Jährlich meldet sich die linke Sprachpolizei

"Anti-Abschiebeindustrie" ist nach Meinung einer "Sprachjury" das "Unwort des Jahres". Mit „Sprachwissenschaft“ haben all die Unworte nicht das Geringste zu tun. Hier wollen Linksintellektuelle Andersdenkende lächerlich machen und diffamieren.

Linguistik-Professorin Nina Janich, Sprecherin der Jury, erklärte zur Begründung für die diesjährige Entscheidung, der Begriff „Anti-Abschiedeindustrie“, den Alexander Dobrindt von der CSU verwendet hatte, zeige, „wie sich der politische Diskurs sprachlich und in der Sache nach rechts verschoben hat und sich damit auch die Sagbarkeitsregeln in unserer Demokratie auf bedenkliche Weise verändern.“ Unter den Vorschlägen waren auch die Wörter „Abschiebeverhinderungsindustrie“, „Sicherheitsgefährdende Schutzsuchende“, „Asyltourismus“ und „Hypermoralist“. „Klageindustrie“ ist laut der Jury im Zusammenhang mit dem Verbraucherschutz eingereicht worden.

In den meisten Medien heißt es völlig unkritisch, eine „sprachkritische Jury“ wolle mit der Kür jedes Jahr auf „undifferenzierten, verschleiernden oder diffamierenden öffentlichen Sprachgebrauch“ aufmerksam machen.

Der Unsinn mit den „Unworten“

Die „Verifikatoren“ haben wieder zugeschlagen
Das Wort „Unwort“ ist der Unsinn und das Unwort des Jahres
Zu Erinnerung: 2017 war „alternative Fakten“ das Unwort des Jahres. Die Bezeichnung „alternative Fakten“ sei, so begründete die Jury vergangenes Jahr ihre Entscheidung, „der verschleiernde und irreführende Ausdruck für den Versuch, Falschbehauptungen als legitimes Mittel der öffentlichen Auseinandersetzung salonfähig zu machen“. „Alternative Fakten“ war ein Begriff, der von Kellyanne Conway, einer Beraterin von Donald Trump, verwendet wurde, um die (falsche) Behauptung zu stützen, dass zur Amtseinführung von Trump mehr Zuschauer gekommen seien als bei früheren Amtseinführungen anwesend waren. Natürlich ist „alternative Fakten“ ein unsinniger Begriff, der jedoch überhaupt nicht in die Sprache eingegangen ist – weder in die deutsche noch in die englische. Er wurde allenfalls von politisch Korrekten verwendet, um Andersdenkende lächerlich zu machen und als Lügner und Idioten darzustellen – nach dem Motto: Jeder Andersdenkende ist ein kleiner Trump. Die Behauptung der Jury, „alternative Fakten“ sei auch in Deutschland zum Sinnbild für besorgniserregende Tendenzen im öffentlichen Sprachgebrauch geworden, war abwegig.

Jedes Jahr werden quotengerecht auch solche Begriffe als „Unworte“ bezeichnet, die sich gegen Feminismus und Genderideologie richten, so wie dieses Jahr „Feminismus-Flausen“, das auf der Auswahlliste stand (habe ich selbst noch nie gehört). Die Juroren rügten letztes Jahr den Begriff „Genderwahn“. Mit diesem Ausdruck würden in konservativen bis rechtspopulistischen Kreisen zunehmend Bemühungen um Geschlechtergerechtigkeit in undifferenzierter Weise diffamiert, so die Jury. Damit sollen also Kritiker der Genderideologie gemaßregelt werden. Auf der Liste der Vorschläge zum „Unwort des Jahres“ stand auch schon die „Sprachpolizei“ – ein Begriff, der sich gegen die Sprachvorschriften durch politisch Überkorrekte wendet (und damit natürlich selbst unerwünscht ist). Gerade deshalb verwende ich den Begriff hier, denn er ist sehr treffend.

