So macht Politik Spaß: Die SPD eifert mit einem kindischen Video der FDP nach

Rolf Mützenich und andere SPD-Bundestagsabgeordnete nehmen die Abschaffung des Werbeverbots für Abtreibungen zum Anlass, kindlichen Spaß zu inszenieren. Die FDP hatte das schon vorgemacht.

Screenshot via Twitter / SPD-Bundestagsfraktion

Der Bundestag hat das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche, den Paragrafen 219a des Strafgesetzbuches, abgeschafft. Das war zu erwarten. Nicht unbedingt zu erwarten war allerdings die Art und Weise, wie die SPD-Fraktion diese Entscheidung medial inszenierte. Zumindest nicht, wenn man der Partei noch einen Rest von politischer Ernsthaftigkeit unterstellte.

Zu Fragen des Schwangerschaftsabbruchs und der Aufgaben des Staates zwischen der Freiheit der betroffenen Frauen und dem Lebensschutz kann man unterschiedlicher Meinung sein. In der gesamten Kontroverse, die seit Jahrzehnten, wenn nicht gar seit Jahrhunderten, in Politik und Öffentlichkeit geführt wird, war nur eines unumstritten – bis vor kurzem jedenfalls. Nämlich dass es ein absolut ernstes Thema ist. Über Abtreibung macht man keinen Smalltalk, keine Witze oder Albernheiten. Es eignet sich auch – sollte man meinen – nicht zur politischen Stimmungsmache.

Die SPD-Bundestagsfraktion ist anderer Ansicht. Einige Abgeordnete freuten sich offensichtlich auf die Abstimmung – und inszenierten im Vorhinein ein neckisches Video, das sie über den Twitter-Account der Bundestagsfraktion schon am Vortag der Abstimmung veröffentlichten: „Dieser Freitag wird einfach umwerfend! #WegMit219a #219a“

Zu gutgelaunter Walzermusik bringen SPD-Frauen und -Männer mit sichtlichem Vergnügen immer wieder eine Mauer aus schwarzen Schaumstoffwürfeln zum Einsturz, auf denen „§219a“ steht. Am Schluss grinst Fraktionschef Rolf Mützenich zufrieden in die Kamera. Das scheint man in der Fraktion besonders gelungen gefunden zu haben, weswegen man es gleich noch mal extra postete:

Und dann gleich noch ein Jubel-Bild mit Mützenich und den Frauen der Fraktion, mit hochgereckten Fäusten und Plakat „Wir streichen §219a“.

Bezeichnend ist wohl auch, dass in einem dazu produzierten Podcast der SPD-Fraktion die Streichung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche mit der geplanten Legalisierung von Cannabis unter dem Stichwort „progressive Projekte“ zusammengefasst wird. „§219a und Cannabis: Wie geht Fortschritt?“ Unbeschwertes Kiffen, ohne zum Dealer gehen zu müssen, und der erleichterte Schwangerschaftsabbruch, ohne lange nach einem Arzt suchen zu müssen, gehören für die SPD offenbar in ein und dieselbe, progressiv-spaßige Politik-Kategorie, die von der Fraktionspressesprecherin „Erneuerung der Politik und Modernisierung der Gesellschaft“ genannt wird. Passenderweise stellt sich die SPD-Abgeordnete Carmen Wegge in diesem Podcast auch mit den Worten „… und hab‘ sehr viel Spaß in Berlin“ vor.

Mit ihrem Spaß in Berlin am Umwerfen erscheinen die ausgewachsenen SPD-Abgeordneten nicht wie Repräsentanten des Souveräns der Bundesrepublik Deutschland, sondern wie Kinder beim Spielen. Kinder, denen fehlt, was Neil Postman („Wir amüsieren uns zu Tode“, 1985) als Bedingung fürs Erwachsensein feststellte, nämlich „die Fähigkeit zur Selbstbeherrschung und zum Aufschub unmittelbarer Bedürfnisbefriedigung, ein differenziertes Vermögen, begrifflich und logisch zu denken, ein besonderes Interesse sowohl für die historische Kontinuität als auch für die Zukunft, die Wertschätzung von Vernunft und gesellschaftlicher Gliederung“. Ihre eigene Lust auf Selbstdarstellung als beschwingt-gutgelaunte Fortschrittsdurchsetzer konnten Mützenich und Kollegen jedenfalls nicht beherrschen.

Die geschmacklose Aktion schließt nahtlos an eine ähnliche Zurschaustellung der eigenen Kindlichkeit und des politischen Unernstes an, die die drogenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion Kristine Lütke (auch in der FDP scheinen Drogen und Schwangerschaftsabbrüche zusammenzugehören) Anfang Februar 2022 veröffentlicht hatte: Man sieht sie mit anderen FDP-Politikern tanzend zum obszönen Song „Short Dick Man“ mit Masken und Sonnenbrillen in den Gängen des Bundestags – betitelt mit den Worten „Wir, auf dem Weg zur Abstimmung, um endlich §219a aus dem StGB kicken zu können“.

Damals, im Februar, gab es noch verbreitet öffentliche Empörung. Lütke löschte das Video schließlich aus ihrem Twitter-Account. Es habe „Raum für Missverständnisse geboten“. Misszuverstehen gab es da aber eigentlich nichts. Lütke und Co hatten eben Spaß und glaubten, das zeigen zu müssen.

