Unionsfraktionssitzung: Angela Merkel schießt ins Blaue

Die Bundeskanzlerin hat kaum Erkenntnisse, woher 75 Prozent der Corona-Infektionen kommen, will aber den zweiten Lockdown nächste Woche beim Treffen mit den Ministerpräsidenten weiter verschärfen. Dafür wird das "Bevölkerungsschutzgesetz" im Eilverfahren durchs Parlament gepeitscht.

imago images / IPON

Bundestagsfraktionssitzungen von CDU und CSU finden nur noch digital am Bildschirm statt. Gleich zu Beginn gestand CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt eine massenhafte Protestwelle von Bürgern gegen das regelrecht durchs Parlament gepeitschte novellierte Bevölkerungsschutzgesetz ein.

Vergangenen Mittwoch war die Anhörung der Sachverständigen, diesen Dienstag folgte die Unterrichtung der Regierungsfraktionen, ohne dass den Parlamentariern der ausformulierte Gesetzentwurf vorlag. Der wird erst am Mittwochvormittag in den zuständigen Ausschüssen beschlossen und am Mittag dann vom Bundestag in schneller Lesung verabschiedet. So ein Prozess dauert normalerweise mehrere Wochen und nicht nur eine.

Doch Eile scheint geboten. Denn bei einer Anhörung am 11.11.20 stellten Experten fest, dass „sämtliche durch die 16 Landesregierungen seit März 2020 erlassenen ca. 120 Rechtsverordnungen rechtswidrig und damit nicht sind,“ vermerkt das Anhörungsprotokoll, das Tichys Einblick vorliegt. Der Grund: Die Rechtsverordnungen würden sämtlich die Voraussetzungen des Infektionsschutzgesetzes §28 nicht erfüllen.

Bundestagsabgeordnete erhalten zehntausende Protestmails

Kein Wunder, dass eine regelrechte Protestwelle von besorgten Bürgern über die Bundestagsabgeordneten hereinschwappt. Die Telefone von Parlamentariern vor allem der Regierungsfraktionen von CDU/CSU und SPD klingeln dieser Tage permanent. Besonders deren E-Mail-Postfächer laufen über. CDU/CSU-Abgeordnete berichten über einen weit mehr als zehnfachen E-Mail-Eingang mit heftigen Protesten zum sogenannten Bevölkerungsschutzgesetz.

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Vor der Fraktion gestand Alexander Dobrindt, Vorsitzender der CSU-Landesgruppe am Dienstagnachmittag, allein bei ihm seien „37.000 Protest-E-Mails eingegangen und viele, viele Anrufe.“ Dobrindt beklagte sich daher über „eine Mobilmachung im Netz“. Viele Bürger kritisierten, sie kämen sich vor wie in einer Diktatur. Andere warfen der Bundespolitik vor, „die Grundrechte würden abgeschafft“. Er räumte allerdings ein: Das seien „nicht alles Aluhut-Träger, sondern das sind Leute, die Bedenken haben.“

Dennoch mögen Regierende Andersdenkende nun einmal nicht. Also zeigt sich Dobrindt entsetzt, wie der „Missbrauch in den sozialen Netzwerken immer wieder gelingt.“

Gott sei Dank, will man als Bürger schon sagen. Doch das Imperium schlägt zurück. Denn gegen „diese Wucht“ des Protests müsse man „etwas setzen“, fordert Dobrindt seine Abgeordneten auf. Die Politik müsse deswegen „mit allen Ressourcen in den Netzwerken dagegen argumentieren.“

Merke: Weil nicht sein kann, was nicht sein darf!

Zum großen Rundumschlag holt gleich nach Dobrindts Warnungen dann Bundeskanzlerin Angela Merkel vor der virtuell versammelten Unionsfraktion aus. Zunächst kommt ein wohlfeiles Lob: Beim Bevölkerungsschutz sei „unglaubliches geleistet worden in einer sehr, sehr kurzen Zeit.“ Ein früher Arbeitsbeginn ist für Arbeitnehmer völlig normal, aber wohl nicht für die Bundesregierung: „So viel Telefonkonferenzen früh um sieben hat’s wahrscheinlich selten gegeben,“ berichtet die Kanzlerin über das Zusammenbasteln ihres Eilgesetzes.