Untersucht man die Begriffe, die in früheren Jahren als Worte bzw. Unworte des Jahres gekürt wurden, dann wird deutlich, dass sich darin die Weltsicht der Linksintellektuellen verdichtet. „Unworte“, die von politisch Linksstehenden verwendet werden, gibt es nach dieser Lesart nicht. „Unworte“ sind vorwiegend Begriffe, die – tatsächlich oder vermeintlich – von Liberalen, Konservativen oder Rechten verwendet werden.

„Gutmensch“ und „freiwillige Ausreise“ waren auch „Unworte“

Das Unwort 2015 lautete „Gutmensch“. Warum eigentlich? Ich finde den Begriff „Gutmensch“ gut. Dass er zum „Unwort“ erklärt wurde, ist bezeichnend, denn der Begriff wendet sich meist kritisch gegen Linke und Grüne, die sich für moralisch überlegen halten.

Unwort, ein Unding
Der Unsinn mit dem (Un)wort des Jahres
Das Unwort 2013 lautete „Sozialtourismus“. Der Begriff wurde zum „Unwort“, weil Politiker und Medien damit „gezielt Stimmung gegen unerwünschte Zuwanderer, insbesondere aus Osteuropa“ machten. Indem die Jury den Begriff zum „Unwort“ erklärte, sollte offensichtlich geleugnet werden, dass es eine Zuwanderung in die Sozialsysteme gibt (dies zu bestreiten, nenne ich wiederum postfaktisch).
2006 wurde „freiwillige Ausreise“ als „Unwort des Jahres“ gekürt. Der Begriff suggeriere, so hieß es zur Begründung, abgelehnte Asylbewerber kehrten vor einer Abschiebung „freiwillig“ in ihre Heimat zurück. Tatsächlich hätten sie jedoch, so die Jury, keine andere Wahl. Daher sei der Begriff ein „Unwort“. Es wurde also damit kritisiert, dass ein abgelehnter Asylbewerber die Entscheidung eines deutschen Gerichtes in letzter Instanz akzeptiert und ihr folgt statt sich ihr zu widersetzen und illegal in Deutschland zu bleiben.

Manche Begriffe, die zum „Unwort des Jahres“ gekürt wurden, finde auch ich kritikwürdig, so etwa „Lügenpresse“ (2014), „Wohlstandsmüll“ (1997), „ausländerfrei“ (1991) usw. Auffallend ist jedoch, dass niemals Begriffe und Worte mit einer linken oder grünen Konnotation zum „Unwort“ gekürt werden. Im Gegenteil. Solche Begriffe haben eine gute Chance „Worte des Jahres“ zu werden.

Worte des Jahres – was ins linke Weltbild passt

Zum „Wort des Jahres“ werden gerne Begriffe gekürt, die in das linke Weltbild passen. Das erste „Wort des Jahres“ war 1971 „aufmüpfig“, also etwas, das damals im linksgrünen Denken eindeutig positiv belegt war. „Aufmüpfig“ so hieß es, habe sich anfangs vor allem auf die 68er-Bewegung bezogen und sei 1970/71 im allgemeinen Sprachgebrauch neu aufgekommen. Heute würde „aufmüpfig“ sicher nicht mehr zum Wort des Jahres gekürt, weil längst nicht mehr nur politisch Linksstehende „aufmüpfig“ sind.

Victim-Blaming
Mein Schlag-Wort des Jahres: "Versagensbereit"
1982 wurde der Begriff „Ellenbogengesellschaft“ gekürt, ebenfalls ein linker Kampfbegriff. Gemeint war damit der Vorwurf linker Politiker an die neue schwarz-gelbe Regierung, sozial Schwache zu benachteiligen und den Egoismus in der Gesellschaft zu fördern.