Screenshot via Twitter / Kristine Lütke

Womöglich hat die Infantilisierung in Politik und Gesellschaft seither noch weiter zugenommen – oder zumindest die öffentliche Akzeptanz für kindisches Verhalten von Politikern. Der jüngste Dingsda-Auftritt von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht im Bundestag – „großes Rohr“ – legt den Schluss nahe. Jedenfalls eifert die SPD-Fraktion dem abtreibungspolitischen Klamauk der FDP nun bewusst nach. Nur steht sie eben eher auf Walzer und Zeitlupe als obszönen Hiphop und Sonnenbrillen.

Die Botschaft ist in beiden Ampel-Videos dieselbe: Mit der richtigen Einstellung und guter Laune ist Politik ein großer Spaß, vor allem wenn es darum geht, Bauklötze umzuschmeißen, also vermeintlich altmodische, ethische Vorbehalte einfach zu „kicken“!

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Kommentare ( 14 )

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14 Comments
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Deutscher
1 Jahr her

Tja, so ist das halt in Sozialismus / Kommunismus und artverwandten Ideologien: Da ist der Mensch nicht viel mehr als ein Wegwerfartikel oder ein Verschleißteil.

Last edited 1 Jahr her by Deutscher
Alter Sachse
1 Jahr her

Bei diesen Videos fällt mir nur eines ein: „Zur Kreuzigung vorn links. Und jeder nur ein Kreuz.“ ( Aus: Das Leben des Brian )

Dr. Friedrich Walter
1 Jahr her

Wie will man solche infantilen, unfähigen, lächerlichen und unwürdige Gestalten noch „vefassungsschutzrelevant delegitimieren“ können ??? Das soll der Verfassungsschutz mir erst einmal erklären…!

Deutscher
1 Jahr her
Antworten an  Dr. Friedrich Walter

Genau so wenig kann man noch verächtlich machen, wer sich selbst bereits verächtlich gemacht hat.

Danton
1 Jahr her

Nach sorgfältigster Abwägung der Worte die ich in diesem Kommentar verwende, komme ich nicht umhin, der einstigen Malocherpartei, die nach langem Ringen dem Kommunismus, in Teilen, abgeschworen hat, das diese Partei über ein Partei- und Funktionärspersonal verfügt das würdeloser und lächerlicher nicht sein könnte. Allgemein ist es ja gut wenn ungeformte und mit sehr viel Essensgeld ausgestattete Politikerleiber Sport treiben, andererseits ist es eben kein Sport wenn man sich in Schaumstoff gefüllte Würfel fallen lässt. Was die SPD themenübergreifend an den Tag legt um sich unbemerkt über die Pfründe der arbeitenden Bevölkerung herzumachen, was diese Partei an Clownerie, Ringelreihen und… Mehr

Elki
1 Jahr her

Was hatten sie sich über das letzte Wahlergebniss in den USA gefreut und gerne alles übernommen, um Ihren Herren und Damen in den USA zu gefallen, wobei das Wohl der deutschen Bevölkerung offenbar keine Rolle mehr spielte. Nun müssen sie erkennen, das die USA zuerst immer an sich selbst denkt, wie jede Nation mit verantwortungsbewußten Politikern an der Spitze.

Last edited 1 Jahr her by Elki
Klaus Kabel
1 Jahr her

Es lebe die Deppenrepublik und alle seine Caoten. Der Eintritt ist für Denkende ausnahmslos verboten.

Autour
1 Jahr her

Herr Knaus sie missinterpretieren hier. Das ist bei weitem kein kindliches Niveau was sie hier sehen. Das ist das aktuelle Niveau der Regierungs- und Parlamentsmitglieder der SPD. Man muss sich ja nur die Wortmeldungen der einzelnen Menschen ansehen. Ich sage nur „langes Rohr“ und „schießt in die Luft“! Von solchen Menschen werden wir regiert!

H. F. Klemm
1 Jahr her

Dann ist ja demnächst zu erwarten das dieses „Werbeverbot“ ähnlich vielsprachig wie z.B. Asylanträge in türkisch, vielen arabischen Dialekten, Farsi, usw. großflächig plakatiert, in Zeitungen, ÖR , Flyern und Hand-outs bei allen Behörden von unseren Regierungen, amtlichen Stellen und Parteien beworben wird. Im Besonderen bin ich gespannt wie unsere beiden christlichen Kirchen diese Botschaft „unters Volk, ach ne muß ja Bewohnerhicks*innen heißen “ bringen werden.; in den Moscheen dürfen sie ja leider noch nicht predigen. Ach ja, ich meine natürlich die Abschaffung des Werbeverbotes für Abtreibungen, in der anderen Causa ist diese Bevölkerung-, ach ne, muß ja auch heißen „Bewohnerhicks*innen*Gruppen“… Mehr

Last edited 1 Jahr her by H. F. Klemm
Biskaborn
1 Jahr her

Wie sagte doch mal jemand zu Recht: „ wir werden von Verrückten regiert“. Wenn man diese Bilder sieht wird einem komplett übel. Das wollen Männer und Frauen sein die Deutschland regieren? Die wollen sich wahrscheinlich bei einer, leider muss ich es so drastisch ausdrücken, zunehmend bildungsfernen, verblödeten Jugend anbiedern. Ich gehe aber davon aus diese Jugend darf man nicht alle in einen „ Topf“ werfen. Das zumindest ist noch meine letzte Hoffnung!

Spoekenkieker
1 Jahr her

Abscheu und Verachtung, sofern dieser Begriff im allgemeinen Sprachgebrauch noch zulässig ist, machen sich sicher nicht nur bei mir breit und führen zur „inneren Kündigung“ von dieser Gesellschaft. Schlimm. Widerwärtig. Aber vielleicht ist das ja gewollt, auf dass Deutschland sich möglichst schnell abschaffe…..