Peking etabliert sich zunehmend als geopolitische Vormacht in Zentralasien. Trump will die frühere US-Luftbasis in Afghanistan zurückhaben. Diesmal geht es jedoch nicht um die Verteidigung der Demokratie am Hindukusch, sondern um knallharte Sicherheitsinteressen und Hegemonie.
picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Julia Demaree Nikhinson
Vor kurzem erklärte der US-Präsident Trump überraschend, dass Washington den 2021 aufgegebenen Luftwaffenstützpunkt Bagram in Afghanistan wieder zurückhaben wolle. Zur Begründung verwies er auf dessen Nähe zu China. Der Stützpunkt liege „nur eine Stunde entfernt von den Orten, an denen China seine Atomwaffen baut“.
Der ursprünglich von den Sowjets erbaute historische Flugplatz diente nach den Anschlägen vom 11. September 2001 als Hauptstützpunkt der US-amerikanischen Streitkräfte in dem bergigen südasiatischen Land. Ihr Abzug im Jahr 2021 führte zur Machtübernahme der Taliban. Das Abzugschaos aus Afghanistan zählt zu den Tiefpunkten von Bidens Präsidentschaft.
Taliban-Reaktion
Zu erwarten war, dass die Taliban Trumps Forderung nach einer Rückgabe des früheren US-Luftwaffenstützpunktes zurückweisen würden. Der Politische Direktor im Taliban-Außenministerium Zakir Jalaly schrieb auf der Plattform X: „Die Afghanen haben in ihrer Geschichte noch nie eine ausländische Militärpräsenz akzeptiert.“ Eine US-amerikanische Militärpräsenz auf dem Stützpunkt in Bagram ist für die Taliban vermutlich nicht verhandelbar, da dies ihren Machtanspruch infrage stellen würde. Dieser beruht schließlich darauf, dass sie Afghanistan von ausländischen Mächten „befreit” haben.
Trotz alledem scheinen die Islamisten in Kabul die Aufmerksamkeit des US-Präsidenten als Chance zu betrachten. Auch ohne US-amerikanische Militärpräsenz sollten beide Länder wirtschaftliche und politische Beziehungen auf Basis gemeinsamer Interessen aufbauen. Dafür stünden „alle Türen offen”, hieß es aus Kabul.
Zu den wichtigsten Forderungen der Taliban für eine Annäherung an die USA zählt die Freigabe von sieben Milliarden Dollar an Währungsreserven der afghanischen Zentralbank. Diese sind in New York eingelagert und stehen nicht mehr unter ihrer Kontrolle. Eine Zusammenarbeit bei Rohstoffen und in der Terrorbekämpfung liegt im Interesse der USA und der Taliban. Im Gegensatz zu den IS-Terroristen vertreten die Taliban eine konservativ-traditionelle Auslegung des Islam, die eng mit paschtunischen Traditionen verbunden ist. Sie vertreten keine Ideologie im Kontext des globalen Dschihadismus. Sie wollen ihre Macht zementieren und betrachten den IS als Bedrohung für ihre Herrschaft in Afghanistan.
US-Bedenken wegen des Machtausbaus Chinas in Zentralasien
China etabliert sich immer mehr als Vormacht in Zentralasien. Vor allem, seit Russlands Ressourcen in der Ukraine gebunden sind und das Land immer mehr Einfluss in Asien und Nahost verliert, baut China seine Macht in der Region rasant aus. Inzwischen haben US-Medien enthüllt, dass Trump intern schon länger darauf gedrängt habe, die Taliban zur Rückgabe des Stützpunkts zu bewegen. Ein US-Regierungsmitarbeiter sagte dem Sender CNN, dass es in erster Linie um die Überwachung Chinas gehe.