1993 war „Sozialabbau“ das „Wort des Jahres“. Auch das ist ein polemischer Begriff, der sich gegen marktwirtschaftliche Reformen des Sozialstaates wendet.
1998 war das Wort des Jahres „Rot-Grün“, 2007 „Klimakatastrophe“ („die Folgen unkontrollierter globaler Erwärmung“). 2015 wurde dann „Flüchtlinge“ zum „Wort des Jahres“, obwohl man gerade diesen Begriff wegen mangelnder Differenzierung durchaus kritisch sehen kann. Denn in Politik und Medien wird er oft pauschalisierend und generalisierend für Einwanderer verwendet, auch wenn diese nicht vor Kriegen und Bürgerkriegen auf der Flucht sind, was ja die ursprüngliche Bedeutung des Wortes ist. Inzwischen muss man ja aus unerfindlichen Gründen „Geflüchtete“ sagen und „Flüchtling“ soll falsch sein.

Die Jury kürt auch einen „Satz des Jahres“. Schon zwei Mal hat Angela Merkel den „Satz des Jahres“ gesagt, nämlich 2011 („Fukushima hat meine Haltung zur Kernernergie verändert“) und 2015 („Wir schaffen das“). 2001 prägte der Berliner SPD-Vorsitzende und spätere Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit das Wort des Jahres: „Ich bin schwul und das ist (auch) gut so“.

Mit „Sprachwissenschaft“, wie es unkritisch in Medienberichten heißt, haben all diese Worte, Unworte usw. nicht das Geringste zu tun – hier wollen sich lediglich Linksintellektuelle ihrer Deutungshoheit versichern und Andersdenkende lächerlich machen und diffamieren. Sprachwissenschaftler hätten dabei tatsächlich eine Menge Arbeit, wenn sie die Verhunzung der deutschen Sprache durch „genderneutrale“ Sprachregelungen wie etwa das sogenannte „Gendersternchen“ * kritisieren würden. Aber die Jury würde sicherlich eher denjenigen verdächtigen, Unworte zu gebrauchen, der sich dieser Sprachverhunzung widersetzt. Als weitere mögliche Unworte würden mir einfallen „soziale Gerechtigkeit“ oder „Gleichstellung“.

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Kommentare ( 48 )

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Sonia.B.
5 Jahre her

Die Argumentation warum Gutmensch ein Unwort sein soll reichen doch schon aus um zu erkennen dass das Ganze Blödsinn ist. Entweder wird versucht den Begriff zu Nazideutsch zu erklären weil er einmal auch im Reichstag gefallen ist, wobei völlig ignoriert wird, das der Begriff schon viel früher geprägt wurde.Selbst wenn stünde da noch seine tatsächliche Bedeutung im Raum, die seine Herkunft dann doch irrelevant macht. Da wird dann von Betroffenen oder solchen die sich betroffen fühlen verzweifelt herbeigeredet, er diffamiere ‚gute Menschen‘ und man versucht die Bedeutung gleich zu setzen. Dabei ist es so einfach: ein Mensch der im Wald… Mehr

anita b.
5 Jahre her

DS schlimmste an der der Sache ist doch, das sich solche Leute als Wissenschaftler betrachten. Was soll an dem Quatsch wissenschaftlich sein.

Herbert Wolkenspalter
5 Jahre her
Antworten an  anita b.

Wissenschaft darf schon auch kreativ verspielt sein. Ändert aber nichts daran, dass dem Unwort-Komitee die Sprachlogik abhanden gekommen ist.

Wie kann man auf auf die Schnapsidee kommen, von einem einzelnen Wort Differenzierung zu verlangen? Dabei besagt das bloße Wort „Genderwahn“ gar nicht, dass ALLE Bemühungen um Geschlechtergerechtigkeit damit gemeint sind. Es meint Genderwahn dort, wo welcher ist.

Das Sprach-Komitee hat’s einfach nicht richtig begriffen. Und das mit akademischer „Sprachkompetenz“. Bildungsland Deutschland!

