Die privaten Aktionäre: Ungeliebt und Ausgestossen

Wer hat die Pralinen gegessen? Aktien sind die große Empfehlung dieser Tage - aber unklar bleibt, wer wirklich daran verdient.

Aktien sind etwas Feines, vorausgesetzt, man geht richtig mit ihnen um. Dazu gehört an erster Stelle die Beschäftigung mit ihren Kurskurven – und der Abschied von gefährlichen Allgemeinplätzen.

Hurra, die Präsenz der Aktionäre auf Hauptversammlungen deutscher Unternehmen ist innerhalb Jahresfrist insgesamt von 50 auf 55 Prozent gestiegen, jubelt die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, kurz DSW. Na und? Überall sonst in Europa ist die Präsenz höher, in Großbritannien beträgt sie aktuell sogar 70 Prozent. Also doch ignorantes deutsches Aktionärsvolk, wie vielfach immer wieder vermutet wird? Kann man so undifferenziert nicht behaupten. Aber was denn? Die Bundesbank ermittelte im Sommer, dass der Anteil ausländischer Aktionäre an börsennotierten deutschen Aktiengesellschaften aufgrund der damaligen Daten 57,1 Prozent betrug, gegenüber dem Jahr 2005 ein Anstieg um 2,6 Prozentpunkte. In derselben Zeit war der Anteil deutscher Aktionäre auf 42,9 Prozent zurückgegangen.
Ausländer neigen halt dazu, ihre Portfolios mit deutschen Aktien vollzustopfen, solange Geldpolitik und Konjunktur dafür sprechen, wie zuletzt insbesondere von 2012 bis weit ins Jahr 2014. Aber sie ziehen sich ebenso konsequent wieder zurück, sobald sie Gefahr wittern, wie zuletzt am Freitag geschehen. Die Präsenz in Hauptversammlungen ist ihnen dann eher schnuppe. Das Ergebnis werden wir nach der nächsten Aktionärsumfrage serviert bekommen.

Beipackzettel und anderer Müll

Wie unter ausländischen, so dominieren auch unter deutschen Aktionären die institutionellen Anleger, Schwerpunkt Fonds. Der Anteil privater Aktionäre ist seit der Aktienblase des Jahres 2000 geradezu implodiert. Es gibt zwar immer wieder Versuche, die Deutschen an Aktien heranzuführen, aber die Ergebnisse sind beschämend. Da sollen Produktinformationsblätter, vulgo Beipackzettel, Anleger informieren; stattdessen dienen sie eher der Desinformation. Beratungsprotokolle sollen Anleger schützen, und nebenbei wird mal eben das Kleinanlegerschutzgesetz aus dem Hut gezaubert; doch immer mehr Banken und Sparkassen ziehen sich lieber ganz aus der Aktienberatung zurück, als lange Protokolle anzufertigen. Das hat eine Umfrage des Deutschen Aktieninstituts (DAI) vom Frühjahr ergeben.
Das DAI gehört ebenso wie die DSW zu den privaten Institutionen, von denen man bestenfalls ahnen kann, inwieweit sie sich den Interessen privater Aktionäre widmen. Das gilt auch für den Fondsverband BVI, der natürlich primär die Werbetrommel für Aktienfonds statt für die direkte Aktienanlage rührt. Den Banken- und Sparkassenverbänden sind Aktionäre eher egal. Darüber hinaus ist noch eine öffentliche Institution erwähnenswert, die Finanzaufsicht BaFin. Sie hat sich bisher in Sachen Anlegerschutz nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Kennzeichnend ist denn auch, wie das DAI in einer Stellungnahme vom Oktober gegen sie giftet: „Die massive Ausweitung der Kompetenzen der BaFin, ohne dass ihr Sinn oder Effizienz im Einzelnen evaluiert würde, kann nicht allein zu Lasten der Unternehmen gehen.“