Zu den neuen Fakten gehört aber, dass China seine Atomstreitkräfte in den letzten Jahren rasant ausgebaut hat. In Washington löste dies Besorgnis aus, dass die USA neben Russland bald einer zweiten Atommacht gegenüberstehen könnten. Im vergangenen Jahr teilte das Pentagon mit, die Volksbefreiungsarmee habe ihren Bestand an Atomsprengköpfen bis Mitte 2024 auf 600 Stück aufgestockt, was einem jährlichen Anstieg von 20 Prozent entspricht. Dennis Wilder, ein ehemaliger CIA-Experte für das chinesische Militär sagte gegenüber Financial Times, dass es sich bei der Anlage, auf die sich Trump bezog, um Pekings langjähriges Atomtestgelände Lop Nur in der Wüste der uigurischen Autonomen Region Xinjiang handele. „Die Flugdistanz von Lop Nur nach Bagram beträgt 2.000 Kilometer, die ein moderner chinesischer Düsenjäger in einer Stunde zurücklegen könnte“, sagte Wilder.
Chinas Angst vor Unruhestiftung durch Islamisten
In den vergangenen Monaten hat China in raschem Tempo einen Sicherheitsdialogmechanismus mit den Taliban und Pakistan entwickelt, um ein Wiedererstarken islamistischer Milizen mit Verbindungen zum IS in Zentralasien zu verhindern. Um an seiner Grenze für Ordnung zu sorgen und die Entstehung von Krisenherden zu verhindern, unterstützt China daher den Sicherheitsapparat der Taliban. Bereits im August 2024 hatten die Taliban anlässlich des dritten Jahrestags ihrer Machtübernahme in Bagram eine Militärparade abgehalten, an der unter anderem Diplomaten aus China teilnahmen.
Afghanistan grenzt an die nordwestliche chinesische Region Xinjiang, die in der Vergangenheit von Konflikten heimgesucht wurde. Peking macht dafür islamistische Militante und ethnische uigurische Separatisten verantwortlich, die die Gründung eines unabhängigen Ostturkestans anstreben.
Hinzu kommt, dass die USA derzeit eine Transitstraße über Armenien zwischen Nachschawan und Aserbaidschan planen. Damit würde sich unter anderem der Traum des türkischen Präsidenten Erdoğan erfüllen, einen Korridor von der Türkei über das Kaspische Meer nach Mittelasien zu bauen. China befürchtet nach der Machtübernahme der Islamisten in Syrien und dem Friedensabkommen zwischen Armenien und Aserbaidschan die Entstehung eines „muslimischen Korridors” von der Türkei über das Kaspische Meer hinweg bis durch das Gebiet der Uiguren. Die Chinesen glauben, dass dieser Korridor dem Plan der NATO dienen dürfte, den Aufstieg Chinas auf der Weltbühne einzudämmen.
Fazit: China hat Angst, dass Islamisten als Hebel gegen seinen Machtausbau genutzt werden könnten. Die USA wiederum wollen Chinas Einfluss in Zentralasien eindämmen. China rüstet massiv auf, vertieft seine Beziehungen zu seinen Nachbarländern und schließt mit ihnen Sicherheitspakte. Eine Eindämmung Chinas in seiner eigenen Nachbarschaft würde jedoch eine militärische Präsenz der USA erfordern.
Die Frage ist, kann Trump die Republikaner von seinem neuen Kurs überzeugen, auch, wenn er erneut Truppen nach Afghanistan entsenden müsste – allerdings nicht, um die Islamisten zu bekämpfen, sondern um die Weltmacht China in Schach zu halten. Diesmal geht es um knallharte Sicherheitsinteressen und Weltherrschaft. Ob sich die Nationalisten in den USA davon begeistern lassen, bleibt abzuwarten.




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Der soll doch erstmal die Regionalmacht Grönland erobern! Mächtigster Mann der Welt? Der poltert durch die Welt wie ein alternder Schlagersänger. Ich war nie ein Fan von Trump (Epstein Liste etc.). Wie in den USA Tradition, wird er wohl irgendwann im Weltmaßstab Amok laufen…
Trump ist im Great Game wie Putin und Xi und jeder US Präsident. Der letzte deutsche Einsatz im Great Game wurde vor 80 Jahren final beendet.
An der Dürftigkeit des einen afghanischen Luftwaffenstützpunktes in der ganzen Gegend, der für die USA infrage kommt, zeigt sich Trumps Schnapsidee aufs Deutlichste. Allein die Entfernung zum nächstliegenden „zuverlässig befreundeten“ Gebiet, das eine Verbindungsbasis sein könnte!