Dr. Slonina
5 Jahre her

Orwells „Neusprech“ läßt grüßen…

5 Jahre her

Es ist schon erstaunlich wie die Politik nahe zu jedes Thema für sich instrumentalisiert ohne hierfür, sprich für ihre dargelegte Begründung, forensisch belastbare Beweise zu besitzen. Im Gegenteil, zumeist werden derartige wissenschaftliche Erkenntnisse ausgeblendet, so dass sich der sprachlich verwendete Begriff ins Gegenteil verkehrt. Mal abgesehen davon, dass innerhalb der Politik ein Sprachstil Verwendung findet, welcher in den meisten Fällen zur Verwirrung führt oder nichtssagend ist. Beispiele hierfür sind unendlich. Eines der markantesten Beispiele ist Merkels Ausdruck der Alternstivlosigkeit. Auf der Welt gibt es nichts, was alternativlos wäre. Aber wie kann das eine Physikern wissen, die auch entgegen aller wissenschaftlichen… Mehr

Ostfale
5 Jahre her
Antworten an  [email protected]

Danke, setzen, Eins.

Eugen Karl
5 Jahre her

Ja, das ist das Schlimme an der Sache: seriöse Wissenschaft wird so diskreditiert. Diese „Unworte“ (warum zählt Unwort nicht selbst unter die Unworte?) könnten auch Journalisten oder Politiker jedes Jahr benennen; denn die jeweiligen Begründungen haben mit Sprachwissenschaft nichts zu tun. Sprachwissenschaftler tun sich zusammen, um ihre private politische Meinung kundzutun. Aber da es Sprachwissenschaftler sind, sollen wir diese für wissenschaftliche Forschungsergebnisse halten, als würde die Präferenz eines Mathematikers für die SPD zwangsläufig und also allgemeinverbindlich aus seinen Gleichungen hervorgehen.

Herbert Wolkenspalter
5 Jahre her
Antworten an  Eugen Karl

»warum zählt Unwort nicht selbst unter die Unworte?«

Weil unsere schöne Sprache solche Kreativität zulässt. Und das ist gut so. Sprache lebt. Sprachhass und Eingefrorenes ist nicht zu gebrauchen.

Marcel Seiler
5 Jahre her

Das „Unwort des Jahres“ hat sich zur Institution übler Diffamierung Andersdenkender entwickelt. Das noch unter dem Deckmantel der Humanität und der Aufklärung. Ich finde das ziemlich ekelhaft.

Franzl
5 Jahre her

Ihren ganzen Artikel zu lesen, war mir zu lange. Kurz zusammengefasst sind diese sogenannten „Unwörter“ Begriffe, bei denen die Jurymitglieder zutiefst im eigenen Konstrukt getroffen sind. Eine offene Diskussion über die Ursache dieses Wortes halten die nicht aus.
Das Jahr 2019 hat erst begonnen aber mein Wort wäre „Prüffall“.

Stiller Ruf
5 Jahre her

Eine Abschiebeverhinderungsindustrie gibt es – analog Islamisierung – nicht!

Jeder, der gegenteiliges behauptet wird – frei nach dem im Jahre 1946(!) von Franz Werfel verfassten Science-Fiction-Roman, „Stern der Ungeborenen“, – welcher sich auch mit der Situation eines total humanen Deutschlands zwischen Wk II u. III befasst, zu 48 Stunden Arrest o. einer entsprechend hohen Geldsumme verurteilt.

Wolkendimmer
5 Jahre her

Wer bezahlt eigentlich den jährlichen Schwachsinn?

Reinhard Schroeter
5 Jahre her

Aus familiären Gründen bin ich auch im ungarischen Sprachraum , dazu zählen ca. 15 Millionen Menschen im Karpatenbecken, zu Hause.
Mit Wohlstandsschwachsinn,wie der Suche nach Unworten- obwohl man es auch dort inzwischen zu gewissem Wohlstand gebracht hat- beschäftigt sich in diesem Raum niemand.