Die Sorgen um die Weltwirtschaft wachsen

Von wegen „politische Börsen haben kurze Beine“, wie Aktienhändler allzu oft behaupten. Nicht nur der amerikanische Präsident sorgt dafür, dass die Politik sich zunehmend auf Börse und Wirtschaft auswirkt.

© Jim Watson/AFP/Getty Images

US-Präsident Donald Trump hat einen neuen Kritiker. Und was für einen: Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank. Der tritt mit dem Rüffel für „The Donald“ zwar nicht offiziell in Erscheinung, lässt aber seine Volkswirte im jüngsten EZB-Wirtschaftsbericht unmissverständlich klarstellen: „So herrscht beträchtliche politische Unsicherheit im Zusammenhang mit den von der neuen US-Regierung verfolgten Vorhaben in der Finanz- und vor allem der Handelspolitik, wobei von Letzterer potenziell signifikante Negativeffekte auf die Weltwirtschaft ausgehen können.“

Politische Unsicherheit wirkt sich also auf die Wirtschaft aus. Aber wie? Das Thema ist extrem komplex. Deshalb lud die DVFA, Vereinigung der Finanzanalysten, zur Beantwortung dieser Frage am vergangenen Mittwoch Katinka Barysch ein, im Allianz-Konzern zuständig für die Erforschung politisch-wirtschaftlicher Interdependenzen. Hier sind die aufschlussreichsten Thesen der Expertin:

Löst China die USA als globale Supermacht ab?

Politische Risiken lassen sich nur schlecht quantifizieren. Politische Zyklen dauern viel länger als ökonomische. Internationale Lösungen der politischen Konflikte sind blockiert, und gerade jetzt brauchen wir sie. Zurzeit gibt es weltweit 40 aktive Konflikte. Allein die wirtschaftlichen Kosten der Gewalt beliefen sich 2015 auf 13,6 Billionen Dollar. 67 Prozent der Chinesen glauben, dass China die USA als globale Supermacht abgelöst hat oder bald ablösen wird. 46 Prozent der Amerikaner stimmen dem zu. China testet dauernd rote Linien.

Nun könnte man meinen, allein schon die bekannten politischen Konflikte seien so gravierend, dass Wirtschaft und Börse sie widerspiegeln müssten. Doch nichts dergleichen. Stattdessen rechnen die Konjunkturforscher in Europa weiterhin mit einem auskömmlichen Wachstum, und die Aktienkurse peilen nach jedem Rücksetzer immer wieder neue Höhen an. Eine solche Atmosphäre reizt zu Börsengängen, wie gerade zu dem der Restaurantkette Vapiano und des Lieferdienstes Delivery Hero. Denn je höher das Kursniveau ist, desto preiswerter können sich Börsenaspiranten durch die Ausgabe von Aktien mit Eigenkapital eindecken. Georg Schuh, Geschäftsführer der Fondsgesellschaft Deutsche Asset Management, meinte bei der erwähnten DVFA-Veranstaltung sogar: „2017 fühlt sich ähnlich an wie 1999.“ Damals waren die Aktienkurse heiß gelaufen. Dieser Episode folgte ein dreijähriger Kurssturz.

Die Populismuswelle rollt weiter – und dann?

Was für Erkenntnisse lassen sich trotz der komplexen Beziehungen zwischen Politik und Wirtschaft gewinnen? Allianz-Expertin Barysch zählt dazu auf, welche Indikatoren politischer Instabilität von der Finanzkrise 2008 bis 2016 am meisten zugenommen haben. Es sind in dieser Reihenfolge: das Flüchtlingsproblem, terroristische Aktivitäten, gewalttätige Demonstrationen, die Furcht vor Kriminalität, das Einkerkern politischer Gegner und Rüstungsexporte.

Besondere Aufmerksamkeit widmet Barysch dem Populismus. Um sich nicht im Definitionswirrwarr, was Populismus bedeute, zu verheddern, verwendet sie einfach einen Index. Dieser gibt den Anteil der Wähler wieder, die in der Vergangenheit und in jüngster Zeit populistische und Anti-Establishment-Parteien gewählt haben. Dabei fällt auf, dass der Anteil zuletzt das höchste Niveau seit 1930 erreicht hat. Die Populismuswelle sei noch nicht vorbei, betont Barysch, und zieht als Beleg die Ergebnisse der Umfragen vom Mai dieses Jahres heran. Danach ragen der Front National in Frankreich, die italienische Bewegung M5S und die FPÖ in Österreich mit besonders viel Zuspruch heraus. Die AfD rangiert nur unter ferner liefen.

Was hat es mit der EZB-Warnung wirklich auf sich?