Den Protest aus der Bevölkerung mag Merkel dabei gar nicht verstehen. Denn für sie ist das neue Bevölkerungsschutzgesetz lediglich „eine Verbesserung der Rechtslage und ein mehr transparent Machen.“ Es würde ja damit erläutert, auf welchen Grundlagen „unsere Entscheidungen jetzt beruhen“. 

Viele Menschen müssten nun überzeugt werden, „weil es jetzt ja um Grundrechtseingriffe für jeden Einzelnen geht.“ Schließlich sei es „ja oft nicht einfach zu verstehen, wie unsere Bundesrepublik funktioniert.“

Na, wie schön Frau Bundeskanzler.

Nicht genaues weiß die Bundeskanzlerin

Über das Treffen mit den Ministerpräsidenten am Montag räsoniert Merkel mit Plattitüden, dass „wir uns ja auch nicht im luftleeren Raum bewegen“. Wissenschaftler könnten jetzt „erstaunlich gute Modelle“ zu Corona-Zahlen errechnen und auf Städte wie auch die Bundesrepublik beziehen. „Die Voraussehbarkeit, was da passiert und was wir annehmen, die ist schon relativ groß“, resümiert Merkel. Wenngleich man nicht zu jeder Maßnahme sagen könne, wieviel Prozent die bringe.

Die Bundesregierung weiß also nichts Genaues und schießt dafür kräftig ins Blaue. Das heißt auch: Die Politik der Bundesregierung stützt sich wie beim Wetter so auch bei Corona auf Computer-Voraussagen. Deren Verlässlichkeit erlebt jeder Bürger täglich.

„Aber wir waren uns schon Anfang November bewusst, dass wir 75 Prozent der Kontakte einschränken müssen,“ bekräftigt Merkel. Dies sei ein großer Teil im privaten Bereich, ein Teil im Restaurant natürlich und im gesamten Freizeitbereich. Es finde auch ein großer Teil von Kontakten in Schulen und Kitas statt. Merkel: „Das ist eine bewusste politische Entscheidung von uns. Ich will noch einmal betonen: Niemand will die Schulen schließen.“

Niemand hat die Absicht, Schulen zu schließen

Niemand wollte eine Mauer bauen, Frau Merkel.

Der Kanzlerin geht es also in erster Linie um Minimierung sozialer Kontakte für den „Gesundheitsschutz“, und im Endergebnis um eine gefährliche Entgemeinschaftung durch Entfremdung der Menschen.

Ein CDU-Vorstandsmitglied zeigt sich über Merkels Geständnis erschüttert, „weil der zweite Lockdown ohne genaues Wissen über die Infektionsquellen auch über Gastronomie, Hotels und zahlreiche Schulen verhängt wurde, die nachweislich nicht für die Verbreitung des Corona-Virus sorgen.“

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Doch Merkel will trotz eingeräumten Stopps des exponentiellen Wachstums der Corona-Fälle und „leicht sinkender Zahlen“ weiter auf die Bremse treten. Der Inzidenzwert vor Beginn der Maßnahmen lag nach Auskunft der Kanzlerin bei 94. „Wir sind jetzt bei über 140 und da müssen wir jetzt erst mal wieder runter auf 50“. Ihr Weg schließt „Kontaktbeschränkungen jeder Art“ ein.

Aber die Ministerpräsidenten wollten so weit nicht mitgehen.

Denn: „Ich hätte gestern gerne ein bisschen mehr noch beschlossen“, klagt die Kanzlerin vor ihren Abgeordneten.

Merkels Drohung für demnächst noch härtere Maßnahmen lautet: „Je länger wir das alles hinziehen, und wenn wir es nicht entschlossen genug machen, dann wird es nicht billiger.“

Und weil das Weihnachtsfest mit abgesagten Weihnachtsmärkten deutschen Familien schon vermiest wird, soll jetzt auch noch Silvester dran glauben. Für das Treffen mit den Ministerpräsidenten kündigte Merkel an: „Das werden sehr, sehr schwierige Entscheidungen werden.“ In jedem Fall müssten nächste Woche Beschlüsse mit Perspektive bis zum Januar kommen. Denn: „Wir müssen aufpassen, damit Silvester nicht wieder alles eingerissen wird.“

Spahns Beruhigungspille: Impfen sei ein Segen

Auch Merkels Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) assistiert seiner Kanzlerin: „Die Zahlen müssen weiter runter.“ Angesichts möglicher Impfstoffe verabreicht er Beruhigungspillen. Man wolle zwar „keine Impfpflicht“, doch „Impfen ist ein Segen der Menschheit.“ Was schon stark nach Impfpflicht klingt.