Lehrstoff vom Feinsten, doch der Teufel steckt im Detail

Wie soll aus Lebensversicherungs- und Kontensparern ein Volk von Aktionären werden? Die einen fordern mehr ökonomische Bildung schon in der Schule, die anderen beschwören eine Aktienkultur – was immer das bedeuten mag. Lauter Lippenbekenntnisse. Wo kann ökonomische Bildung ansetzen? Etwa bei der Frage, was unter Inflation und Deflation, Bruttoinlandsprodukt und Sparquote zu verstehen sei? Mühsam, ja anspruchsvoll, aber wegen zu wenig Nutzwert irgendwie auch langweilig. Oder ist ein Ansatz eher bei der Finanz-, Wirtschafts- und Bankenkrise und der selbst für Fachleute unverständlichen Geldpolitik der EZB ratsam? Nein, er ist illusorisch und so gut wie nicht vermittelbar.

Dann doch lieber gleich direkt in die Geldanlage einsteigen, in die Altersvorsorge allgemein, die gesetzliche Rente als Basis, die Varianten der betrieblichen Rente und die verkorkste Riester-Rente, Anleihen, Aktien und Aktienfonds. Daraus abgeleitet das Thema Dividende erörtern, das sich um Kursgewinne erweitern ließe, und schon hätte man auch Steuern abgehandelt, hier in Form der Kapitalertrag- bzw. Abgeltungsteuer. Mehr noch, die Dividendenrendite lädt zum Vergleich mit der Anleihenrendite ein, außerdem mit der Mietrendite von Immobilien, was zur Frage überleitet, welche der beiden Anlageformen langfristig rentabler ist. Also alles in allem, so scheint es jedenfalls, Lehrstoff vom Feinsten.

Aktien sind etwas für Autodidakten

Nur sollte niemand glauben, er ließe sich mir nichts dir nichts am Banktresen oder gar in der Schule vermitteln, denn der Teufel steckt mehrfach im Detail. Dazu ein aktuelles Beispiel, das neben privaten Aktionären vor allem die zahlreichen Verfechter der scheinbar alternativlosen Aktienanlage zum Grübeln bringen dürfte: Am vergangenen Freitag fiel der Dax um 2,72 Prozent. Damit war die annähernd gleich hohe durchschnittliche Dividendenrendite der Dax-Aktien an einem einzigen Tag vernichtet. Wie kann man so etwas einem Schüler oder sonstigen Aktiennovizen erklären? Am besten, indem man ihm einbläut, dass Aktien sich eher zum Spekulieren eignen, aber bitteschön, dass man sie nicht gerade dann kaufen sollte, wenn ihre Kurse sich in luftigen Höhen bewegen.

Dividenden sind wahrlich keine Geschenke. Dieser Aspekt kommt in der öffentlichen Diskussion viel zu kurz. Sie werden aus Anlass ihrer Zahlung von den Kursen abgeschlagen. Das heißt, Geld fließt aus einer Tasche des Aktionärs in die andere, und auf dem Weg dahin kassiert der Staat 25 Prozent plus Soli plus ggf. Kirchensteuer ab. So gesehen also ein Verlustgeschäft – es sei denn, der Dividendenabschlag wird aufgeholt, weil das betreffende Unternehmen weiterhin Gewinne erzielt. Doch das ist erst nach Abschluss des neuen Geschäftsjahres sicher. Aktienfreunde tun dagegen in der Regel so, als sei das Aufholen sicher.
Diese Überlegungen zeigen, wie sehr der Teufel im Detail steckt. Da hilft nur eines: Auf ständiger Beobachtung und schließlich Erfahrung aufbauende Autodidaktik, die davon ausgeht, dass Aktienkurse sich in kurzen und langen Wellen bewegen, dass Kursgewinne üblicherweise wichtigere Ertragsbestandteile sind als Dividenden – und dass Emotionen wie Gier und Angst mindestens zu ebenso bedeutenden Kurstreibern werden können wie all die rationellen Entscheidungen der sogenannten Profis. Die neue Woche wird das bestätigen.

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