Eine Frage, die sich aufdrängt: Ist der Vergleich mit 1930 nicht an den Haaren herbeigezogen? Diese Frage mag zum Teil gerechtfertigt sein, denn die verwendeten Indikatoren lassen durchaus auch andere Interpretationen zu. Aber kommen wir zum Anfang zurück: Dass Draghi im neuen EZB-Wirtschaftsbericht den amerikanischen Präsidenten besonders wegen dessen Handelspolitik tadeln lässt und daraus „signifikante Negativeffekte“ für die Weltwirtschaft ableitet, ist kein Zufall, sondern die ultimative Warnung vor den Folgen der irritierenden Trump-Politik.

An den Börsen wird man darauf in Vorwegnahme turbulenter Zeiten eher früher als später verschnupft reagieren. Der bereits zitierte Georg Schuh rät denn auch, als Schutzmaßnahme unter anderem viel Kasse vorzuhalten, Gold zu kaufen und auf die Volatilität zu achten, also auf die Höhe der Kursschwankungen. Deren Ausmaß lässt sich mithilfe von Kennzahlen wie VDax in Deutschland und Vix in Amerika messen, einfach anzuklicken bei den Portalen führender Direktbanken. Die Volatilität ist seit Jahren sehr gering. Sobald sie kräftig steigt, ist besonders für die Aktienkurse Gefahr in Verzug.

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Kommentare ( 8 )

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kasalida
6 Jahre her

Der Geldvernichter Draghi mag den Trump auch nicht? Da muss Trump wieder etwas richtig gemacht haben.

Robert Gradl
6 Jahre her

mario draghi. den namen liest man immer auf diesen schnipseln, die demnächst nicht einmal mehr zum anfeuern des grills taugen werden, weil zuviel davon generiert wurde.

Philipp Richardt
6 Jahre her

Mussolini definierte den Korporatismus als Reinform des Faschismus.

GermanMichel
6 Jahre her

Wie sich das immer liest „von Trump/den Populisten geht Gefahr für die Weltwirtschaft aus“. Als ob die Weltwirtschaft nicht schon durch die Jahrzehnte alte ‚Blasenpolitik‘ der FED pervertiert wurde, als ob nicht schon 2008 völlig klar war dass der Finanzmarkt halb Kriegsschauplatz halb Mafiaspielwiese ist, also alles nur kein echter Markt, und als ob die Erkenntnis immer noch so fern läge das platzende Blasen sowie Staaten- und Bankenrettungen die Größten Raubzüge der jüngeren Geschichte waren (und sind). Nixon hat die Goldbindung vom Dollar abgeschafft, Clinton den Schuldenturbo angeschmissen, Bush Jr. die notwendige Reszession nach Clinton nicht zugelassen. Den kleinen Knall… Mehr

Armer Hugo
6 Jahre her

Was soll das denn ? Ein Kommentar, eine Reportage, eine Expertise ? Zeitverschwendung !

Andreas Stadel
6 Jahre her

Indikatoren auf dem höchsten Level seit den 1930er Jahren…
Auch „rein gefühlsmäßig“ bin ich zunehmend beunruhigt, überall „politisch korrekte Extremisten“ am Werke – und nun auch noch die „Populisten“ – das riecht nach Ärger bzw. (politisch korrekt formuliert) Instabilität. Aber das sind doch nur „Herausforderungen“, denen wir uns in unserer wohlstandsverwahrlosten Gesellschaft gerne stellen – endlich mal etwas Action. „Spannende“ Zeiten…

Auch wenn mich das Thema sehr besorgt, danke für diesen Beitrag!

F.Peter
6 Jahre her

Dass der Oberspekulant Draghi Trump angreift, ist wohl dem geschuldet, dass die Kapitaleigner mal wieder versuchen, die Hoheit über die Politik zu gewinnen!
Trump wird es nicht jucken, wenn in Europa einer mit dem Schwanz wackelt!
Spätestens beim Gipfel in Hamburg werden die Europäer wieder zu spüren bekommen, dass Trump von deren Politik nichts hält.

azaziel
6 Jahre her

Die USA machen zaghafte Versuche ihre Zinsen zu erhoehen und die Staatsfinanzierung zurueckzufahren. Gelingt dieser Versuch, wird der Dollar steigen mit negativen Folgen fuer Export, Import, Konjunktur und Beschaeftigung. Wuerden wichtige Handelspartner der USA wie zum Beispiel die Eurozone die amerikansichen Massnahmen unterstuetzen, indem sie ihrerseits die Zinsen erhoehen, koennte man die handelspolitische Balance erhalten. Koennen diese Staaten das, ohne dass sie pleite gehen? Dies gaelte fuer alle wichtigen Handelspartner. Solange diese Partner die Zentralbanken ihre Staatsausgaben finanzieren lassen, muessen die USA entweder – wie bisher die Geldschleusen geoeffnet halten – die negativen Folgen in Kauf nehmen oder – ihre… Mehr