Jedenfalls könne der nächste Herbst und Winter besser werden, was die Pandemie angehe. Das heißt: Wir Bürger müssen nach seiner Ansicht mit Corona-Maßnahmen noch Jahre leben.

Während der Fraktionssitzung beweist die nur noch amtierende CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer, dass sie null Durchblick hat: „Da wir interessante Ausführungen von Herrn Drosten haben, verzichte ich auf meine Wortmeldung.“ Fraktionschef Ralph Brinkhaus muss die unwissende Verteidigungsministerin daraufhin über die aktuelle Lage erst noch aufklären. „Herr Drosten kommt zwar nicht, aber vielen Dank.“ Der Hofvirologe Merkels sagte kurz vor der Fraktionssitzung ab. Teilnehmer vermuten eine Ausladung, weil er nicht beliebt ist.

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Kommentare ( 140 )

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Uta Buhr
4 Jahre her

Nichts gegen Impfungen. Ich achte peinlich darauf, dass mein Impfpass stets auf dem erforderlichen Stand ist. Was jedoch den keineswegs erprobten, bislang nicht ausreichend getesteten Corona-Impfstoff angeht, der noch nicht einmal auf dem Markt ist, bin ich mehr als skeptisch. Ich werde mich auf gar keinen Fall als Versuchskaninchen zur Verfügung stellen. Und Zwangsimpfungen darf es in einer Demokratie ja auch gar nicht geben. Oder? Habe ich gerade das böse Wort Demokratie benutzt?

vauweh66
4 Jahre her

Es gibt keine einzige wirksame Impfung gegen irgendeine Krankheit. Gehen Sie in eine Universitäts-Bibliothek und sichten Sie die vorliegenden Berichte und Studien unter wissenschaftlichen Kriterien. Sie werden überrascht sein, Herr Spahn!
Gerne leihe ich Ihnen meine Bibliothekenkarte.

Citizen
4 Jahre her
Antworten an  vauweh66

Selten so einen Blödsinn gelesen. In wenigen Bereichen hat die Medizin so große Erfolge vorzuweisen wie im Bereich der gezielten Immunisierung durch Impfung ( Pocken, Polio, Masern, Tetanus Toxin) um nur einige zu nennen.

christin
4 Jahre her

„Dafür wird das „Bevölkerungsschutzgesetz“ im Eilverfahren durchs Parlament gepeitscht.“

Welches Parlament? Sie meinen wohl das Anhängsel der Exekutive, wobei ich der AfD gute Parlamentsarbeit bescheinige, nur deren Bundestagsabgeordneten würde ich als Volksvertreter bezeichnen.

Riffelblech
4 Jahre her

Bürger sind für diese ,vom Bürger bezahlten „ Regierungsmitglieder „ wohl ein zu großes Ärgernis ,als das sie deren Wünsche und Vorstellungen noch debattieren sollen. Unter der Leitung der Bundeskanzlerin verkommt dieser Staat zu einer Vasallenrepublik . Auf Ungarn und Polen mit dem ausgestreckten Zeigefinger zeigen ,dabei vergessen ,das vier Finger auf sie selber zeigen . Irgendwann kommt ,ich wette; das Internetabschaltungsgesetz für die Allgemeinheit. Will man trotzdem am Internet teilnehmen : Man muss einen kostenpflichtigen Internetführerschein machen ,darf nur noch die Regierungsmeinung vertreten und an sonsten hat man sich kritischer Kommentare zu enthalten . Es ist ja wohl auch… Mehr

horrex
4 Jahre her

Mein Exemplar von „1984“ aus uralten Zeiten war „verschollen“. Habe mir ein Neues schicken lassen, gelesen. – Einfach nur „frappierend“ die Parallelen zu Heute!!! – (Links-)Faschismus vom Feinsten!!! –

