im Grunde ist die Aussage also nichtssagend….

Nibelung
4 Jahre her

Die Jugend paßt in keine Schublade, weil es für sie keine mehr gibt. Denn man hat ihnen durch jahrelange Infiltration nicht mehr allzu viel gelassen um sich eigenständig zu entwickeln. Das sieht man allein schon im Schwund der Selbsständigkeit auf höherem Niveau und den Rest der Zeit verbringen sie mit unnützen Dingen. Was sollen sie auch anderes machen, wenn man ihnen keine Perspektiven mehr anbietet außer Lohnsklaverei. Und die sitzt man dann, mit innerer Abkehr, meisten bis zur Rente aus. Und ist dann zum erstenmal einigermaßen frei und fröhnt dann den freiheitlichen Kreuzfahrten, bis zum Essenskomando ,und das ist doch… Mehr

Engel
4 Jahre her
Antworten an  Nibelung

Ehrlich bin ich überrascht, ob Ihres ausserordentlich klaren Kommentares. Und kann nur Kopfnickend zustimmen. Diesmal sogar mit Punkt und Komma. Bin begeistert.
Ich bin allerdings nicht so dermassen negativ auf die Jugend eingestimmt. Die meisten sind liebe Leute, allerdings auch ihrer Chancen beraubt, es sei denn, die Eltern haben Geld – darauf läuft es ja seit Jahrzenten hinaus.

Mirko96
4 Jahre her

Studenten denken zu 99 Prozent linksgrün, das ist die bittere Wahrheit. Nicht zu vergessen das der Anteil von Migranten immer mehr zunimmt, diese haben meistens muslimischen Glauben und daher nix mit unserer Gesellschaft am Hut. Doch das größte Problem sind nicht die jungen Leute, sondern die Medien und unsere Lehrer , welche wie in der DDR Agitation für den linksgrünen Faschismus propagieren. Respekt vor den jungen Menschen, die trotzdem sich ihre eigene Meinung bilden und sich nicht verbiegen lassen.

horrex
4 Jahre her

SELBSTVERSTÄNDLICH passt ein Großteil der heutigen Jugend – nicht nur der – in eine einzige Schublade! • Danke, an Harry Charles, dass sie den 68-Schmonzes (wie sie es nennen) nicht nur erwähnen, sondern ihn auch „in der Gesellschaft HÖCHST präsent anführen. – In meinen Worten: Inzwischen als grundlegende Ursache so manchen heutigen Übels wenig beachtet, im Dunst von 50 Jahren bei Vielen „untergegangen“, ist der 68er Schlachtruf vom „Marsch durch die Institutionen“. Das Ergebnis dieses „Marschs“ – begonnen damals bei den jüngeren damaligen Lehrern (siehe die „Chaotisierung“ durch so genannten Schulreformen!) – ist das was wir heute sehen. Die inzwischen… Mehr

Engel
4 Jahre her
Antworten an  horrex

Ich kenne das. Deshalb möchte ich sagen, das Sie möglicherweise nicht NUR aufgrund dieser Erfahrungen, sondern aus Ermangelung anderer Konzepte möglicherweise lange zum Begreifen der Verirrung der linken Konzepte gebraucht haben. Ich habe Jahrzehnte gebraucht, um mir das richtig bewusst zu machen. Man mag das für einen langen Zeitraum halten und das ist er auch.
Aber wie sagt man so schön? Was lange währt, wird endlich gut und heute überzeugt mich niemand mehr von irgendwelchen Lügengeschichten, weder Links, noch Rechts.

robbyb
4 Jahre her

Einen wichtigen Kontext hat der gute Herr Metzger bei seiner Interpretation bzgl. der Populismusaffinität natürlich geflissentlich „vergessen“:

„Je höher die Bildungsposition, desto geringer die Populismusaffinität. Von
den Jugendlichen mit höherer Bildungsposition gehört jeder zweite zu den
Weltoffenen oder zu den Kosmopoliten, während es bei Jugendlichen mit niedriger Bildungsposition entgegengesetzt ist: Hier gehört weit mehr als jeder zweite zu den Populismus-Geneigten oder zu den Nationalpopulisten.“

Und das deckt sich exakt mit meiner Beobachtung der Realität.

Biskaborn
4 Jahre her

Das (angebliche) Vertrauen der Jugend in ZDF und ARD halte ich für bedenklich und unwirklich, gerade nach den auch hier immer wieder veröffentlichten Fake News und Täuschungen des Zuschauers im Sinne einer links-grünen „Bildung“. Ich will auch nicht glauben, das die befragten Jugendlichen tatsächlich täglich oder zumindest öfters die Nachrichten dieser Sender anschauen. Möglicherweise verweisen eher Lehrer immer wieder auf Aussagen im ÖR und die Jugendlichen glauben das ungeprüft. Auf jeden Fall, so meine Ansicht, werden sie diesbezüglich massiv in Schule und alle möglichen „ Demokratieprogramme“ manipuliert. Ebenso verhält es sich beim Thema Klimahysterie, die FfF Bewegung ist hierzu Beleg.

humerd
4 Jahre her

„Und sie passt Gottseidank in keine Schublade.“
das sehe ich anders. Wäre dem so hätten die z.B. Greta Anhänger nicht soviele junge Leute auf die Straße gebracht. Sie passen sehr gut in die Schublade der Hype Mitläufer, das nutzen die NGOs für ihre Zwecke – das ist erschreckend.

Lara Berger
4 Jahre her

Ich kenne viele junge Menschen. Aber niemand von diesen schaut ARD/ZDF. Sie verbringen ihre Freizeit mit Spielen im Internet, angesagten Youtube-Kanälen, Instagram und anderen SocialMedias. Niemand dieser jungen Leute kennt die „Berliner Abendschau“ oder die „heute“-Sendung.
Wie mich das freut….