Indien, Türkei, div. muslimische Staaten der Ex-Sowjetunion. Global denken erfordert globales Agieren. Um Menschenrechte, Moral oder Gutmenschentum geht es da nicht. Der ukrainische Staatsschauspieler auf dem Präsidentensessel hat das doch vor der UN gerade gesagt. „Es braucht Waffen und gute Freunde, um sich zu schützen“. Die UNO taugt dazu nicht mehr.
Fun fact: Die Luftwaffenvasis wurde nicht von den USA, sondern von der UDSSR gebaut.
Ansonsten produziert Trump viel heiße Luft. Man sollte nur die tatsächlichen Aktionen analysieren und nicht irgendwelche nichtssagende Sprüche oder Träume.
Nicht vergessen Trump hat die Hutties besiegt und diese hatten ja kapitulieren, nur hat das jemand vergessen den Hutties zu sagen.
Es ist immer wieder für mich erstaunlich, dass folgende Tatsache im atomaren Rüstungswettlauf total ausgeblendet wird:,Ein Atomkrieg wird für keinen der Supermächte zu gewinnen sein. Für niemanden in der Welt. Daher kann man ganz gelassen die wachsende anzahl von Atomsprengköpfen in China zur Kenntnis nehmen. Gefährlicher ist der Islam, der sich politisch im Westen immer mehr Aktionsraum bis in die politischen Entscheidungsträger durchsetzt. Beispiele: Frankreich, Großbritannien, Deutschland nicht zuletzt. Dem Toleranzgebaren, die eine Unterwerfung unter dieser frauenfeindlichen und menschenverachtenden Ideologie bedeutet, und der Unterwerfung westlicher Politiker zuzuschauen, ist mittlerweile unerträglich. Auch die USA sind nicht von dieser Gefahr des sich… Mehr
Eigentlich ist der Islam keine Gefahr. Wir in Europa haben es doch mehrfach demonstriert, wie man den Islam kastriert. In Spanien und Osteuropa hatten wir ihn vertrieben und in Nordafrika komplett politisch und wirtschaftlich zu einer Petitesse negligeable zurück gestutzt. Man muss es halt wirklich wollen. Nur unsere Politiker machen es sich halt auf dem orientalischen Divan zu gerne und zu lange bequem. Das rächtsich dann irgend wann
Afghanistan ist der Stachel im Fleisch der SCO, ein chinesisch dominiertes Sicherheitsbündnis, das bis zu Belarus reicht. Afghanistan ist von SCO-Staaten umgeben. Der angeblich „chaotische“ Abzug der USA war nur auf der Ebene des militärischen Abzugs ungeordnet. Die Übergabe der Macht an die Taliban dagegen war durchorganisiert bis ins Kleinste. Es gab keine Plünderungen und keine Unordnung. Die staatlichen Stellen von Ratshäusern und Ministerien bis hin zum kleinsten militärischen Aussenposten wurden den Taliban zeitgleich Übergeben, so daß staatliche Dienstleistungen durchgehend verfügbar waren. Von Chaos keine Spur. Die Talibanregierung ist in der komfortablen Situation, sich dafür bezahlen zu lassen, daß sie… Mehr
Danke, das Puzzlestück fehlte mir noch. Das erklärt den „überraschenden“ Sieg der Taliban, den Import der Afghanen nach Deutschland (siehe auch das deutsch-türkische Gastarbeiterabkommen, das auf Druck der USA zustande kam und mit dem die Türkei für die Stationierung von US-Atombombern belohnt wurde) und die deutschen Tributzahlungen an die Taliban. Und es entspricht ja auch der üblichen US-Politik.
Ja, Trump greift durch! Aber das ist in diesem Land ja eine Todsünde!
Recht hat er, der Trump 👍🏻
„ Dieser beruht schließlich darauf, dass sie Afghanistan von ausländischen Mächten „befreit” haben.“
Was bitte sollen die Anführungszeichen bei dem Wort befreit geehrter Autor?
Das Land wurde in der Tat von ausländischen Mächten befreit, im wahrsten Sinne des Wortes.
Das ist eine infame Unterstellung, auch diesmal geht es einzig und allein um Demokratie, Mädchenschulen, Frauenrechte und Meinungsfreiheit!