Karl Schmidt
4 Jahre her

So funktioniert die Herrschaft des Volkes: Je mehr Bürger eine andere Politik verlangen, umso weniger sind die Politiker bereit, dem Folge zu leisten. Für Politiker ist das nur der Beleg, dass die Bürger unterbelichtet, fremdgesteuert und generell unberechenbar sind. Klar, dass eine Käfighaltung unumgänglich ist. Der Politiker selbst ist übrigens von solchen Makeln frei – er gehört aber auch einer erleuchteten Klasse an. Die Wegbereiter des 4. Reichs haben keine rechtmäßigen Verordnungen zustande gebracht – über Monate. Sie haben Entscheidungsgremien etabliert, die die Rechtsordnung nicht vorsieht. Sie haben die Parlamente unsichtbar gemacht. Sie meinen im Ernst, es gäbe Grundrechtseingriffe, die… Mehr

horrex
4 Jahre her
Antworten an  Karl Schmidt

Die Nummer mit der „Herrschaft des Volkes“ geht etwas anders. Denn, es ist genau dieses „dumme Volk“ das sich – aus Dummheit – aus seiner Mitte diejenigen Regierer wählt die erst den Himmel auf Erden ohne Wenn und Aber versprechen. Und dann keinerlei Versprechen halten. Erst im Laufe des Prozesses wird den „dummen Gewählten aus der Mitte des Volkes“ klar, dass man dem dummen Volk weit mehr zumuten kann als ursprünglich gedacht. Nur der Machtinstinkt „kleiner Geister“ die gerne groß wären. Und so werden gewählte Volksvertreter – wenn man sie denn im Rahmen einer marxistisch-leninistischen Umerziehung gehirnwäscht – langsam und… Mehr

Citizen
4 Jahre her
Antworten an  horrex

Schon das Wort „Volksvertreter“ trifft ja auf viele Abgeordnete gar nicht zu, da sie nicht vom Volk gewählt wurden, sondern über einen Listenplatz ihrer Partei ins Parlament gelangt sind. Dementsprechend fühlen sie sich auch dem Parteiapparat verpflichtet auch wenn das Gesetz etwas anderes sagt. Und die Partei, die Partei, die hat immer recht…. das hat Klein Angela schon in der Schule gelernt.

Citizen
4 Jahre her
Antworten an  Karl Schmidt

Ich kenne genügend ältere Menschen, die sehr gern auf diese Art von Schutz verzichten und frei und selbstbestimmt darüber entscheiden möchten, welche Risiken sie eingehen möchten. Nicht meine Regierung!

gdg
4 Jahre her

Jeder ihrer Vorschläge wäre ein Richtiger!
Die föderalen Laumänner, außer Söder, verwässern alles.
Beispiel: in einem Restaurant in Düsseldorf, im Oktober, saßen 55 Leute.
Da sie ja aßen und tranken, hatte keiner eine Maske auf – und der Eingangszettel mit den pers. Daten war penibelst ausgefüllt.
Wenn das also sanktioniert ist, sollte man keinerlei Versammlung mehr verbieten.
Warum also gegen Merkel sticheln, nur weil sie etwas anregt?
Jeder ihrer Vorschläge wär ein Richtiger, ich wiederhole mich!

spindoctor
4 Jahre her

Eine „Regierung“, die nicht in der Lage ist, die „eigene“ Bevölkerung mit Grippe- und Pneumokokken-Impfstoff adäquat zu versorgen, sollte das Wort „Bevölkerungsschutz“ erst gar nicht in den Mund nehmen,
„Kenne mer nit, bruche mer nit, fott domet.“

USE
4 Jahre her

Wann werden die Gewerkschaften, Kirchen, Interessenverbände aktiv? Ich weiss, sie hängen mit drin… Von dort kann leider nichts kommen.

alberto el primo
4 Jahre her

1933 wurde die Regierung durch das Parlament ermächtigt, „zum Schutz von Volk und Staat“ die Grundrechte „vorübergehend“ außer Kraft setzen zu können. 2020 passiert im Prinzip das Gleiche, nur die Wortwahl hat sich verändert. Damals nannten sie es „Ermächtigungsgesetz“, heute heißt das im Stil von Orwell „Bevölkerungsschutzgesetz“. Alles nur zu „unserem“ Vorteil („Volk“ und „Deutschland“ existieren ja nicht mehr, nur noch eine beliebige „Bevölkerung“, die halt zufälligerweise in einer Region namens …Schland lebt).

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